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Phil Collins – Live in Hamburg 2002 – Konzertbericht

Am 8.11.2002 kam es zu einem selten gewordenen Live-Konzert von Phil Collins in Deutschland. Anlass war sein neues Album, Testify, sowie die Einweihung der Hamburger ColorLine Arena.

Nachdem Wonderwall plus Band und anschließend Sasha mit seinen Musikern je zirka eine Stunde auf der Bühne ihr Bestes taten, um das Publikum zum Mitklatschen und Mitsingen zu animieren (was nicht immer funktionierte), wurden während einer Umbaupause alle Instrumente für den finalen Act in Position gebracht. Das Licht erlosch und wenige Momente später erhellte ein Spotlight den Platz hinter dem Flügel, an dem der Star des Abends Platz genommen hatte und die ersten Töne zum Besten gab:

In The Air Tonight– ein überraschender Opener – wurde von Phil Collins in der Pianoversion dargeboten. Im Verlauf des Songs wurde ein sehr dezentes und passendes Bass- und Gitarrenspiel von zwei seiner Begleitmusiker hinzugefügt. Es waren Daryl Stuermer (Gitarre) und Leland Sklar (Bass), den wir das letzte Mal während der But Seriously-Tour in Phils Band erleben durften. Aber noch andere bekannte Gesichter konnte man erspähen, die nach Beendigung des ersten Songs unter großem Jubel die Bühne betraten. Da war zunächst Chester Thompson am Schlagzeug und gleichzeitig die Erkenntnis, dass nur ein Schlagzeug aufgebaut worden war. Dies bedeutete leider, dass wir Phil an diesem Abend nicht an „seinem“ Instrument erleben würden. Zur Band gehörten außerdem: Luis Conte (Percussion), Brad Cole (Keyboards), der nach In The Air Tonight seinen angestammten Platz einnahm, Harry Kim (Trompete), Gerald Albright (Saxophon), Ronnie Caryl (Gitarre), Amy Keys (Backing Vocals). Ein unbekanntes Gesicht gab es auch in der Gruppe: Lamont Van Hook (Backing Vocals), der zum Beispiel auf einigen Soloalben Arnold McCullers, seinem „Vorgänger“ in Phils Band, gesungen hat. Das Publikum wurde mit dem nun folgenden Song,

Something Happened On The Way To Heaven, richtig in Stimmung gebracht.

Sehr schnell wurde deutlich, dass hier eine Band auf der Bühne stand, die ihr Handwerk beherrschte. Man hatte überhaupt nicht den Eindruck, dass es irgendwelche Schwächen gab. Alles wirkte wie aus einem Guss – so, als wären die versammelten Musiker seit Monaten gemeinsam auf Tournee. Erstaunlich war ebenfalls, dass Phil trotz der Taubheit auf seinem linken Ohr eine nahezu perfekte Gesangesdarbietung ablieferte. Fast jeder Song wurde bereits nach den ersten Takten mit einer tollen Begeisterung gefeiert; so auch

Another Day In Paradise, welches als nächstes folgte. Nach diesem Hit trat Phil ans Mikro: „Ich haben ein neues Album. Es heißt Testify. And we’re gonna sing two songs from that.“ Das waren seine Worte, die natürlich großen Anklang bei den Besuchern fanden. Da das aus der Feder von Billy Nicholls stammende

Can’t Stop Loving You zu diesem Zeitpunkt schon bei allen Radiostationen rauf und runter gespielt wurde, konnte Phil sich wieder sicher sein, dass es dem Publikum gefallen würde. Nun, es gefiel den Leuten natürlich – die Party konnte weiter gehen. An der Performance gab es wieder nichts auszusetzen – genau wie bei

Driving Me Crazy, ebenfalls von

Testify, das als nächstes zu hören war. Beeindruckend war der gut umgesetzte mehrstimmige Gesangspart in der Mitte dieses Stücks. Hier zeigte sich erstmalig, dass Lamont seine Sache an diesem Abend ganz ordentlich machte und gut in die Band passte. Nachdem der Applaus für

Driving Me Crazy verhallt war, begann eine Zeitreise ins Jahr 1985. Vom „Megaseller- Album“ No Jacket Required stammt

One More Night, welches seinerzeit auch ganz gut „abräumte“ und das nun zu hören war. Szenenapplaus erhielt dabei Gerald Albright für sein packendes Saxophon-Solo. Vom Tarzan-Soundtrack wurde seinerzeit

You’ll Be In My Heart als Single ausgekoppelt. Auch dieses Stück fehlte an diesem Abend nicht. Allerdings spielte Phil und seine Band eine ruhigere, weniger rhythmusorientierte Version. Weiter ging es mit

I Missed Again von Phils Debutalbum. Sicherlich sorgte diese Nummer für eine kleine Überraschung, da sie nicht zum Standard-Repertoire des Meisters gehört. Bereits zwei Tage zuvor in London im La Scala bei einem exklusiven Konzert für die BBC spielte er dieses Stück auch schon.

Phil22

Überraschende Momente gehörten in Hamburg allerdings der Seltenheit an. Man hätte sich noch gewünscht, das ein oder andere Stück vom neuen Album zu hören, zumal es ja keine

Testify-Tour geben wird. Stattdessen folgten Hits über Hits, was natürlich den meisten Zuschauer gefiel. Den bekannten Nummern

Against All Odds und

Seperate Lives konnte man nun lauschen. Sie wurden sehr solide vorgetragen. Bei

Separate Lives holte sich Amy Keys ihren wohlverdienten Szenenapplaus, nachdem sie im Trio mit Phil und Lamont die ganze Bandbreite ihrer beeindruckenden Stimme präsentieren konnte. Bevor es weiter ging, ließ Phil es sich nicht nehmen, seine Band dem Publikum vorzustellen. Jeder Einzelne erhielt während dieser Zeremonie großen Applaus. Danach folgten die Klassiker

You Can’t Hurry Love, Two Hearts und

Easy Lover, die wieder Partylaune versprühten und voll auf der Wellenlänge der Zuschauer zu liegen schienen.

In den Setlists von Phil Collins-Konzerten tauchte bislang sehr selten ein Lied auf, welches er für diese Show wieder ausgrub:

Lady Madonna von den Beatles. Auch wenn er nur eine fünfzigsekündige Version „aufs Parkett“ legte, machte dieses Stück Laune. Ein fließender Übergang zu

Sussudio läutete die letzten Minuten des offiziellen Teils dieses Auftritts ein. Die „Mini-Hornsection“ machte zum Abschluss noch mal richtig Dampf, wurde dabei allerdings „unterstützt“ von Brad Cole an den Keyboards, der einen guten Job verrichtete. Auch Luis Conte konnte hier noch mal zeigen, dass er ein Meister an den verschiedenen Percussion-Instrumenten ist. Luis ist ohne Zweifel eine Bereicherung für die Band. Nach

Sussudioverabschiedeten sich alle höflich vom Publikum und verließen die Bühne.

phil2Natürlich konnte dieser Abend nicht ohne Zugaben enden. So dauerte es auch nicht lange bis alle Musiker wieder in das Rampenlicht traten. Ein sehr bekannter Rhythmus war zu hören und spätestens nach dem Einsetzen der Gitarre wusste jeder Bescheid, welcher Song nun folgen würde:

I Can’t Dance. Von Phil bereits zuvor live gespielt bereitete dieser Genesis-Hit nicht nur den Musikern auf der Bühne, sondern auch dem mitklatschenden Publikum sehr viel Freude. Danach folgte

Take Me Home. Präsentiert wurde das Stück in einer etwas temporeicheren Version als auf früheren Tourneen. Immerhin konnte man hier Phil in Aktion an Schlaginstrumenten erleben – auch wenn es „nur“ zwei Congas waren. Die Endsequenz dieser etablierten Liveversion, bei der Phil das Publikum zum Nachsingen animiert, durfte natürlich nicht fehlen. Eigentlich ist

Take Me Home ja die „Abschiedsnummer“ bei einem Phil Collins-Konzert. Dieses Mal sollte die Show allerdings anders enden. Die Klassiker

My Girlgefolgt von

Get Ready, beide ebenfalls bei vorangegangenen Tourneen gespielt, bildeten den Abschluss dieses Konzertes. Nachdem die Band ein letztes Mal den verdienten Applaus entgegen genommen hatte, verabschiedeten sie sich und gingen von der Bühne. Das Licht erhellte wieder die gesamte Halle. Eine begeisternde Show war zu Ende gegangen.

Phil Collins live zu erleben ist immer etwas Besonderes, und wenn er dann auch noch von solch begabten Musikern wie in Hamburg begleitet wird, ist ein tolles Konzerterlebnis garantiert. Es wäre schade, wenn wir nie wieder die Gelegenheit hätten, den Meister „im großen Stil“ zu erleben.

Autor: Bernd Zindler

Fotos: Birgit Oetjen, Peter Schütz