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Rocking Horse Music Club – Live at Trading Boundaries 2019 – Konzertbericht
Neben der Tribute-CD Which Way The Wind Blows spielten Rocking Horse Music Club auch zwei Konzerte in England, an denen auch Noel McCalla beteiligt war und Rutherford-Tracks ebenso im Programm waren wie viele Klassiker von Anthony Phillips.
Rocking Horse Music Club featuring Noel McCalla
Rocking Horse Music Club plays The Music of Anthony Phillips featuring songs from The Geese & The Ghost, Wise After The Event, Sides – and many more plus selections from Mike Rutherford’s Smallcreep’s Day with original vocalist Noel McCalla.
Dieser Text auf den offiziellen Konzertplakaten und -flyern beschreibt inhaltlich zwar richtig aber auch lediglich nur sachlich jene Ereignisse, die am 15. und 16. November 2019 im Trading Boundaries, einer Konzert-Location der besonderen Art, stattfanden.
Als bekannt wurde, dass die amerikanische Band Rocking Horse Music Club in Sheffield Green in East Sussex (The Sheffield Park National Trust Gardens) zwei Konzerte geben würde, in denen die Musik von Anthony Phillips und Teile des bei den Fans sehr geliebten Debutalbums Mike Rutherfords, war es „nur“ Hoffnung, dass hier etwas Besonderes stattfinden könnte. Zu diesem Zeitpunkt (April 2019) war nur wenig über den Hintergrund und die Beweggründe bekannt. Wer war die treibende Kraft hinter dem Ganzen? Nun, nach und nach fand unser Fanclub mehr heraus und wie es bei Projekten dieser Art häufig der Fall ist, wurde klar, dass es nicht nur eine Person war, die letztendlich alles ermöglichte, sondern mehrere Köpfe, die nicht nur die Kompetenz, sondern auch die Möglichkeiten und den Mut hatten, den Ideen auch Taten folgen zu lassen. Antreibend bei dem Ganzen war sicher Brian Coombes, der Kopf der Rocking Horse Music Club-Band und Michael Clifford (Mitbesitzer des Trading Boundaries). Aus verschiedenen Begegnungen der beiden (RHMC spielten bereits 2018 live im Trading Boundaries) und dem Netzwerk beider begeisterten Musikliebhaber wurde es konkreter. Nach der Zusage von Noel McCalla sowie der Absegnung durch Mike Rutherford und der Beisteuerung Anthony Phillips‘ künstlerischer Beratung für das Ganze stand fest: Es wird zwei Konzerte geben, die etwas ganz Besonderes werden sollten. Mehr zu der Entstehung und der Geschichte des Projektes ist im exklusiven Interview, welches wir am 28.04.19 mit Brian Coombes führten, und auf der Website des Rocking Horse Music Club zu lesen. Zu diesem Zeitpunkt stand fest, dass wir uns die Gelegenheit, dies alles mitzuerleben, nicht entgehen lassen durften. Kurzerhand wurde alles dafür getan, den Trip nach England konkret zu planen.
Was macht Trading Boundaries aus? Es ist keine einfache Veranstaltungshalle, sondern ein spannender Ort, der neben Musik auch Verkaufsräume für Möbel, Kunst und Handwerk, ein Café, einen Plattenladen, Ausstellungen, ein Restaurant und eben eine Bühne beherbergt, auf der regelmäßig Konzerte stattfinden. Ist das also ein besonderer Ort, „hidden in the countryside“, wie es auf der Website zu lesen ist? Nun, dies kann man bejahen. Der Bekanntheitsgrad von Trading Boundaries steigt zunehmend und dies ist nicht zuletzt dem unermüdlichen Einsatz von Michael Clifford und seiner nicht verheimlichten Begeisterung für die progressive Musik der 70er Jahre zu verdanken. Eine absolut sehenswerte Ausstellung von Werken Roger Deans (diverse Yes-Albumcover und das bekannte Logo der Band stammen aus seiner Hand) zierte zu Zeiten der Konzerte die Räumlichkeiten.
Die Wartezeit bis zu den heiß erwarteten Konzerten wurde mit der Veröffentlichung der Albums Which Way The Wind Blows des Rocking Horse Music Club am 11. Oktober 2019 versüßt.
Im Dunkeln und den Reisestress in den Beinen erreichten wir am Donnerstagabend des 14. Novembers das im gefühlten Nirgendwo von East Sussex gelegene Trading Boundaries. Ein durchaus imposantes Haus bot sich uns und ab hier begann sich die „Magie“ nach und nach zu steigern.
In den folgenden Stunden hatten wir die große Ehre, der Generalprobe der Band zu lauschen, die intensiv übten und manchen Songs noch mehr Feinschliff verliehen. Was sofort auffiel: Alle Stücke wirkten live viel ausdrucksvoller und mit deutlich mehr Energie dargeboten als noch auf dem Which Way The Wind Blows-Tributealbum.
Noel McCalla, der sich zunächst im Hintergrund aufhielt, machte sich, nachdem einige Anthony Phillips-Songs gespielt waren, auf, um nun ebenfalls die Bühne zu betreten. Was nun passierte muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Es war das erste Mal überhaupt, dass Lieder von Smallcreep’s Day mit dem Original-Sänger mit Bandbegleitung live auf einer Bühne zu hören waren. Nicht nur die Band schien sichtlich beeindruckt von dem Ganzen und gab ihr Bestes, sondern Noel McCalla zeigte, was für ein toller Sänger er ist. Wenn sich bereits bei den Proben Gänsehaut-Momente breit machten, was sollte das dann erst an den Folgetagen werden?
Die Besonderheit an diesem Veranstaltungsort ist, dass man zweierlei Art von Eintrittskarten kaufen kann: Tickets mit einem servierten Zweigänge-Menü vor dem Konzert und Tickets, die „lediglich“ den Zugang und die Möglichkeit von Stehplätzen während der Show bieten. So etwas haben wir auch noch nicht erlebt und es war durchaus speziell. Übrigens war lediglich der zweite Tag ausverkauft. Es tat der Vorfreude keinen Abbruch und als um zirka 21.00 Uhr Michael Clifford die Bühne betrat und neben einigen eigenen Ankündigungen, die Besonderheit des Ganzen unterstrich, war klar: das hier ist kein normales Konzert! Es hatte eher den Charakter eines exklusiven Events.
Niemand Geringeres als Richard Macphail wurde von Michael angesagt, der dann, sich zuvor im Hintergrund haltend, ins Rampenlicht trat. Neben ein wenig Background, seine eigene Person rund um die Historie von Genesis erzählend, machte er subtil, aber nicht ungeschickt, Werbung für sein eigenes Buch My Book Of Genesis, welches er im Foyer verkaufte. Der „Magie“ dieses Abends wurde ein weiterer, feiner Tropfen hinzugefügt. Richard schloß seine Worte mit der Ansage des Rocking Horse Music Club und es ging los.
[Redaktionshinweis: Fotos der Show findet ihr am Ende des Artikels]
Die Band betrat die Bühne. Sie bestand am Anfang des Konzerts aus Brian Coombes (Tasteninstrumente, Gesang), Justin Cohn (Gesang, akustische Gitarre), Patrik Gochez (Keyboard, akustische Gitarre, Gesang), Brenden Harisiades (Bass), Myron Kibbee (akustische und elektrische Gitarren), Juli Finn (akustische und elektrische Gitarren), Mike McAdam (elektrische Gitarre), Eric Wagley (Schlagzeug). Bis auf Juli Finn, die erst seit einiger Zeit zur Band gehört, waren diese Musiker auf Which Way The Wind Blows zu hören.
Die kraftvollen ersten Klänge von Um & Aargh ertönten und die Reise in die musikalische Welt der Musik von Anthony Phillips begann. Es war ein gelungener Opener, der wie schon auf dem Album von Pat leicht fragil, an Anthonys Stimme erinnernd und gut gesungen wurde. Die Band sprühte vor Freude. Das war klasse anzuschauen und sehr gut anzuhören. Übergangslos ging es zu Traces vom Invisible Men-Album. Dieser Track war die erste Überraschung, da es nicht auf Which Way The Wind Blowsvertreten war. Justin Cohns wunderbarer Gesang und vor allem das Gitarrenspiel versprühten ein wenig das Flair einer Mike & The Mechanics-Nummer und zeigten, welches Potential in diesem Stück steckt. Irgendwo in den Weiten des Internets las der Autor dieses Berichts, dass unter den Voraussetzungen, dass Phil Collins diesen Song geschrieben und als Single veröffentlicht hätte, dies wahrscheinlich ein Hit geworden wäre. So bleibt es aber ein Lied von Anthony Phillips, sozusagen ein Geheimtipp, und das ist auch gut so.
Um das jüngste Werk des Meisters Strings Of Light zu huldigen, entschied man Jour de Fête, eine auf der 12-saitigen Gitarre von Myron gespielte Komposition, in den Set einzubauen. Wie uns Myron später verriet, bot sich dieses Stück an, da es von der Tonart ähnlich dem nun folgenden ist: Paperchase. Bereits auf dem Album ist es klasse, Justins Stimme zu lauschen. Die Performance war rockiger als das Original und gewann gegenüber der CD-Version von RHMC live noch mal. Toller Hintergrundgesang von Juli und gelungenes Gitarrenspiel rundeten alles ab.
Für den nächsten Song betrat Evelyn Cormier die Bühne und ergänzte damit die Band um eine weitere Künstlerin, die immerhin bei American Idol 2019 sehr erfolgreich teilgenommen hat. Natürlich sang sie Something Blue vom Tribute-Album und hüllte für die Minuten ihrer Darbietung den Schleier des Blues über das Publikum. Mike McAdam (Gitarre) und Juli (Hintergrundgesang, Gitarre) gefielen ebenfalls mit ihren ergänzenden Beiträgen.
Pulling Faces war bereits auf dem Album der Band durch die kraftvolle, am Original angelehnten, aber erneut rockigerer Interpretation, aufgefallen. Justin musste bei dieser schwer zu singenden Nummer wirklich alles geben. Die vielen Tempowechsel und Tonlagen muss man gesanglich erst mal packen und er tat dies ordentlich.
Die ursprünglichen Versionen nicht Eins zu Eins zu kopieren war das gesteckte Ziel des ganzen Projektes. So erklärte es Brian dem Publikum. Dies gilt für den nun folgenden Track, der im Original auf The Geese & The Ghost von Phil Collins gesungen wurde: Which Way The Wind Blows. Noel McCalla betrat die Bühne und verlieh mit seinem Gesang, wie schon auf dem Silberling zu hören war, dieser Komposition einen eigenen Touch, so wie sich das Brian sicher vorgestellt hat. Soul lag in der Luft, als die Band gemeinsam mit Noel dieses Lied vortrug. Interessanterweise wurde es zum Ende hin rockiger und hier ist man einfach verpflichtet, das unglaublich gute Schlagzeugspiel von Eric Wagley zu würdigen. Der Mann spielte wie ein Uhrwerk: kraftvoll, rockig – halt eine Bank, die im Hintergrund den Rhythmus vorgibt und hält. Jede Band kann sich glücklich schätzen, einen solchen Taktgeber in seinen Reihen zu haben. Ob die kurz vor Schluss gespielten Takte zufällig an The Knife erinnerten oder dies reine Absicht war, bleibt übrigens den Ohren beziehungsweise der Vorstellungskraft des Zuschauers überlassen.
Collections und Sleepfall: The Geese Fly West stellen bereits auf The Geese & The Ghost eine nahezu unzertrennliche Einheit dar und so wurden, wie schon auf dem Album des Rocking Horse Music Club, auch hier beide Stücke ineinander übergehend performt. Wo beim Original das Orchestrale im Vordergrund stand, wurde bei der Neuinszenierung dies mit dezentem Gitarrenspiel getauscht und gerade der Slidegitarrensound passte recht gut zu dieser Version. Pats Gesang verlieh Collections diesen verletzlichen Touch, der schon die Urspungskomposition prägte. Sleepfall wurde insofern gegenüber der Version von 1977 abgeändert als dass die Endsequenz deutlich kürzer geriet.
Mit Nightmare findet sich ein Highlight aus Anthony Phillips Repertoire auf dem Tribute-Album. Er gehörte mit zur Setlist und bildete den Abschluss des ersten Konzertteils. Die Version ist hörbar schneller gespielt und wie damals bereits Simon Phillips, spielt auch hier das Schlagzeug eine dominante Rolle. Wie Eric Wagley in einem persönlichen Gespräch erzählte, gefällt ihm Simon Phillips‘ Spiel sehr gut. Eric machte seinen Job erneut sehr gut. Besonders bemerkenswert ist Mike McAdams Beitrag an einem auf einem Ständer befestigen Theremin, der dem Song einen besonderen Touch verlieh. Zudem war da der Gesang von Caroline Carter, der, und das gab Brian zu, eine kleine Hommage an Pink Floyd darstellte. Und so waberte ein Touch von The Great Gig In The Sky durch den Raum als Caroline mit ihrem gesanglichen (textlosen) Beitrag den Song bis zum Ausklang begleitete. Für den Geschmack des Verfassers war diese Sequenz etwas zu sehr in die Länge gezogen, vielleicht konnte die Band aber einfach nicht von dieser Nummer loslassen.
An der Stelle sei der hervorragende Sound in den Räumlichkeiten erwähnt, der sehr ausgewogen und von der Lautstärke genau richtig war. Verantwortlich dafür zeichnete nicht nur das ausgezeichnete Equipment vor Ort sondern auch der unfassbar erfahrende Tontechniker (und Musiker) Roy Weard, der schon mit Größen wir Roger Chapman und Manfred Mann’s Earthband zusammenarbeitete. Durch sein Schaffen mit letztgenannter Band kannte er übrigens auch Noel McCalla. Es war nicht die einzige Reunion an diesem Abend. Um nämlich die Bedeutung dieses Abends allen Anwesenden und denjenigen, die diese Zeilen lesen, zu verdeutlichen, sei erwähnt, wer zum Publikum gehörte. Neben Roger Dean, der seine Werke nicht nur im Rahmen der Ausstellung präsentierte (und teils verkaufte), waren neben dem bereits genannten Richard Macphail, auch „the man himself“, Anthony Phillips, Dale Newman (Sänger von Bleak House auf Sides) und David Hentschel (Produzent diverser Genesis-Alben und Smallcreep’s Day) persönlich vor Ort.
Direkt nach der Pause ging es wunderbar weiter. Michael Clifford kündigte Juli und John Finn an, die sogleich die Bühne betraten. Sie spielten auf ihren Gitarren Tregenna Afternoons, einen Klassiker von Private Parts & Pieces Iund holten damit sogleich das Publikum zurück in die besondere Stimmung dieses Abends.
Diese sollte sich dann unmittelbar steigern, denn es folgte der nächste, oder vielleicht sogar der absolute, Höhepunkt dieses Abends. Wie schon den Promotionplakaten und -anzeigen zu entnehmen war, sollte eine Auswahl an Songs von Mike Rutherfords Debutalbum Smallcreep’s Day mit dem damaligen Sänger des Werks, Noel McCalla, präsentiert werden. Was mit den ersten Takten von Every Road begann, war förmlich eine Zeitreise und hier geschah etwas, was der geneigte Fan wahrscheinlich nicht für möglich gehalten hat. Der Gesang von Noel war einfach fabelhaft und lies Erinnerungen ans erste, persönliche Anhören dieser Stücke zurückkehren. Im Hintergrund begleiteten Juli und Pat mit ihren Gesängen Noels Performance. Wie Brian es an diesen Abenden schön formulierte, hatten diese Nummern schon immer einen besonderen Platz in seinem Herz und das beschreibt sehr gut das Gefühl, welches man als Fan dieses Albums hat.
Auf der offiziellen Setlist war Every Road übrigens der zweite Track des Smallcreep’s Day-Teils. Man entschied sich offensichtlich kurzfristig die Reihenfolge zu tauschen und so folgte an zweiter Stelle Time And Time Again, von dem Noel betonte, dass er schon immer zu einem seiner Lieblingssongs des Albums gehörte, der nicht zu altern scheint. Eine erneut klasse Darbietung, die gesanglich und spieltechnisch (klasse Gitarrensoli) keine Wünsche offen ließ. Toll!
Weiter ging es mit Working In Line, der einstigen Single-Auskoppelung der LP. Bevor es aber los ging, gab es am zweiten Abend eine nette Konversation von Noel, Brian und dem Publikum, wo locker in den Raum spekuliert wurde, ob es eine gute Idee sei, das komplette Album live aufzuführen. Diese Idee gibt es tatsächlich und gerade Noel scheint eine wirkliche Schwäche für diese Langrille zu haben. Dies wurde in sehr vielen Momenten deutlich: Working In Line machte Spaß und wieder überzeugte nicht nur der Gesang, sondern die gesamte Band. Auch der Sound des originalen Stücks wurde gut eingefangen.
At The End Of The Day beschloss das Special, bei dem Mr. McCalla, das wird die Mitglieder der Rocking Horse Music Club-Band nicht ärgern, im Mittelpunkt stand. Man erlebte halt besondere, einmalige Momente. Aus dem Publikum waren viele positive Reaktionen zu vernehmen. Aber auch Noel schien das Ganze sehr viel Freude zu bereiten. At The End Of The Day war wunderbar gespielt und vielleicht der stärkste Track der präsentierten Smallcreeps’s Day-Song-Sammlung. Gesanglich bot Noel eine überragende Leistung. Die Leute im Saal und auf der Bühne lagen ihm bildlich gesprochen zu Füßen.
Brian Coombes Lieblingssong auf Sides ist Bleak House, eine wunderschöne Nummer, klasse gesungen von Dale Newman. Der Wunsch war also groß, diesen Song auch live zu präsentieren. Patrik Gochez nahm sich dieser gesanglichen Herausforderung an und spielte, sich selbst am Piano begleitend, diesen Klassiker voller Hingabe. Die Anwesenden lauschten gebannt seiner Darbietung. Pat verdient für seinen Auftritt den größten Respekt und machte dieser Komposition alle Ehre. Es gab wohl seitens Dale Überlegungen, für dieses Lied selbst auf die Bühne zu treten und es zu singen. Weshalb es letztendlich nicht dazu kam, ist uns nicht bekannt.
Everywhere Is Home folgte. Es handelte sich dabei um eine Komposition aus der Feder von Brian Coombes und Patrik Gochez. Es war wohl etwas überraschend für beide, überhaupt einen Gospelsong zu schreiben, aber er funktionierte mit Justin Cohens Gesang und allen Beteiligten dermaßen gut, dass er sogar einen unabhängigen Musikpreis gewann. Diese Nummer ist Justin wie auf den Leib geschneidert. Er zeigt dabei sein gesamtes stimmliches Spektrum. Caroline Carter trägt mit ihrem Gesang ebenfalls dazu bei, dass dieser sich immer mehr steigernde und intensiv werdende Song eine sehr runde Performance war.
„We like to do a song about a departed friend“, diese Worte Brians kündigten das nächste Stück an, auf das der geprägte Anthony Phillips-Fan recht schnell kam. Silver Song ist spätestens seit seinem Bekanntwerden der Version mit Phil Collins ein kleines Juwel, auf das sowohl die Fans von Ant himself aber auch Genesis-Fans gerne zurückgreifen, um sich an die gute alte Zeit zu erinnern. Die sehr gitarrenlastige und recht rockige Version gefällt dem Autor schon auf dem Album nicht so gut. Live wurde dem Ganzen durch intensivste Beiträge an den Saiteninstrumenten der Charme leider endgültig genommen, den das Original hat.
Zu weiteren Überraschungen kam es bei den beiden Zugaben. Zunächst drehte die Band bei In The Beginning von From Genesis To Revelation, bekanntermaßen dem Debut-Album unserer Lieblinge, noch mal richtig auf. Juli Finn legte ihre Gitarre beiseite und übernahm den Gesang dieser Nummer. Das Ergebnis war eine frische Version, die das Potential dieses Tracks ans Tageslicht brachte. Julis Gesang war in Ordnung, aber man wünschte sich dennoch, dass sie emotional noch mal eine Schippe drauflegen würde. Das wäre dann das i-Tüpfelchen gewesen. Alles in allem war das aber eine prima Darbietung.
Der Abschluss des Konzertes bildete One-Eyed Hound, eine wunderbare, dunkle, intensive Nummer, ebenfalls aus den ganz frühen Tagen von Genesis und komponiert zu Zeiten, in denen Anthony Phillips noch ganz fest zum harten Kern der Band gehörte. Überraschend, aber auch einfach klasse, war die Tatsache, dass Brian Coombes den Gesang übernahm. Er machte das richtig gut. Ein wahres Gitarren-Feuerwerk wurde im Mittelteil des Songs abgefeuert, als zunächst Myron Kibbee, dann Juli Finn und zu guter Letzt Mike McAdam ihre Fertigkeiten zeigten. Applaus brandete auf, nachdem die letzten Noten dieses Abschlusses gespielt waren.
Nun, das Resümee beider Konzerte fällt sehr positiv aus. Hier hat sich gezeigt, was möglich ist, wenn aus einer konkreten Idee, die man dann aber mit Konsequenz und Nachdruck verfolgt, ein ganz tolles Endprodukt werden kann. Hut ab, Brian. Ihm und dieser engagierten Band verdanken wir zwei tolle Abende, die mehr an ein Fan-Event als an „normales“ Konzert erinnerten.
Bevor der letzte Absatz dieses Berichts geschrieben wird, sei eine Anekdote erwähnt, die gleichzeitig zum einzigen nennenswerten Unterschied an beiden Abenden führte. Beim zweiten Konzert war Juli Finn vor Nightmare nicht rechtzeitig auf die Bühne zurückgekehrt und so entschied man sich spontan einen Song aus der Feder Patrik Gochez‘ zu spielen: I’m Starting Over, eine Nummer vom The Hats-Album Chemical Drippers (eine Anschaffung lohnt sich durchaus). Patrik trug diese schöne Ballade solo am Klavier vor – unterstützt von Brittany Laine, ebenfalls Mitglied der The Hats – und bereicherte so das Konzert, zumal es genau diesen Flair traf, der auch Kompositionen aus der Feder Anthony Phillips‘ ausmacht.
Wir werden sehr genau verfolgen, wie es mit Rocking Horse Music Club jenseits des Atlantiks weiter geht. Pläne für eine U.S.-Tour gibt es wohl bereits. Ebenso wurden Ideen verlautbart, in denen man sich mit dem Debutalbum von Tony Banks, A Curious Feeling, beschäftigen wolle. Wir würden uns auf jeden Fall freuen, sie erneut erleben zu dürfen, vielleicht mit einem ähnlichen Programm, vielleicht mit einer komplett neuen Idee. Wir freuen uns darauf.