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Ray Wilson – Change – Rezension (2003)
Ray Wilsons erstes Soloalbum Change erschien 2003 bei InsideOut Records. Wir haben es für Euch unter die Lupe genommen.
Ray Wilsons Karriere ist mit zwei Wörtern nicht beschrieben. Er feierte riesige Erfolge, stolperte, hatte großes Glück und Unmengen Pech. Viele Entwicklungen seiner Karriere lagen nicht in seiner Gewalt. Zu oft stellte man ihm ein Bein, aber Ray stand immer wieder auf. Es nur verständlich, dass er nun sagt – halt, das bin ich und das will ich machen, sonst nichts. Alles andere ist erst einmal sekundär. Und so veröffentlicht er bei InsideOut nun sein erstes, echtes Soloalbum.
Change erscheint gleich in zwei Formaten, einem Digipak mit 16 Songs und der Standart Jewelcase-Version mit 13 Songs. Das hört sich gut und viel an. Bei näherem Hinsehen aber hat man schließlich nur gut 40 Minuten Musik in Händen und einen Song, Another Day, kennt man in anderer Version noch vom CUT Album. Insofern bietet die Special Edition netto weit mehr Musik, aber auch hier tummelt sich ein „alter“ Song. Dark ist vielen eingefleischten Fans natürlich bekannt als die B-Seite von Cut, die es nie gab – denn beide Singles, auf denen Dark vertreten sein sollte, wurden seinerzeit nicht veröffentlicht. Dennoch war Dark auf diversen Promos vertreten. Dazu kommt auf der Special Edition die B-Seite von Change, Gouranga sowie ein weiterer neuer Song, Cool Water.
„I don’t think that I can change“ steht auf dem Cover, dabei ist das, was Ray macht, ein Wandel zu seiner eigenen Wirklichkeit. Er kann nicht mehr der Sänger sein, der für ein Album für eine der größten Rockbands der Welt sang. Das will er auch nicht. Musik pur ist das Motto, die Nähe zu den Menschen, die seine Musik hören, ist ihm wichtig. So entstand die Idee der Storytellers-Tour und der akustische Sound prägt letztlich auch sein Solodebüt. Mach einer hatte erwartet, dass es ordentlich zur Sache geht, Songs im Stile von Gypsy oder No Place For A Loser waren nahe liegend. Aber was Ray der Musikwelt hier vorlegt, erinnert mehr an die Mechanics als an Cut oder Stiltskin.
Viele der Songs hat er bereits auf der Storytellers-Tour gespielt. Eine kleine Überraschung ist das Fehlen von Gouranga auf der regulären Albumversion, da der Song eigentlich immer gespielt wurde und Ray mehrfach darauf hinwies, dass Gouranga auf seinem Album sein wird.
Das Album macht einen insgesamt relaxten Eindruck. Besonders auffallend ist der flockige Sound – Ray hat Wert darauf gelegt, nicht alles zuzukleistern mit schweren Keyboard- und Gitarrenklängen. Und so steht seine Stimme im Vordergrund, die nach wie vor diese geheimnisvolle Mischung aus einer Vielzahl von Rocklegenden wie Michael Stipe, Bono oder auch Peter Gabriel ist.
Der Beginn heißt Intro und jeder kann sich denken, was das ist. Nichts spektakuläres, aber man bekommt einen kleinen Eindruck bezüglich der Stimmung es Albums. Schließlich hat Song Nummer zwei,
Goodbye Baby Blue, ein typisches Songformat. Ein durchschnittlicher Popsong, bei dem, wie auf dem ganzen Album, auf künstliche Sounds verzichtet wird. Der Titelsong und gleichzeitig die erste Singleauskopplung und klebt sich direkt im Ohr fest. Es verwundert nicht, dass der Song eine ganze Menge Radioairplay hat. Der eingängige Song – tolle Melodie, nicht überproduziert – erinnert tatsächlich etwas an die Mechanics. Rays Bruder Steve hat den nächsten Song, Along The Way, geschrieben. Auch dieser Track macht deutlich, dass Ray sein Handwerk versteht und untermauert, dass Change eine Sammlung guter Songs sein will, aber kein Konzeptalbum im Stile des Progressive Rock.
Mit Yesterday folgt nicht etwa eine Coverversion des Beatles Klassikers, sondern ein melodischer, akustisch geprägter Song über die Fehler, die man in Beziehungen nun mal macht und der Verlust, der daraus entstand. Yesterday gehört zu den Highlights des Albums ebenso wie das sphärische Beach, der nächste Track, der eventuell sogar der Song dieses Albums ist. Der Tod zweier Kinder an einem Strand ist das Thema. Heraus kommt ein ruhiger Song mit Klasse, ein bisschen möchte man sich vorstellen,
Beachwäre ein (Teil eines) Genesis-Song(s).
Der folgende Track war im Set seiner Akustik-Tour. Noch in Gelsenkirchen war sich Ray nicht sicher, ob Cry If You Want To auf dem Album sein würde. Der Song wuchs während der Tour und nun landete er tatsächlich auf dem neuen Album. Es ist das erste Stück, das etwas kraftvoller rüberkommt, etwa zur Hälfte des Songs setzt erstmals ein etwas fetterer Soundteppich, hauptsächlich bestehend aus Gitarren ein. Im Song geht es um eine gescheiterte Beziehung, die noch immer eine Last ist, weil sich die Kontrahentin weiterhin in das Leben des einst gedemütigten einmischt. Dementsprechend ist der Grundton eher rau und aggressiv. Das gilt auch für das anschließende Beautiful Child, das allerdings etwas merkwürdig in der Luft hängt. Der relativ kurze Song hat ohne Zweifel ein gewisses etwas, aber irgendwie passt das „lala-lalala“ am Ende nicht so recht hinein bzw. verdreht die Stimmung etwas.
Ein weiterer Bekannter der letzten Tour ist das von Steve Wilson geschriebene She Fades Away, einmal mehr von einer gescheiterten Beziehung handelnd. Der Song ist vergleichsweise unauffällig, aber grundsolide. Das nur 55 Sekunden lange I Look For You There ist fast schon zu kurz, um gut oder schlecht zu sein oder etwas besonderes auszustrahlen – mal abgesehen von der Länge.
Ray betonte in vielen Interviews, dass er ein Fan von Bob Dylan sei. So kommt es nicht von ungefähr, dass
Believemit seinem ständigen Mundharmonikaeinsätzen sehr an Dylan erinnert. Believe ist durchaus mit
Yesterday zu vergleichen, wenngleich die Melodie nicht ganz so eingängig ist. Und schließlich erwartet uns eine Neuaufnahme von Another Day, das anders instrumentiert ist und etwas getragener wird – nahtlos geht es dann über zum Finale The Last Horizon mit einigen Another Day-Zitaten. Sphärisch geht das Album zu Ende.
Während Intro und The Last Horizon gezielt Anfang und Ende darstellen sollen, macht das Song-Sandwich Change dazwischen eine gute Figur. Zwar ist das Album vergleichsweise kurz, jedoch sind die Songs durchweg angenehm und einige hochkarätige Songs sind dabei. Ray hat sich entfernt vom bombastischen Sound, der bei Calling All Stations und zuweilen auch auf Millionairhead zu hören war. Das Album erinnert eher an den Banjo Man, der der Welt ein paar Songs vorspielen möchte. Ein bisschen klingt es auch wie ein deutlich gereiftes Album von Guaranteed Pure. Der Song steht im Vordergrund, die Stimme ist der Kapitän. Und Ray steuert keine Luxusjacht, sondern ein klassisches Segelboot. Und die Fahrt in Form seines Debütalbum, das eigentlich keins ist, ist zwar kurz, aber sehr gut.
Autor: Christian Gerhardts