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Richard Macphail – Private Tales & Stories (3)
Im dritten Teil der Erzählungen von Richard Macphail geht es um die Zeit im Cottage (und danach).
(aus it-Magazin #16, September 1995)
Das „Cottage“
Richard: „Meine Eltern besaßen dieses kleine Landhaus, das sehr abgelegen inmitten von Wäldern lag. Es war für die Band ein idealer Platz, um zu proben, denn sie würden dort niemanden stören. Das Haus sollte im Frühjahr 1970 verkauft werden, und so überredete ich sie, es uns zur Verfügung zu stellen. Ich war dort damit beschäftigt, nach dem Rechten zu sehen, während sie probten, kochte und machte mit dem Auto Besorgungen. Peter und ich riefen Leute an, die sich die Band ansehen sollten. Zu diesem Zeitpunkt gaben wir keine Konzerte, hatten keinen Agenten, keine Plattenfirma, keinen Manager, aber eine Menge guter Songs. Viele Leute kamen vorbei, und ich bekochte sie. Das Essen spendierten uns größtenteils die Eltern von Ant und Mike. Sie fuhren übers Wochenende heim und kamen mit Kisten voller Lebensmittel zurück. Davon lebten wir dann. Meine Eltern bezahlten die Rechnungen für das Landhaus und mein Vater, der damals im Bäckergewerbe arbeitete, besorgte uns einen alten Lieferwagen. John Mayhew war damals in der Band. Er war zwar kein sehr guter Schlagzeuger, aber ein ziemlich guter Schreiner. Er baute den Lieferwagen um, so dass all unser Equipment und wir selbst darin Platz fanden.
Kurz vor Weihnachten dieses Jahres hatten wir dann unsere ersten weiter entfernten Konzerte. Eines war in Birmingham und eines in Manchester. Das war so, als würde man ans andere Ende der Welt reisen. Wir brauchten einen ganzen Tag, dorthin zu gelangen, und einen weiteren Tag bis nach Manchester und wieder zurück. Das Landhaus lag auf einer recht steilen Anhöhe, und jedesmal, wenn wir ein Konzert hatten, mussten wir zunächst das gesamte Equipment diesen rutschigen Hang herunter zum Auto tragen, um es nach dem Gig wieder hinaufzuschleppen.
Ich hatte damals noch keinen Führerschein, und darum musste immer jemand mit mir fahren. Eines Tages fuhren Mike und ich in die nahegelegene Stadt Dorking, um dort einzukaufen. Am Vorabend hatten wir £50 für einen Auftritt bekommen, was damals viel Geld war. Da geschah es, dass ich einen anderen Wagen streifte. Ich hatte einfach nicht weit genug ausgeholt, und so waren wir unsere £50 los, denn soviel kostete die Reparatur des anderen Autos.“
War Richard wichtig für Genesis? War Genesis wichtig für Richard?
Richard: „Beides! Die Band war damals mein Leben. Ich glaubte sehr an sie. Als ich von Israel zurückkam, interessierten sie mich, weil sie meine Freunde waren und weil sie sich in eine neue Richtung bewegten. Sie hatten das Album mit Jonathan King gemacht, wurden im Radio gespielt und all dies. Als wir ins ‚Cottage‘ zogen, wurde mir bald bewusst, dass ich die Musik, die sie spielten, sehr mochte. Insofern wurden sie wichtig für mich. Ich denke, daß ich wichtig für sie war, weil ich bemüht war, alles immer am Laufen zu halten und dafür zu sorgen, daß alles einfach funktionierte. Ich denke, ich war mir dessen damals nicht bewusst, aber mein Enthusiasmus war sicher wichtig. Sie zweifelten an ihrem Können, ob sie weitermachen sollten oder nicht und ob man ihre Musik mögen würde, ich nicht. Ich war überzeugt, daß sie es packen würden, wenn sie weitermachten, und hatte nicht einen Moment Zweifel daran. Wahrscheinlich war das etwas naiv, aber ich war überzeugt, sie seien das Größte. Nachdem Trespass fertiggestellt war, stand die Band an der Schwelle zwischen Aufhören und Weitermachen. Ant war ein wichtiges Mitglied der Gruppe, und er verließ sie. Es gab auch Zweifel an John Mayhew. Die tagtäglichen Aktivitäten ließen für nichts anderes als Genesis Zeit. Aber ich war jung, und es war mir auch eigentlich egal. Ich dachte, sie seien so gut, dass es schade wäre, wenn die Welt das niemals herausfinden würde.“
Im Sommer 1969 waren sich die Mitglieder von Genesis unsicher, ob sie als professionelle Band weitermachen oder getrennte Wege gehen sollten, um weiterzustudieren oder sich Jobs zu suchen. Letztendlich beschloss man, ein Jahr lang das „Pop-Geschäft auszuprobieren“.
Richard: „Nachdem Trespass fertig war, war auch dieses Jahr um. Sie hatten einen Plattenvertrag, eine neue Platte, und es war an der Zeit, zu entscheiden, was nun geschehen sollte. Ich war sehr dafür weiterzumachen, weil ich fühlte, dass es eine Zukunft gab. Die anderen waren unsicher, aber am Ende beschlossen wir, nicht aufzuhören – mit der Ausnahme von Ant. Ich denke, er hatte Schwierigkeiten mit den Liveauftritten, aber der Hauptgrund lag in seiner schlechten Gesundheit und darin, dass er etwas nervös veranlagt war. Nachdem das Album fertig war, gaben wir eine Zeit lang keine Konzerte, oder nur sehr wenige. Das war im Sommer 1970. Er war sehr oft krank und beschloss, dass diese Form des Lebens nichts für ihn war.
Ich muss sagen, dass Ants Ausstieg ein großer Schlag war. Er war von großer Bedeutung für die Gruppe. In den frühen Tagen hatte er Genesis wirklich vorangetrieben, und ohne ihn wäre die Band nicht da gewesen, wo sie jetzt waren. Wenn Personen wie er weggehen, verändert sich alles. Wenn Phil nicht kurz darauf hinzugekommen wäre und dadurch die Band verändert hätte, wäre alles sehr viel anders gekommen. Ant ging weg, und Mike, Peter und Tony beschlossen, weiterzumachen und einen neuen Drummer zu suchen. Sie baten John Mayhew, die Gruppe zu verlassen, und begannen, Schlagzeuger vorspielen zu lassen, bis sie schließlich Phil fanden.“
Siehe auch: Artikel zum Cottage im DUSK, den wir auf Deutsch übersetzt und hier veröffentlicht haben.
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