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Rocking Horse Music Club – Which Way The Wind Blows (Anthony Phillips Tribute) – Gastkritiken

Das Tribute-Album Which Way The Wind Blows von Rocking Horse Music Club kam bei Fans so gut an, dass wir uns entschlossen haben, eine eigene Seite mit Gastkritiken einzurichten.

The Music Of Anthony Phillips

Mit unserem Website-Special haben wir ausführlich über das Projekt der amerkanischen Band Rocking Horse Music Club berichtet – zuletzt auch mit einer ausführlichen, analytischen Rezension. Nun wollen wir aber wissen, wie euch das Album gefällt und welche ganz persönlichen Eindrücke ihr habt. Wer seine eigenen Gedanken hier veröffentlichen möchte, wendet sich bitte an Christian.


… aus der Sicht vonThomas Jesse

Anthony Phillips….Wie zergeht mir der Name auf der Zunge. Ein Album von ihm zu hören ist immer ein Fest für mich. Insbesondere eines aus den Siebziger Jahren.
Hören genügt eigentlich nicht, denn man muss auch den Alben – Covern von Peter Cross mehr als einen Blick widmen. Es ist wie mit Ants Musik: Man entdeckt immer wieder ein neues Detail.
1978 fand meine erste musikalische Begegnung mit dem Ex-Genesis-Gitarristen statt. Seitdem hat er mich nicht mehr losgelassen. Und das, obwohl er zu den eher Stillen im Genesis-Kosmos gehört. So ist es auch nicht verwunderlich, dass er meines Wissens nie gecovert wurde. Außer von it-Mitgliedern beim grandiosen Ant-Event. Da war der Meister bei den Aufführungen aber dabei.
So war ich sehr erstaunt, dass sich eine Band aus New Hampshire, ausgerechnet US -Amerikaner, an die ur-britische Musik, die zwischen Mittelalter, Klassik, Rock, Prog, Folk, Pop liegt, heranwagte. Bei dem Projekt wirkten nicht nur die sieben Bandmates mit. Als ob ganz viele Musiker Ant die Ehre erweisen wollten, lese ich auf dem Cover die Namen von insgesamt 27 Mitwirkenden. Die Hackett-Brüder und Supertramps John Helliwell sind die bekanntesten Mitstreiter.
Also, wie ist nun der Höreindruck? Nee, stop, erst einmal das visuelle Fest erwähnen. Ein Fest, ja, weil unser aller Helmut auf Grundlage der Peter Cross Albengestaltung eine tolle Arbeit geleistet hat. Kennen wir ja schon von seinem Design des Lyric Books.
Wie ist sie denn jetzt, die Musik? Die Auswahl beschränkt sich im Wesentlichen auf Stücke der Alben The Geese & The Ghost, Wise After The Event und Sides. Hinzu kommt der Silver Song und mit Something Blue ein Stück von den Invisible Men-Sessions.

Ich möchte nicht dezidiert auf die einzelnen Stücke eingehen. Hier nur Streiflichter: Highlights für mich sind neben einem fantastisch ausgespielten Nightmare (Wahnsinn, das nicht enden wollende Saxophon-Solo….), die beiden doch etwas weiter von den Originalen, moderner arrangierten The Geese & The Ghost – Stücken Collections (ohne Streicher, mit Slide-Guitar!) und Sleepfall (Mit John Hacketts herrlichem Flötensolo) und die klasse gesungene Gesellschaftssatire Um & Aargh. Eine besondere Beachtung gebührt Something Blue. Ein Stück mit Jazz-Touch, herrlich gesungen von Evelyn Cornier!

Ein wenig enttäuscht hat mich Which Way The Wind Blows, singt da doch Noel McCalla, der mich auf Smallcreep’s Day so begeisterte. Er macht das gut, kommt aber um Längen nicht an Phil heran. Okay, die Messlatte hängt hier auch sehr hoch. Steve Hacketts Solo ist routiniert und weiß zu gefallen.

Das ist sowieso der Punkt. Anthony Phillips Kompositionen sind von so hohem Anspruch, dass eine gehörige Portion Mut dazu gehört, sie zu covern. Der Mut wurde belohnt. Ein schönes, rundes Album, das zwar nicht den Flair der Originale wiedergibt (geht auch gar nicht), sie jedoch sensibel in ein luftiges, modernes Gewand kleidet. Es gelingt dem Rocking Horse Music Club die Zeitlosigkeit dieser wunderschönen Musik darzustellen – mit mutigen neuen Arrangements und voll Ehrfurcht vor den Originalen. Für mich: Kaufpflicht!


… aus der Sicht vonChristian Gerhardts

Ein Tribute-Album mit Musik von Anthony Phillips? Zugegeben, mir kam das etwas abwegig und auch sehr ambitioniert vor, als ich von den Plänen hörte. Schließlich hat Anthony Phillips keine Gassenhauer und auch kein Massenpublikum wie andere im Genesis-Kosmos. Dennoch erschien mir das interessant, gerade weil ich mir selbst einige Arbeiten von Ant nur schwer erschließen kann. Ein Werk wie Harvest Of The Heart ist eine Menge Stoff und alle Alben abseits von The Geese & The Ghost waren für mich immer eher schwer zugänglich, vielleicht mit Ausnahme von Sides.

Nach dem ersten Hören aber stand für mich eines schnell fest: Das ist ein Album mit tollen Songs und durch den frischen Sound wirkt alles auch viel zugänglicher. Ferner ist der Gesang besser (oder besser produziert), als dies bei den Originalen der Fall war. Songs wie Paperchase oder Pulling Faces bekommen plötzlich viel mehr Leben und man entdeckt dadurch auch die Originale von Ant wieder. Dazu bereichern Gastmusiker wie Steve Hackett oder Noel McCalla das Projekt ungemein und machen natürlich nochmals neugieriger auf die Neuinterpretationen. Das Juwel des Albums ist für mich Something Blue. Das Original musste ich auch erst mal suchen – eigentlich existiert es ja gar nicht.

Somit ist Brian Coombes und seiner Band ein feines Album gelungen, das nicht nur die Arbeit von Ant würdigt, sondern Fans auch die Gelegenheit gibt, sich an das umfassende Werk von Anthony Phillips auf eine ganz andere Weise heranzupirschen.


… aus der Sicht von Helmut Janisch

Als ich von dem Projekt des Rocking Horse Music Club erfuhr, Ant Phillips-Stücke live zu spielen und ein Tribute-Album herauszubringen, war ich spontan so begeistert, dass ich mir Tickets für die Konzerte sicherte und meine bescheidenen Dienste bei dem Plakat und Albumcover anbot. So kam ich mit Brian Coombes in Kontakt und hatte dadurch auch ein wenig Einblick in die Entstehung des Albums.

Ursprünglich sollte ich nur das Frontcover machen, aber dann wurde daraus das komplette Design der CD. Nachdem Peter Cross sein Okay für die Nutzung seiner Originalartworks gegeben hatte und auch Ant selbst damit einverstanden war, entstand auf Basis meines Plakats für den Anthony Phillips Event 2014 eine weitere Collage diverser Elemente. Einige sind in CD-Größe jedoch nur schwer erkennbar. Wie schön wäre da eine LP-Version des Albums im Klappcover. Auf Wunsch der Band sollten neben The Geese & The Ghost auch die Alben Sides und Wise After The Event im Cover visuell dominant sein. Deshalb und aufgrund der anderen Proportionen (im Vergleich zum Plakat) hat das CD-Artwork seinen ganz eigenen Flair. Und es hat mir wahnsinnig Spaß gemacht, Peter Cross‘ stets liebevolles und oft spitzfindiges Artwork im „crossschen“ Geist neu zusammenzufügen. Das scheint mir gut gelungen zu sein, wie er mir nach Abschluss der Arbeiten schrieb.

Aber ein Album besteht ja nicht nur aus der Verpackung. Zum Glück ist es hier wie bei vielen Phillips-Alben auch so, dass Coverdesign und Musik auf gleichem Niveau sind und sich ergänzen. Nach dem ersten Anhören der CD hatte ich ähnliche Eindrücke, wie Andreas Lauer sie in seiner Rezension beschreibt. Der Opener und ein oder zwei andere Stücke begeisterten mich etwas weniger als zum Beispiel Paperchase, Something Blue oder Nightmare, bei denen sich sofort Gänsehaut bei mir einstellte. Aber das veränderte sich im Laufe der Zeit und inzwischen finde ich das komplette Album grandios. Man darf nicht vergessen, dass es Brian Coombes und seinen Jungs hier nicht um das schlichte Kopieren ging, sondern sie den Stücken einen neuen, zumeist moderneren Touch, oft auch eine etwas andere Richtung, geben wollten. Das ist meiner Ansicht nach gut gelungen ohne dabei die Originale zu verleugnen oder sich allzu weit davon zu entfernen. Die Promi-Unterstützung ist dabei sehr nett, aber auch ohne diesen Bonus wäre das Album sicher nicht weniger gut geworden, da die Bandmitglieder allesamt auf hohem Niveau spielen/singen. Mein ganz persönlicher Favorit ist aber Justin Cohn, dessen Stimme einfach umwerfend ist.

Which Way The Wind Blows ist in jeder Hinsicht eine tolle CD und wer sie schon hat, sollte sich ein paar weitere Exemplare kaufen und lieben Freunden oder Familienmitgliedern unter den Weihnachtsbaum legen.