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Simon Collins – Interview 2000

Simon Collins ist selbst auch Musiker und tritt damit zwangsläufig in die sprichwörtlichen Fußstapfen seines alten Herrn. Ob er dessen Weg einschlägt oder eigene Pfade erkunden will, sagte er uns vor einem seiner ersten Live-Auftritte am 2. Juli 2000 in Frankfurt beim Sound of Frankfurt-Festival.

it:Dein Album ist ja nun schon einige Zeit auf dem Markt. Bist du soweit zufrieden damit, wie es sich verkauft?

Simon: Ja, ich bin glücklich über seinen Erfolg und darüber, wie man die Platte angenommen hat. Die Pride-Single hat sich z. B. richtig gut verkauft. Ich habe das Album aber nicht unbedingt veröffentlicht, um möglichst viele davon zu verkaufen. Die Reaktionen haben mich in erster Linie interessiert. Ich wollte dass schon sehr lange. Musik zu machen ist meine Seele und meine Leidenschaft. Es gab einige Zyniker und Skeptiker, aber alles in allem waren die Leute sehr hilfreich. Ich bin also recht froh und konzentriere mich nun auf mein nächste Album. Diesmal schreibe ich die Musik an der Gitarre und viele meiner Rock ’n‘ Roll- und Grunge-Einflüsse werden hier zum Tragen kommen. Das wird anders, interessant …

   

it:Deutschland scheint ja für dich ein gutes Pflaster zu sein. Deine Plattenfirma ist hier, du hast das Album hier aufgenommen usw. Hättest du in deiner Heimat oder in den USA oder England nicht die selben Möglichkeiten gehabt?

Simon: Das hab‘ ich versucht. Vier Jahre lang klopfte ich einmal jährlich mit einem neuen Demo bei Leuten in Los Angeles an die Tür, aber sie sagten mir, ich solle damit nach Europa gehen, denn sie könnten so etwas nicht vermarkten. Meine Musik ist nicht für den US-Markt gemacht. Ich wußte, dass ich eines Tages nach Europa gehen mußte. Vor ein paar Jahren kam ich in die Schweiz, um zwei oder drei Monate mit meinem Dad zu verbringen. Ich hatte ein paar Stücke für ein Album in meinem eigenen und in anderen Studios in Vancouver aufgenommen. In Genf hab‘ ich auch ein paar Sachen gemacht. Ich wollte das alles zusammenstellen und auf eigene Faust veröffentlichen. Mein Dad schlug vor, es zuerst einigen Labels vorzuspielen, nur um mal zu sehen, wie die Reaktion ist. Die erste Firma, der ich es anbot, war die in Deutschland, und sie waren von Beginn an interessiert und wollten mit mir auf längere Sicht zusammenarbeiten. Zufälligerweise leben die Produzenten, die ich gerne wollte, auch in Deutschland. Es paßte somit alles zusammen.

it:Welche Pläne hast du für die Zukunft?

Simon: Nun, ich arbeite an der nächsten Platte. Ich bin gerade am Schreiben. Erst seit etwa acht Monaten spiele ich Gitarre – es ist interessant mit einem Instrument Musik zu schreiben, dass man nicht sehr gut beherrscht, denn du packst die Sache dann nicht von der intellektuellen Seite her an, sondern ob etwas gut oder schlecht klingt. Im Herbst werde ich wohl ins Studio gehen und das Album ist dann hoffentlich ab Februar erhältlich. Eine große Tour durch Deutschland, Österreich und die Schweiz soll danach folgen. So ist im Augenblick der Plan.

it: Angeblich hast du bereits 1994 in Peter Gabriels Real World Studios ein Album aufgenommen, dass aber nie veröffentlicht wurde. Was ist dran an dieser Geschichte?

Simon:Sie ist wahr. Ich war einfach noch nicht bereit. Ich hatte zudem den falschen Produzenten engagiert. Aber es ist ein tolles Studio, und ich würde sehr gerne wieder dort etwas aufnehmen – jetzt, wo ich einige Erfahrung habe und Leute für mich arbeiten, die meine Interessen besser kennen. Damals war ich noch auf dem Independent-Trip, und das hat einfach nicht funktioniert. Es ist da einiges auf persönlicher Ebene passiert, über das ich nicht gerne sprechen möchte. Aber es war eine große und teure [lacht] Erfahrung, die ich gemacht habe. Peter kam manchmal ins Studio, und er mochte die Musik.

it: In welche musikalische Richtung ging das Album?

Simon: Es war zeitgenössische Popmusik. Ich hörte damals viel Tears For Fears und Sting und daher versuchte ich, es so zu produzieren, wie deren Musik. Es war definitiv an dieser Art Pop angelehnt, aber irgendwie paßte das nicht wirklich zu mir. Ich dachte manchmal: „Das ist deine Musik? Es hört sich an wie von einem 40-jährigen.“ Aber auf dem Trip war ich halt. Eines Tages begann ich dann, mich für Underground, Techno, Trance, Grunge und Punk zu interessieren, und daraus entwickelte sich mein eigener Musikstil.

it: Was ist aus den Aufnahmen von 1994 geworden?

Simon:Die hab‘ ich bei mir zu Hause, wo sie langsam einstauben. Dann und wann hol‘ ich sie mal hervor, um zu lachen. [lacht]

it:In dreißig Jahren kannst du sie ja auf einer Simon Collins-Archive-Box veröffentlichen.

Simon: Die Songs waren zwar gut, aber noch nicht einmal dafür würde es reichen. Nun, im Moment arbeite ich an genügend neuen Songs. Vielleicht hole ich die alten Stücke in zwanzig oder dreißig Jahren wieder raus, wenn mir nichts Neues mehr einfällt. Wer weiß …

it:Kommen wir nun zu deiner Beziehung zu Genesis und deinem Dad. Wie würdest du den Kontakt zu deinem Vater beschreiben?

Simon: Zunächst muß ich sagen, dass ich eine außergewöhnliche Kindheit hatte. Ich wuchs in einer musikalischen Familie auf und meine Eltern unterstützten mich beide sehr mit meinen Träumen, mit meiner Musik. Es war toll, mit all diesen Tourneen aufzuwachsen. Genesis war für mich wie eine große Familie. Alle Kinder kamen in den Sommerferien mit auf Tour, und wenn wir da so am Bühnenrand saßen, schauten wir uns an und dachten: „Ach, dass sind doch nur unsere Dads, die da spielen – unsere Väter, die Rockmusiker.“ [lacht] Das war schon lustig – wie in einer Familie. Daher hat es mich ziemlich umgehauen, als mein Vater mir sagte, dass er die Band verläßt. Ein Teil meines Lebens endete damit auch für mich. Die Beziehung zu ihm ist etwas besser, seit ich in Europa lebe. Wir sehen uns öfter, aber unsere Terminpläne sind ziemlich voll. „Was machst du nächsten Monat, am Samstag, dem 21sten?“ – so läuft das bei uns. Aber wenn wir uns treffen haben wir sehr viel Spaß, trinken ein paar Bierchen zusammen und machen unsere Witzchen. Wir haben den selben Humor – sehr trocken, Monty Python-/John Cleese-mäßig. Da sind wir auf einer Linie. Wenn man die Entfernung bedenkt, die zwischen uns lag, als ich aufwuchs, hatten wir auch damals eine großartige Beziehung. Ich kann mich nicht beschweren.

it: Bei einem Bericht im deutschen Fernehen über die diesjährige Oscar-Verleihung übersetzte der Moderator die Ansprache deines Vaters. Demnach hat Phil gesagt, You’ll Be In My Hearthättest du für ihn geschrieben …

Simon: [lacht] Ich bekam daraufhin eine Menge Anrufe von Leuten, die mir gratulierten. Ich fragte: „Für was?“Die Antwort war „Du hast gerade einen Oscar für You’ll Be In My Heartgewonnen.“ „Das ist ja interessant“, antwortete ich, „aber ich kann mich nicht erinnern, irgendetwas für das Tarzan-Album mit meinem Dad zusammen geschrieben zu haben.“ Ich rief ihn an, dankte ihm für den Autoren-Credit und fragte ihn, wo mein Oscar sei. Er wußte natürlich nicht wovon ich sprach, bis ich ihm sagte, was man mir erzählt hatte. Die Erklärung war die, dass er einfach nur seinen Kindern für die Inspiration zu dem Stück gedankt hatte.

it: Hast du schon mal was mit Phil zusammen aufgenommen?

Simon: Nur so aus Spaß – in seinem Home-Studio. Das waren nur ein paar einfache Demos und einige davon sind wirklich witzig. Ich war zwölf oder dreizehn – wenn nicht noch jünger. Abgesehen davon, hat er bisher nur auf Pride die Backing-vocals mit mir zusammen gesungen. Das war Fun, aber ich glaube nicht, dass ich damit zurecht käme, mit ihm auf einer professionellen Ebene zusammenzuarbeiten oder ein Album mit ihm zu machen. Wir haben sehr unterschiedliche Einflüsse – er hatte seinen Motown und dergleichen und ich Nirvana. [lacht] In Zukunft könnte das vielleicht ein Thema sein – vielleicht kein kommerzielles Album, aber so etwas wie ein experimentelles Instrumentalalbum. Vielleicht ein Album nur mit Schlagzeug – eben etwas, dass weder er noch ich zuvor gemacht haben. Aber dass kann von mir aus noch zehn Jahre warten. Ich will mich erst mal selbst etablieren. Im Augenblick werde ich noch angesagt mit: „Das ist der Sohn von Phil Collins.“ Fuck – ich habe einen Namen. Ich bin selbst Künstler. Aber ich habe das erwartet und beim nächsten Album wird es schon etwas nachlassen. Irgendwann werden mich die Leute dann nur noch wegen mir selbst mögen.

it:Während Phils Dance Into The Light-Nordamerikatour warst du bei ein paar Konzerten als zusätzlicher Schlagzeuger mit auf der Bühne. Was hatte es damit auf sich?

Simon: Das war cool. Ich hatte schon vorher bei drei Konzerten der Serious-Tour – New Jersey, Detroit und Philadelphia – Schlagzeug gespielt. Ich spielte bei Easy Lover, und es war das erste mal, dass ich zusammen mit ihm auf der Bühne war – vor 30000 Leuten. Chester blieb zur Sicherheit am Drumkit hinter mir sitzen, falls ich Probleme bekommen hätte. Am ersten Abend klappte es perfekt und so ging ich am zweiten Abend voller Selbstvertauen ans Schlagzeug – und alles ging schief. Der dritte Gig klappte wieder einwandfrei. Das war schon lustig. Bei der Dance Into The Light-Tour haben wir es einfach mal wieder versucht. Wer weiß, wenn ich mal auf Tour bin, kommt er vielleicht für ein Drum-Solo auf meine Bühne. Übrigens, das Drum-Solo, dass mein Schlagzeuger und ich während der aktuellen Show spielen ist als Tribut an Genesis gedacht. Immer wenn ich Genesis live sah, war dass das Highlight der Show für mich.

Simon Collinsit: Hast du die Entwicklungen bei Genesis und in der Solokarriere deines Vater immer mitverfolgt?

Simon: Ich war stets mehr an Genesis interessiert, als an der Musik meines Dads. Genesis ist eine meiner liebsten Bands, und das nicht nur, weil ich mit ihnen aufwuchs. Es sind unglaubliche Songschreiber, unglaubliche Musiker und tolle Texter. Supper’s Ready ist der Hammer. Jedesmal wenn ich es höre überläuft es mich. Genesis hat mich immer mehr inspiriert als Phils Musik, die ich auch mag, die mich aber nicht so tief im Innersten berührt. Ich saß immer „Schattenschlagzeug“ spielend am Bühnenrand. Dabei habe ich mir übrigens einmal beide Arme gebrochen. Während der Duke-Tour fiel ich während einer Show mitsamt meines Stuhls von der Bühne. Die Fans, die das gesehen hatten, begannen meinen Namen zu rufen, um Phil darauf aufmerksam zu machen, was passiert war und dass ich mich verletzt hatte. Mitten in Turn It On Again schallte es Phil also plötzlich „Simon – Simon – Simon“ entgegen. Er beendete die Show, aber vor den Zugaben sah er nach mir. [lacht] Ich habe ’ne Menge Erinnerungen an diese Zeit.

it:Was ist deine Lieblings-Genesis-Epoche?

Simon:Nun, um ehrlich zu sein, ich habe z. B. Foxtrot oder A Trick Of The Tail noch nie gehört. The Lamb Lies Down On Broadway ist eine tolles Album. Ende der ’70er bis Anfang der ’80er Jahre ist meine Lieblingsepoche. Das kommt natürlich auch daher, weil ich in dieser Zeit persönlich mit der Musik verbunden war, und ich Genesis auf Tour und im Studio miterleben konnte.

       

it:Was hältst du vom Genesis-Line-up mit Ray Wilson?

Simon: Ich habe sie nicht live gesehen und habe nur ein paar Stücke des Albums gehört. Irgendwie habe ich das Interesse verloren, seit mein Dad nicht mehr dabei ist. [lacht] Es ist nicht mehr dasselbe für mich.

it: Würdest du dir wünschen, dass Phil zu Genesis zurückkehrt?

Simon: Wenn es ihn nicht glücklich macht, und er sich nicht weiterentwickeln kann, sicher nicht. Ich denke, er hat für sein Leben die richtige Entscheidung getroffen, und das ist o.k. so. Ich weiß nicht, ob die Entscheidung, Genesis mit neuem Sänger und neuem Drummer weiterzuführen, richtig war. Für mich hätte man einen Schlußstrich ziehen sollen. Aber das ist nur meine persönliche Meinung.

it: Kannst du dir vorstellen, in ein paar Jahren so erfolgreich zu sein, wie dein Vater heute?

Simon: Nein … nein, [lacht herzhaft] er ist schon extrem erfolgreich, und ich weiß nicht, ob ich das auch sein möchte. Ich hab‘ gesehen, mit was er es dadurch tagtächlich zu tun, hat und das macht keinen Spaß. Außerdem geht’s mir nicht um Reichtum und Berühmtheit, sondern darum meine Musik an die Leute zu bringen. Man will schon irgendwie bekannt werden, aber nicht im Sinn von Personenkult. Ich will nicht auf dem Cover jeder Illustrierten abgelichtet sein, sondern als Musiker und Songwriter respektiert werden.

it:Verbindet dich mit deinem Vater auch die Eigenschaft des Workaholic?

Simon: Meine bisherigen Freundinnen meinten, ich wäre einer, aber ich denke nicht, dass das stimmt. Die kennen meinen Dad nicht – der ist wirklich „Hardcore“. Er arbeitet von 9 bis 17 Uhr als Musiker. Er sieht das einfach als seinen Job an. Ich bin das Gegenteil davon. Ich mag es in den frühen Morgenstunden zu arbeiten. Manchmal mache ich auch ein Woche lang Pause. Es macht keinen Sinn, etwas zu erzwingen. Aber ich habe die selbe Art von Motivation und Antrieb, etwas zum Erfolg zu bringen, wie mein Dad.

Thanks for the nice chat, Simon! Good luck for your new album!

Interview, Photos, Transkription + Übersetzung: Helmut Janisch