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Richard Macphail – Private Tales & Stories (5)
Im fünften Teil der Erzählungen von Richard Macphail geht es um die Neusortierung der Bandstruktur.
(aus it-Magazin #18, März 1996)
Hatte Richard Macphail Einfluss auf die Musik von Genesis?
Richard: „Nein. Sie waren zu diesem Zeitpunkt bereits sehr starke musikalische Charaktere, und sie hatten bereits ihren eigenen Musikstil und -charakter entwickelt. Die Tage, als andere Musik sie beeinflusste waren lange vorbei. Natürlich beeinflussen Musiker sich immer gegenseitig, aber was sich da gebildet hatte, war schon sehr eigenständig. Aus heutiger Sicht erscheinen die Alben dieser Zeit so vollgestopft – Millionen von Ideen, die hineingequetscht wurden. Inzwischen sind sie erfahrene Schreiber, und es ist für sie kein Problem, einen Song auf nur ein oder zwei Ideen basierend aufzubauen. Damals war jeder darauf aus, soviele Ideen wie möglich einzubringen. Ich bin mir sicher, sie stimmen da mit mir überein, dass sie manches heute einfacher halten würden. So ist das eben, wenn man noch ein junger, ‚unfertiger‘ Musiker ist.“
Richards Lieblingsstücke dieser Epoche?
Richard: „Viele verbinde ich mit sehr persönlichen Erinnerungen. Ich denke daran, wie sie vor ein paar hundert Leuten an einem Samstagabend in irgendeinem College Stagnation spielen, wie die Orgel hoch und runter geht und wie das ganze Stück aufgebaut ist. Es ist eine Art ’nostalgische‘ Erinnerung. The Knife mag ich wegen seiner Kraft und Spannung. Das ist ein gutes Beispiel dafür, wie die Studioaufnahme nur der Schatten dessen war, wie es sein sollte. Es war schon sehr enttäuschend, denn das Stück war ziemlich „heavy“, und nicht viel davon kam rüber, und so klang es schwach und schlaff auf dem Album. Watcher Of The Skies und Supper’s Readygehören auch zu meinen Lieblingssongs, ebenso wie The Musical Box – als ich es das erste Mal hörte, wusste ich, daß das ein Meilenstein war. Es war so etwas wie ein Vorläufer von Supper’s Ready, und damit wusste ich, dass sie anfingen, dorthin zu gelangen, wo ich sie gerne gehabt hätte.“
War Richard auch mit Genesis im Studio?
Richard: „Ich war immer mit dabei, aber nur als Roadmanager und nicht als Produzent. Ich machte keine Vorschläge zur Musik, wenn ich allerdings um meine Meinung gefragt wurde, sagte ich sie auch. Ich hatte damals auch mit dem Mischen des Livesounds zu tun, und so hatte ich schon eine Meinung, wie etwas klang. Damals, lange vor dem Einzug der Digitaltechnik in die Studios, arbeitete man wahrscheinlich mit 24-Spur-Bändern. Man nahm also die Basis des Songs mit Bass, Schlagzeug, Gitarren, Keyboards usw. auf und baute darauf den Song mit Overdubs etc. auf. Computergesteuertes Abmischen gab es damals auch noch nicht. Nachdem alles aufgenommen war, musste es wiederum von den einzelnen Bändern auf andere überspielt werden. So, wie es auf das Masterband überspielt wurde, war es dann auch. Heute ist alles computerisiert, und man kann Dinge sichern oder wieder ändern und eine Million Versionen von etwas zusammenstellen. Es ist alles viel einfacher, aber auch schwieriger, weil man so unendlich viele Möglichkeiten zur Auswahl hat. Ich war immer gerne mit im Studio, weil ich auch wußte, dass mein Interesse daran der Band wichtig war. Hin und wieder wurde ich nach meiner Meinung gefragt, aber es war ihre ‚Show‘, denn sie hatten die Musik geschrieben. Ich glaube, ich habe gegenüber einzelnen Bandmitgliedern erwähnt, dass mich die Qualität von Trespass und Nursery Cryme sehr enttäuscht hat, äußerte es aber nie laut. Dass ich von der Qualität von Foxtrot hingegen sehr begeistert war, war jedem offensichtlich. Bei den beiden Alben zuvor ließ meiner Meinung nach die Produktion einiges zu wünschen übrig. Es gelang nicht, das einzufangen, was aus meiner Sicht die Stärke und Energie von Genesis ausmachte. Die Musik war da, aber ich fühlte den Verlust an ‚Power‘. Sie waren offensichtlich eine Band, die schwer aufzunehmen war, und es gab damals sicher auch verschiedene technische Grenzen. Die unglaubliche Spannung, die die Band live erzeugte, war auf Trespass und Nursery Crymeverschwunden. Wie dem auch sei, bei Foxtrot, insbesondere bei Supper’s Ready, fühlte ich zum ersten Mal, dass es gelungen war, etwas davon einzufangen.“
Die Innenseite des LP-Covers von Foxtrot und das Cover der deutschen Watcher Of The Skies-7″ Single zeigen Photos der Bandmitglieder inklusive Richard Macphail. Es entsteht der Eindruck, Richard gehöre zur Band – was offensichtlich ja nicht der Fall war. Wie kam es dazu?
Richard: „Ich weiß es nicht. Wirklich, ich weiß nicht, wieso, und ich habe sie nie gefragt, wie sie darauf kamen, mich als gleichwertiges Mitglied abzulichten. Alles, was ich sagen kann, ist, dass sich unser Leben hauptsächlich ‚on the road‘ abspielte, wo ich den Sound mischte und dies recht gut erledigte. Ich wusste, wie das Publikum sie hörte, und ich wusste wohl auch, wie die Band selbst gerne klingen wollte. Der Mann am Mischpult hat alle Fäden in der Hand, denn er ist dafür verantwortlich, wie sich der Livesound anhört. Die Band selbst kann da nicht viel mehr tun, als einfach drauflos zu spielen. Weil wir eben oft auf Tour waren, war ich wohl dementsprechend wichtig für die Band. Mit dem Schreiben der Musik hatte ich überhaupt nichts zu tun, aber Peter sagte einmal zu mir, Tony habe gesagt, ich sei zu dieser Zeit das wichtigste Bandmitglied gewesen. Das hört sich jetzt nach Eigenlob an, aber dem ist nicht so, ich sage nur, wie es war. Es ist ungewöhnlich, dass einem Roadmanager solche Ehre zuteil wird. Eines der sechs Bilder auf der Unterseite des Albumcovers war meines in einer Art ‚gleichberechtigter Prominenz‘. Es war eine Überraschung für mich, denn ich hatte mir keine Gedanken darüber gemacht, welche Rolle ich in der Band spielte. Ich dachte überhaupt nicht viel nach – ich tat das, von dem ich annahm, es müsse gemacht werden, und das war genug für einen ‚full-time-job‘: alles am Laufen halten, sie so gut klingen lassen wie nur möglich, und so weiter. Ihrer Ansicht nach war diese Arbeit wohl irgendwie gleichwertig mit dem, was sie in die Gruppe einbrachten.“
… weiter zu Teil 6