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Peter Gabriel: Scratch My Back – Collectors Edition Boxset – Rezension
Peter Gabriel veröffentlichte 2010 von seinem Album Scratch My Back auch eine sündhaft teure Deluxe Edition. Martin Klinkhardt hat sich das genauer angesehen.
Wie der Karton für ein großes Brettspiel liegt die große Scratch My Back-Box auf dem Tisch. Die Farbgebung – der Deckel ist hochglänzend schwarz, der Karton ebenso hochglänzend rot – und die Verarbeitung weisen allerdings auf ein hochwertiges Produkt hin. Die Unterseite wiederholt das Blutplättchenmuster von der Rückseite der Scratch My Back CD.
Wenn man die Box öffnet, liegt ganz oben zunächst eine daumendicke anthrazitfarbene Moosgummischicht, in die eine Darstellung des Verlaufs der menschlichen Blutgefäße eingraviert ist. Sie ist sehr sauber verarbeitet – die Einschnittlinien liegen zum Teil sehr eng beieinander, aber die kleinen Stege dazwischen sind nicht eingerissen, wie man das bei einer schlichten Produktionsweise erwarten müsste. In der Mitte, etwa dort, wo im Blutkreislauf das Herz sitzt, befindet sich eine Aussparung in Form eines Pluszeichens, dessen oberer Schenkel verlängert ist für eine Eingriffmulde. Denn in dieser Aussparung liegt kräftig rot ein Pluszeichen aus festem Gummi mit der erhabenen Aufschrift „peter gabriel / scratch my back“. Das ist der USB-Stick.
Unter der Moosgummischicht findet sich ein graues Blatt in der Größe der Box, auf dessen Vorderseite Peter Gabriels einführende Bemerkungen zum Projekt Scratch My Back stehen, die man ja auch im Booklet der CD nachlesen kann. Die Rückseite gibt die Credits für die Stücke an – und zwar für alle 16, die auf der Special Edition enthalten sind. Dann folgt ein Blatt dünnen Seidenpapiers als Schutzschicht für den Kunstdruck des Scratch My Back-Covers (Außenmaße 31x31cm, eigentliche Bildfläche 24x24cm) – und zwar signiert und numeriert.
Darunter liegt dann die LP. Das Cover zeigt ein ganz neues Motiv. Es sieht aus wie eine Art Lamellen mit Schweißpunkt, aber ist doch bestimmt organisch und stark vergrößert. Die Rückseite ist schlicht schwarz und gibt die Verteilung der zwölf Stücke der regulären Version auf die beiden Plattenseiten an. Die Label der Platte greifen das Motiv von der Rückseite des CD-Booklets auf. Das Vinyl ist blutrot und – eine sehr schöne Idee – durchsichtig. Ein Schmuck für jeden Plattenteller.
Unter der LP liegt dann noch ein Buch. Ein Buch? Stand davon irgendetwas in der Produktbeschreibung? Nein, davon stand nirgends etwas, beim Aufblättern zeigt sich: Es ist die 24x24cm große Hülle für die beiden Scratch My Back Special Edition CDs. Für dieses Buch hat man die Motive gewählt, die dem Rezensenten eher unschön erschienen: Die CD-Labels zeigen das runde, vage schimmelpilzartige Motiv, das in der Special Edition unter den CDs sichtbar wird, während der Umschlag des Buches das blaugrünliche Motiv „Peter Gabriel als Zombie mit Zahnschmerzen“ zeigt. Außer den beiden CDs ist nichts weiter in dem Buch enthalten. Ganz unten im Karton findet sich noch zuguterletzt das Certificate Of Authenticity, die Echtheitsbestätigung.
So weit, so gut: Die Box ist rundherum sorgsam verarbeitet mit einem klaren Design, es fühlt sich alles gut und hochwertig an; allerdings lassen sich die CDs nur umständlich entnehmen. Aber das ist auch nur ein kleines Detail in einer optisch und haptisch sehr gelungenen Box.
Und der Inhalt der Medien? Ist, das muss hier festgehalten werden, etwas weniger abwechslungsreich. Gehen wir sie der Größe nach durch. Da ist zunächst die Schallplatte. Sie enthält die zwölf Stücke der einfachen Albumversion in der bekannten Reihenfolge, sechs Stücke auf der einen, sechs auf der anderen. Die zwei CDs in der Buchversion haben alle Tracks der Special Edition, ebenfalls in derselben Anordnung. Damit steht der Pegel der Formate bei zwei. Auf dem USB-Stick findet sich dann eine 96kHz/24bit-Fassung des Albums (als WAV-Dateien). Das ist die Auflösung, mit der die Stücke ursprünglich aufgenommen wurden, bevor sie für die CD-Versionen auf 48/16 reduziert wurden. Wem das noch nicht genügt, der findet in einem zweiten Ordner auf dem USB-Stick die 96kHz/24bit „super“-Version, bei der die Höhen leicht angehoben wurden. Damit liegen in dieser Veröffentlichung nicht weniger als vier verschiedene Fassungen desselben Albums vor – die Formatflut erreicht die Deichkrone.
Es nimmt ein wenig Wunder, dass die vier Bonusstücke nicht in allen vier Versionen des Albums enthalten sind. Dass dafür auf der LP kein Platz war, ist ja einzusehen, aber eine kleine rote Vinylsingle mit den Bonustracks wäre doch ganz neckisch gewesen. Auf den USB-Stick hätten die Daten doch auch problemlos noch gepasst (selbst wenn man dafür auf einen 8GB-Stick hätte wechseln müssen, wäre die Box sicher nicht unrentabel geworden). Andererseits ist es ohnehin schade, dass die Inhalte des Sticks entgegen der ursprünglichen Ankündigung keine exklusiven Videodaten enthalten. Ansonsten sind nur Kleinigkeiten zu bemerken: Der USB-Stick sieht zwar gut aus, ist jedoch nicht leicht zu handhaben: In versenkte USB-Slots läßt er sich kaum einstecken, und wer einen Laptop mit senkrechten USB-Slots hat, wird ein Buch unter den Rechner legen müssen, um den Stick einzustecken. Außerdem lassen sich die CDs nur schwer aus ihrem Slot entnehmen. Aber da auf ihnen dasselbe ist wie auf der Special Edition, die jeder Käufer dieser Box wahrscheinlich ohnehin schon besitzt, wird man die CDs wohl kaum oft benutzen.
Das Scratch My Back Collector’s Edition Box Set zeichnet sich aus durch geschmackvolles Design, sehr gute Verarbeitung und ihre Exklusivität durch die Beschränkung auf 500 Exemplare. Für die Musik verweise ich auf die Albumbesprechung. Negativpunkte sind der Umstand, dass manches in der Box schlecht zu handhaben ist, und der heftige Preis von US$299. Andererseits ist die Box ein ausgesprochenes Sammlerstück. Ob die Box die Anschaffung wert ist, muss jeder für sich entscheiden.
Autor: Martin Klinkhardt
„Unboxing“-Fotos: Volker Warncke