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Phil Collins – The Definitive Biography (Ray Coleman) – Buch-Rezension
1996 erschien eine umfassende und vor allem authorisierte Biografie über Phil Collins. Geschrieben wurde das Werk von Ray Coleman, der zum Zeitpunkt der Veröffentlichung bereits verstorben war.
Es gibt nicht viele Bücher rund um Genesis und dazu nicht viele, die ein ordentliches Niveau haben. Man erinnere sich nur an das „Werk“ von Petra Zeitz, angereichert mit sachlichen Fehlern. Die Coleman-Biographie ist neben dem aktuellen Anthony Phillips-Buch die jüngste Biographie der Genesis-Familie und, das sei vorweggenommen, wahrscheinlich auch die beste.
Eines vorab: Coleman selber hat dieses Werk nicht vollenden können. Er starb vor etwa zwei Jahren nach langer Krankheit. Es gibt allerdings ein Vorwort von ihm, das seine Frau noch um einige Zeilen ergänzt hat. Weil sich Biographien im allgemeinen durch Lobhudeleien auf den jeweiligen „Star“ seitens des Autors beschränken, musste man hier mit ähnlichem rechnen. Doch weit gefehlt! Coleman vermeidet es bewusst, Collins zu glorifizieren. Zwar hat man nach dem Lesen des Buches auch das Gefühl, dass Phil ein toller Hecht und Weltklassemusiker ist, aber dieser Eindruck wird durch eine (im positiven Sinne) Zitatflut erweckt, die sich durch das ganze Buch zieht.
Das Buch selber ist nicht chronologisch aufgebaut. Es ist mehr nach Themen gegliedert: Der Mensch Collins, der Musiker Collins, die Ehen Collins‘, der Vater Collins etc. Gleich im ersten Kapitel, „I’ve never really known the guy“, lernt man die Qualität des Buches schätzen. Simon und Joely Collins reden über das Verhältnis zu ihrem berühmten Vater. Man erfährt allerlei Neues, zum Beispiel dass Simon schon in den Peter Gabriel-Realworld-Studios Plattenaufnahmen machte oder dass Joelys Pferd, das sie von Phil zum dreizehnten Geburtstag bekam, „Sussudio“ heißt. Simon selbst hatte von Phil einen Kredit von $50.000 für seine erste Soloplatte bekommen. Phil erwartete, dass Simon das Geld mit Hilfe der zu erwartenden Tantiemen zurückbezahlen könnte. Dummerweise hat Simon aber die Platte nie fertiggestellt, und das Geld ging komplett den Bach runter. Danach haben sie über ein Jahrnicht mehr miteinander gesprochen.
Schon am Anfang des Buches liest man sich vor Begeisterung fest. Die Fülle neuer Informationen und der unkonventionelle Stil Colemans machen das Buch mehr als lesenswert. In den weiteren Kapiteln setzt sich diese Qualität fort. Weitere Personen, die in Phils Leben wichtig sind, kommen zu Wort: Ronnie Caryl (der hat einige Lacher auf Lager), Jill und Andrea Collins, Eric Clapton, einige Schulfreunde und noch viele mehr. Musikalisch sind es Leute wie Hugh Padgham. Ohne Phil wäre ich nicht das, was ich heute bin“) oder Nathan East und natürlich der Genesis-Clan, der auch privat viel zu sagen hat. Ein ganzes Kapitel behandelt Phils Freundschaft zu Eric Clapton. Weitere Kapitel behandeln die Frühphase von Genesis und den Wechsel am Mikrofon. Live Aid natürlich auch. Beide Scheidungen werden bis ins Detail behandelt. Sowohl Andrea als auch Jill lassen viele Dinge in einem ganz anderen Licht erscheinen. So ist zum Beispiel Andrea Collins indirekt an Phils zweiter Scheidung schuld. Eine gemeinsame Jugendfreundin, Lavinia, war 1992 zu Besuch in Vancouver. Andrea besorgte ihr Backstagepässe für Genesis, und schon war’s um Phil geschehn. Um seine zweite Ehe aber auch.
Auch seine Zeit danach wird besprochen. Das Buch endet etwa Mitte ’96, also kurz vor der Veröffentlichung von Dance Into The Light. Auch sein Austieg bei Genesis wird angesprochen. Phil erklärt hier aber im Grunde nur Bekanntes. Es gibt wenige Biographien, die qualitativ einenso hohen Standard vorgeben. Der Autor stellt sich in keinster Form in den Vordergrund, er lässt nur Fakten sprechen. Die Vielzahl von Zitaten rundet die Sache ab.
Wer glaubte, viel über Phil Collins zu wissen, wird hier eines besseren belehrt. Manchmal glaubt man, die ganzen Scheidungen und Tiefschläge selber erlebt zuhaben, und immer wieder könnte man sich abrollen vor Lachen. „Sussudio“ heißt also das Pferd von Joely, ob der Papagei von Mikes Sohn wohl „Abacab“ heißt? Aber Spaß beiseite, wer dieses Buch noch nicht hat, sollte schleunigst sehen, dass er es bekommt. Es ist auch für Nicht Collins-Fans sehr interessant. Außerdem erfährt man allerhand über Genesis, was vielleicht auch nicht jeder zum Allgemeinwissen zählen würde. Ein uneingeschränkt empfehlenswertes Buch, das seinesgleichen sucht!
Autor: Christian Gerhardts
zuerst veröffentlicht in itNr.25 (Herbst 1998)