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Ray Wilson – Genesis Classic: Live In Poznan – 2CD/DVD Rezension

Im Dezember 2010 spielte Ray Wilson eine komplette Genesis Classic Show für eine 2CD und DVD-Veröffentlichung ein. Das Ergebnis ist ein 2CD/DVD-Package, das sich Marco Düfer genauer angesehen hat.

Genesis Classic – Live in Poznan

Am 08.07.2009 hatte ein neues Projekt von Ray Wilson seine Premiere: Genesis Klassik war geboren. Waren seit der Trennung von Genesis immer wieder Songs der Band Bestandteil von Ray’s Solo-Konzerten, sang Ray bei diesem neuen Projekt das erste mal seit der Europa-Tour 1998 nahezu ausschließlich Genesis-Songs. Eigene Songs wurden dabei in der Setlist auf ein Minimum reduziert.

Das erste Konzert fand in Salzgitter statt und fand großen Zuspruch bei den Fans. Nur 2 Auftritte später fand in Berlin ein Radiokonzert des Senders 88,8 statt, welches am 13. November 2009 als CD-Mitschnitt erschien und auf Ray’s Konzerten und seiner Homepage verkauft wurde.

Aufgrund des großen Erfolges dieses Projektes setzte Ray Wilson Genesis Klassik fort und konzentrierte sich 2010/2011 unter wechselndem Line-Up überwiegend auf Auftritte mit einem Ensemble.

Am 18.12.2010 fand in der Aula Uniwersytecka der University Adam Mickiewircz Poznan / Polen in ein weiterer Auftritt statt, der sowohl für eine CD mitgeschnitten, als auch von einem Kamerateam für eine DVD-Veröffentlichung gefilmt wurde.

Während die erste Klassik CD den Eindruck eines völlig neuen Projektes vermittelt, das zudem in einem besonderen Rahmen aufgeführt wurde, sollte die neue CD eine eingespielte Band und eine deutlich erweiterte Setlist dokumentieren, die mittlerweile nach einem ausgedehnten Tour-Jahr perfekt harmoniert.

Als Musiker standen in Poznan  auf der Bühne:

Ray Wilson (Vocals, Acoustic Guitar, Harmonica, Congas & Tambourine)
Ali Ferguson (Lead Guitar, 12 & 6 Strings Acoustic Guitars & Vocals)
Filip Walcerz (Grand Piano & Keyboards)
Steve Wilson (Vocals, Godin Acoustic & Electric Guitars)
Lawrie Macmillan (Bass Guitar & Vocals)
Ashley Macmillan (Drums)
Zum Ensemble gehörten:
Kristin Sy (Violin 1)
Steffi Hoelk (Violin 2)
Nora Boesel (Violin 3)
Tobias Unterberg (Cello)

Nach mehreren Verschiebungen aufgrund diverser Probleme, unter anderem mit dem Filmmaterial und einer fehlerhaften Verpackung, erschien das 2CD/DVD-Set Anfang Juli 2011 – vorerst nur erhältlich über Ray Wilson’s Homepage und bei den Live-Konzerten der Band.

Das Set kommt in einem äußerst ansprechenden Digipack daher, das mit etlichen eindrucksvollen Fotos des Abends geschmückt ist. Auch das schön gestaltete Booklet vermittelt in seiner professionellen Gestaltung den Eindruck eines phantastischen Konzertes. Außer den tollen Bildern finden sich darin noch die üblichen Credits und „Special Thanks“ der Band. Optisch könnte das Digipack nur noch durch einen Schuber einen noch edleren Eindruck hinterlassen. Dies allerdings wäre Erbsenzählerei und liegt geschmacklich wohl eher in der Beurteilung des Betrachters.

Anzumerken ist noch die durchaus wichtige Info an Sammler, die Wert auf „das Äußere“ einer CD legen:

Die Erstauflage des Sets verfügt entgegen rechtlicher Bestimmungen (noch) nicht über ein auf das Frontcover aufgedrucktes Logo der freiwilligen Selbstkontrolle FSK, welches wegen der DVD mittlerweile notwendig ist. Es bleibt zu hoffen, dass man sich mit den Verantwortlichen auf eine Stickerlösung einigt, sobald das Set in den regulären Verkauf kommt. Es wäre schade um das optisch sehr gelungene und ansprechende Design des Covers.

Zu den CDs und einzelnen Songs:

Insgesamt kommen die CDs qualitativ höchst professionell abgemischt daher und glänzen mit einer druckvollen und klaren Akustik. Die Abmischung vermittelt insgesamt eine wunderbare Live-Atmosphäre. Das polnische Publikum zeigt sich zudem von seiner besten Seite und beweist, dass die Stimmung an dem Abend hervorragend war.

Disc 1:

Turn It On Again

Als Opener hat man sich der 2007er Genesis Reunion-Tour angepasst (wenn man mal von dem instrumentalen Intro „Duke“ absieht) und Turn It On Again vom Ende der Setlist, wie noch bei dem Radiokonzert in Berlin, ganz an den Anfang gesetzt. Sicherlich eine gute Entscheidung, trägt es doch merklich zur guten Stimmung im Publikum bei.

Gleich beim ersten Song fällt einem Ray Wilson’s gesangliche Leistung besonders positiv auf. Kraftvoll und sicher arbeitet er sich durch diesen Genesis-Klassiker und beweist, dass ihm Genesis mittlerweile zu 100% in Fleisch und Blut übergegangen ist. Hat er schon 1998 bewiesen, dass er mehr als nur ein Collins-Ersatzmann ist, präsentiert er sich hier von seiner besten Seite – toll! Auch die restliche Band ist wesentlich besser und präziser aufeinander abgestimmt, als noch auf der Berlin-CD. Eine wirklich runde, in sich stimmige Darbietung und eine hervorragende Performance!

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That’s All

Ohne vorherige Ansage geht es direkt weiter mit dem nächsten Song. Dabei bleibt man in den 80ern und gibt einen Klassiker zum Besten, den Ray 1998 mit Genesis live leider ausgelassen hat: That’s All. Hier beweist er, dass dies durchaus ein Fehler war, ist der Song doch in seiner Version mindestens genauso ansprechend, wie das Original. Kleiner Wehrmutstropfen: Ray hat an dem Abend auf seine bekannte „Louis Armstrong-Einlage“ verzichtet. Man könnte allerdings auch argumentieren, dass die Version dadurch „reifer“ wirkt.

Carpet Crawlers

Weiter geht es mit einem unverzichtbaren Highlight aus der Gabriel-Ära. Bei Carpet Crawlers entfaltet sich Ray’s Stimme auf atemberaubende Weise. Sein rauer Gesang macht den Song zu etwas ganz Besonderem. Die Band harmoniert perfekt, sodaß sich die gebotene Version ebenfalls nicht vorm Original zu verstecken braucht. Gänsehaut garantiert!

Congo

Lange hat sich Ray dagegen gewehrt, Congo noch einmal live zu singen, war ihm der Song einfach immer zu schlicht und einfach in seiner Art und im Original nie nach seinem Geschmack. Ein Zwiespalt, denn gerade Congo war die erste und zudem erfolgreichste Single aus seinem einzigen Studioalbum mit Genesis, Calling All Stations. Eine Runderneuerung musste her – und die hat es in sich! Rockig und druckvoll präsentiert die Band hier einen astreinen Rocksong mit wuchtigem Schlagzeug und einem tollen Gitarrensolo von Ali Ferguson. Die aalglatten Keyboards des Originals sind den äußerst passenden Streichern gewichen. Congo hat sich wohl nie zuvor so stimmig angehört wie hier! Das Publikum belohnt die tolle Performance berechtigterweise mit tosendem Applaus.

Another Day In Paradise

Es folgt nach kuzer Ansage der erste Titel aus dem Genesis-Umfeld, begonnen mit einem Phil Collins-Klassiker: Another Day In Paradise. In einer anfangs sehr minimalistischen, akustischen Version kommt Rays Stimme wieder sehr gut zur Geltung. Collins’ Ballade wird durch die Streicher aufgewertet, ohne dabei „schmalzig“ zu wirken – im Gegenteil: der Song erhält dadurch einen ganz besonderen Charakter und wirkt in sich absolut stimmig. Phil Collins sollte von dieser Version begeistert sein!

Constantly Reminded

Ray kündigt mit Constantly Reminded seinen ersten eigenen Song an, um gleichzeitig auf das kommende Stiltskin-Album zu verweisen. Auch bei der folgenden Performance wertet der Einsatz des Ensembles den sehr persönlichen Song von Ray ungemein auf. Kraftvoll spielen Band und Gesang zusammen, sodass die hier gespielte Version noch passender erscheint, als bei den vergangenen Stiltskin-Shows. Anschließend kündigt Ray einen Hit von Mike & The Mechanics an und verweist dabei auf deren aktuelles Album und Tour.

Another Cup Of Coffee

Man könnte aus dem umfangreichen Repertoire der Mechanics sicher viele Hits für eigene Coverversionen auswählen. Another Cup Of Coffee scheint es Ray jedoch besonders angetan zu haben, denn außer diesem hat er live nie einen anderen Song der Band gespielt. Diesen Hit dafür aber schon seit Jahren – zu Recht, wie diese Version zeigt. Das Original erhält einen akustischeren Anstrich und wirkt lebhafter als von den Mechanikern. Auch Ali Ferguson’s Leistung fällt hier wieder positiv auf. Desweiteren sind die Back-Vocals von Ray’s Bruder Steve Wilson ein deutlicher Pluspunkt. Die zweite Stimme passt perfekt zu diesem Song!

Jesus He Knows Me

Es geht nahtlos weiter mit dem ironischen Jesus He Knows Me. Auch dieser wurde mit Genesis nie live von Ray gesungen. Damals argumentierte die Band, dass der Song zu sehr mit Phil Collins verbunden wäre – insbesondere wohl in Anbetracht des provokanten Videos, in dem Collins seinerzeit sein schauspielerisches Talent voll ausspielen konnte. Dies braucht der Song aber gar nicht, denn der Text an sich ist schon Real-Satire genug um zu überzeugen. Gesanglich machen Ray und der Rest der Band alles richtig. Allerdings wirkt der Song etwas gehetzt, macht aber trotzdem durchaus Laune.

Calling All Stations

Der Titeltrack des gleichnamigen Albums hat Ray immer gesanglich am meisten gefordert. Oft hat er ihn diesbezüglich mit Mama verglichen, der genauso schwierig sei zu singen. Live gibt Ray dabei immer sein bestes, aber oft konnte die Stimme nicht den extrem hohen Anforderungen der Studioversion gerecht werden. Teilweise wurde er sogar auf der Tour ausgelassen, da Ray gesundheitlich angeschlagen war und eine Performance schlicht unmöglich war. Umso mutiger, dass man sich entschied, sich trotz Aufzeichnung der Show an den Titel zu wagen – und den meistert Ray diesmal mit Bravour! Jeder Ton sitzt auf den Punkt genau. Der Gesang ist der Wahnsinn und der Studioversion fast schon überlegen, so geht er unter die Haut – Hut ab! Vor allem gewinnt der Song ungemein, weil er, nicht wie auf dem Studioalbum, auf dem Höhepunkt abgewürgt wird. Mit Sicherheit ist auf der vorliegenden CD die mit Abstand beste Version des Songs zu finden!

In The Air Tonight

Ray beendet den ersten Teil der Show mit einer minimalistischen Version des Collins-Klassikers In The Air Tonight. Spaß macht die Version vor allem deshalb, weil das Publikum den eigenen, von Ray geforderten, Einsatz nur recht zurückhaltend darbietet – und das gleich mehrfach. Scherzhaft merkt Ray dabei an, was wohl Phil Collins denken wird, wenn er diesen Auftritt bei Youtube entdeckt und sich fragt, was Ray nur aus seinem Lied gemacht hat. Natürlich wirkt der Song durch die Unterbrechungen und Konversationen mit dem Publikum nicht wirklich flüssig. Aber trotzdem zeigt Ray, dass In The Air Tonight nicht nur von dem bekannten Schlagzeug-Einsatz profitiert, sondern auch mit einer Akustikgitarre in einer absolut reduzierten Form bestens funktioniert.

Disc 2:

Shipwrecked

Mit einem kurzen Piano-Intro von Filip Walcerz beginnt der zweite Teil der Show sehr stimmungsvoll. Shipwrecked wirkt längst nicht so überladen und mit Keyboardsounds überfrachtet, wie die Studioversion. Diese Version ist viel behutsamer arrangiert und wirkt weniger aufdringlich. Nach dem Motto „weniger ist mehr“ überzeugt der Einstieg in die zweite Hälfte des Konzertes auf ganzer Linie.

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Ripples

Auch der nächste Song zeigt sich eher ruhig. Ripples, von Ray’s persönlichem Lieblings-Genesis Album A Trick Of The Tail, das anfangs eher zurückhaltend beginnt, entwickelt sich im Aufbau zur Mitte hin zu einem echten Aha-Erlebnis: der bekannten Instrumentalteil wird hier „klassisch“ umgesetzt, was ausgesprochen ansprechend funktioniert. Band und Ensemble ergänzen sich bestens und machen die Klassik-Version in ihrer Form einzigartig. Jeder der Musiker ist hier gefordert und trumpft mit seinem Talent auf. Großes Lob vor allem an das Ensemble, Filip Walcerz, aber auch an die Backing-Vocals von Steve Wilson. Einfach Augen zu und geniessen!

No Son Of Mine

Der ehemalige Opener der Klassik-Shows bringt an dieser Stelle wieder etwas Schwung in das Geschehen. Ray wurde schon immer für seine Performance bei diesem Song gelobt, auch von Mike Rutherford und Tony Banks. Nicht wenige Kritiker und Fans bescheinigten ihm sogar eine einfühlsamere gesangliche Leistung, als Phil Collins. So ist es wenig überraschend, dass auch in diesem Fall No Son Of Mine ein echtes unverzichtbares Highlight ist.

The Lamb Lies Down On Broadway

Um es auf den kurz und schmerzlos auf den Punkt zu bringen: gesanglich kann das Lamm nicht überzeugen. Man kann es eigentlich nach allem was Ray an diesem Abend zuvor geleistet hat schwer nachvollziehen, aber beim vorliegenden Song vergreift er sich gleich mehrmals ordentlich im Ton. Ray wirkt plötzlich wie ausgetauscht, sodaß ihn sein Bruder Steve Wilson zum Ende hin sogar gesanglich bei den hohen Tönen unterstützen muss. Umso bedauerlicher, da Ray nicht nur an dem Abend, sondern generell oft genug bewiesen hat, dass er mehr als nur singen kann. Was diesmal schief gelaufen ist, weis wohl nur Ray selbst. Wenn man es positiv sehen will: die Aufnahme wirkt zumindest authentisch. Ein anderer Künstler hätte diesen Patzer technisch ausgebessert, eine andere Aufnahme verwendet, oder den Titel gleich ganz rausgekürzt. Trotz allem schade, denn auch hier überzeugt die Band wieder auf ganzer Linie. Ray geht nach dem Ende des Songs direkt zu einer amüsanten Ankündigung für Follow You Follow Me über, was größtenteils den vorherigen Ausfall vergessen lässt.

Follow You Follow Me

Hier kann Ray wieder vollends überzeugen. Der Genesis-Klassiker, durch den nach Ray’s Aussage erstmals auch Frauen Konzerte der Band besuchten, kommt in ähnlich akustischer Version daher, wie 1998, nur dass das Keyboard im Solo von den Streichern gespielt wird. Eine schöne Performance in allen Belangen.

Change

Der zweite Solo-Titel an diesem Abend. Auch hier wirkt wieder die gesamte Band gut aufeinander abgestimmt. Nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, dass dieser sehr persönliche Song von Ray auf bisher jedem der unzähligen Live-Auftritte seit der Veröffentlichung des gleichnamigen Albums aus dem Jahr 2003 gespielt wurde. Trotzdem immer wieder eine Bereicherung bei Ray’s Auftritten und fast schon selbst ein Klassiker.

Not About Us

Not About Us beginnt mit einem von Filip Walcerz gespielten Intro, was die wehmütige Stimmung des Songs wunderbar einfängt. Dieser eher akustisch angelegte Song ist sicher einer der besten Titel auf dem Album Calling All Stationsund kommt auch auf dieser CD schön zur Geltung. Das Ensemble zeigt sich auch hier wieder als klarer Punktsieger, wenn man mit dem eintönigen, klinischen Keyboardsound der Studioversion vergleicht. Auch die restliche Band bringt sich gut ein und macht den Song lebhafter. Sehr gelungen!

Land Of Confusion

Land Of Confusion wurde auch erst späterer Bestandteil der Klassik-Shows. Der Song hält sich stark ans Original und weiss mit den dezent eingesträuten Klassik-Elementen auf ganzer Linie zu überzeugen. Land Of Confusion ist und bleibt einfach eine unverwüstliche Stimmungskanone.

I Can’t Dance

Der Song, der sich wohl insgesamt am meisten von der Studioversion distanziert. Ray Wilson hat schon zu Beginn seiner Solokonzerte aus diesem Lied einen richtig rockigen Blues gemacht, der wirklich mitreißt. Dies weis auch das Publikum zu schätzen und unterstützt Ray beim Refrain tatkräftig. Besonderes I-Tüpfelchen sind sicher die Soloeinlagen der einzelnen Bandmitglieder, allen voran Ray’s Mundharmonika-Einlage.Ein toller Abschluss für das Konzert, das natürlich noch zwei Zugaben spendiert bekam.

Solsbury Hill

Ein absoluter Klassiker aus Peter Gabriel’s Solo-Repertoire, den Ray auch schon unzählige Male in seinen Konzerten gespielt hat. Allerdings ist die Klassik-Version ein richtiges Highlight, das richtig Spaß macht. Eine tolle Performance, wenn auch die Klassik-Version der bisherigen Klassik-CD noch einen Tick druckvoller daherkommt.

Inside

Aufmerksamen Hörern sollte nicht entgangen sein, dass der wohl wichtigste Solo-Song von Ray bisher gefehlt hat: Inside. Es wäre ein Unding eine Show ohne den Levis-Song zu beenden. So natürlich auch hier. Inside trumpft noch einmal richtig auf, beginnend mit einer Klassik-Interpretation des Original-Intros, das in einen krachenden Rocksong übergeht. Hier darf die komplette Band noch einmal alles geben und sich austoben. Ein super Abschluss für einen absolut gelungenen Abend.

cover

Disc 3 (DVD):

Wie bereits anfangs geschrieben, war die DVD das Sorgenkind der Veröffentlichung und Grund für mehrere Verschiebungen. Ursprünglich war geplant, das komplette Konzert separat neben den CDs zu veröffentlichen. Dies war jedoch aufgrund des mangelhaften Bildmaterials und den wirklich schlechten Lichtverhältnissen nicht realisierbar. Aus diesem Grund hat man die noch akzeptablen Highlights als Bonus zu den CDs gepackt, sozusagen als Trostpflaster für die durchaus berechtigt enttäuschten Fans, die nunmehr seit Jahren geradezu um eine DVD betteln. Diesem Wunsch ist man, auch zum Bedauern von Ray, der ohnehin bekannter Weise kein Freund von Musik-DVDs ist und seine Fans lieber bei seinen Konzerten sieht, gezwungenermassen etwas halbherzig nachgekommen. Trotzdem ist es schön, dass man dem Liveauftritt im heimischen Wohnzimmer zumindest teilweise folgen kann. Technisch gesehen kann die DVD natürlich in keinster Weise mit einer Großproduktion mithalten. Der Sound ist lediglich Stereo, das Bild zumindest in anamorphem Widescreenformat. Die Songs sind einzel anwählbar, werden durch etwas störende Titeleinblendungen angekündigt, was natürlich etwas aus dem Geschehen reißt.

Die Titel der DVD sind:

Congo
Jesus He Knows Me
Calling All Stations
In The Air Tonight
Follow You Follow Me
Not About Us
Solsbury Hill
Inside

Wie gesagt: sicher keine vollwertige DVD, wie es die Fans gerne gesehen hätten, aber ein sehr netter Bonus, über den man sich durchaus freuen kann.

Fazit:

Mit Live In Poznan wird ein nahezu perfektes Live-Dokument abgeliefert, das jeden Fans mehr als glücklich schätzen sollte. Man mag durchaus darüber diskutieren, wie „klassisch“ dieses Projekt nun eigentlich ist – unterstreicht der Einsatz des Ensembles doch eher die eigentliche Band, als dass sie im Sinne eines ganzen Orchesters aufspielt. Ray Wilson’s Projekt war ursprünglich mit ganzem Orchester geplant, scheiterte aber an dem enormen finanziellen, organisatorischen und logistischen Aufwand, den es mit sich gezogen hätte. Zwar wäre es durchaus wünschenswert gewesen, ein solches Konzert mit Genesis-Songs zu erleben, aber ein Ray Wilson hat bedauerlicherweise nicht die erforderlichen Mittel und Möglichkeiten wie ein Peter Gabriel oder Sting. Viel zu riskant wäre es gewesen, diese Idee umzusetzen und eine solche Tour zu stemmen.

Was jedoch aus den gegebenen Möglichkeiten gemacht wurde, ist mehr als beachtlich. Eine bis ins Detail aufeinander abgestimmte Band und ein Ray Wilson, der merklich für diese Musik lebt und sich ihr in jedem Song hingibt. Ein tolles, authentisches CD/DVD-Set, dass in keiner Sammlung fehlen sollte. Genesis lebt mit Ray Wilson weiter!

Es gibt widersprüchliche Aussagen darüber, ob Genesis Classic – Live in Poznan die bisherige CD Genesis Klassik – Live in Berlin ersetzen soll. Eine Daseinsberechtigung haben beide Aufnahmen für Fans allemal. Das 3-Disc Set Genesis Classic – Live in Poznan soll in absehbarer Zeit neben dem Verkauf auf Ray Wilson’s Homepage und auf den Konzerten auch im regulären Handel erhältlich sein. Am 9. September ist zudem zur Veröffentlichung des neuen Stiltskin-Albums Unfulfillment ein weiteres Set geplant, das unter dem Namen „Genesis Classic vs. Stiltskin“ erscheinen soll. Dieses Package wird sowohl Genesis Classic, als auch das neue Stiltskin-Album enthalten.

Autor: Marco Düfer