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Peter Gabriel – So25: Live In Athens – 2CD Rezension

Der So25 Deluxe Edition liegt Gabriels Konzertfilm von 1987 nicht nur als DVD bei, sondern zur allgemeinen Überraschung auch gleich nochmal als Audio-Doppel-CD. Hier geben wir einen Einblick in den neuen Mix und die Arrangements.

Der Konzertfilm PoV (Point Of View) war erst drei Jahre nach dem Ende der Tour zu So erschienen. Lange hatten Fans auf eine Wiederveröffentlichung auf DVD/Blu-ray gewartet. Mehrmals war sie angekündigt worden – nie erschienen. Endlich zum 25-jährigen Jubiläum von So lag der Film als DVD der So25 Deluxe Edition bei. Und zur allgemeinen Überraschung auch gleich nochmal als Audio-Doppel-CD (die auch in einer 3 CD Special Edition von Sozu haben ist – einzeln gibt es den Mitschnitt leider nicht).

Schon zwei Mal hat Gabriel zu einem Konzertfilm auch gleichzeitig ein Livealbum veröffentlicht: Zu Secret World Live (1994) und zu New Blood Live in London (2012). Sinnhaftigkeit und Qualität waren unterschiedlich. Schauen wir, wie es sich bei Live In Athens verhält.

Der neue Mix

Da der Film ursprünglich auf einem analogen Medium herausgekommen war – zudem vor 22 Jahren – wurde es notwendig, dass man ihn zur Wiederveröffentlichung einer Überarbeitung unter modernen Gesichtspunkten unterzog.

Die neue Abmischung des Tons hat Ben Findlay besorgt. Es fällt sofort auf, dass sie gegenüber dem PoV-Mix um einiges detailklarer ist. Viele musikalische Einzelheiten treten wesentlich deutlicher hervor: die Gitarren oder die verschiedenen Schlagzeugsounds. Oft hat es zwischen der alten und der neuen Version vor allem Verschiebungen gegeben, welches Instrument im Fokus steht. Dabei ist erstaunlicherweise Tony Levins Bassspiel weiter in den Hintergrund gerückt. Im ganzen hat der Mix aber in jedem Fall enorm viel Druck, er rockt und ist kraftvoll. Gelegentlich wirkt er allerdings auch mal etwas verfummelt. Zudem kommt er wieder nicht ohne die üblichen, gabrielischen Nachbearbeitungen und Ergänzungen aus. Von einem reinen Livesound kann man nicht sprechen. Das schafft zwar auf der einen Seite durchgehend dichte Arrangements, nimmt dem Ganzen aber auch etwas Direktheit. Auch ist Gabriels Stimme häufiger ohne Hall abgemischt – und die Publikumsatmo wurde ebenfalls reduziert. Alles in allem sorgt das für weniger Wärme im Vergleich zu PoV, für ein wenig Aseptik. Immerhin: Gabriels Gesang scheint immer noch derselbe von ursprünglichen Film zu sein – mag der eventuell  aber schon nachbearbeitet sein.

Die Band

Zur So-Tour (zeitweilig auch „This Way Up Tour“) wartete Gabriel mit der vielleicht virtuosesten Liveband auf, die er je hatte. Die alten Bekannten David Rhodes (Gitarre) und Tony Levin (Bass) spielen unverwechselbar und intensiv. Manu Katché an den Drums war neu hinzugekommen und bringt mit seinem perkussivem Stil eine aufgelockerte und zugleich doch treibende Note in das Grundgefüge. Und dem ebenfalls neuen David Sancious an den Keyboards wird viel Eigenständigkeit zugestanden, die er für kleine, elegante Verspieltheiten nutzt, die die Stücke jedoch immer weiten. Kein Wunder, dass Gabriel ausgerechnet diese Band zum So-Jubiläum wieder vereinen wollte. Er selbst singt auf Live In Athens mit einer Stimme, die am Zenit dessen ist, was er an Ausdruck und Kraft je zu leisten vermochte.

Das Album und die Tracks im Einzelnen

Zunächst einmal ist klar, dass es sich bei dem Album um einen Ableger des Films handelt. Im Gegensatz zu PoV folgt Live in Athens in der Stückreihenfolge wieder der ursprünglichen Konzert-Setliste (mit Ausnahme des Beginns). Zudem sind vier Lieder dabei, die auf PoV nicht vertreten waren. Beides ist sehr erfreulich und vermittelt jetzt viel mehr den Eindruck eines durchgehenden Konzertereignisses.

Die Vergleiche im folgenden beziehen sich immer auf die ursprüngliche VHS-Ausgabe von PoV. Es werden aber auch andere offizielle Veröffentlichungen herangezogen (z.B. war Mercy Street 1994 bereits auf einer Live-EP zu hören) sowie einige inoffizielle (Soundboard)mitschnitte. Nicht zuletzt hat der Rezensent noch Erinnerungen an sein eigenes Konzerterlebnis.

This Is The Picture (Excellent Birds)

Erfreulich ist, dass wir dieses Stück hier endlich einmal komplett hören (bei PoV fungierte es in verkürzter Form nur als Intro). Erstaunlich bleibt, dass es immer noch am Anfang steht (lief es im Konzert doch eher in der Mitte). Über das Warum gibt auch der Film nicht Aufschluss. Bei This Is The Picture wird übrigens gleich besonders deutlich, wieviele neue musikalische Details auf diesem Album zu hören sind: Jede Menge unterschiedlichstes Instrumentalgeplänkel ist zu vernehmen. Überhaupt knattert und groovt der Song im Ganzen recht kurzweilig.

San Jacinto

Der Mix ist hier zugreifender, als im PoV-Original – auch weil der Bass präsenter ist. Auf neue Soundzusätze hat man ansonsten verzichtet. Nur die Echospielereien in Gabriels Schlussgesang erinnern arg an die gerade aktuellen Gepflogenheiten von New Blood. Der grundlegende Sampleloop ist im Vergleich zum original Bühnenablauf übrigens modifiziert und an die Studioversion angepasst. Aber das war er auch bei PoV schon.

Shock The Monkey

Hier wurde der Rhythmustrack wahrnehmbar aufgefrischt – glücklicherweise halbwegs behutsam und geschmackvoll. Darüber hinaus bietet diese Aufnahme die vielleicht kraftvollste Liveversion dieses Songs. Das kämpft und drängt unermüdlich nach vorne. Und die zwischendurch immer wieder eingestreuten Keyboard-Fill-Ins von David Sancious sind einfach brillant und verleihen dem Stück eine jazzige Note.

Family Snapshot

Dies ist der erste der vier bisher ungehörten Songs. Schon gleich das Intro klingt voluminös und großräumig. Viel Hall wurde verwendet und Gabriels E-Piano um eine untergelegte Synthsphäre erweitert, die es im Originalbühnengeschehen nicht gab. Auch scheint das Stück etwas langsamer gespielt zu werden, als man gewohnt ist. Alles zusammen gibt ihm eine Feierlichkeit, die ihm gut steht. Schade, dass man es erst jetzt zu hören bekommt.

Intruder

Und direkt der nächste neue Song. Aber, was ist das? Zwar hat Intruder große Wucht und scheint auch etwas flotter als gewohnt gespielt zu werden – aber der Drumsound ist tatsächlich von der Studioversion übernommen – oder klingt zumindest so! Zudem gibt es in der Mitte, während des Instrumentalteils, scheinbar einen Schnitt von einer Aufnahme zu einer anderen: ganz geringfügig, aber doch merkbar, schwankt das Tempo. Später klatscht das Publikum in geradezu ignoranter Weise antreibend in den leisen Schlussteil hinein. Da wollen Leute Party haben. Tatsächlich nimmt das Stück auch trotz seiner Hochspannung aus der Gesamtdramaturgie etwas Schwung raus. Es gab sicher Gründe, weshalb Gabriel es auf der Tour nur gelegentlich als Zusatzhappen spielte, wenn es mehrere Konzerte an einem Ort gab – als Belohnung quasi für Wiederholungsbesucher. Hier in dieser Aufnahme macht es jedoch nur sehr begrenzt Spaß.

Games Without Frontiers

Dank des neuen Zwischenspiels, das vermutlich auf das Konto von David Sancious geht, peppt dieser Song auch im neuen Mix immer noch hervorragend. Aus dem synthetischen Geplapper der Studioversion wurde eine ausgewachsene Rockpopnummer. Und man spürt das energische Anliegen, das Gabriel mit diesem Song verbindet und in seiner Ansage auch verkündet. Die abschließende „No more war“-Passage stellt in dem Zusammenhang auch immer noch einen eindringlichen Höhepunkt dar. Der neue Albummix ändert im wesentlichen da auch nichts dran – und das ist gut so.

No Self Control

Auch dieses Stück klingt ganz anders als die Studioversion und erinnert mehr an die Fassung, die man von Plays Live her kennt. David Sancious vergroovt das musikalische Leitthema jedoch gewitzt und Manu Katché legt vertrackte Rhythmen darüber – das Ergebnis ist großartig in seiner Intelligenz und doch auch Beklemmung. Auch hier wurden Mix oder  Arrangement im wesentlichen nicht verändert und so bleibt uns der kulminierende Mittelteil in seiner ganzen Gewalt erhalten.

Mercy Street

Hier wurde am Mix schon ein wenig mehr herumgearztet. Gleich die sphärischen Synthiewellen des Intros flackert im Stereoklang, was besonders über Kopfhörer auffällt und zumindest dort auch irritiert. Beim Gesang wurde der Hall weitgehend zurückgeschraubt und er scheint jetzt merkwürdig im Vordergrund zu stehen, was die Gesamtwirkung weit weniger magisch ausfallen läßt. Alles klingt irgendwie sauber poliert. Im langen Improvisationsteil am Schluss ist die Gitarre zwar wesentlich präsenter als bisher, der Bass jedoch auch weit weniger, wodurch sich die Düsternis verliert. Auch der grundlegende Rhythmusloop spielt hier weiter – scheinbar existiert der Mut zur Leere nicht mehr. Dieser Schlussteil – bisher immer Tony Levins großer Moment und überwältigend in seiner beklemmenden Düsternis – hat somit leider verloren.

The Family And The Fishing Net

Das dritte neue Stück. Es überzeugt gleich ab Beginn mit großer Bissigkeit und ist sehr zupackend. Trostlosigkeit überträgt sich spürbar. Jedoch ist auch hier der Gesang in der Mischung eher trocken und klingt, wie aus dem Studio kommend. Hall wird nur zuweilen für spezielle Wirkung eingesetzt. Auch einige neue Effektklänge sind eingeflossen, die es im Livegeschehen nicht gab. Trotzdem ist die Umsetzung im Ganzen gelungen. Durchaus schön, dass man diese Aufnahme endlich hören kann.

Don’t Give Up

Bemerkenswert an dieser Liveversion ist wohl vor allem, dass Gabriel hier alle Teile selbst singt. Niemand ist da, der als Gegenpart fungieren könnte. Nur in der Schlusskurve kommen einige Frauensamples hinzu, die diesmal jedoch mehr im Hintergrund bleiben als bisher. Die Version dieser Tour war noch nie sonderlich überragend – verliert im neuen Mix aber auch nicht, hat vielleicht sogar gewonnen. Von David Rhodes hört man immerhin ein schönes, zurückhaltendes Solo. So etwas darf der heute auch nicht mehr machen.

Solsbury Hill

Auch die 1987er Version von Gabriels Altklassiker war nie ein Überflieger an Originalität und treibt etwas routiniert vor sich hin. Im neuen Mix ist sie jedoch etwas handfester und zugleich federnder geworden – unter anderem weil man mehr von Manu Katchés Drums hört. Im ganzen hat das Stück jetzt mehr Groove und zum Finale zieht es auch noch mal gut an.

Lay Your Hands On Me

Auch hier hat die liegende Introfläche dieses Stereozappeln und die Gesangsstimme ist wieder ziemlich trocken im Mix. Auch hier nimmt das wieder Atmosphäre. Zudem sind die Drums etwas weniger präsent. Die lange Schlussphase, in der sich Gabriel auf die Hände seiner Zuschauer fallen lässt, ist um 2 Minuten kürzer als auf PoV (im neuen Filmschnitt ist das nicht so). Ansonsten überzeugt diese Umsetzung des Songs aber heute genau so, wie sie es schon früher tat.

Sledgehammer

Warum auf PoV diesem Song das groovige Instrumentalintro weggekürzt wurde, bleibt ein Rätsel. Ein „Frevel“, den PG auf dem Secret World Live Doppelalbum gleich wiederholte. Und ebenso wie dort, ist es im Film Live in Athens wiederum enthalten. Die Gründe bleiben verborgen. Erstaunlich ist auch, dass man im neuen Mix gar nicht das eher ungewöhnliche Bläsersample ausgetauscht hat. Es wirkt noch recht dünn, gibt dem Ganzen andererseits aber einen ungewöhnlichen Charme. Diese erste Liveumsetzung von Gabriels größter Hitsingle ist im neuen Mix jedenfalls recht spritzig geworden und swingt auch im Schlussteil.

Here Comes The Flood

Der vierte und letzte der bisher ungehörten Songs. Jedoch enttäuscht er ein wenig. Schon auf der Tour spielte Gabriel nur die ersten beiden Strophen und den Refrain, also eine Kurzform des Liedes. So wurde es auch hier verewigt und ist irgendwie nicht richtig Fisch, nicht richtig Fleisch. Zudem ist das E-Piano mit einem gewöhnungsbedürftigen Sphärenklang unterlegt, den es so im Livegeschehen nicht gab. Es schleicht sich dadurch ein unnötig melodramatisches Moment ein. Die Einfachheit und der „leere Raum“ schwinden, die Stille kann nicht mehr atmen und das nächste Stück wird auch ziemlich rücksichtslos gleich drangeklatscht.

In Your Eyes

Hier hören wir noch einmal die ursprüngliche Livefassung von In Your Eyes, die Gabriel seitdem nur noch stur reproduziert. Sie ist powervoll, frisch – und zudem um die unglaubliche Stimme von Youssou N’Dour bereichert. Doch auch hier wurde in den Mix deutlich eingegriffen. Das berühmte Gitarrenlick wurde mit einem Halleffekt unterlegt und wirkt jetzt leicht verschleppt, nicht mehr so direkt. Auch das wunderbare Kurzsolo von David Sancious wurde zwar vom Keyboardsound her wieder näher an das Bühnenoriginal herangebracht, dabei aber auch verunklart. Dass diese Fassung gegenüber PoV um eine Minute kürzer wurde, ist dagegen eher bedeutungslos. Gekappt wurde nur wiederholendes oder musikalisch wenig beeindruckendes, wie die Passage des übermütigen Tanzteils aller Bandmitglieder, der nur im Film wirkt.

Biko

1987 hatte der Song noch große Aktualität – wurde Südafrika doch erst 1994 frei von Apartheid. So kann man sich auch an der breiten Publikumsbeteiligung im Schlussteil noch ungetrübt erfreuen. Die Drums, die in diesem Stück eine so zentrale Rolle haben, wirken hier druckvoll und kräftig, sind aber auch deutlich bearbeitet. Die afrikanischen Trommeln der beiden Mitglieder von Youssous Band, sind etwas zurückgenommen. Das Ende aber ist merkwürdig ungelenk zusammengemischt: Völlig unverhofft bricht die Musik ab. Das ist auch im Film so. Und danach folgt eine geschlagene Minute frenetischer Beifall. Im Film wirkt das gemeinsam mit den Bildern – hier ist dieser Abschluss etwas verwirrrend.

An dieser Stelle sei übrigens noch erwähnt: das merkwürdige Wort, das Gabriel im Verlauf des Konzertes mehrmals zwischen Stücken sagt, lautet „efcharistó“, ist Griechisch und bedeutet – wer hätte es gedacht – „Danke“.

Fazit

Der Klang des Albums weiß zu überzeugen. Manchmal leidet die Atmosphäre jedoch unter einigen Spielereien. Die Trackliste ist größtenteils gelungen. Die musikalische Qualität der Aufnahme ist aber vor allem Dank der überragenden Band beeindruckend. Und weil dem so ist, macht es auch durchaus Sinn, die Show als Audio-Album anzubieten. Zumal sie im So25 Special Edition 3CD Set ja auch ohne DVD erhältlich ist, was für all diejenigen, die sich zum Kauf der So25 Deluxe Edition nicht entschließen können, wirklich ein Segen ist. Diese Konzertaufnahme hat Verbreitung verdient.

Autor: Thomas Schrage


CD1: Live In Athens

01 This Is The Picture (Excellent Birds) 5:57
02 San Jacinto 7:26
03 Shock The Monkey 6:44
04 Family Snapshot 4:36
05 Intruder 5:26
06 Games Without Frontiers 5:29
07 No Self Control 6:15
08 Mercy Street 9:15
09 The Family And The Fishing Net 7:08

CD2: Live In Athens

01 Don’t Give Up 8:16
02 Solsbury Hill 5:10
03 Lay Your Hands On Me 6:14
04 Sledgehammer 5:06
05 Here Comes The Flood 2:48
06 In Your Eyes 10:38
07 Biko 9:38


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