- Artikel
- Lesezeit ca. 2 Minuten
Peter Gabriel – Secret World Live – 2CD Rezension
Peter Gabriels Secret World Tour wurde standesgemäß dokumentiert und liegt auch als 2CD vor.
Nach Plays Live und PoV liefert Peter Gabriel seine Secret World-Nachlese in Form einer Doppel Live-CD, aufgenommen während zweier Konzerte in Modena im November letzten Jahres. Schon beim Betrachten von Songauswahl und Reihenfolge der Stücke fällt auf, dass eine authentische Reproduktion des Konzertablaufs im Mittelpunkt steht.
Dass weniger tatsächlich manchmal mehr sein kann, beweist das Weglassen von Biko und San Jacinto – waren diese Tracks doch sowohl auf den Studioalben als auch auf beiden oben erwähnten Live-Mitschnitten enthalten. So ist der vorliegende Konzertmitschnitt nicht komplett, unnötige Wiederholungen werden jedoch vermieden.
Come Talk To Me, der Opener, zeigt gleich, welche Richtung dieser Livemitschnitt einschlägt – auf Overdubs wird, wenn eben möglich, verzichtet. Der etwas kurzatmig gesungene zweistimmige Refrain kann leider mit der Studioversion nicht ganz mithalten. Steam beginnt mit einer abgewandelten Einführung von Quiet Steam und überzeugt durch seine druckvolle Präsentation. Das folgende Stück ist ursprünglich aus einer Improvisation entstanden, die anlässlich des WOMAD-Festivals 1982 in Shepton Mallet stattfand. Aus dieser Zeit stammen Dog 1, Dog2, Dog 3 und Across The River, wobei letzteres zunächst nur als Single-B-Seite in England und auf dem ersten WOMAD-Sampler zu finden war. 1983 wurde es gelegentlich als Konzertopener in Kurzform gespielt. In dieser Intensität und Länge ist Across The River nun erstmals auf einem offiziellen Tonträger erschienen.
Shaking The Tree wird in einer pulsierenden, aber auch lässigen Version gespielt. Einen nicht unerheblichen Beitrag dazu leistet das unverwechselbare und wohl auch nicht zu übertreffende Bassspiel von Tony Levin. Für einen Audiomitschnitt ist diese Version jedoch etwas zu lang. Die Publikumseinbindung ergibt im Konzert und auf Video einen Sinn, jedoch nicht auf einer Live-CD. Red Rain, nur selten während der Secret World-Tour gespielt, trifft die Studioversion beinahe; mit einer differenzierten Percussion, die mit einem fast balladenähnlichen Vortrag einhergeht, übertrifft Gabriel die eher schwache Präsentation des Stückes auf der 1987er Tour. Damals wurde Red Rain durch Veränderungen der Drumparts regelrecht zerhackt. Blood Of Edenentspricht in etwa der gleichnamigen Studioversion und ist ein weiterer Beweis dafür, dass es sich bei Secret World Live um ein ehrliches Livealbum handelt, sonst wäre der Gesang von Paula Cole mit Sicherheit nachbearbeitet worden.
Kiss That Frog ist sicherlich insofern ein Gewinn, als man Gabriel erstmals an einem für ihn untypischen Instrument, der Harmonika, erleben kann. Ansonsten gehört der Song eher zu den schwächeren des Gabriel-Repertoires. Washing Of The Water hingegen gewinnt gegenüber der Studioversion noch an Ausdruckskraft und wird hoffentlich zum Standard noch folgender Konzerte gehören. Selbstverständlich fehlt Solsbury Hill ebenso wenig wie Sledgehammer. Überraschend ist jedoch die Tatsache, dass Games Without Frontiers nicht verwendet wurde. Digging In The Dirt ist ein weiterer Höhepunkt dieser CD. Hier werden die selbstquälerischen, analytischen Textzeilen Peter Gabriels durch die aggressive und ausladende Darbietung musikalisch bestens unterstrichen.
Hervorzuheben ist der Gesang Paula Coles im Mittelteil von Don’t Give Up. Wie schön die Melodieführung ist, offenbart sich erst in dieser Live-Version. Bei der So-Version wurde die Stimme von Kate Bush derart technisch verfremdet, dass ich die vorliegende Aufnahme für weitaus gelungener halte.
Zusammenfassend ist Secret World Live die Dokumentation einer der wohl interessantesten Tourneen, die je stattgefunden haben. Aufgrund der ausgeprägten Visualisierung der Stücke stellt sich jedoch die Frage, ob es nicht sinnvoller ist, gleich zum entsprechenden Tourvideo zu greifen.
zuerst veröffentlicht in it Nr.13 (Dezember 1994)