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Peter Gabriel – New Blood in Wolfsburg und Berlin, 6.05. + 09.05.2012 – Konzertbericht
Im Rahmen seiner New Blood Tour kam Peter Gabriel 2012 wieder nach Deutschland. Neben Shows in normalen Hallen spielte er auch im KraftWerk Wolfsburg, das kaum 1000 Leute fasst. Christian Gerhardts vergleich die erste Show im Kraftwerk mit dem Auftritt in der Berliner O2-World.
Man kann sich nicht darüber beschweren, dass Peter Gabriel seit seiner Growing Up Tour nicht umtriebig wäre. Schon diese Tour dehnte er auf zwei Jahre aus und schließlich ging er parallel mit Genesis 2007 auf Warm Up Tour und spielte dort tonnenweise Material, von dem seine eingefleischten Fans nicht zu träumen gewagt hätten. 2009 kamen dann die Südamerikaner in den Genuss einer kurzen Tour, ehe ihn sein Projekt um die Alben Scratch My Back 2010 und New Blood 2011 schließlich mit einem ganzen Orchester wieder auf die Bühnen dieser Welt brachte. Nach einer kleinen Test-Tour folgten weitere kleine Tourabschnitte in Europa, Nordamerika und Südamerika.
Nur ein neues Album mit neuen Gabriel-Songs ist nach wie vor nicht in Sicht. Dabei sollte dieses bereits 2004 erscheinen (siehe auch: The Making of I/O). Und statt weiter an einem neuen Album zu arbeiten, kehrte Gabriel mit New Blood und nun im Mai 2012 ein Mal mehr Deutschland zurück, dazu kamen ein paar Festivals in Polen, England und Portugal.
Entsprechend war das Echo geteilt – für manche ist das Projekt nun weniger interessant, da er bereits ausgiebig in Deutschland Konzerte gab, andere haben es sich gar nicht angesehen und wieder andere waren hocherfreut. Beim Blick auf die Tourdaten und beim genaueren Blick auf die Locations fiel sofort auf, dass zwei der Konzerte etwas aus dem Rahmen fallen. Beide Wolfsburger Konzerte fanden im KraftWerk der Autostadt statt – der Saal fast nicht einmal 1000 Menschen. Die beiden Konzerte sind Teil der jährlichen Veranstaltungereihe Movimentos und Peter Gabriel zählt hier sicher zu den absoluten Highlights der letzten Jahre. Neben einem interessanten Vergleich des Ambientes im Kraftwerk und der Atmosphäre in der großen Berliner O2-World war die spannende Frage, was musikalisch zu erwarten sei. Deutschland war bisher noch nicht in den Genuss der Songs Father, Sonund Secret Worldgekommen. Auch Wallflower blieb den meisten bisher verwehrt. Somit hatten die Konzertgänger die Hoffnung, diese Songs und eventuell etwas völlig neues zu hören – die Rede war im letzten Jahr auch immer mal wieder von I Grieve oder Love To Be Loved- beide zogen in einer Art Abstimmung aber den kürzeren gegen Secret World.
Das New Blood Orchestra bestand wieder zur Hälfte aus deutschen und englischen Musikern. John Metcalfe war wieder mit dabei und mischte sich unter die Orchestermusiker (mit Ausnahme von In Your Eyes, wo er als Dirigent auftrat) und Ben Foster war einmal mehr Dirigent des Orchesters. Melanie war nach Babypause wieder mit dabei und wie schon in Südamerika war nicht Ane Brun, sondern Rosie Doonan an den Background Vocals und somit auch Duettpartnerin von Gabriel bei Don’t Give Up. Änderungen am Bühnenaufbau gab es nicht – auch nicht in Wolfsburg, die Bühne passte genau in den Konzertsaal.
Erwartungsgemäß war in Wolfsburg alles dichter, intimer und vor allem für die Leute in den ersten Reihen war der grell-rote Begrüßungsbildschirm eine ziemliche Herausforderung. Angenehm war es in jedem Fall nicht, diesem Licht aus nächster Nähe ausgesetzt zu sein. Die Bühne war kaum anderthalb Meter entfernt und es wurde auf Security direkt vor der Bühne verzichtet – nur an den Seiten vor den Aufgängen positionierten sich zwei Mitarbeiter. Die Bühne selbst war nur etwa einen halben Meter hoch – auch das war ein großer Unterschied zu den großen Hallen.
Die Setlist in Wolfsburg war keine Riesenüberraschung, jedoch hatte er im vergleich zu den Konzerten in München und Oberhausen doch einiges verändert. My Body Is A Cage wurde gespielt, dazu Washing Of The Wateran Stelle von Wallflower und Blood Of Eden an Stelle von Mercy Street. Außerdem brachte er zusätzlich Darkness, das bei beiden Konzerten zuvor fehlte. Wie erwartet spielte er Secret World(wurde auch bei allen deutschen Shows gespielt) in einer dynamischen Version, die sich relativ nah am Original orientierte und mit einem Konga-Trommler auch ein eher rockiges Element hatte. Beeindruckend war einmal mehr Gabriels gute Gesangleistung. Aus dem Scratch My Back-Album spielte Gabriel nur 2 Songs. Downside-Up wurde in der New Blood Studioversion gespielt, d.h. es fehlte der stimmungsmachende Schluss. Die Wolfsburger Setlist:
Heroes
Washing Of The Water
My Body Is A Cage
Intruder
San Jacinto
Secret World
Signal To Noise
Downside Up
Digging In The Dirt
Blood Of Eden
The Rhythm Of The Heat
Darkness
Red Rain
Solsbury Hill
Biko
In Your Eyes
Don’t Give Up
The Nest That Sailed The Sky
Die Fanclub-Ticketbesitzer der ersten Reihe konnten Gabriel sprichwörtlich hautnah erleben und manchmal konnte man ihn ohne Verstärkerleistung singen hören. Die Stimmung in Wolfsburg war bedächtig, geradezu andächtig. Die Leute gingen selten aus sich heraus und blieben zumeist sitzen und es war überwiegens mucksmäuschenstill in der kleinen Halle.
Dies stellte sich in Berlin ganz anders dar. Hier war Gabriel bereits 2010 für zwei Konzerte und nun kam Berlin nochmals in den Genuss der New Blood Show. Alles war größer, die Bühne höher und weiter weg, der Klang entsprechend auch schwerer zu managen, was allerdings (zumindest in den vorderen Reihen) ganz gut gelang. Und erneut war die Halle gut gefüllt – es ist geradezu erstaulich, dass er mit dieser Show noch immer große Hallen füllen kann.
Eine Überraschung hatte Peter für Berlin mitgebracht. Er spielte völlig unerwartete den Randy Newman Song That’ll Do, den er seinerzeit für den Film Babe, Pig In The City eingespielt hatte. That’ll Do war eine echte Weltpremiere und bisher hat er den Song auch nicht wieder gespielt. Zuvor hatte er den song ein einziges Mal im Rahmen der Oscar-Verleihung live gespielt. Die Setlist war in Berlin insgesamt wieder deutlich anders, aich wenn es bis auf That’ll Do keine echte Überraschung gab. Dieses Mal gab es aber mit Listening Wind einen dritten Scratch-Song, für den allerdings das beliebte Intruder gekippt wurde. Father, Sonwurde erneut nicht gespielt.
Heroes
Wallflower
Après Moi
Listening Wind
San Jacinto
Secret World
Signal To Noise
Downside Up
Digging In The Dirt
Mercy Street
The Rhythm Of The Heat
That’ll Do
Red Rain
Solsbury Hill
Biko
In Your Eyes
Don’t Give Up
The Nest That Sailed The Sky
Auffallend ist, dass die Show deutlich kürzer war als noch 2010, als er die komplette Scratch My Backdarbot. Letztlich dauerte die Show aber immer noch gut 2 Stunden. Die Stimmung in Berlin bebte schon fast, als Gabriel Wallflower ankündigte. Schon wenig später riss es das Publikum von den Sitzen. Der größte Unterschied zwischen Wolfsburg und Berlin liegt sicher in der unterschiedlichen Intimität der Shows. In Wolfsburg konnte man eine Stecknadel fallen hören, in Berlin trug die um ein Vielfaches größere Masse automatisch zu mehr Unruhe bei. Beides hatte seinen Reiz. Auf die Qualität der Darbietung hatte es keinen Einfluss.
Nach 2 Jahren ist die New Blood Tour nun offenbar zu Ende – denn Peter hat bereits wieder eine Tour mit Band angekündigt und wird im Herbst das 25jährige So-Jubiläum im Rahmen der Back To Front Tour feiern. Doch was kann man zusammenfassend sagen?
Es war mit Sicherheit einen Ausflug wert – das gesamte Scratch My Back / New BloodKonzept hat eine ordentliche Brise frischen Wind ins Gabriel-Lager gebracht. Der Erfolg hat Gabriel aber vermutlich selbst überrascht. Im Verlauf der Tour ist Gabriel dann von seinem zweigeteilten Konzept etwas abgewichen und spielte immer weniger Stücke aus Scratch My Back. Vergleicht man beide Konzertteile bzw beide Songumsetzungen, so muss man aber sagen, dass er bei Scratch My Back deutlich mutiger war, was die Umsetzung der Songs angeht. Seine eigenen Klassiker hatte er zumeist relativ nah am Original arrangieren lassen, hier seien die trotzdem grandiosen Mercy Street und San Jacinto genannt. Eine Wohltat war es, Signal To Noise endlich einmal live zu hören – mit einem richtigen Orchester! Richtig gute Momente hatte die Show außerdem immer bei The Rhythm Of The Heat und auch Red Rain kam sehr gut an. Weniger Dymanik konnten erwartungsgemäß Blood Of Eden und The Drop versprühen, hier waren auch die Arrangements etwas zu berechenbar. Viel zu selten gespielt hat er Wallflower – das war schon auf früheren Tourneen so. Streitbar war die für die einen ausdrucksstarke, für die anderen zittrige Performance von Ane Brun, insbesondere bei Don’t Give Up. Interessant war die Umsetzung von Digging In The Dirt, auch wenn man das Stück bei mehreren Konzertbesuchen ein wenig leid wurde und die brachiale Gewaltversion der Growing Up Tour herbeisehnte. Das sah bei Intruderganz anders aus – dieser Song war eine wahre Offenbarung in der Orchesterversion. Für Diskussionen sorgte auch Biko, allerdings mehr wegen des Inhalts, weniger wegen der muskalischen Darbietung. Das beste kommt bekanntlich zum Schluss und so war Secret World eines der letzten Stücke, das Gabriel in den Set einbaute. Unbestritten wurde es zu einem der Highlights, auch wenn das ganze fast schon poppig dargeboten wurde.
Ohne Zweifel hat uns Peter mit seinem Orchesterkonzept überrascht und den meisten ein paar schöne Stunden beschert. Doch man kann die Abnutzungserscheinungen auch nicht leugnen. Daher ist es Zeit, sich wieder anderen Konzepten zu widmen. That’ll do, Peter, That’ll do!
Autor: Christian Gerhardts
Fotos: Helmut Janisch und Peter Schütz