1. Artikel
  2. Lesezeit ca. 7 Minuten

Peter Gabriel – Secret World Live DVD Rezension

Peter Gabriels ambitionierte Secret World Tour 1993/1994 gibt es nun auf DVD, mit komplett überarbeitetem Sound und im 16:9 Bildformat. Wir haben für euch reingeschaut.


Am Montag, dem 14. April 2003 war es soweit. Peter Gabriel veröffentlichte (nach Birdy und einigen DVD-Singles von UP) seine erste „richtige“ DVD.

Der Inhalt

Ein Konzertmitschnitt der 1994er Secret World Live-Tour aus Modena/Italien. Digital Re-Mixed und Remastered und das ganze noch im Widescreen Format. Selbstverständlich auch mit jeder Menge Zusatzmaterial.

Bereits vor diesem Datum ist die Fangemeinde allerdings in zwei Lager gespalten. Während einige die DVD lediglich als schlichte 1:1 Kopie des bereits vor etlichen Jahren veröffentlichen Konzerts auf VHS sehen, wird die DVD-Veröffentlichung von den anderen sehnlichst erwartet. Mit dieser Kritik möchte ich daher nicht nur einen Überblick verschaffen, sondern dem einen oder anderen die Entscheidung etwas erleichtern.

Hauptkritik

Gleich nach der Arbeit machte ich mich auf zur Innenstadt, um das Ding kostengünstig zu ersteigern. In einem Laden war sie bereits vergriffen und ich hatte in einem anderen Laden das letzte Stück für 21,99 Euro erwischt. Kaum zuhause angekommen, wurde sie gleich ausgepackt und eingelegt. Für alle PC-Freaks und technisch Interessierten gibt’s am Ende eine Auflistung des Systems, mit dem ich die DVD getestet habe.

Nach dem Einlegen der DVD gelangt man automatisch in unten dargestelltes Hauptmenü. Leider kann man nicht sofort dorthin gelangen, sondern muss abwarten, bis der rechtliche Hinweis und das REALWORLD Logo durchgelaufen sind.

setupAudio Setup (Tonauswahl zwischen DTS 5.1, Dolby Digital 5.1 und Dolby Digital 2.0)
Play All (startet das ganze Konzert)
Track Select (Auswahl der einzelnen Tracks mit animiertem Ausschnitt der einzelnen Stücke)
Extra Features (Timelapse, Behind The Scenes, Quiet Steam Photo Gallery, Growing Up Live 2002/3)

Zuerst wird unter dem Punkt Audio Setup der richtige Ton ausgewählt. Mit DD 5.1 geht es dann an Board. Als ich die ersten Töne von Come Talk To Me höre, staune ich nicht schlecht. Der Sound kommt mehr als glasklar rüber. Ist jemandem auf der VHS Version schon mal das Freizeichen vor dem ersten Ton dieses Liedes aufgefallen? Mir nicht! Meine 100%ige Faszination und Begeisterung über diese Klangdarbietung bekommt einen faden Beigeschmack. Das Bild wirkt irgendwie unscharf und „grisselig“. Es scheint, also ob das Bild vom Original 1:1 übernommen wurde und keinerlei Aufbesserungen durchgeführt wurden. Stellt man nun auch noch auf 16:9 um, wird es meiner Meinung nach noch schlimmer. Dies ist, soviel sei vorweggenommen, das Negativste an der ganzen DVD.

Nachdem sich Peter wieder aus der Telefonschnur entwirrt hat und die englische Telefonzelle verlassen hat, begrüßt er das Publikum in der Landessprache. Zuvor ist, wie bei einigen der folgenden Tracks, kurz eine Videoanimation zu sehen, die jeweils eine Art Einleitung zu dem folgenden Song ist. In diesem Fall sieht man einen älteren Herrn mit einer Flagge, und im Hintergrund sehr viel Dampf. Ganz klar, es folgt Steam mit einem ruhigen Intro, bevor es richtig losrockt. Bereits hier drehe ich die Boxen etwas lauter auf und die Begeisterung über den Sound kennt keine Grenzen. Erneut gibt’s auch hier wieder was fürs Auge, Dampffontänen steigen beim Refrain auf (mit 5.1 echt geil wahrzunehmen).

steamAuf der Videoleinwand sind Wellen zu sehen, im Hintergrund ruhige Töne… Across The River. Der Anfang von 3 Stücken, die direkt ineinander übergehen. Alles ist in blauem Licht gehüllt und man kann zuerst Shankar mit seinem Instrument bewundern, bevor Peter mit einstimmt. Ähnlich wie bei Genesis das Drum Duet, „duellieren“ sich die 2 hier in einer Art Frage- und Antwortspiel, bis zum entscheidenden und dynamischen Höhepunkt. Jetzt sind die Boxen fast ganz aufgedreht und ich bin auf Wolke 7. Direkter Übergang zu Slow Marimbas, bei dem Peter mit Regenstab bewaffnet (siehe Cover) auf dem Laufband von der quadratischen Bühne zur runden Bühne zu rudern scheint.

Dort angekommen erfolgt im direkten Anschluss Shaking The Tree, bei der Peter einen Teil seiner Kollegen auf der Bühne vorstellt. Bei diesem Song kann man u.a. Peters Umgang mit dem Publikum bewundern und sich vorstellen, welche Magie dieser Mann versprüht.

Eine Erholungspause zum Träumen. Blood Of Eden ertönt und spätestens hier kommen die Qualitäten von Paula Cole zum Vorschein. Peter und sie haben sich perfekt aufeinander abgestimmt.

Größter Gänsehautmoment und einer der ältern Songs folgen im Anschluss. Bei San Jacinto begibt sich Peter per Floß auf eine faszinierende Reise durch die Halle. Ich bin sprachlos und Gänsehaut ergreift meinen ganzen Körper. „I hold the light…“ WAHNSINN! Und dann der Schluss… Schattenspiele auf der Leinwand. Einfach gigantisch.

4 Ich bin schon fast beleidigt, als nach diesem Klassiker das eher poppige Kiss That Frog erklingt. Nach den Wasserspielen werde ich aber gleich danach mit dem nächsten Gänsehautstück entschädigt. Washing Of The Water ertönt und zeigt ein weiteres Mal, wie Peter seine Stimme einsetzen kann. Dies ist übrigens eines der wenigen Lieder, bei denen er ein normales Handmikrofon benutzt.

Solsbury Hill und Peter ist nicht totzukriegen. Er hüpft und springt und tanzt und singt und verleit seinem ersten Solohit ein neues Gewand. Die Menge ist außer sich und ich sitze geistesabwesend vor diesem Wahnsinnskonzert.

Nun wird’s eklig. Digging In The Dirt ertönt in einer tollen Live-Version, die der Studioversion in Dynamik und Dramaturgie in nichts nachsteht. Peter ist allerdings nicht nur mit Headset ausgestattet. Nein, nun kommt er mit Kopfkamera daher. Er trägt sie während des ganzen Songs und macht sich einen Spaß daraus, sich und andere damit zu filmen. Näher kann man Gabriel wohl nicht kommen. Interaktiver Arztbesuch, inkl. Augen- Rachen und Nasenuntersuchung!

shak Das Video mit dem Mann, der auf einen Amboss einhämmert, lässt auf das folgende Lied Sledgehammer schließen. Das Intro eher nicht. Peter schnaubt wie ein Pferd und läuft wie Phil bei I Can’t Dance. Doch dann: „One, two, three, four…“ und spätestens jetzt ist jeder aus dem Häuschen. Peter ist immer noch nicht müde und verausgabt sich nach bester Manier.Das Konzert geht dem Ende entgegen und eines der abgefahrensten Songs aus der Kategorie „Schneller-Abfahr-Rock-Track“ folgt. Secret World wird sehr stark dargeboten. Brillant ist, neben den Stroboskopeffekten und der Performance der kompletten Band, natürlich auch die Verabschiedung derselbigen. Auf dem Laufband in der Bühnenmitte, werden die Koffer herangebracht und Peter zieht sich schon mal den Mantel an. Er nimmt den größten Koffer und in ihm verschwinden die einzelnen Musiker. Der eine oder andere muss zwar dazu gezwungen werden, aber am Schluss sind alle im Koffer und Peter sieht nach oben, bevor ihn die große Glocke verschlingt und die Musik stoppt.

Sie öffnet sich für Don’t Give Up, und meiner Meinung nach vermisst hier keiner Kate Bush. Paula Cole macht einen guten Job. Eine sehr ergreifende und emotionale Darbietung dieses großartigen Stücks. Zu guter Letzt kommt In Your Eyes. Das Ende einer großen Party. Alle tanzen und singen zusammen und wollen das Lied und das Konzert nie enden lassen.

Es ist dann leider doch soweit und ich bin baff. Am Schluss erscheinen die Credits auf dem Schirm, zu denen Shankars Qualitäten nochmals zum besten kommen.

Extra Features

Beginnen wir mit Timelapse und dem großen Bock, den die Produzenten der DVD geschossen haben. In 3 Minuten bekommt man hier nun zu sehen was sich von Anfang bis Ende eines Tourtages so abspielt. Im Zeitraffer sind hier Bild (und witzigerweise auch Ton) vom Konzerttag in Frankfurt am Main zusammengefasst. Es handelt sich nicht um Berlin, wie im Cover angekündigt. Ich komme aus Frankfurt und erkenne die „Gut Stubb“ sofort. Beginnend beim Aufbau der Bühne, gefolgt vom Sound- und Lightcheck, bis hin zum Einlass der Zuschauer und dem eigentlichen Konzert und schließlich dem Abbau bis zum letzten Stück, ist dieses Feature trotzdem nicht nur sehr amüsant, sondern auch recht informativ.

bts

Fehlen darf natürlich auch ein Behind The Scenes Feature nicht. In 15 Minuten erfahren wir in der Originaldokumentation zur Tour hauptsächlich Dinge über SWL, die wir schon wussten. Natürlich eine Bereicherung zum Konzert mit vielen Hintergrundinformationen.

Die Quiet Steam Photo Gallery beschert uns ein sehr beruhigendes Bilderbuch mit vielen Fotos rund um die Tour. Zu sehen sind neben den bereits bekannten Aufnahmen auch Fotos aus dem Backstageberreich oder aus dem Tourbus. Die 6 ½ minütige Diashow ist mit Quiet Steam (B-Seite der Single Digging In The Dirt) unterlegt und ist ein tolles Feature, um das Ganze nach dem Konzert noch einmal Revue passieren zu lassen.

Unter Growing Up Live 2002/3 findet man sozusagen den „8 Minuten Trailer“ zur neuen Tour. Dieses Feature sollte sich niemand ansehen, der sich von der neuen Tour überraschen lassen möchte und nichts im Vorfeld erfahren möchte.

Ein gut gelaunter Peter berichtet über die Ideen zur neuen Tour, über die gespielten Songs und deren Umsetzung auf der Bühne mitsamt dazugehörigen Utensilien. Man erfährt etwas über des Meisters Gedanken und Gefühle, wenn er auf der Bühne ist und erklärt warum er welche Musiker diesmal dabei hat. Im Hintergrund sind Ausschnitte aus Growing Up, More Than This, No Way Out, Sky Blue und Darkness zu hören.

Tracklist

Come Talk To Me
Steam
Across The River
Slow Marimbas
Shaking The Tree
Blood Of Eden
San Jacinto
Kiss That Frog
Washing Of The Water
Solsbury Hill
Digging In The Dirt
Sledgehammer
Secret World
Don’t Give Up
In Your Eyes

Fazit

Eigentlich eine fast perfekte DVD. Meiner Meinung nach sind es 2 Dinge, die eben dazu führen, dass sie es nicht ist. Zum einen die Bildqualität, die doch etwas „altmodisch“ daherkommt und zum anderen wieder das Versäumnis, dem Zuschauer ein komplettes Konzert zu bieten. Mann kann nur hoffen, dass die Gerüchte wahr sind, dass es ein komplettes Konzert der Up-Tour auf DVD geben wird.

Ich habe natürlich nicht alles im Detail erwähnt, denn jeder Käufer sollte für sich selbst entscheiden und sich beim Experimentieren viel Zeit und Ruhe nehmen. Für echte Gabriel Fans und aufgrund des Zusatzmaterials ein echtes Muss. Für alle anderen, sowie die Besitzer des VHS-Konzerts, kann man nur sagen, dass man sich die Anschaffung sparen kann.

Für Rückfragen und Anregungen zu meiner Kritik stehe ich jederzeit über den Club zur Verfügung.

cpver

Testumgebung

– AMD Athlon 1000MhZ, 512MB RAM, Windows 2000 Professional
– CREATIVE Sound Blaster LIVE 5.1
– Cambridge Sound Works 4.1 Lautsprecher
– Cyber Link DVD Player 3.0
– Toshiba DVD-ROM Laufwerk SD-MI 1302
– Creative 3D Blaster Titanium
– ELSA ECOMO 741 22″ Monitor

Autor: Alexander Pfaff