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Phil Collins First Final Farewell Tour 2005 Bericht

2005 setzte Phil Collins seine Farewell Tour in Osteuropa und im Nahen Osten fort. Ulrich Klemt hat sich etliche Shows angesehen…

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Neuchâtel, October 08, 2005 – Drums, Drums and more Drums

Vielleicht ist man wirklich verrückt, wenn man die Show 2004 schon achtmal gesehen hat (in Mailand, Wien, Frankfurt, Köln, London, Nîmes, Milwaukee und Chicago). Noch verrückter ist es freilich, wenn man sich dazu entschließt, die Show im darauf folgenden Jahr weitere acht Male zu sehen. Aber an einem Samstag im Oktober 650 Kilometer weit nach Neuchâtel zu fahren, ohne zu wissen, ob auch nur Gelegenheit besteht, die Proben von draußen zu hören – das ist zugegebenermaßen vollkommen durchgeknallt.

neuchatelGenau das habe ich allerdings getan. Bin früh aufgestanden und hab mich ins Auto gesetzt. Nach sechs Stunden Fahrt auf deutschen und schweizer Autobahnen war ich dann an den Patinoires du Littoral am Ufer des wunderschönen Lac de Neuchâtel. Es war Samstag, der 8. Oktober 2005. In wenigen Tagen würde die
First Final Farewell-Tour mit einem Auftritt in Tallinn (Estland) beginnen.

Ich saß am Seeufer und wartete darauf, dass etwas passieren würde, als ich einen langbärtigen Mann bemerkte, der in meine Richtung ging und einen Rollkoffer hinter sich herzog. Kaum zu glauben – es war Leland Sklar, Phils wohlbekannter Bassist. Wir unterhielten uns ein wenig, und am Ende sagte er, er würde mal fragen, ob ich und ein Schweizer Fan, den ich in Neuchâtel getroffen hatte, für die Probenshow hineinkommen dürften. Also warteten wir im Foyer der Halle darauf, dass Leland zurückkäme und uns das Ergebnis mitteilte.

Nach einer Weile kam Lee heraus, um mit Phils Hund Jack gassi zu gehen. Er sagte uns, dass der Tour Manager Tim Brockman persönlich uns erlaubt habe, die Show zu sehen. Es wurden sowieso auch noch andere Bekannte, Freunde und offizielle Gäste erwartet (vor allem russische Offizielle und Fernsehteams aus Russland, Rumänien und Estland). Auf zwei Leute mehr oder weniger kam es also auch nicht mehr an.

Ein paar Minuten danach erschien der Bassvirtuose, und führte uns mit der Bemerkung, dass es nicht mehr lange dauern würde, hinein. An ihm vorbei durchquerten wir den Raum, in dem die Band und die Crew zu Mittag aßen. Durch eine weitere Tür betraten wir die Halle, so dass wir rechts neben der Bühne standen. Sklar zeigte uns eine Gruppe von Stühlen im Zuschauerraum; dort sollten wir sitzen. Außer uns und ein paar Crewmitgliedern war kaum jemand in der Halle. Allmählich trudelten immer mehr Mitglieder der Band ein, und schließlich erschien auch Phil für einen kurzen Soundcheck. Er setzte sich ans Schlagzeug und spielte einfach mal vor sich hin. Ein unglaubliches Erlebnis und eine exklusive Ehre – Phil spielte sozusagen nur für uns! Dann verschwand er hinter der Bühne und überprüfte sein Schlagzeug für
In The Air Tonight. Als er wieder auf die Bühne kam, überprüfte er die Abmischung der Mikrophone mit den Hintergrundsängern. Zu diesem Zweck sangen sie
Invisible Touch mehr oder weniger a capella. Was für ein Geschenk! Ich hatte schon vorher gewusst, dass zwei neue Stücke gespielt werden würden, zwei Überraschungen also, nämlich ein Stück von Genesis und eines von
Both Sides. Jetzt wusste ich, welcher Song von Genesis es war. Und rätselte immer noch, was von Both Sides gespielt würde.

Die Tourbühne hatte sich nicht besonders verändert, aber während der Show zeigte sich, dass die neuen Beleuchtungselemente eine deutliche Verbesserung gegenüber den Kränen darstellten, die im Jahr zuvor benutzt worden waren. Auch wurden auf den Hintergrundbildschirmen einige neue Videosequenzen gezeigt.

Wenn die Proben für ein Konzert so weit vorangeschritten sind, versucht man nichts anderes außer einfach ein ganzes Konzert durchzuspielen. Als die Show also anfangen sollte, waren die Gäste und Freunde auch eingetroffen, insgesamt etwa 200 Leute. Klingt viel, ist aber eine sehr exklusive Schar, wenn man es mit den Zuschauerzahlen eines normalen Konzerts vergleicht.

Die Show begann natürlich mit Phil am Schlagzeug. Bald stiegen Chester Thompson und Luis Conte mit ein. Es gab keine große Vorstellungsrunde nach
Don’t Lose My Number und die Stücke verliefen wie im Vorjahr. Keine Überraschungen bis zum Ende von
A Groovy Kind Of Love. Das Stück danach war nicht
I Missed Again, sondern
Another Day In Paradise. Danach war ich überrascht,
Misunderstanding zu hören. Immerhin war das ein Stück besonders für die Tour in Nordamerika, wo die Single 1980 so erfolgreich war. Außerdem war es höchst unwahrscheinlich, dass Phil außer
Invisible Touch noch einen Genesissong spielen würde. Aber ich war sehr überrascht, als ich sah, wie Phil und Luis zu einigen Snaredrums hochgingen, die mir vorher nicht aufgefallen waren. Als beide auf Position waren, begann ein wohlbekannter Schlagzeugrhythmus, der aber bald sehr seltsam klang. Schließlich hörte Phil auf zu spielen, winkte mit den Schlegeln und rief „Halt! Stop! Mein Fehler!“ Er hatte offenbar den falschen Rhythmus begonnen. Also begann das Intro von vorne und diesmal fehlerlos.
We Wait And We Wonder klang sogar noch besser als 1994/95, als es zum ersten und letzten Mal live gespielt wurde. Der Song passte aber auch sehr gut in die Auswahl, vor allem wenn man bedenkt, dass der Text immer noch aktuell ist und in welchen Ländern die Tour in den kommenden Wochen gastieren sollte. Chesters Schlagzeugarbeit machte das Stück noch stärker, und die Beleuchtung – es sah aus, als brenne die Bühne, schuf eine großartige Atmosphäre für den Song.

Es dauerte eine Weile, bis
Invisible Touch gespielt wurde, in dem Teil der Show, der die schnelleren Stücke umfasste. Hier kamen auch Bläser zum Einsatz, was entfernt an die Big Band-Touren erinnerte. Meiner Ansicht nach eine feine Version. Ich war schon sehr gespannt, wie dieser Song vor einem großen Publikum wirken würde. Aber das Beste sollte ja erst noch kommen – ein sehr kurzes Meisterstück: Der Übergang von
Invisible Touch zu
Easy Lover. Der hat mich einfach umgehauen. Ohne dass an den beiden Stücken irgendetwas gekürzt worden wäre, ging
Invisible Touch so organisch in
Easy Lover über. Das zweite Stück hatte schon begonnen, wenn man merkte, dass das erste schon vorbei war.

Am Ende der Show erwiesen sie ihren russischen Gästen, die an diesem Nachmittag da waren, ihre Reverenz. Auf dem Hintergrundbildschirm erscheint während Take Me Home der Name der Stadt, in der die Show stattfindet. Hier war es aber nicht Neuchâtel, sondern Moskau, in kyrillischen Lettern.

Die zweieinhalb Stunden waren – wie immer – zu schnell vorbei. Nach dem Konzert hatte ich Gelegenheit, mit einigen Mitgliedern der Band zu sprechen. Leider gab es keine Gelegenheit, Phil zu begegnen oder ein paar Worte mit ihm zu wechseln. Er war völlig ausgelastet mit den Vorbereitungen für die Show und musste auch noch einige Interviews absolvieren. Nichtsdestoweniger war es eine unvergessliches Gefühl, an diesem Samstagnachmittag hier gewesen zu sein. Was für eine Belohnung für 1300km Fahrt… Einen Soundcheck zu sehen, das war ein Lebenstraum gewesen. Aber an diesem besonderen Tag in Neuchâtel hatte ich die Ehre und das Vergnügen, nicht nur einen Soundcheck, sondern eine volle Show als Probe zu sehen!

Helsinki, 15. Oktober 2005 – Vorsicht Rutschgefahr!

Eine Woche nach meinem besonderen Erlebnis in der Schweiz flog ich nach Helsinki, um dort eine der Shows in der Hartwall Areena zu sehen (ja, in Finnland wird Arena so geschrieben). Die Samstagsshow war angekündigt als die erste Show dieses Tourabschnitts. Ich war einigermaßen enttäuscht, als ein weiteres Konzert für den Tag davor und sogar noch eines für zwei Tage vorher in Tallinn angesetzt wurde. Die erste Show einer Tour zu sehen ist immer etwas Besonderes, denn nur wenige wissen, was man zu sehen bekommen wird. Nach der ersten Show dauert es nur ein paar Stunden, bis sich die Nachrichten durch das Internet verbreiten. Aber ich hatte ja die Generalprobe eine Woche zuvor gesehen, und das löschte jegliche Enttäuschung aus.

helsinkiBald nachdem ich in Finnland eingetroffen war, betrat ich die schöne Hartwall Areena. Sie ist nahezu ein Zwilling zur ColorLine Arena in Hamburg (die Phil Collins 2002 mit einem Konzert gleichsam einweihte), wurde allerdings ein paar Jahre früher gebaut. Ein großer Teil von Helsinki wurde auf Felsen gebaut, und wenn man zum Parkett der Hartwall Areena hinabsteigt, kann man das sehen: Stellenweise gibt es dort keine Ziegelwände, sondern blanken Fels. Sehr beeindruckend! Eigentlich bin ich ja kein Freund von Konzerten, bei denen jeder einen Sitzplatz hat. Mit einem Platz in der vierten Reihe hatte ich allerdings einen hervorragenden Blick auf die Bühne und war trotzdem noch nach genug dran.

Obwohl ich ja schon alle Überraschungen kannte, war ich immer noch sehr gespannt, wie sich die Show vor einem großen Publikum darstellen würde. Während der Vorstellung verzichtete Phil darauf, Finnisch zu sprechen und hielt sich ans Englische. Später erfuhr ich, dass er am Vorabend große Probleme mit der Sprache gehabt habe.

Es dauerte eine Weile, bis die Finnen warm wurden, und außerdem war es nicht einfach, aufzustehen, weil zwischen dem eigenen Sitz und dem davor so wenig Platz war. Als endlich richtig Stimmung aufkam und
Sussudio begann, fing Phil an, auf der Bühne im Kreis zu rennen, wie er es ja schon auf vorherigen Tourabschnitten tat, hinauf, hinunter, wieder hinauf und so weiter. Dann wurden von oberhalb der Bühne Papierschlangen und Konfetti abgeschossen. Etwa in der Mitte des Stücks begann Phil sein zweites Herumgerenne. Plötzlich rutschte er direkt vor seinem Schlagzeug und nur wenige Meter vor mir auf einer Papierschlange aus. Für einen Moment lag er lang auf dem Boden, stand aber bald wieder auf. Dieser Unfall beeinträchtigte das Stück nicht. Er verpasste keinen Einsatz und die Band spielte weiter. Wie manche vielleicht wissen, hatte Phil sich 2005 den Meniskus verletzt, weswegen sein Knie einen Schonverband trug. Er hatte sich gerade noch rechtzeitig für die Tour wieder erholt – und jetzt dieser Unfall! Als er da lag, eilten alle Crewmitglieder an den Bühnenrand, um zu sehen, wie es ihm ging. Phil hörte auf mit dem Herumlaufen und sah die nächsten Minuten ein wenig verwirrt und schockiert aus. Aber die Show ging weiter und bekanntlich fanden alle folgenden Shows wie geplant statt. Zu dieser Zeit ahnte niemand, dass etwas anderes Phils Auftritt nur ein paar Tage nach Helsinki stoppen sollte…

Budapest – 26.Oktober 2005 – Die Show muss weitergehen…

Nachdem seine Halsprobleme ihn gezwungen hatten, das Konzert in Vilnius (Litauen) drastisch zu kürzen, wurden die Auftritte in Prag ans Ende der Tour verlegt. Ich wollte das Konzert in Budapest sehen, das für den Tag nach der zweiten Show in Prag geplant war. Als ich morgens in den Flieger nach Budapest stieg, wusste ich nicht, ob die Show überhaupt stattfinden würde. Ich wusste jedoch, dass die Band nach Vilnius drei freie Tage hatte, damit Phil sich so schnell wie möglich erholen konnte.

budapestDaher führte mein erster Weg in Budapest zur Vorverkaufsstelle der Sportarena, wo ich fragte, ob die Show stattfinden würde. Die Antwort: Ja, keine Absage oder Verschiebung. Glück gehabt! Mit so guten Nachrichten konnte ich einen wunderbaren Aufenthalt in der Hauptstadt von Ungarn richtig genießen – bei Temperaturen, bei denen ich im T-Shirt herumlaufen konnte, und das noch Ende Oktober! Als ich gegen Abend in mein Hotel direkt neben der Ufo-artigen Sportarena zurückkehrte, bemerkte ich einige bekannte Gesichter in der Lobby. Nein, Chester Thompson lag nicht schlafend auf dem Fußboden, aber immerhin entspannten sich einige Mitglieder der Tourcrew von ihrer Fahrt von Prag hierher. Noch ein gutes Zeichen und ein Beleg dafür, dass das Konzert stattfinden würde.

Anderntags stellte ich mich schon am frühen Nachmittag an der Schlange an. Ich hatte wieder einen Stehplatz und wollte natürlich sichergehen, dass ich so weit vorne wie möglich war. Dabei begegnete ich einigen sehr netten Menschen aus ganz Europa – Engländern, Österreichern, Italienern, Ungarn und Deutschen. Als der Einlass endlich geöffnet wurde, war ich unter den ersten, die hineinkamen und schaffte es in die erste Reihe. Hier war es eine ganz besondere Erfahrung, Fans zu treffen, die Phil noch nie vorher live gesehen hatten. Das machte einen großen Eindruck auf die gesamte Atmosphäre. Die Menge war bei bester Laune – und nicht nur die Menge, sondern auch die Band. Von Anfang an war es offensichtlich, dass nicht nur Phil, sondern alle Musiker dieses Konzert nach der unfreiwilligen Pause spielen wollten.

Der Hauptteil war leider verkürzt um
You’ll Be In My Heart, und die einzige Zugabe war
Take Me Home (mit dem Schlagzeugintro). Immerhin waren wir mit einem so relativ langen Set gut bedient, denn auf den darauffolgenden Konzerten (in Zagreb, Belgrad, Bukarest und Athen) wurden auch Stücke wie
Come With Me und
A Groovy Kind Of Love vorübergehend gestrichen. You’ll Be In My Heart wurde erst ganz am Ende dieses Tourabschnitts wieder gespielt. Es war trotzdem noch offensichtlich, dass Phil erkältet war. Trotzdem kämpfte er sich tapfer auch durch stimmlich anspruchsvolle Stücke. Hin und wieder hustete er oder trank etwas Tee.

Bei
Sussudiobekam ich sogar das Mikrofon zum Mitsingen. Nicht zum ersten Mal überhaupt, aber zum ersten Mal in diesem Jahr. Übrigens hatte ich das Glück, der allererste Fan bei der allerersten Show der Tour (2004 in Mailand) zu sein, der das Mikro bekam. Daher war mein Lampenfieber nicht so schlimm.

Dubai, 10. November 2005 – Rock The Casbah!

Dubai war so etwas wie ein Sommerurlaub für mich, natürlich nur wegen der hohen Temperaturen (mehr als 30°C Mitte November). Schon lange hatte ich einmal in die Vereinigten Arabischen Emirate reisen wollen. Dass Phil dort ein Konzert gab, bot mir eine einzigartige Gelegenheit, mir diesen Wunsch zu erfüllen.

dubai1Ich blieb eine ganze Woche in Dubai, denn sonst hätte sich der lange Flug nicht gelohnt. Ich verbrachte dort eine wundervolle Woche unter freundlichen Menschen, in einer ganz und gar sicheren und sauberen Stadt mit vielen Sehenswürdigkeiten.

Am Tag vor dem Konzert nahm ich an einer Wohltätigkeitsveranstaltung der Little Dreams Foundation teil. In einem Hotel in der Nähe des berühmten Burj al Arab Hotels gab es eine Tennisvorführung zugunsten der Stiftung, die Phil und seine Frau Orianne gegründet hatten. Sie war einzigartig besetzt mit bekannten Tennisweltstars wie Björn Borg, Michael Stich, Henri Leconte und Ilie Nastase. Der Abend war sehr unterhaltsam und in der Pause zwischen den Matches traf ich Orianne am Andenkenstand der Little Dreams Foundation.

Anderntags sollte das Konzert im Autodrom von Dubai stattfinden, einer Rennbahn, die außerhalb von Dubai in der Wüste liegt. Ein Freiluftkonzert im November! Und ein ganz besonderer Ort für das größte Rockkonzert, das die Vereinigten Arabischen Emirate je gesehen hatten. Die Bühne war in der Mitte einer Haarnadelkurve der Rennstrecke aufgebaut. Da es in Dubai kaum öffentliche Verkehrsmittel gibt, nahm ich ein Taxi. Lustigerweise hatte der Taxifahrer keine Ahnung, wo das Autodrom lag oder wer Phil Collins ist. Weil ich im Hotel noch zufällig auf die Karte geschaut hatte, konnte ich ihn hinlotsen. Schließlich traf ich gut eineinhalb Stunden vor Toresöffnung ein. Nach meinen Erfahrungen mit Konzerten ohne reservierte Plätze in Europa war das schon recht knapp, aber in Dubai war ich einer der ersten, die dort ankamen!

Die nächste Odyssee fing aber schon an – welchen Eingang sollte ich nehmen? Ein Flugblatt mit einer Übersichtskarte des Autodroms, das ich im Virgin Megastore in der Innenstadt besorgt hatte, deutete an, dass ich den orangen Eingang nehmen musste. Das Personal im Autodrom hatte keine Ahnung, wo ich hinmusste. Sie meinten, ich könnte hineingehen, wo ich wollte. Letztenendes nahm ich den orangen Eingang, weil meine Eintrittskarte orange war, ging hinein und hatte wieder Probleme, den richtigen Weg zu finden. Also ging ich weitel, bis ich die Rückseite der für das Konzert errichteten Tribünen sehen konnte. Einen besonderen Eingang, vor dem man warten sollte, schien es jedoch nicht zu geben.

Nach einer Weile begann der Soundcheck und ich konnte so gut wie alles hören. Um diese Zeit waren auch Leute von einem Wachdienst aufgetaucht, die allerdings offenbar auch keinen Plan hatten. Außer mir warteten nur zwei andere Leute an diesem Eingang. Nach dem Soundcheck sagten uns die Wachleute, dass sie uns nur mit einem Armband einlassen dürften. Um dieses zu bekommen, sollten wir zum Eingang zurück(!)gehen und unsere Karten vorzeigen. Das taten wir dann auch. Als wir am „richtigen“ Eingang ankamen – etwa zweihundert Meter von unserer Wartestelle entfernt (aber natürlich schon im Autodrom!) sahen wir die eigentliche Schlange von fast hundert Metern Länge, die vor dem Tor warteten. Wir holten uns die Armbänder, kehrten zu „unserem“ Eingang zurück und wurden ohne weiteres eingelassen.

So kam es, dass ich einer der ersten „in The Cage“, im Käfig war – so hieß der Bereich mit den Stehplätzen vor der Bühne tatsächlich. Ein merkwürdiger Name! Nach der letzten Taschenkontrolle ging ich gemächlich ganz nach vorne, wo einige Mitglieder der Tourcrew noch darüber berieten, wie einige Kabel abgedeckt werden könnten. Sobald sie mich sagen, wurden sie nervös und fragten per Walkie-Talkie nach, warum der Einlass schon geöffnet worden sei. Ich versuchte sie zu beruhigen und sagte ihnen, dass außer mir nur zwei andere Leute schon drinnen seien und dass der Haupteingang noch geschlossen sei.

Während ich auf die Show wartete, unterhielt ich mich mit anderen Leuten aus aller Herren Länder, z.B. dem Libanon, Indien, den Vereinigten Staaten, Syrien und Bahrain. Wieder war es etwas besonderes, jemanden zu erleben, der sein erstes Phil Collins-Konzert überhaupt erlebt!

Das Konzert begann pünktlich um halb zehn abends. Der Zeitpunkt stellte eine logistische Herausforderung dar, denn nachdem die Show endete (etwa um Mitternacht), musste alles zum Flughafen gebracht und sofort für die nächste Show nach Düsseldorf transportiert werden. Es gab nämlich nur eine Bühne und einen Satz Ausrüstung. Also musste alles in weniger als 48 Stunden von Dubai nach Düsseldorf gebracht werden. Das gleiche logistische Problem stand mir ins Haus, denn ich wollte auch beide Konzerte in Düsseldorf sehen. Die Show war großartig, obwohl nichts Spektakuläres passierte. Die Setlist war genau dieselbe wie in Budapest zwei Wochen zuvor, und Phil’s Stimme ging es hörbar besser. Ein besonderes Souvenir fand seinen Weg in die Hutsammlung für
Wear My Hat, nämlich eine goldene Kappe mit einem rosa Schleier. Während
Take Me Home erschienen einige arabische Schriftzeichen auf dem Hintergrundbildschirm. Ich habe mir sagen lassen, es sei der Ortsname „Dubai“ auf arabisch gewesen. Etwa um viertel vor zwei Uhr morgens war ich wieder im Hotel, und musste doch um fünf Uhr wieder aufstehen, um pünktlich am Flughafen zu sein. Mein Heimflug begann um neun Uhr morgens, kaum neun Stunden nach dem Ende des Konzerts. Als ich wieder im kalten und nebligen Düsseldorf ankam, war es früher Nachmittag. Aber ich hatte das Rennen gegen die Band, die Bühne und die sonstige Ausrüstung gewonnen. Die dafür vorgesehenen Charterflugzeuge – der VIP-Airbus A319 für die Band und die Antonov An-124 für Bühne und Ausrüstung standen noch am Terminal in Dubai, als mein Flieger startete. Die Tourcrew musste mit einer Linienmaschine über München fliegen, während ich das Vergnügen eines Nonstop-Fluges hatte.

Düsseldorf, 12. und 13. November 2005 – Take Me Home

Keine 24 Stunden nach meiner Landung aus den VEA stand ich schon wieder vor der LTU Arena in der Schlange für ein Konzert. Was für ein Unterschied – mehr als sechs Stunden Flug von Dubai, aber kaum fünfzehn Minuten Fahrt von meiner Wohnung zur LTU Arena! Verglichen mit Dubai war es eisigkalt in Deutschland. Nach sieben langen Stunden des Wartens war ich froh, als die Tore endlich geöffnet wurden. Wegen technischen Problemen mit den neuen elektronischen Schranken am Eingang dauerte es allerdings nochmal 45 Minuten, bis wir endlich hineinkonnten.

duessWieder hatte ich das Glück, einen Platz direkt an der Absperrung in der Mitte der Bühne zu bekommen. Das Arenadach war natürlich geschlossen und die Heizung an, so dass es im Stadion recht angenehm war.

Da diese beiden Konzerte zugunsten der Little Dreams Foundation waren, bildete die LDF-Band das Vorprogramm. Dieser besondere Support wurde von keinem geringeren als Phil Collins selbst vorgestellt. Er erschien mit einigen seiner berühmten Zettel, auf denen Deutsch in Lautschrift stand, und kündigte die jungen Talente an. Sie spielten richtig gut und ihre Performance verlockte sogar einige Mitglieder von Phils Band dazu, hervorzukommen und ihnen zuzuschauen. Für die Jungen und Mädchen muss es fantastisch gewesen sein, dass Luis Conte, Arnold McCuller und andere Größen ihnen Aufmerksamkeit schenkten.

Vom ersten Augenblick an war klar, dass dies ein magischer Abend werden würde. Manchmal kann man sagen, was ein Konzert so besonders macht. Ich hatte vorher schon drei Konzerte und eine Konzertprobe gesehen. Aber jetzt spielte Phil nur 15 Kilometer von meinem Heimatort entfernt, und das machte das Konzert besser denn je. Ich könnte nicht sagen, was es genau war, aber irgendwie funkte es kräftig zwischen der Band und dem Publikum.

Die Schlagzeugeinleitung war etwas länger und anders als sonst. Ein Meer von Feuerzeugen bildete wieder eine großartige Kulisse für Songs wie
A Groovy Kind Of Love und
One More Night. Nochmals hatte ich das Glück, für
Sussudio das Mikro zu bekommen und direkt danach sagte Phil sogar irgendwas zu mir, leider war es zu laut als dass ich es verstehen konnte. Das einzige Wort, das ich deutlich verstand, war „tomorrow“ – morgen. Keine Ahnung, was er mir sagen wollte. Ich glaube nicht, dass er sich an mich von Dubai erinnerte, aber man weiß ja nie. Als erste Zugabe wurde endlich wieder
It’s Not Too Late gespielt. Es war sehr schön, diesen Song wieder zu sehen und zu hören. Nach der Show war ich vollkommen überwältigt.

Nachdem ich mich noch mit einigen anderen Fans nach der Show zusammengeschlossen hatte, war ich gegen zwei Uhr morgens endlich daheim – und musste früh wieder aufstehen, um mich für das zweite Konzert anzustellen.

Der nächste Tag war daher wie eine Szene aus „Und täglich grüßt das Murmeltier“. Ich kam etwa zur selben Zeit an der Arena an wie am Vortag und musste daher wieder sieben Stunden warten. Das Wetter war immer noch kalt, obwohl gegen Abend nochmal die Sonne herauskam. Dieses Mal funktionierten die Einlassschranken reibungslos und meine Spitzenposition in der Schlange führte dazu, dass ich wieder einen Platz in der ersten Reihe hatte. Phil kündigte wieder die LDF-Band an, die heute ihre Stückauswahl variiert hatte. Sie waren deutlich entspannter als am Vortag, als sie immer noch ein wenig nervös wirkten.

Das Konzert selbst war wieder grandios, mit einer besonderen Überraschung am Ende. Das Schlagzeugspiel war etwas mehr am Standard, aber die Stimmung im Publikum war hervorragend! Nochmal ausverkauft, natürlich. Phil erwähnte, dass dies das letzte Konzert in Deutschland sei. Diesesmal durfte ich nicht
Sussudio singen… Also hatte Phil wohl am Vortag etwas gesagt wie „Aber morgen lasse ich dich nicht ans Mikro“.

Nun zur Überraschung: Nach
Sussudio, wenn also die Zugaben kommen, kommen entweder die Sänger mit der Band nochmal auf die Bühne und spielen
It’s Not Too Late, oder Phil, Luis und Chester kommen zurück und spielen das Schlagzeugintro zu
Take Me Home. Heute war er anders und ich ahnte daher eine Überraschung. Zunächst hielt Phil eine kleine Ansprache, erwähnte wieder, dass dies das letzte Deutschlandkonzert „auf absehbare Zeit“ sei (was immer das heißt) und dankte allen für ihre Unterstützung in all den Jahren. Dann spielten sie
Always! Einfach Wahnsinn! Dieses Stück ist für mich eine der allerschönsten Coverversionen, die Phil jemals im Repertoire hatte. Eine Überraschung hatte ich erwartet, weil es eben das letzte Konzert in Deutschland war, und
Always war ein Kandidat dafür. Aber es war einfach unglaublich, als sie es tatsächlich spielten! Phil hat zwar gegen Ende eine Zeile durcheinander bekommen, aber das hat auch niemanden gestört. Es war ein unvergesslicher, bewegender Moment.
It’s Not Too Late wurde nicht gespielt, und nach
Always ging es gleich in den Schlagzeugteil vor
Take Me Home.

Nach dem Konzert fuhr ich sofort heim, denn anderntags musste ich die Morgenmaschine nach Dublin bekommen.

Dublin – 15. November 2005 – Das Ist Der (Springende) Punkt!

Wieder endete eine kurze Nacht mit einem frühen Weckergeklingel. Als ich gerade am Flughafen eingecheckt hatte, sah ich einige bekannte Gesichter zum selben Checkin-Schalter kommen: Dave Rule (Gitarrentechniker), Alain Schneebeli & Michel Colin (Toningenieure) und andere. Also würde wenigstens einige Leute aus Phils Team in meiner Maschine sein. Ich kannte Michel Colin, Phils Toningenieur, noch von dem Probekonzert, also begrüßte ich ihn und wir sprachen miteinander, während wir durch die Sicherheitsschleusen und am Zoll vorbeigingen. Auch hatte ich das Vergnügen, mit Mari Falcone zu sprechen, Bill Cantos’ Frau. Alle erzählten mir, dass sie auch mit den Crewbussen nach Dublin hätten fahren können – eine Tour von 24 Stunden. So hätten sie beschlossen, auf eigene Faust nach Dublin zu fliegen.

dublinIn Dublin traf ich mich mit einem Freund am Flughafen und wir zogen zu unserem Hotel beim Temple Bar. Nach einer kurzen Stadtbesichtigung gingen wir früh zu Bett. Ich war außerordentlich müde nach diesem Wochenende: Donnerstags eine Show in Dubai, Freitags der Heimflug, dann die Shows in Düsseldorf am Samstag und Sonntag und jetzt der Flug nach Dublin mit der Show am nächsten Abend. Ich brauchte wirklich mal ein wenig Ruhe!

Nach einer gut durchschlafenen Nacht und einem entspannten Morgen in Dublin stellten wir uns am frühen Nachmittag vor The Point an. Was The Point ist? Früher einmal war es ein Betriebshof für Straßenbahnen und außerhalb des Gebäudes kann man auch immer noch Schienen sehen. Verglichen mit den vorigen Veranstaltungsorten ist die Halle winzig. Das Schlangestehen war besser organisiert als in Deutschland, obwohl es furchtbar kalt war und dort sonst auch nichts gab, nicht einmal Toiletten.

Die Türen wurden pünktlich geöffnet und es war kein Problem, wieder einen Platz ganz vorne zu bekommen. Die Bühne wirkte sehr beengt, auch konnten nicht alle Lichter benutzt werden. Am Anfang der Show versuchte sich Phil an einigen gälischen Worten, hatte aber offensichtlich keinen Erfolg. Nach seinem letzten Satz schauten die Leute im Publikum ziemlich verdutzt drein. Also zerknüllte er seine Textblätter, warf sie weg und hielt sich ans Englische. Anfangs wirkte das Publikum ein wenig träge, aber im Verlaufe der Show fingen sie an mitzusingen, klatschten und genossen den Abend. Am Ende sangen sie ganz grandios mit und jubelten laut, als Leland Sklar für
Wear My Hat einen Kleeblatthut aufsetzte!

Ich hatte den Eindruck, dass Phils Stimme nicht ganz auf der Höhe war. Zunächst war ich darüber ein wenig besorgt – hatte er in Düsseldorf zuviel des Guten getan? – aber die Show verlief ohne Probleme. Die Stücke waren dieselben wie am ersten Abend in Düsseldorf. Rückblickend war er das letzte Mal, dass ich
It’s Not Too Late hörte. Später kam mir zu Ohren, dass man überlegt hatte,
Always zu spielen. Nach dem Soundcheck überließ Phil den Sängern die Wahl, und sie waren für
It’s Not Too Late.

Jedem, der 2004 oder 2005 eine Show gesehen hat, bleibt die unglaubliche Basslinie am Anfang von
In The Air Tonight in Erinnerung. In Dublin war der Bass so stark wie nirgends sonst und wurde noch verstärkt durch den vibrierenden Holzboden unter der Bühne. Wenn das Intro länger gedauert hätte, wäre wahrscheinlich das Dach der Halle weggeflogen.

Da The Point nur einen Spaziergang von der Stadtmitte entfernt ist, brauchten wir weder Bus noch Taxi zurück zum Hotel. Am Ende war es eine kluge Entscheidung, das zweite Konzert in Dublin zugunsten eines Ruhetages vor meiner letzten Reise – nach Glasgow – zu streichen.

Glasgow, 19. und 20. November – The Final Farewell?

Am Abend vor dem Konzert kam ich in Glasgow an. Als ich das Hotel erreichte, das direkt gegenüber dem SECC lag, bemerkte ich eine Handvoll Leute, die dort in der klirrenden Kälte eine Schlange gebildet hatten. Sie waren mit Decken und Stühlen ausgerüstet und wollten offenbar die Nacht über vor dem SECC warten, auf Phils Show, wie ich zunächst dachte. Ich bezog erstmal mein Quartier. Nach einer Ruhepause beschloß ich, das SECC vor dem Schlafengehen schon einmal zu inspizieren. Also ging ich zum Eingang und war überrascht, ihn noch offen zu finden. Immerhin war es schon 21:15. Ich ging hinein und sah mich um. Am Vorverkaufsschalter sah ich, dass anderntags der Vorverkauf für das Robbie Williams-Konzert in Hampden Park im September 2006 beginnen sollte. Also war es wahrscheinlich, dass die Leute draußen auf den Verkauf der Tickets warteten und nicht auf Phil’s Konzert. Erleichtert kehrte ich ins Hotel zurück und ging schlafen.

Am nächsten Morgen sah ich, dass im SECC eine große Menge für Robbie Williams Schlange stand, aber nur wenige Leute schon auf Phils Show warteten. Also ging ich ein wenig in die Innenstadt und kehrte kurz nach zwölf Uhre zum SECC zurück. Die Schlange dort war noch nicht gewachsen.

glasgowVerglichen mit Dublin und Düsseldorf war das Schlangestehen in Glasgow ein reines Vergnügen. Wir konnten im beheizten Gebäude warten, wo es Toiletten, ein Café und einen Supermarkt gab. Der Wachdienst hielt die Schlange im Blick, so dass sich niemand dazuschleichen konnte. Auch ein paar Leute, die reservierte Plätze hatten und nur kurz Hallo sagen wollten, wurden gefragt, was sie an der Spitze der Schlange suchten!

Der Einlass war genausogut organisiert wie das Schlangestehen. Ein Ordner hatte uns Stunden vorher schon erzählt, wie es ablaufen würde. Zunächst würden etwa die ersten fünfzig Leute eingelassen und von Ordnern geführt, so dass Rennen unmöglich war. Dann würden die Türen wieder geschlossen, bis wir unsere Positionen in der ersten Reihe hatten, und erst dann wurde der Rest eingelassen. So konnten sie garantieren, dass die ersten 50 Leute in der Schlange einen Platz in der ersten Reihe hatten, ohne darum „kämpfen“ zu müssen. Und es lief wirklich so ab! Gut gemacht & Herzlichen Dank, ihr Ordner im SECC!

Die Show begann pünktlich um 20:15, wobei Soureba wie üblich das Publikum einstimmte. Das Schlagzeugintro war etwas länger, wie bei der ersten Show in Düsseldorf. Bei seiner ersten Ansage nach
Don’t Lose My Number fand Phil scheinbar kein Ende, bis ihm aufging, dass er nun lang genug gesprochen hatte. Also sagte er: „Genug von mir, jetzt lasst uns wieder Musik machen“.

Bis
A Groovy Kind Of Love passierte nichts Besonderes. Brad Marsh brachte wie immer einen Stuhl auf die Bühne und reichte Phil aber auch noch einen Zettel. Dann sagte Phil, anstatt mit dem Song anzufangen, dass sie nun etwas machen würden, was nicht oft vorkäme. Nein, nicht
Easy Lover, sondern – einen Heiratsantrag. Das Paar war irgendwo im Publikum und Phil sollte den Antrag machen. Von der Bühne aus konnte Phil die beiden weder hören noch sehen, also fragte er am Ende: „Ist das ein Ja? – Ich nehme mal an, es ist ein Ja.“ Dann sang er
A Groovy Kind Of Love für die beiden.

Noch eine Besonderheit war das Basspedalintro zu
In The Air Tonight. In Dublin war es mir schon kräftig vorgekommen, aber an diesem Abend in Glasgow war es noch stärker. Brad Coles Freundin stand an diesem Abend in der ersten Reihe; vielleicht wollte er ein wenig Eindruck schinden.

Bei
You Can’t Hurry Love hatte die Band einen mächtigen Aussetzer. In der Mitte des Liedes gibt es einen kurzen Zwischenteil, bei dem die Lichter einen Moment lang abgeblendet werden. Dann folgt gewöhnlich die nächste Strophe und anschließend mündet der Song in
Two Hearts. Ich glaube, es war Chester, der, gelinde gesagt, ein bisschen früh dran war. Während des Zwischenteils schien er schon mit
Two Hearts begonnen zu haben, statt
You Can’t Hurry Love noch eine Strophe weiter zu spielen. Dieser Aussetzer dauerte kaum fünf oder sechs Sekunden, aber in den ersten Momenten klang es so übel, dass ich dachte, sie würden aufhören und von vorne anfangen oder in
Two Hearts übergehen. Aber es sind ja alles herausragende Profis, und so schalteten sie irgendwie wieder auf
You Can’t Hurry Love zurück. Als dann
Two Hearts begann, lief Phil mit einem unsichtbaren Gewehr auf der Bühne herum und „zielte“ auf einzelne Musiker, als wollte er fragen: „Wer war das?“

Zu
Wear My Hat war Leland wiederum der Nationalheld. Er trug nun einen Tartanhut mit einer feuerroten Perücke. Er schien sie so gerne zu mögen, dass er sie bei der Vorstellung am Ende von
Take Me Home wieder aufsetzte.

Dann ging die Show normal weiter. Als es soweit war, dass Phil bei
Sussudiovon der Bühne herabkam, erschien plötzlich Danny Gillen mit Nicholas im Arm. Also ging Phil zu ihm und ließ ihn Sussudio singen. Nicholas sang, obwohl man es kaum hörte. Als „die letzte Chance“ kam, „das Wort zu sagen“, kam Phil auch zu mir. Vielleicht schwante ihm, dass es unvermeidbar war, also bekam ich noch einmal die Gelegenheit, Sussudio zu singen.

Nachdem die Band den Applaus entgegengenommen und die Bühne verlassen hatte, dauerte es ein paar Minuten, bis die Besetzung für
Always zurückkam. Also wusste ich, was jetzt kommen würde. Phil dankte zunächst dem schottischen Publikum für seine Unterstützung. Er erinnere sich, seit der frühesten Zeit in Genesis in Glasgow gespielt zu haben, besonders im Apollo. Ganz am Ende von
Always rief Phil „Das ist für dich, Mum!“ Womit endgültig klar war, dass June sich irgendwo im Publikum befand.

Bei
Take Me Home brachte „Onkel Harry“ Kim Nicholas wieder auf die Bühne. Er trug eine Plastiknase mit Schnurrbart und eine Plastikbrille. Vielleicht war das ein kleiner Trick, um ihn auf die Bühne zu bekommen, denn er war sehr schüchtern und schaute nie wirklich ins Publikum. Wenn ich vier Jahre alt gewesen wäre, mir wäre es wohl genauso gegangen. Während des Stücks ging er mit offenen Armen auf Phil zu. Als er dann ganz nahe bei ihm was, nahm er die Maske ab und brauchte ewig, um sie in die Tasche zu stecken. Phil verdrehte die Augen und stand da, als wolle er sagen „Was machst du denn da?“ Als er fertig war, nahm Phil Nicholas’ Hand und sang das Stück zuende. Was für ein Anblick! Bevor die Band vorgestellt wurde, kehrte Nicholas zu „Onkel Harry“ zurück und verließ mit ihm die Bühne.

Nach dem Konzert tat ich mich mit einer Gruppe anderer Fans zusammen und wir gingen noch im Crowne Plaza Hotel (das zum SECC-Komplex gehört) eins trinken.

Am nächsten Tag stellte ich mich schon um viertel nach elf an und war daher einer der ersten in der Schlange. Abgesehen von der üblichen Anspannung gab aber keine Angst um einen Platz in der ersten Reihe. Diesmal war es etwas kälter, die Heizung schien abgeschaltet zu sein. Das Café war geschlossen, und es war (nicht wie am Samstag) nichts los außer der Schlange für Phils Show – keine Ausstellungen, kein Kartenvorverkauf. Der Einlass funktionierte so gut wie am Vortag, nämlich hervorragend. Wie ich schon sagte, war keine andere Spielstätte so gut organisiert. Wieder stand ich in der ersten Reihe. Mission erfüllt! 12 Konzerte mit Stehplatzkarten auf einer Tour – zwölfmal in der ersten Reihe. Allerdings hatte ich dafür insgesamt auch mehr als drei Tage lang angestanden!

Die Show begann wieder pünktlich. Soureba – Licht aus – Phil kommt… MOMENT MAL! Das war nicht Phil. Das war ein Unbekannter, der auf die Bühne kam. Größer und ein bißchen „umfangreicher“ als Phil. Es war Peter Kay, ein in England sehr beliebter Komiker, wenn man das aus der Reaktion des Publikums schließen kann. Er sagte einige einleitende Worte, dass er nämlich ein großer Fan von Phils Musik sei. Dann machte er einige Witze und sang anschließend eine kurze Version von (Is This The Way To) Amarillo – und das ganze SECC sang mit! Dann kündigte er Phil an, der endlich erschien und Peter Kay umarmte.

Dann begann die Show wie immer. Wie immer? Nein, das Schlagzeugintro war einzigartig. Im Grundriss dasselbe, aber dennoch ganz anders als bisher. Nicht von der Länge her, aber was die beiden machten, war sehr subtil. Vor allem Chester trommelte aus voller Seele – er fühlte sich vielleicht etwas herausgefordert von dem, was Phil vor ihm gemacht hatte. Großartig!

Phils Einleitung war heute viel kürzer und direkt im Anschluss begann
One More Night. Die Musik setzte ein und Phil sang „I’ve been sitting here so long…“ Oha – falscher Text, zweite statt erster Strophe! Phil versuchte die erste Strophe weiterzusingen, aber wer den Text kennt, weiß, dass das nicht funktioniert. Also sagte er: „Mein Fehler. Wir fangen nochmal an.“ Und sie fingen nochmal an. Nach der ersten – richtigen – Textzeile klatschte ich ein bisschen. Phil merkte es und schaute in meine Richtung. Glücklicherweise hatten auch die Leute um mich herum ein wenig geklatscht. Da war ich also nicht allein, kein Grund zum Erröten. Aber Phil ist eben jemand, der über seine eigenen Fehler lachen kann. Er machte eine komische Geste, als ob er sagen wollte: „Immerhin – noch geschafft, nicht wahr?“

Anstelle eines Heiratsantrages stellte Phil
A Groovy Kind Of Love mit den Worten vor: „Das ist aus dem Film Buster.“ Nicht wirklich spektakulär, aber ich hatte noch nie gehört, dass er den Song so vorstellte.

Nach dem Textproblem ging es gut weiter bis
You Can’t Hurry Love. Ausgerechnet
You Can’t Hurry Love! Plötzlich klang Phil’s Stimme merkwürdig leise. Er schien seine IEM (In-Ear-Monitors, der „Knopf im Ohr“) zu überprüfen und nahm sie auch einen Moment heraus. Schließlich wurde es so schlimm, dass er zeitweise aufhören musste zu singen und das Publikum singen ließ. Das funktionierte ganz hervorragend. Mit Unterstützung der Begleitsänger sang das Publikum in Glasgow große Teile des Songs. Warum das Problem auftrat, war nicht ganz klar, denn bei
Two Hearts war es wieder besser. Wahrscheinlich war es kein rein technisches Problem, sondern ein akustisches Problem auf der Bühne.

Bei
Wear My Hattrug Leland wieder seinen Tartanhut. Davon schienen sie zwei zu haben, denn Phil warf einen davon in die Menge. Er selbst trug einen Nessie-Hut, den er bald loswerden zu wollen schien. Am Ende war Lamont Van Hook der „glückliche“ Empfänger.

Dann war er wieder Zeit für das „letzte Sussudio“. Würde Phil mich wieder singen lassen? Wohl kaum – ich hatte ja gestern schon gesungen. Da würde ich kaum das Mikro bekommen. Als er bei Sussudio wieder die vorderste Reihe abging, kam er auch dorthin, wo ich stand – und ich bekam das Mikro ein letztes Mal! Aber dieses Mal konnte ich nur „Su-“ singen, denn Phil ließ mich und zwei weitere Leute links von mir noch „-su-“ und „-sudio“ singen. Also konnte ich doch noch einmal
Sussudiosingen – „against all odds“, gegen alle Wahrscheinlichkeit.

Phil hielt so ziemlich dieselbe Abschiedsrede wie am Vorabend. Die erste Zugabe war wieder Always. Ich mag zwar
It’s Not Too Late, aber
Always hatte von Anfang an eine besondere Bedeutung für mich. Deshalb freute es mich auch so, es auf meinem letzten Konzert „auf absehbare Zukunft“ noch einmal zu hören – mit leichter Wehmut, wie ich zugeben muss.

Das unvermeidliche
Take Me Homebeschloss natürlich mein (bisher) letztes Konzert der FFF Tour. Insgesamt zeigten mir diese beiden Shows in Glasgow, dass die ganze Band und besonders Phil erschöpft waren vom vielen Reisen und den extremen Klimawechseln. Da diese beiden Konzerte in Glasgow auch seine letzten Auftritte in Großbritannien waren, wollte Phil alles besonders gut machen – und wir alle wissen, dass es genau dann meistens schiefgeht. Aber das macht Liveshows eben so besonders. Ich mag diese Aussetzer. Nicht dass ich fehlerlose Konzerte nicht schätzen würde, bewahre! Aber diese kleinen Pannen machen einen Unterschied aus. Sie sind das Salz in der Suppe und machen jeden Abend aufregend und besonders.

Ich hoffe, ihr habt diesen langen Bericht genossen. Es ist schwer, ihn kurz zu halten bei so vielen Erinnerungen und kleinen erwähnenswerten Vorfällen. Ich weiß nicht, ob die Tour in den nächsten Jahren fortgesetzr wird. Ich wünschte, es wäre möglich, aber natürlich weiß ich, dass eine Tour durch Asien, Australien und Südamerika eine echte logistische Herausforderung ist. Unmöglich jedoch ist das nicht. Wenn es dann aber soweit ich, werde ich sicher versuchen, auch wieder auf Tour zu gehen…

Autor – Ulrich Klemt

Übersetzung – Martin Klinkhardt