1. Artikel
  2. Lesezeit ca. 4 Minuten

Peter Gabriel – So25: Live In Athens – DVD – Rezension

Lange ist drauf gewartet worden: im Rahmen der So25 Deluxe Edition ist endlich Peter Gabriels Konzertfilm von der Tour zu So auf DVD veröffentlicht worden. Wir zeigen auf, was sich zum ursprünglichen PoV (Point of View) Film unterscheidet.

erweiterter und restaurierter Konzertfilm

Auf die DVD mit dem Live in Athens 1987-Konzertfilm haben die Fans lange warten müssen. Angekündigt schon vor über sechs Jahren war für viele zwischenzeitlich fraglich, ob die Welt überhaupt noch erleben würde, dass die Aufnahmen aus dem „Lykabettus Hill“- Theater in Athen, die ja schon 1990 für die Videocassette PoV (Point of View) verwendet wurden, in digitaler und überarbeiteter Form erscheinen.

Eine erweiterte Neuauflage von PoV ist es bekanntlich nicht geworden – alle Videosequenzen, die beim PoV-Video für Abwechslung (und auch für Ablenkung) sorgten, wurden für die Neuausgabe weggelassen. Dafür bekommt der Fan nun das Konzert pur – mit allen Stärken und Schwächen. Die Restauratoren haben sich dabei große Mühe gegeben, die ursprünglichen Schnitte des PoV-Videos nachzubilden – an vielen Stellen, wo vorher noch Videoeinschübe zu sehen waren, sowie bei den vier zusätzlichen Songs Family Snapshot, Intruder, The Family And The Fishing Net und Here Comes The Flood musste jedoch Neuland betreten werden. Um es vorweg zu nehmen: es ist ihnen ohne jegliche Brüche gelungen.

Zu Beginn

Schon das Startmenü der DVD beeindruckt nicht nur durch seine optische Schlichtheit, sondern auch durch den Audio-Loop, der im Hintergrund läuft. So sind zuerst Spulgeräusche einer Bandmaschine zu hören, dann ist man mitten in einer Art Studio-Atmo. Peter Gabriels Stimme fragt „OK is everyone ready?“, dann: „Camera’s running, you’re set?“. Jemand aus der Ferne ruft „We’re ready“, dann geht es los mit rhythmisch klatschendem Publikum und einer stark verhallten Andeutung vom Intro von Sledgehammer. Ähnlich klingen auch Audio- und Trackauswahl-Menü. Letzteres hat die „We will walk – hold the line“ Zeile von San Jacinto, unterlegt mit neu gemischten Sphärenklängen. Das ist schön gemacht und erhöht die Vorfreude.

Der Ton

Die Verteilung der Instrumente im Surround-Spektrum ist eher konventionell gehalten. Wie bei vielen Live-Surround-Mixen ist die Musik die meiste Zeit auf die Frontspeaker beschränkt, die Surroundspeaker geben in erster Linie den Hall und die Publikumsgeräusche wieder, gelegentlich auch die Hintergrund-Keyboards. Das ist nicht besonders spektakulär, lenkt dafür aber auch kaum vom Bild ab und wenn, dann unterstreicht es quasi als Spezialeffekt besondere Passagen, wie etwa das Ende von San Jacinto.

Der DTS-Sound ist voll und klar, jedes Instrument ist eindeutig im Mix zu identifizieren. Bass und Bassdrum haben ordentlich Rumms im Tiefbassbereich – der Subwoofer ist gut beschäftigt. Peters Gesang ist gelegentlich nicht ganz lippensynchron – Anzeichen für Nachbearbeitung? – Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass auch 1987 schon mit Samples auf der Bühne gearbeitet wurde. Das wird hier gleich zu Beginn mit dem gegenüber PoV deutlich verlängerten This Is The Picture klar. Bei den mächtigen Beats von Intruder, die angesichts der Diskrepanz zwischen Manu Katchés sichtlich lockeren Anschlägen und dem wuchtigen Sound etwas seltsam wirken, wurden jedoch keine Samples oder gar die Studioaufnahme verwendet. Vielmehr hat man den berühmten Gated-Reverb-Effekt, der seinerzeit für die Studioversion von Intruderin langer Tüftelei erfunden wurde, für die Neuabmischung einfach auf die Schlagzeugspuren gelegt, so dass diese nun klingen wie in der Studiofassung. Heutzutage kein Problem, denn den Effekt gibt es schon lange als Preset in jedem Hallgerät. Biko ist ebenfalls etwas eigenartig gemischt: Fängt der Song zunächst normal an, sind schon bald zusätzliche Percussions zu hören, die den afrikanischen Gastmusikern gehören – lange bevor man die im Bild sieht. Und als Youssou N’Dour und Co. die Bühne betreten, bekommt das monotone Drumpattern Manu Katchés plötzlich einen anderen Sound mit deutlich mehr Hall in den Surround-Speakern. Das steigert sich zum Finale nochmal deutlich als das Publikum aufgefordert wird mitzusingen. Hätte man sicher etwas weniger auffällig machen können.

Das Bild

Das Bild ist hervorragend – scharf und trotz der vorwiegend in Dunkelheit gehaltenen Bühne gut ausgeleuchtet. Manchmal geht das sichtbar auf Kosten des Schwarzwerts, dafür sind jederzeit Details auch in dunkleren Bildbereichen zu erkennen. Das neue Format 16:9 Widescreen öffnet die Perspektive deutlich, obwohl es im Vergleich zur 4:3-Darstellung von PoV oben und unten beschnitten ist (was allerdings so geschickt gemacht ist, dass man nicht den Eindruck bekommen kann, es fehle etwas). Das Bild erscheint weniger klaustrophobisch eng, die Totalen verdienen so ihren Namen auch durch die deutlich gesteigerte Detailschärfe.

Point Of View 1990

Live in Athens 2012

Der Film

Auf hektische Bildschnitte wird weitgehend verzichtet – keine Spur von der 1987 doch bereits allgegenwärtigen MTV-Ästhetik. Beeindruckender als zuvor bei PoV erscheint Peters Scheinkampf mit den beweglichen Lichtmasten bei No Self Control – und wenn die Lichter anschließend bei Mercy Street seinen am Boden liegenden Körper offenbar nach Lebenszeichen scannen, hat das etwas extrem Bedrohliches, das Peters Suche nach Gnade sehr authentisch rüberbringt. Hier ist die Kamera schon fast zu nah dran an seiner gespielten Verzweiflung – ohne Ablenkung durch einmontierte Videosequenzen sehr viel intensiver, als bei PoV.

Zweitrangig, aber doch etwas ärgerlich sind einige „Anschlussfehler“, die erkennen lassen, dass wir hier mehr als ein Konzert zu sehen bekommen. So wird Peters weiße Jacke beim Stagediving deutlich sichtbar in Stücke gerissen und die Fetzen verbleiben auch im Publikum – wenige Sekunden später trägt er sie bei Sledgehammer wieder im strahlendsten Blütenweiß als wäre nichts geschehen. Und dank des verbesserten Bilds ist mir hier erstmals aufgefallen, dass die afrikanische Tänzerin bei In Your Eyes mitten im Song mehrmals ihr Top wechselt – je nach Einstellung weiß oder regenbogenfarben.

Das Konzert endet etwas plötzlich mit einer abrupt stoppenden Bandmaschine, gleich nach Peters „Thank you“. Danach kommen wieder verfremdete Sphärenklänge mit den Credits und auch ein Foto des Bath-Studiogebäudes ist kurz zu sehen.

Fazit

Sicher kein perfekter, weil immer noch unvollständiger Konzertfilm, der aber dank der fehlenden Videosequenzen nunmehr ein deutlich intensiveres und packenderes Erlebnis bietet als zuvor, dazu mit einer enorm verbesserten Bild- und Tonqualität. Schade nur, dass er nicht auf Blu-ray und nur in der teuren So25 Deluxe Edition zu bekommen ist.

Autor: Tom Morgenstern   11 | 2012

Links:
PoV Video Rezension
Live in Athens 2CD
Alles zum So25 Jubiläum