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Ray Wilson – Propaganda Man – Rezension

Bereits Ende 2007 kündigte Ray Wilson ein neues Album an, das 2008 erscheinen sollte. Zunächst war es für den Sommer vorgesehen, doch erst während der Acoustic-Tour im frühen Herbst sickerte der Name durch: Propaganda Man. Das Album ist bei Ray nun erhältlich, im Frühjahr soll es in den Handel kommen. Wir haben reingehört.

2006 veröffentlichte Ray Wilson unter dem Bandnamen Stiltskin das Album She, das bei den Fans insgesamt sehr gut ankam. Zunächst konnte man das Album nur über seine Website beziehen, später war es unter dem Namen Ray Wilson & Stiltskin auch im Handel erhältlich. Mit She konnte Ray in erster Linie seinem Faible für schwere Rockmusik ein Ventil verschaffen. Manche sind der Meinung, dass She das beste Songmaterial von Ray bislang enthielt.

In der Folge erschien eine Live-CD zur Stiltskin-Tour, danach speckte Ray sein Tour-Lineup wieder etwas up und spielte gemischte Shows und wieder Acoustic-Shows, diesmal als Duo mit Ali Ferguson. Seit letztem Jahr arbeitet er an einem neuen Studioalbum, das nach seiner Aussagen muskalisch zwischen Change und She stehen soll. Seit Frühjahr 2008 spielt Ray immer mal wieder neue Songs, darunter insbesondere die Songs Brakes Are Gone und Razorlite. Im September kam außerdem der Song Propaganda Man hinzu. Zu diesen Songs gibt es mittlerweile auch einige Videos bei youtube (siehe unten). Im Rahmen seiner Shows im September 2008 lüftete er schließlich das Geheimnis, wie das Album heißen soll: Propaganda Man.

Die Veröffentlichung erfolgte im November 2008, als Ray Wilson & Stiltskin auf Propaganda Man-Tour gingen. Dort war das Album am Merchandise-Stand erhältlich. Erst später erfolgt die Veröffentlichung im Handel (im Frühjahr 2009). Die Tourdaten für die November-Tour findet ihr unter diesem Link. Die Tourdaten 2009 gibt es unter diesem Link.

Tacklist des Albums:

Propaganda Man CoverBless Me

Lately

The Brakes Are Gone

Razorlite

Propaganda Man

Frequency

Modern Day Miracle

Cosmic Baby

Things Don’t Stop

More Propaganda

On The Other Side

Die Songs des Albums

Bless Me

Dieser Song wird derzeit auch auf Ray Wilsons Website zum Download angeboten. Bless Meist eine mid-tempo-Nummer, die ein lässiges Flair versprüht und zwischendurch immer mal wieder etwas aufdreht. Ray singt hier mal ruhig und tief, mal etwas aggressiver und höher. Einige Gitarreneffekte runden den Song ab. Und tatsächlich: Es klingt we eine Mischung aus den Songs Change und She. Dies ist nicht verwunderlich, der „Rest-Sound“ des Stiltskin-Albums kommt nicht von ungefähr. Das Team, das seinerzeit She produzierte, war auch hier aktiv.

Lately

Ruhiger geht es weiter mit Lately. Der Song beginnt ruhig mit mehreren akustischen Gitarren und erinnert bzgl. der Melodie etwas an Alone vom Album The Next Best Thing. Ray zieht seinen Gesang über die Takte, was einen interessanten Effekt erzielt. Zusätzlich verstärkt eine dezent gespielte E-Gitarre eine Art Herbstgefühl. Im Laufe des Songs wird die Instrumentierung dichter, auch ein Schlagzeug kommt hinzu. Insgesamt ist Lately ein solider Song für die ruhige Ecke des Albums, vielleicht als zweiter Song etwas deplatziert.

The Brakes Are Gone

Dieser Song wurde im Rahmen seiner Konzerte 2008 relativ häufig
gespielt. Der Song handelt von einem Mann, der einen Berg hinunterfährt
und feststellt, dass seine Bremsen versagen und er mit voller Wucht in
ein Gebäude fahren wird. Die Dinge, die ihm in den letzten Minuten
seines Lebens durch den Kopf gehen, sind Thema des Songs.

Es handelt sich erneut um einen ruhigen Song, der sich nicht einfach einordnen lässt. Getragen wird The Brakes Are Goneeinmal mehr von Rays Stimme, während die Instrumntierung trotzdem relativ dicht ist. Der Text ist interessant und hat etwas satirisches, insgesamt bleibt das Stück aber doch unspektakulär und man wartet vergeblich darauf, dass er noch die Kurve kriegt.

| YouTube-Video von Brakes Are Gone (live)Razorlite

Den meisten Ray Wilson-Fans ist Razorlite
bereits bekannt durch die vielen Darbietungen bei den Konzerten 2008.
Die Studioversion unterscheidet sich kaum von der Live-Präsentation, Razorliteist ein akustischer Song, der – anders als Bless Me
– minimalistisch instrumentiert ist. Doch hier ist auch gar nicht mehr
Instrumentierung nötig. Razorlite funktioniert auf dieser Ebene
prächtig. Es ist kein Knaller und schon gar kein Song für eine
Single-Auskopplung, aber der Song gehört zweifelsfrei zu den besseren
des Albums.

| YouTube-Video zu Razorlite (live)

Propaganda Man

Der Titelsong des neuen Albums war Teil des Sets während der Acoustic-Duo Tour 2008 (September) und kam beim Publikum gut an. Propaganda Man ist ein up-tempo-Song mit eingängiger Melodie. Die Akustik-Version der Tour ist interessanterweise eher auf einem anderen Song des Albums wiederzufinden, More Propaganda. Propaganda Man selber ist eher ungewöhnlich instrumentiert, dezente Gitarren, das Keyboard rhythmisch eher gegen den Gesang gesetzt und der Gesang eher verhalten. Die Version ist zumindest während der Strophen vor allem eins: gewagt. Im Refrain baut sich eine eher dichte Instrumentierung auf, die an Songs des Albums The Next Best Thing erinnert. Insgesamt eine solide Nummer, aber erneut unspektakulär und etwas unglücklich umgesetzt.

| YouTube-Video von Propaganda Man (live)

Frequency

Mit über fünf Minuten Länge ist Frequency eines der längeren Stücke des Albums. Wie viele Songs des Albums ist es eher ruhig, sparsam instrumentiert und die Akustik-Gitarren dominieren. Der Refrain, falls man diesen als solchen bezeichnen kann, erinnert etwas an seinen Song Alone. Zur Mitte des Songs kommen E-Gitarren hinzu und der Song gwinnt an Tiefgang. Am Ende wird es wieder ruhiger und mit sanften Piano-Klängen geht der Song zu Ende. Es ist keine Single und kein Partyknaller, wohl aber eine der besseren Wilson-Nummern überhaupt. Und ein Song, der mit jedem Hören wächst. Frequency ist ein Highlight.

Modern Day Miracle

Der relativ kurze Song erinnert etwas an die zackigen mid-tempo-Nummern von Del Amitri. Es könnte auch eine in der Geschwindigkeit reduzierte Version von deren Hit Roll To Mesein. Der Song enthält eine Reihe guter Ideen und wird mit jedem Hören stärker. Und es ist definitiv eine gute Entscheidung, das Stück nicht unnötig in die Länge zu ziehen.

Cosmic Baby

Einruhiges Intro mit akustischer Gitarre wird untermalen mit leisen E-Gitarren, ehe Rays Stimme die Ruhe unterbricht und mit Drums der eigentliche Song beginnt. „You better not…“ ist der Beginn fast jeder Textzeile – die ruhigen Elemente ohne Drums kehren vorübergehend zurück und schließlich geht der Song in einen Mix aus sphärischer Verträumtheit und bessenem Trotz über. Das Finale schließlich erinnert etwas an Cry If You Want To. Cosmic Baby ist in seiner verzaubernd vertrotzten Art eines der Highlights des Albums. Bezeichnend, dass Ray mit einem „I don’t wanna wait around too long“ in einer nackt gesungenen Version den Song hinter sich lässt.

Things Don’t Stop

Der Track beginnt etwas wie die Demo Version – oder eine alternative Version – von Cosmic Baby. Die Machart ist ähnlich, aber deutlich zurückgezogener und akustischer. Ray scheint eine Vorliebe für „nicht ausgesungenen“ Gesang zu entwickeln. Dies hört man auf so manchem Track des Albums. Things Don’t Stop enthält ebenfalls eine warme E-Gitarre, die den Song veredelt. Als man dann das Gefühl hat, der Song fadet langsam aus, gibt es ein E-Gitarren-Solo mit einem Drumfill im Stile von Beautiful Child. Insgesamt hat der Song sogar Potenzial, zum Geheimtip des Albums zu werden.

More Propaganda

Wer beim Titelsong enttäuscht war, nicht das flotte Stück zu hören, das man von seinen Konzerten 2008 schon kannte, wird mit More Propaganda deutlich mehr anfangen können. Im Prinzip ist dies genau das, was Ray während seiner Acoustic-Konzerte spielte. Nur akustische Gitarren und sein Gesang, zum Schluss noch etwas Schlagzeug. Da stellt man sich die Frage, warum er keine Propaganda-Suite gemacht hat.

On The Other Side

Ruhig und unspektakulär geht das Album zu Ende. Einen wirklichen „hook“ hat On The Other Sidenicht, es reiht sich ein in die Reihe der soliden Wilson-Nummern, die man immr mal spielen oder hören kann. Als Finale für ein Album funktioniert es aber nur bedingt, auch wenn es sicher die Stimmung der meisten Songs des Albums noch einmal einfängt.

Fazit

Ray hat beim Nachfolger von She bewusst einen Gang zurück geschaltet. Propaganda Manhat deutlich mehr von Change als von She. Und hier liegt auch das Manko des Albums. Es zündet nicht – oder spät – und ist somit ein Album für spezielle Momente. Es enthält etwa mit Frequency oder Cosmic Baby erstklassige Songs, hat dann aber seine Längen. Man vermisst einen richtigen Knaller und etwas mehr „Rock“ im Stil von z. B. Wake Up Your Mind hätte dem Album sicher hier und da gut getan. Aber das war ganz offensichtlich nicht gewollt. So muss man aber eben auch feststellen, dass es keine Mischung aus Change und She ist, sondern eher ein Change-Nachfolger. Freunde gediegener und größtenteils akustischer Rockmusik werden ihre Freude an Propaganda Man haben – Fans, die Rays Arbeit auf Sheschätzten, werden eher enttäuscht sein. Ausgefallenere oder längere Songs findet man nicht. Wie man es auch dreht – ein schlechtes Album ist Propaganda Man sicher nicht, es reißt aber auch keine Bäume aus. Eine konsequente Entwicklung in Rays Musik ist durch das Album auch nur bedingt zu erkennen. Und viele der Songs werden – wie so oft bei Ray – erst im Live-Konzert richtig gut.

Autor: Christian Gerhardts