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Phil Collins – Hello, I Must Be Going! (2016 Deluxe Edition 2CD) – Rezension
Nach Face Value wurde das zweite Soloalbum von Phil Collins eine Art Trotzalbum. Zwar blickte er nach vorn, verarbeitete aber nochmals seine Trennung. 2016 wurde das Album neu aufgelegt. Wir schauen uns das genauer an …
Hinweis: In diesem Artikel wird die Neuveröffentlichung des Albums Hello, I Must Be Going! besprochen. Eine ausführliche Rezension zum Album selbst findet ihr unter diesem Link.
Das Artwork
Auch für Hello, I Must Be Going! gab es eine „Altzellenkur“ und so findet sich auch hier der gealterte Phil auf dem Cover wider. Die Reproduktion ist erneut sehr detailverliebt und es macht Spaß, sich diese Cover immer wieder anzusehen. Auch das Backcover wurde, wie bei den anderen Alben, neu aufgenommen. Der Digipak ist genauso aufgebaut wie die anderen 2CDs der Serie und komplett in strahlendem Blau gehalten. Dazu gibt es wieder den Begleittext von Phil.
Das Remaster
Wie schon bei Face Value haben wir auch bei Hello, I Must Be Going! einen rein „gefühlten“ Gewinn an Klarheit. Das Album ist nun lauter, ohne dabei zu viel kaputt zu machen. An manchen Stellen, zum Beispiel bei The West Side, kann man einen Zugewinn an Klarheit in den Höhen feststellen und bei anderen Songs eine minimal druckvollere Basswiedergabe. Insgesamt wurde aus Hello, I Must Be Going! zwar „weniger“ herausgeholt als bei Face Value, dies ist aber in keinster Weise schlimm, da bereits das Original sehr gut klang.
Betrachten wir das ganze allerdings von der technischen Seite, so wird klar, dass auch hier der Dynamikumfang reduziert wurde. Dies ist ein normaler Effekt, wenn die Lautstärke insgesamt angehoben wird. Auch wenn die Bearbeitungen eher dezent stattfanden, so lassen sich doch größere Unterschiede feststellen. Bereits der Sprung vom Original-Album zum sogenannten Hoffman Remasters (24 Karat Gold CDs bei High Fidelity) war relativ deutlich und bedeutete auch einen gewissen Dynamik-Verlust. Wir betrachten wieder den „Dynamic range“ (DR) Wert, welcher die niedrigsten und höchsten Ausschläge darstellt (bzw. die Abstände derselben). Je höher der Wert ist, desto besser. Die Original CD (hier die deutsche Pressung) hatte einen sehr guten DR-Wert von 14, während die Peaks (höchste Ausschläge) zwischen -0.39 und -2.22 lagen. Ausreißer ist Why Can’t It Wait Till Morning, was natürlich an der Instrumentierung liegt. Hier liegt der Peak bei nur -6.19. Das Hoffman Remaster von 2011 ist lauter, aber die Anhebung zeigt doch deutliche Unterschiede. So ist der Wert bei It Don’t Matter To Me und Why Can’t It Wait Till Morning ziemlich gesprungen, während er bei You Can’t Hurry Love fast gleich blieb. Auf den DR-Wert wirkt sich dies auch aus – er liegt noch bei guten 11, aber deutlich niedriger als bei der Original-Veröffentlichung. Die Remaster sind nun lauter – das fällt am deutlichsten bei You Can’t Hurry Love und Why Can’t It Wait Till Morning ins Gewicht, bei denen die Anhebung des Peaks gleich rund 2 bzw 3.5 dB ausmacht. Natürlich wirkt sich das auf die Gesamtdynamik aus – diese liegt bei dem 2016er Remastern nur noch bei 9, was ein vergleichsweise schlechter Wert ist (auch im Vergleich zu Face Value). Die Ergebnisse könnt ihr in der Grafik nachlesen (auf die Grafik klicken zum Vergrößern).
Vom reinen, subjektiven Hörempfinden her aber kann das nicht bestätigt werden. Hier überzeugt das 2016er Remaster durch einen klaren und druckvollen Klang. Im Normalbetrieb sollte dies also keine Rolle spielen, beim Nutzen von High End Equiment könnte es aber hörbarer sein.
Die Bonustracks
I Don’t Care Anymore (live)
Es ist ein Klassiker. I Don’t Care Anymore ist einer der Songs aus der Kategorie „viel zu selten live gespielt“. Diese Version entstand in Melbourne, Entertainment Centre am 13.04.1985. Und Collins‘ offensiver Gesang verrät eben, warum er das später nicht mehr spielte. Alternativ wäre eine (gesanglich deutlich weniger aggressive) Version der Both Sides Tour möglich gewesen – oder eben MTV Unplugged oder die an die Unplugged Show angelehnte „Stadionversion“, die wir bei den Konzerten in Hannover erleben konnten.
I Cannot Believe It’s True (live)
Mit großer Wahrscheinlichkeit ist diese Version in Pasadena, Perkin’s Palace am 19.12.1982 aufgenommen.
Like China (live)
You Can’t Hurry Love (live)
It Don’t Matter to Me (live)
Alle Songs stammen aus Dallas, Reunion Arena am 29.05.1985. Dort wurde Phils Konzertvideo No Ticket Required aufgenommen aufgenommen. Die Tracks sind in dieser Version Fans ebenfalls längst bekannt, da sie schon auf diversen Bootlegs und Torrents zu bekommen waren. Nun bekommen einige also eine offizielle Veröffentlichung. Bleibt zu hoffen, dass wir irgendwann auch mal die gesamte Show auf Blu-ray sehen… It Don’t Matter To Me hätte man natürlich auch von einer späteren Tour nehmen können.
The West Side (live rehearsal)
Hier wird es interessant. Es war im Vorfeld bekannt, dass es sich um eine Rehearsal-Version handelt, es war aber nicht klar von wo. Nun ist es klar: Diese Version stammt aus Montreux 1996 – die Big Band Tour! Neben Hand In Hand veredelte Collins während ihr auch sein zweites großes Instrumental – The West Side. Das hier ist ganz großer Sport. Grandios! Bleibt die Frage, warum er nicht auch Hand In Hand als Rehearsal Version auf Face Value gepackt hat …
People Get Ready (live)
Dieser Song von Curtis Mayfield war seinerzeit das finale Stück der Show, also eine Art Rausschmeißer. Auf den Bootlegs kam immer noch Phils „thank you everybody goodbye – that’s all we know“ hinterher, das fehlt hier leider. Dafür hätte man das Stück aber auch ans Ende packen müssen. Mit diesem Track weicht er erneut ein wenig von seinem Konzept ab (zeigen, wie sich die Album Songs live entwickelt haben), aber was soll’s. Ein tolles Stück!
Thru These Walls (live)
In dieser Reihenfolge der Bonus-Tracks erscheint es etwas merkwürdig, Thru These Walls hinter People Get Ready zu platzieren. Ein weiteres Stück aus dem Pasadena Konzert. Und ein weiterer, viel zu selten gespielter Klassiker.
It’s Alright (live)
Hier haben wir – ähnlich wie bei And So To F bei Face Value, wieder einen logischen Bruch. It’s Alright wurde wohl nur ein einziges Mal auf der Tour überhaupt gespielt und die hier vorliegende Version ist auch die bekannte Version aus Dallas 1985. Fans dürften sie bereits vom Live-Video und diversen Bootlegs her kennen. Dieses Stück hätte auf No Jacket Required gemusst.
Oddball (demo of Do You Know, Do You Care?)
Dieses Demo ist auch nicht unbekannt und war auch zuvor schon auf CD erhältlich, nämlich als B-Seite von You Can’t Hurry Love. Es hört sich auch so an, als würde das Demo etwas mehr rauschen als die bereits bekannte Version.
Don’t Let Him Steal Your Heart Away (demo)
Erneut ein schönes Demo eines „vergessenen“ Collins-Songs. Obwohl er eine Single war und damals auch live gespielt wurde, kam er in Collins‘ Welt wohl nicht mehr vor. So schreibt er auch in seinem Begleittext „wir haben das Stück meiner Erinnerung nach damals gar nicht gespielt“. Da irrt er. Trotzdem schön, dass dieses Demo nun auch offiziell veröffentlicht wird. Und schade, dass das die Live-Version nicht geschafft hat.
Bewertung des Bonusmaterials
Wir haben im Vergleich zum ersten Schwung (vor allem zu Both Sides) einen deutlichen Qualitätssprung, was die Auswahl und den Sound des Materials angeht. Was bleibt ist allerdings einen gewisse Inkonsistenz und auch eine merkwürdige Sortierung. Theoretisch hätte And So To F auf dieses Album gemusst und It’s Alright auf No Jacket Required. Streng genommen aber hätte keiner dieser Songs berücksichtigt werden dürfen, da Collins ja mit den Bonus-Tracks das „Weiterleben“ der Album-Tracks bei Konzerten zeigen wollte. Hier wäre es auch sinnvoll gewesen, mal mehr Versionen späterer Tourneen zu nehmen (wie bei dem grandiosen The West Side, diese Big Band Fassung ist einfach fantastisch). Dazu gibt es von Why Can’t It Wait Til Morning auch eine Version der Band Fourplay (Nathan East), auf der Collins singt. Das hätte sich hier auch gut gemacht. Ebenfalls aus der Session des Albums stammt die B-Seite The Man With The Horn, welche seinerzeit aber erst im Rahmen der Singles von No Jacket Required veröffentlicht wurde. Gut möglich also, dass wir dieses Stück quasi als Fortsetzung der Inkonsistenz der Bonustrackbestückung bald woanders finden werden. Die angebotenen Demos sind in Ordnung. Insgesamt versöhnt das Material wieder ein wenig nach der Both Sides-Katastrophe.
Fazit
Ein rein gefühlsmäßig verbessertes Remaster und eine durchweg gute Soundqualität bei den Bonus-Tracks. Das darf man erwarten und bekommt man hier auch geboten. Gelegentlich wünscht man sich eine kreativere Auswahl der Live-Stücke, vor allem was den Aufnahmeort angeht. Am Ende werden viele der Songs von den bereits erschienenen Konzertfilmen stammen – und sicherlich ist es eine Überlegung wert, diese auch noch zu überarbeiten. Es irritiert etwas, dass Collins bei der Fülle an Konzertaufnahmen, die er nach eigener Aussage hat, nicht auch auf diese zurückgreift – vielleicht ist es auch nur ein zeitlich-logistisches Problem – schade ist es aber in jedem Fall. Dennoch, hier haben wir wieder eine der besseren Neuveröffentlichungen bekommen.
Hello, I Must Be Going! erscheint am 26.02.2016 als LP und 2CD und kann bereits vorbestellt werden:
Autor: Christian Gerhardts
Links:
Take A Look At Me Now – Überblick zur Kampagne.
Hello, I Must Be Going! (2016 Remaster) – Forum-Diskussion