- Artikel
- Lesezeit ca. 4 Minuten
Richard Macphail – Private Tales & Stories (2)
Im zweiten Teil der Erzählungen von Richard Macphail geht es um die Anon / Garden Wall Connection.
(aus it-Magazin #15, Juni 1995)
Obwohl Genesis zu diesem Zeitpunkt noch nicht als Band existierte, war das Schulabschlusskonzert im Sommer 1966 tatsächlich der erste gemeinsame öffentliche Liveauftritt der späteren Bandmitglieder.
Richard: „Am Ende meines letzten Schuljahres in Charterhouse, im Sommer 1966, gab es ein Konzert, The Beat Concert betitelt, bei dem Anon und The Garden Wall auftraten. Ich hatte gerade begonnen, mir regelmäßig in Londoner Clubs wie dem Marquee Livebands anzusehen. Rivers, Mike, Ant und ich nutzten die Ferien dazu. Es war sensationell, Bands live zu erleben – unglaublich laut, und die Energie war packend. Ich wollte das nachahmen. Meine Idee war also, wir würden in einer Art Clubatmosphäre ohne Bestuhlung spielen. Geoffrey Ford, einer der Musiklehrer von Charterhouse, half uns, alles zu organisieren. Aus heutiger Sicht war er recht liberal und tolerant. Er erlaubte zwar das Konzert, nicht jedoch in dieser Form. Er wollte eine ordentliche Bestuhlung – eine Ordnung, die man unter Kontrolle hatte. Ein anderer Punkt, den er ablehnte, war, dass ich Ansagen zu den Songs machen wollte. Normalerweise sagte der Sänger zwischen den Titeln ein wenig über den folgenden Song, aber er erlaubte es nicht, wohl weil er dachte, es sei zu gefährlich. Ich weiß nicht, was er dachte, was ich sagen könnte, aber es war wohl eine Frage der Kontrolle. Er wollte bei den Proben dabei sein, und er wollte auch exakt wissen, was wir auf der Bühne machen wollten. The Garden Wall bestand aus Peter, Tony und Chris Stewart. Anthony war in beiden Gruppen, weil er zusammen mit Peter, Tony und Chris in einem Internatshaus wohnte und sie zusammen musizierten. Es gab Zeiten, in denen man sein Haus nicht verlassen durfte und da war es ein großer Vorteil für sie, dass sie alle in „Duckites“ wohnten. Aber soviel ich weiß, war das Konzert im Sommer ’66 das erste Mal, dass sie gemeinsam öffentlich auftraten – allerdings war es gar nicht so zusammen. Tonys Klavier stand vor der Bühne, und er spielte ohne Verstärker. So bekam nur die Hälfte der Zuschauer mit, dass er überhaupt da war. Beide Bands spielten je zwei Sets. Erst spielte The Garden Wall, dann wir, dann wieder sie und am Ende wieder wir. Die ganze Schule war versammelt. Ich erinnere mich an einen Song, bei dem Chris Stewart gar nicht zum Ende kommen wollte. Er spielte einfach immer weiter, und Peter versuchte verzweifelt, ihn zum Aufhören zu bewegen. Sie waren eben nicht so gut organisiert wie Anon, aber sie hatten eine außergewöhnliche Einstellung zu sich selbst. Eine Sache, die Peter machte, war, dass er Hüte entwarf – hohe witzige Hüte. Er trug einen davon bei diesem Auftritt, und das war sehr erstaunlich für mich. Er hatte ganz deutlich seine eigenen Vorstellungen.
Dieses Konzert war eigentlich auch das Ende meiner Zeit bei Anon. Rivers und ich verließen Charterhouse. Anon bestand in kleinerer Form weiter, und der nächste große Einfluss waren Cream mit Eric Clapton, Jack Bruce und Ginger Baker. Aus der Band wurde für kurze Zeit ein hauptsächlich instrumentales Trio, und dann begann auch schon die Ära Genesis, und Anon hörte auf zu existieren.“
Pennsylvania Flickhouse ist der Titel eines Songs, den Ant für Anon geschrieben hatte und der sogar aufgenommen wurde.
Richard: „Nur dieses eine Stück wurde aufgenommen. Jemand nahm auch unseren Auftritt kurz vor Weihnachten 1965 auf, ein Kerl namens Brian Roberts, der ebenfalls in Charterhouse war. Er war begeistert von jeder Form von Technik, und er nahm die ganze Show auf, inklusive unserer drei Songs. Ich hörte die Aufnahme ein- oder zweimal, und das war es auch schon. Mit dem Hintergedanken, was für ein Typ Brian war, würde es mich sehr wundern, wenn er die Aufnahme nicht aufgehoben hätte.“
Richard Macphail und Peter Gabriel waren beide gute Sänger. Aber als Genesis entstand, war es Peter, der Sänger der neuen Band wurde und nicht Richard.
Richard: „Es gab nie die Frage: ‚Er oder ich?‘. Die beiden Bands liefen für kurze Zeit parallel nebeneinander, genaugenommen nur für dieses Konzert im Sommer ’66. Danach ging ich fort, und Ant wollte weiterhin Musik machen. Die Leute aber, mit denen er gespielt hatte, Rivers und ich, waren weg. Also wandte er sich natürlich der anderen Band zu. Die Frage, ob Peter oder ich das Rennen machen würden, habe ich nie gesehen, und soviel ich weiß, wurde auch nie darüber diskutiert, ob ich der Sänger werden sollte.
Ich glaube, man kann sagen, dass Peter durch mich insofern beeinflusst wurde, dass ich vor ihm Sänger in einer Band war und er das dann auch machen wollte. Der Weg war für ihn frei, als ich von Charterhouse wegging, aber als großen Konkurrenzkampf habe ich das nie gesehen.
Als ich dann später wieder in Kontakt mit der Band kam, war meine Funktion eher eine unterstützende, und das war und ist etwas, worin ich gut bin. Ich hatte meine feste Funktion als Roadmanager, und es ist sehr schwierig, aus dieser Rolle zu schlüpfen und ein aktives Bandmitglied zu werden. Ein weiterer großer Unterschied zwischen Peter und mir ist, dass ich nie selbst Musik geschrieben hatte.
Sehr viel später war ich wohl dann doch noch einmal als Sänger im Gespräch, wie mir Mike Rutherford erzählte. Das war, als Peter nach der Lamb-Tour die Band verlassen hatte, man am A Trick Of The Tail-Album arbeitete und die Rolle des neuen Sängers noch zu vergeben war. Es sangen sehr viele Leute vor, und irgendwie fiel auch mein Name. Aber es kam nie zu einem Vorsingen, und es war auch nicht so, daß ich den Job unbedingt haben wollte. Es war in der Zwischenzeit sehr viel passiert, und mein Leben ging in eine andere Richtung.“
… weiter zu Tei 3