- Artikel
- Lesezeit ca. 8 Minuten
Peter Gabriel Pressekonferenz – Könixxtreffen 2002
Anlässlich seines Auftritts beim Könixxtreffen 2002 in München stellte sich Peter Gabriel in einer Pressekonferenz den Fragen der Jounalisten. Wir waren vor Ort…
Virgin Deutschland hatte geladen zur Pressekonferenz anlässlich des Könixxtreffens am 31.08.2002 im Hard Rock Café, München.
Schon zur Mittagszeit dieses ereignisreichen Tages hatten wir die Möglichkeit, an der Pressekonferenz, die eigens für das Könixxtreffen einberufen wurde, teilzunehmen. Das Könixxtreffen war ein Festival mit den Bands Heyday, Slut, The Ark, Reamonn sowie Hubert von Goisern, Bryan Ferry und Peter Gabriel. Dass Virgin Peter für dieses Spektakel gewinnen konnte, machte die Veranstalter des Ganzen sehr stolz und gleichzeitig glücklich, da es seit vielen Jahren der erste Liveauftritt des Meisters in Deutschland war.
Die Pressekonferenz begann mit einer kleinen Runde, an der Udo Lange und Gregor Stöckl (beide Virgin Deutschland) und Frank Bergmeyer (Organisation) teilnahmen. Es wurde erzählt, wie aus einer Bierlaune heraus die Idee geboren wurde, den zwanzigjährigen Geburtstag von Virgin Deutschland auf dem Königsplatz in München groß zu feiern. Der Plan wurde konkretisiert und nachdem die Stadt München am 24.12.2001 die erforderliche Genehmigung erteilt hatte, stand der Umsetzung außer einem riesigen Berg an Arbeit nichts mehr im Wege. Udo machte deutlich, dass ohne Frank dieses Festival nicht in die Realität umgesetzt hätte werden können.
Die nächste Gesprächsrunde bestand aus Mitgliedern der Bands Slut (Christian Neuburger), Heyday (Ingo Zapke), Reamonn (Rea Garvey), The Ark (Ola Salo) sowie Hubert von Goisern und Gregor Stöckl. Nachdem sich alle vorgestellt hatten, konnten die anwesenden Journalisten die Möglichkeit nutzen und den Stars Fragen stellen.
Ähnlich lief es bei Bryan Ferry ab, der als nächster den Platz hinter dem Mikrophon eingenommen hatte, nachdem seine Vorredner das Podium verlassen hatten. Gregor Stöckl behielt allerdings seinen Platz und fungierte, falls notwendig, als Übersetzer.
Seine Dienste wurden bei Bryan Ferry aber ebenso selten benötigt wie beim Superstar dieser Pressekonferenz, Peter Gabriel, der unter großem Applaus den Raum betrat. Er ließ es sich nicht nehmen, wie so häufig bei solchen Anlässen, ein paar Aufnahmen von den Anwesenden Presseleuten mit seiner Kamera zu machen. Die interessantesten Aussagen von Peter Gabriel haben wir für euch zusammengestellt:
Wer sind die neuen Gesichter in deiner Band?
Nun, ich möchte zunächst die „alten“ Gesichter nennen, wenngleich sie das Wort „alt“ vermutlich nicht besonders mögen werden. Es handelt sich um Tony Levin [Bass] und David Rhodes [Gitarre]. Am Schlagzeug haben wir Ged Lynch, der viel am aktuellen Album mitgewirkt hat, genauso wie Manu [Katche]. Keyboards spielt Rachel Z aus New York. Ebenso an der Gitarre und an anderen Instrumenten spielt Richard Evans, der Techniker und Song-Schreiber ist und auch in unseren [Realworld-] Studios arbeitet. Außerdem singt in der Band noch meine Tochter [Melanie] und das macht Spaß.
Welchen persönlichen Grund gab es für dich, bei diesem großen Festival heute zu spielen?
Ich bekam ein Angebot, das ich nicht ablehnen konnte. Virgin in Deutschland war immer sehr hilfsbereit. Ich kann da ein Beispiel nennen. Als ich in einer anderen Sprache singen wollte, schrieb ich viele Plattenfirmen an. Ich fragte sie, ob sie Interesse daran hätten, meine Platten in ihrer Sprache zu singen und zu veröffentlichen. Die Einzigen, die sich meldeten, waren die Leute von Virgin Deutschland.
Dein Album ist sehr spirituell. Bist du ein spiritueller Mensch?
Ich weiß nicht, wie spirituell ich bin. Vermutlich bin ich sogar kein besonders spiritueller Mensch.
Du arbeitetest mit Menschenaffen. Hast du dieses Projekt aktuell noch am Laufen?
Ich habe mich schon lange für die Forschung interessiert, bei der Affen unsere Sprache gelehrt wird. Es gibt da bemerkenswerte Beispiele. Ich wendete mich an die Georgia State University in Atlanta und fragte sie, ob sie Interesse an einem Experiment mit Musik hätten. Ich begab mich fünf Mal nach Atlanta und fing an vor den Bonobos zu musizieren – alles war improvisiert. Es war recht außergewöhnlich, denn die Affen waren sehr einfühlsam und man konnte musikalische Intelligenz erkennen. Ich habe Videomaterial davon und hoffe, eines Tages eine Platte mit Musik dieser Art aufzunehmen. Wir wenden sehr viel Geld dafür auf, nach intelligenten Lebensformen im Universum zu suchen und sind noch zu dumm zu erkennen, dass es sehr viel intelligentes Leben um uns herum gibt.
Kannst du uns ein wenig über dein neues Album erzählen? Warum hat es so lange gedauert?
Was ist schon lang? Ich bin halt langsam. Ich sagte meiner Plattenfirma, dass sie das Album im September bekommen würden und fügte dann hinzu, dass ich keine Garantie über das Jahr abgeben könne. Ich nehme mir die Freiheit heraus, mich von Ideen zu trennen, sobald sie anfangen, mich zu langweilen. Ich entwickelte Idee um Idee und am Ende hatten wir davon 130. Einige Songs endeten dann auf Ovo, andere auf dem Rabbit Proof Fence-Soundtrack und einige auf Up. Ich fand heraus, dass ich den Prozess des Schreibens besser finde als ein Geschäftsmann zu sein, wenngleich auch dies einen gewissen Reiz hat. Ich bin selten in Eile, sobald ich aber sehr viel Material angesammelt habe, möchte ich es auch veröffentlichen. Deshalb wird auch recht bald noch ein Album geben. Es wird vielleicht schon im September kommen …
Das Tracklisting des Albums hat sich noch in letzter Minute geändert. Was war der Grund dafür, Burn You Up, Burn You Down von der Liste zu streichen?
Wir mussten Kopien des Albums an die Presse herausgeben, ich war aber damals nicht wirklich schon fertig gewesen. Ich habe mir danach noch sehr häufig das Album angehört, und ich habe festgestellt, dass der Song nicht so gut zu den anderen Stücken passt. Für mich ist das Album jetzt wie eine Reise von einem Ort an einen anderen. Ich wollte auch ausprobieren, The Drop ans Ende zu stellen, und es scheint auch wirklich ein gefühlvollerer Anschluss für das Ganze zu sein. Dennoch mag ich den Track [Burn You Up, Burn You Down], und er wird in der Zukunft veröffentlicht, allerdings nicht in dieser Gruppe.
Es gab Pläne, das Album in Verbindung mit großen Flüssen zu setzen. Kannst du uns Details über dieses Vorhaben nennen und den Grund, warum es zumindest aktuell noch nicht umgesetzt wurde?
Nun, das war eine sehr unbeschwerte Idee, die ich hatte, als ich mit dem Wort „up“ herumspielte. Flüsse hatten für mich immer eine große Bedeutung, und ich dachte daran, das Album an mehrere verschiedene Gruppen in unterschiedlichen Ländern zu schicken. Das resultierten dann verschiedene Versionen der Platte. Es gäbe also ein Up The Nile, Up The Ganges oder Up The Mississippi, das jeweils von Musikern der jeweiligen Gegend interpretiert werden würde. Ich bin überzeugt, dass einige Ergebnisse richtig gut wären und andere wären wohl weniger gelungen. Das Ganze wäre ein interessantes und lustiges Projekt. Ich muss nur noch jemanden überzeugen, so eine Sache zu finanzieren und daran arbeite ich bereits.
Dein Aussehen hat sich seit dem letzten Mal deutlich verändert …
Nein! [Gelächter]
… du hast dir einen Bart wachsen lassen, aber ganz offensichtlich hat deine Musik keinen langen Bart bekommen. Inwiefern hat sich deine Musik, die Sounds und der Stil in den vielen Jahren verändert?
Mein Haar wächst jetzt nach unten, es sollte eigentlich nach oben wachsen. Also muss halt die Platte nach oben wachsen. Ich verändere gerne meine Musik, denn das macht sie auch weiterhin interessant. Ich arbeitete eng mit einigen Leuten zusammen mit denen schon sehr lange musiziere. Dazu kommen aber immer wieder auch neue Gesichter, die alle für eine Herausforderung sorgen.
Wie stehst du zum Real World-Label? Bist du nach so vielen Jahren immer noch glücklich darüber?
Ja, ich bin da sehr stolz. Ich wollte nie ein Label gründen. Damals hatten viele Künstler, die bei den WOMAD-Festivals auftraten, einfach keine Chance einen Plattenvertrag zu bekommen. Wir gaben ihnen diese Möglichkeit. Soweit ich weiß, wurden schon über einhundert Platten aufgenommen. Auf einigen davon befindet sich fantastische Musik und da wird bestimmt immer wieder großartiges Material herauskommen. Ich bin sehr glücklich darüber.
Kannst du sagen, welcher der Songs des neuen Albums der älteste ist? Wann wurde diese Nummer geschrieben?
Noch bevor ich geboren wurde [Gelächter]. Sky Blue begann ich schon zu Zeiten des letzten Albums zu schreiben. Das ist bei mir aber immer so. Mindestens ein bis zwei Songs stammen aus den Zeiten des Vorgänger-Albums.
Du scheinst zwischen deinen Alben immer wieder gerne Soundtracks zu schreiben. Erkenne ich diesen Trend richtig?
Nun, es macht Spaß, da ich für solche Projekte keine Texte schreiben muss. Man hat da gewisse Freiheiten. Dieses Mal arbeitete ich mit David Rhodes und Richard Evans zusammen. So hatten wir eine aufgeteilte Verantwortung. Ich möchte auf der anderen Seite nicht ständig an solchen Dingen sitzen.
Wie konkret sind die Pläne, ein zweites Album mit dem Titel I/O nach der Tournee zu veröffentlichen?
Ich hoffe, dass ich Anfang nächsten Jahres daran arbeiten und dann diese Platte auch abschließen kann. Es gibt da Material, das bereits zur Hälfte fertig ist.
Wie sieht es mit deinen Plänen für die nahe Zukunft aus?
Zunächst gibt es da Promotion-Aktivitäten, und anschließend werden wir in Amerika touren. Wir werden sehen, wie das läuft. Abhängig davon gibt es Ideen für eine Tournee in Europa im Sommer nächsten Jahres. Darüber wird noch diskutiert. Außerdem möchte ich wieder mit Menschenaffen arbeiten. Des Weiteren gibt es da eine Show von Robert Lepage, der uns beim Bühnenkonzept für die Tournee hilft. Diese Show, ein kunst- und wissenschaftliches Kabarett, trägt den Namen Zulu Time und Robert begann damit in Quebec. Wir hoffen nun, es im nächsten Jahr nach Europa zu holen.
Ist es richtig, dass du immer zunächst die Musik fertig schreibst, bevor du dich mit den Texten beschäftigst? Was bedeutet das Schreiben der Texte für dich?
Harte Arbeit! Es ist häufig so, dass ich eine Idee für ein Thema habe. Ich weiß dann, welche Stimmung ich auch in der Musik haben muss. Wenn ich Texte fertig stellen möchte, muss ich von Zuhause fortgehen. Ich fahre dann mit dem Auto weg. Ich habe dann entweder ein Kassetten-, ein DAT- oder ein Minidisk-Gerät dabei. Ich parke dann im Wald. Die Leute können dann beobachten, wie das Auto wackelt, und viele wundern sich bestimmt, was da wohl los sei – dabei ist es nur ein Texter bei der Arbeit. Es fällt mir schwer, Texte abzuschließen, bevor ich nicht ganz zufrieden damit bin. Musik zu schreiben fällt mir leichter. Da kann ich innerhalb eines Tages etwas auf die Beine stellen, mit dem ich glücklich bin, aber bei Texten schaffe ich das nicht unter ein bis zwei Wochen.
Du warst immer für viele Künstler auf der ganzen Welt eine große Inspiration. Woher kommt dein Antrieb, auch in der heutigen Zeit noch so kreativ zu sein?
Ich denke, dass ich von allen möglichen Dingen, Orten und Menschen inspiriert werde. Unser Tonstudio ist wie ein Bahnhof. Ich treffe dort Menschen aus vielen verschiedenen Ländern. Von daher höre ich immer wieder sehr interessante Dinge, und das alles vermischt sich dann zu neuen Ideen.
Transkription und Übersetzung: Bernd Zindler
Fotos: Peter Schütz