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Richard Macphail – Biografie
Richard Paul Macphail wurde am 17. September 1950 in Bedford, England, als drittes Kind von David und Mary Macphail geboren…
(Auszug aus it-Magazin #14, März 1995)
Richard Macphail 1994
Richard Paul Macphail wurde am 17. September 1950 in Bedford, England, als drittes Kind von David und Mary Macphail geboren. Seine Eltern waren gerade erst aus Brasilien zurückgekehrt, wo Richards Vater arbeitete. Um zu vermeiden, dass Richard durch die Geburt in Brasilien eines Tages dort eventuell Wehrdienst leisten müsse, übersiedelte die Familie einige Monate vor seiner Geburt nach Bedford zur Familie von Richards Mutter. Wenig später zog man nach Bramley (bei Guildford, Surrey) um. Von 1958 bis 1963 besuchte Richard die Aldro School in Shackleford, um dann im Alter von 13 Jahren zur Charterhouse School in Godalming zu wechseln. Die enorme Größe der Schule war anfangs auch für Richard etwas irritierend, und er vergleicht den Wechsel von der „Prep School” zu Charterhouse damit, dass er vorher „ein großer Fisch in einem kleinen Teich” war und dann „ein kleiner Fisch in einem sehr großen Teich”. Richard war zu dieser Zeit bereits begeistert von jeder Art Popmusik.
Schon bald lernte er Rivers Job kennen, der wiederum mit Anthony Phillips gerade begonnen hatte, eine Band zusammenzustellen. Richard hatte man irrtümlich für den Posten des Schlagzeugers vorgesehen, obwohl er dieses Instrument nicht beherrschte. Allerdings hatte er eine gute Stimme, und so bekam er stattdessen den Posten des Sängers. Wenig später stießen Rob Tyrell und Mike Rutherford zu dieser Schülerband, und unter dem Namen Anon begann ein Teil von dem, was später Genesis werden sollte. Anon spielte hauptsächlich Coverversionen, überwiegend Rolling Stones-, Beatles- und Yardbirds-Nummern, später aber auch eigene Kompositionen, und traten damit meist bei Parties auf. Bei ihrem ersten richtigen öffentlichen Auftritt anlässlich eines Schulfestes 1965 erwarben sich die damals erst 14-15jährigen die Gunst vieler älterer Mitschüler und hatten danach wohl einige Vorteile in der komplexen „Hierarchie” der Schule. Es entwickelte sich eine enge Freundschaft zwischen Richard und Anthony. Daneben lernte er mit Peter Gabriel, Tony Banks und Chris Stewart (sie wohnten im selben Schulhaus wie Anthony) weitere Gleichgesinnte kennen, die ebenfalls begonnen hatten, zusammen Musik zu schreiben und eine eigene Band, The Garden Wall, aufzubauen. Zum Schuljahresende im Sommer 1966 fand dann das fast schon legendäre Konzert von Anon zusammen mit The Garden Wall statt, das in gewisser Hinsicht die Verschmelzung von Anon und The Garden Wall zu Genesis einleitete.
MR, PG, Richard, PC ca. 1972
Richards schulische Leistungen wurden von seinem Drang, in einer Popgruppe zu sein, überschattet und immer schlechter. Darum musste er Charterhouse im Sommer 1966 verlassen und wechselte zur Millfield Public School in Street/Somerset, im Südwesten Englands. Wiederum schloss er sich einer Band an, die sich The Austin Hippy Blues Band nannte und auch Coverversionen nachspielte. Ebenfalls in dieser Band war Harry Williamson, der über Richard die Bekanntschaft mit Anthony Phillips machte und mit diesem zusammen Jahre später Werke wie Tarka und Gypsy Suite komponierte und aufnahm.
Obwohl räumlich von seinen Freunden in Surrey getrennt, hielt Richard den Kontakt, vor allem mit Anthony, der zum damaligen Zeitpunkt sein bester Freund war. Sie schrieben sich regelmäßig und trafen sich in den Ferien. Das war zu der Zeit, als aus den beiden Schülerbands bereits das erste Line-up von Genesis geworden war. Im Sommer 1968 ging Richard nach Israel und lebte dort sechs Monate lang in einem Kibbuz. Er kann sich noch daran erinnern, als er dort A Winter’s Tale (Genesis‘ zweite Single) im Radio hörte und es fast nicht glauben konnte, dass er in Israel seine ehemaligen Bandkollegen im Radio hörte. Genesis entwickelte sich nun immer mehr zu einer professionellen Band. Richard kam nach England zurück und war mit dabei, wenn die Band irgendetwas unternahm. Aber der ursprüngliche Wunsch, einfach nur mit seinen Freunden zusammen zu sein, entwickelte sich bei Richard sehr bald zu einer Liebe zu der unvergleichlichen Musik von Genesis, und die Band wurde sein Leben. Er machte es sich zur Aufgabe, Band zu unterstützen und in eine gesicherte Zukunft zu begleiten, auch ohne an der Entstehung der Musik selbst beteiligt zu sein.
Richard 1972
Ende 1969 zog sich Genesis in das Landhaus von Richards Eltern zurück. In der Abgelegenheit dieses „Cottage” arbeitete die Band an neuen Ideen und Songs für das Trespass-Album, während Richard damit beschäftigt war, sie zu versorgen und zusammen mit Peter Termine mit interessierten Leuten im Musikgeschäft zu organisieren. Nachdem Genesis von Charisma Records unter Vertrag genommen worden war, zog die Band nach London, und Richards Funktion entwickelte sich zu der des „Roadmanagers”, der sich um die Beschaffung von Equipment kümmerte und den Tourbus von Konzert zu Konzert lenkte. Später schlüpfte er dann auch in die Rolle des Soundmixers und sorgte somit dafür, dass die Band so klang, wie sie sollte und wie das Publikum es gerne hörte. Im jährlichen Zyklus von „Auf-Tour-gehen – Neue-Songs-schreiben – Neues-Album-aufnehmen – Auf-Tour-gehen” durchlebte Genesis die nächsten drei Jahre, und Richard blieb ein fester Bestandteil der Band.
Obwohl er sich selbst nie als Teil von Genesis sah, dachte die Gruppe wohl doch anders darüber. So weisen ihn die Credits des Foxtrot-Albums als gleichwertiges Bandmitglied aus, und sein Portrait ziert neben denen von Tony, Steve, Phil, Mike und Peter das Innencover der LP. Gleiches gilt auch für die deutsche Watcher Of The Skies-7″-Single, wo Richard nebst Tony, Peter & Co. auf der Vorderseite abgebildet ist.
Die LP Foxtrot und insbesondere das Werk Supper’s Ready waren es schließlich auch, die in Richard das Gefühl weckten, Genesis habe nun den Entwicklungsstand erreicht, den er sich von Anfang an für die Gruppe gewünscht hatte. Nach Tiefschlägen, wie z.B. dem Ausstieg von Anthony Phillips, hatte die Band offensichtlich nun Ihren Stil gefunden und war soweit gefestigt, dass Richards Hilfe von nun an nicht mehr nötig war. Zudem wollte er sich verändern und etwas Neues erleben. Darum verließ er im April 1973 seine Freunde, und das folgende Genesis Live-Album wurde Richard gewidmet.
Richard interessierte sich sehr für unabhängige Gemeinschaften und die Idee, auf dem Land in einer Art ökologischer Balance zu leben: die ersten Anfänge von Umweltschutzdenken verbunden mit unterschiedlichen Versuchen, wie Menschen miteinander leben könnten. Er kam zu einer Organisation namens Gentle Ghost, die versuchte, diesen Gemeinschaftsgedanken in die Tat umzusetzen. Man konnte die Leute dort für die verschiedensten Arbeiten engagieren, wie z.B. Maler- oder Gartenarbeiten und Wohnungsumzüge. Letzteres machte Richard eine Zeit lang und verdiente sich damit sein Geld. Gentle Ghost veranstaltete aber auch die verschiedensten Kurse, wie z.B. über Schreinerei oder Elektrik, Selbsthypnose und Yoga. Eine Zeit lang führte Richard dort dann das vegetarische Restaurant.
Tony Stratton Smith, Richard,
SH, Gail Colson, 1971
Aber Richard sollte noch zweimal mit Genesis zusammenkommen. Im Frühjahr 1974 geschah es, dass der damalige Lichtmixer von Genesis, Les Adey, kurzfristig ausfiel und man Richard fragte, ob er dessen Job für eine gewisse Zeit übernehmen würde. Obwohl er von Bühnenbeleuchtung praktisch keine Ahnung hatte, sagte er zu und mischte etwa einen Monat lang zu aller Zufriedenheit das Licht bei einigen Konzerten in Nordamerika. Nachdem er von Les wieder abgelöst worden war, nutzte er die Gelegenheit, um noch einige Monate durch die USA und Kanada zu trampen.
Richard blieb in Kontakt mit der Band, und jeder machte für sich alleine weiter. Als Genesis für 1976 ihre erste Tour nach dem Ausstieg von Peter Gabriel planten, bot sich Richard an, das Roadmanagement für den europäischen Teil der Tour zu übernehmen. So kehrte er im Sommer 1976 zum zweiten und bislang letzten Mal zur Stammband zurück.
Zu Peter Gabriel zog es ihn allerdings schon bald darauf zurück. Von Anfang 1977 bis Ende 1978 war er Peters Manager. Bei allen Aktivitäten begleitete er ihn und organisierte seine Aktivitäten im Studio und auf Tour als Roadmanager.
1979 stieg Richard noch einmal als Sänger in eine Band ein, die sich (unter anderem) MC 2 nannte, allerdings wenig erfolgreich war und auch keine Veröffentlichungen (mit Richard als Sänger) hervorbrachte.
So kehrte Richard 1980 der professionellen Musik schlussendlich den Rücken und begann mit dem, was er bis heute macht. Schon seit jeher hatte er sich für Umweltfragen interessiert. Er hatte jemanden kennengelernt, der für die University of Westminster Solarenergie-Forschungen betrieb. Mit ihm zusammen gründete er die Firma Optima Energy, eine Energie-Effizienzberatung, die über die Möglichkeit von Energieeinsparungen berät und per Computer Problemlösungen erstellt. So ist Richard heute sein eigener Chef und Mitinhaber der erfolgreichen Firma.
Autor: Helmut Janisch, 1995
Richard, PG, Tony Smith, 1978