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Phil Collins – No Jacket Required (2016 Deluxe Edition 2CD) – Rezension

Im Rahmen der Neuauflagen seiner Soloalben durfte natürlich auch sein Megaseller No Jacket Required nicht fehlen. Ulrich Klemt nimmt sich vor allem das Bonusmaterial vor.

Hinweis: In diesem Artikel wird die Neuveröffentlichung des Albums No Jacket Required besprochen. Eine ausführliche Rezension zum Album selbst findet ihr unter diesem Link.

Artwork

Das Coverfoto ist wie bereits bei den ersten beiden Soloalben eine extrem gelungene Kopie des Originals. Der Altersunterschied damals zu heute wird sehr deutlich, wertet aber auch hier das Foto auf. Selbst der „aktuelle Phil“ wirkt verschwitzt in rotes Licht getaucht sehr überzeugend.

Das Remaster

Die Verbesserung ist hier wirklich gut hörbar. Es kommen bei einigen Songs Details deutlich besser zur Geltung. Ein echtes Hörvergnügen!

Betrachtet man die erste CD-Pressung von WEA (1985), erhält man jedoch einen exzellenten DR-Wert von 14. Das 2016er Remaster ist – wie erwartet – insgesamt lauter und wirkt auch etwas klarer, aber die Dynamik ist deutlich kleiner (DR-Wert 9).

DR-Wert

Die Bonustracks – „Extra Large Jacket Required“

Sussudio (live)

Klingt vertraut, oder? Genau: die Aufnahme stammt wie einige der folgenden vom fürs Fernsehen und das offizielle Video zur Serious Tour aufgezeichneten Konzert in Berlin 1990. Viel muss man dazu daher nicht mehr sagen. Die Stimmung ist ansteckend, die Performance extrem stark. Hier hätte man natürlich aus unzähligen anderen Live-Variationen wählen können. Aber das ist am Ende Geschmackssache. Interessant wäre sicher die Version vom MTV Unplugged-Konzert 1994 mit dem Lady Madonna-Intro gewesen. Für die Bonus-CD war diese aber vielleicht auch wieder etwas zu exotisch. Die Entscheidung für die Aufnahme aus Berlin ist in jedem Fall goldrichtig.

Don’t Lose My Number (live)

Stimmt: weder Berlin, noch 1990. Die Percussion-Elemente entlarven schonmal, dass es eine Version von 1997 oder später ist. Das Schlagzeug stammt zudem sehr unverwechselbar von Ricky Lawson und somit ist klar, dass es sich um die Aufnahme für Live And Loose In Paris von der Dance Into The Light Tour 1997 handelt. Und wer noch Zweifel hatte: Phils „merci beaucoup, bonsoir Paris“ macht am Ende alles klar.

Diese Version ist grade wegen der Percussion, die hier sehr gut zur Geltung kommt, die richtige Wahl. Mit einer Aufnahme von 2004/05 hätte man aber sicherlich auch nichts falsch gemacht. Auch hier: Geschmackssache.

2 Cover

Who Said I Would (live)

Genug geraten. Jetzt gehen wir in der Zeit zurück und landen im Jahr 1985 in Dallas. Dieser Live-Track ist auf der Bonus-CD der einzige Vertreter von der Tour, die das Album promotete. Die 1990er-Version wäre sicher auch sehr gut gewesen, aber eine Live-Aufnahme muss ja aus der Zeit von No Jacket Required stammen.

Long Long Way To Go (live)

Diese Aufnahme muss zwingend aus dem Jahr 1997 stammen, da dieser Song nur auf der Dance Into The Light-Tour gespielt wurde. Eine echte Live-Perle! Genug der Worte, am besten einfach still da sitzen und genießen – eine ganz starke Performance. Dieses Lied als Live-Version nicht auf die Bonus-CD zu nehmen, wäre eine echte Schande gewesen.

Only You Know And I Know (live)

Schon die ersten Klänge machen zumindest den echten Fans schnell klar, dass wir uns hier in den Jahren 1994/95 und somit auf der Both Sides Tour befinden. Erfreulicherweise wurde dieser Song damals wieder hervorgeholt, nachdem er auf der Serious Tour 1990 gänzlich unberücksichtigt geblieben war. In den Jahren danach verschwand er dann leider wieder in der Versenkung. Diese Version ist ebenso gut wie unverwechselbar und die einzige von dieser Tour auf dieser Bonus-CD.

Am Ende gibt es ein Fade-Out, weil dieser Song 1994/95 direkt in Something Happened On The Way To Heaven überging. Und das würde hier logischerweise nicht passen.

Easy Lover (live)

Es geht zurück nach Paris 1997. Schön ist, dass eine Aufnahme ausgewählt wurde, bei der Nathan East, der ja schon auf der Studioversion spielt, mit von der Partie ist. Wirklich schwache Darbietungen von Easy Lover hat es aber eigentlich nie gegeben. Von daher gibt es hier eine ähnliche Vielfalt zur Auswahl wie schon bei Sussudio. Vielleicht gab daher grade Nathan East den Ausschlag.

Inside Out (live)
Doesn’t Anybody Stay Together Anymore (live)

Diese beiden Songs sind live nur sehr begrenzt gespielt worden. Bei Inside Out beschränkte sich das nur auf die No Jacket Required– und die Serious-Tour. Bei Doesn’t Anybody Stay Together Anymore beschränkt sich das sogar nur auf letztere Tour. Beide Aufnahmen stammen in diesem Fall wieder aus Berlin 1990. Schön ist hierbei, dass von Doesn’t Anybody Stay Together Anymore die spätere Variante gewählt wurde, die sich von der Studioversion doch schon merklich abhebt. Von diesem Song hätte sich der eine oder andere vielleicht auch die MTV Unplugged-Version gewünscht. Aber die ist damals bereits am Schneidetisch Phils Unzufriedenheit mit der Performance zum Opfer gefallen und hat leider nie das Tageslicht gesehen.

Die hier gewählten Versionen werden beiden Songs aber mehr als gerecht und zeigen zudem eine Entwicklung gegenüber den Albumversionen, was ja Phils Bestreben bei den Bonus-CDs war.

One More Night (live)

Hier wäre ebenfalls z. B. die MTV Unplugged-Aufnahme eine nette Abwechslung gewesen. Dass auch hier Berlin 1990 auftaucht ist aber kein Nachteil. Ebenso wie die Tatsache, dass diese Version sehr nah am Album ist.

Take Me Home (live)

Die wieder einmal extrem starke Performance dieses Songs vom 1990er-Konzert in Berlin beendet hier klassischerweise diesen kleinen reinen No Jacket Required-Konzertzusammenschnitt.

Only You Know And I Know (Demo)
One More Night (Demo)
Take Me Home (Demo)

Die Demo-Aufnahmen von One More Night und Take Me Home waren bislang nur als Download über den offiziellen Phil Collins-Fanclub erhältlich, Only You Know And I Know war bislang unveröffentlicht.

Only You Know And I Know klingt noch sehr roh, hat aber einen markanten und  treibenden Beat. Der Text ist größtenteils unverständlich und nur in Bruchteilen (vor allem der Refrain) in der späteren Version wiederzufinden.

Auf One More Night und Take Me Home trifft das gleiche zu. Die Instrumentierung ist noch sehr einfach. Die Songs sind aber schon deutlich erkennbar und unterscheiden sich nur durch den Feinschliff von den Albumversionen.

Bewertung des Bonusmaterials

Das Fehlen jeglicher B-Seiten, wobei hier eigentlich nur I Like The Way gepasst hätte (The Man With The Horn stammt aus den Hello, I Must Be Going-Sessions), wird durch die tollen lückenlosen Liveaufnahmen kompensiert. Die Bonus-CD kommt wie ein Live-Album daher und dokumentiert anhand durchweg guter Aufnahmen die Entwicklung der No Jacket Required-Songs auf der Konzertbühne. Die Demos sind sehr interessant und bilden eine guten Abschluss und Kontrast zu dem umfangreichen Live-Block. Wenn es bei den Extras etwas zu jammern gibt, dann auf sehr hohem Niveau. Die Anzahl der ausgewählten Demo-Versionen ist zudem völlig ausreichend.

Es ist durchaus kein Nachteil, dass hier auf „Nummer sicher“ gegangen wurde und größtenteils bekannte Live-Tracks ausgewählt wurden. Die Mischung und die Dramaturgie der Songabfolge stimmen. Das Übergewicht an Aufnahmen aus Berlin 1990 ist aufgrund des einzigartigen und extrem starken Auftritts damals nachvollziehbar und richtig. Da stört es nicht, dass man das meisten schon mal gehört hat.

Fazit

Gemeinsam mit dem auffallend aufgewerteten Album bildet auch No Jacket Required ein tolles Gesamtpaket. Mancher mag nun denken, dass dies bei einem solch hitbeladenen Album nicht schwer sein sollte. Aber dennoch ist die technische Aufbereitung ein Hörgenuss. In Kombination mit der abwechslungsreichen Liveauswahl mit ganz starken Darbietungen ist eine hörenswerte Sammlung erschienen, die nur wenige Wünsche offen lässt. Die Bonus-CD muss sich hierbei nicht vor einem Live-Album wie Serious Hits… Live! verstecken.

Grade bei einem so erfolgreichen und beliebten Album mit reihenweise Ohrwürmern und Hits hätte man sehr viel falsch machen können. Ob die Aufbereitung nebst Bonusmaterial allerdings viele Leute aufhorchen oder das Album neu entdecken lässt, ist angesichts der Popularität des Originals eher fraglich.

Autor: Ulrich Klemt