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Peter Gabriel – New Blood, Arena di Verona (26.09.2010) – Konzertbericht

Peter Gabriels Auftritt in der altehrwürdigen Arena di Verona wurde zu einem Spektakel der Extraklasse. Volker Warncke war beim Soundcheck und bei der Show vor Ort.

Sobald der Tourneeplan für die New Blood-Tour im September bekannt gegeben wurde, war eigentlich schon klar, dass das Konzert in Verona das beeindruckendste werden würde. Die beiden Hauptgründe dafür dürften das bekanntermaßen besonders enthusiastische italienische Publikum und natürlich der Veranstaltungsort sein, die berühmte Arena di Verona, vor ca. 2000 Jahren von den alten Römern erbaut und heute noch fast vollständig erhalten. Dort finden sonst meist klassische Opern wie Aida statt, so dass eine ja sogar in mehrfacher Hinsicht klassische Aufführung wie die New Blood-Show dort optimal hinpasst.

ArenaIm Gegensatz zu vielen modernen großen Hallen, die am Stadtrand gebaut wurden, weil dort genug Platz ist, befindet sich die Arena di Verona mitten in der Stadt, dicht umgeben von normalen Wohnhäusern, und an einer Seite von einem großen Platz (Piazza Bra) mit jeder Menge Restaurants, so dass man vor und nach der Show direkt noch gemütlich einkehren kann. Woanders bleibt dann oft nur das eine oder andere Schnellrestaurant neben der Halle, was mir dann jedesmal nur als Notlösung erscheint. 
Es gibt in der Nähe der Arena sogar bezahlbare kleine Hotels und ich hatte tatsächlich eines gefunden, von dem aus ich aus dem Zimmerfenster vielleicht 50 m Luftlinie zur Arena hatte. Der Flug von Köln/Bonn nach Verona mit Germanwings verlief problemlos und der Flughafen ist auch nicht so weit weg von de Innenstadt.

Das Wetter in Verona war am 26.9. perfekt, sonnig und mild, und die Massen von Touristen und angehenden Konzertbesuchern schoben sich nur so durch die Gassen der Altstadt. 
Einige Tage vor dem Konzert hatte Richard Chapell in seinem Tour-Diary verkündet, dass Verona für eine DVD-Veröffentlichung gefilmt werden sollte, so dass man sich schon denken konnte, dass es auch von der Setlist her etwas Besonderes werden würde. 
Natürlich nur dann, wenn Gabriels Stimme halten würde; das war ja die ganze Tournee über immer wieder eine latente Befürchtung, und wenige Tage vorher war er ja auch tatsächlich erkältet und die Shows in Madrid und Barcelona waren dadurch ein wenig beeinträchtigt. Aber auch das war kaum zu bemerken, und generell kann man schon sagen, dass er stimmlich selten besser in Form war als in diesem Jahr.

Gabriel hat bei jedem Soundcheck höchstens 2 – 3 Songs auch selber gesungen, um seine Stimme zu schonen, aber in Verona hat er beim Soundcheck ungewöhnlich lange (über 30 Minuten) auf der Bühne gestanden und 4 Songs gesungen: Digging in the Dirt, Flume, Wallflower, The Drop. Die Erkältung war offensichtlich überwunden. Wie üblich, wurden aber vor und nach Gabriels Präsenz auf der Bühne vom Orchester verschiedene andere Stücke teilweise geprobt. Offizieller Einlass für das Publikum war auf den Tickets für 18:30 Uhr angekündigt, aber Gabriel kam erst gegen 18 Uhr zum Soundcheck auf die Bühne, und dann ging es auch erst so richtig los – fertig waren sie erst gegen 19:15 Uhr. Dabei hat Ben Foster praktischerweise für das Orchester, aber auch über die Lautsprecher für die VIP-Besucher hörbar, die Besonderheiten der Setlist dieses Abends erklärt, und damit war klar, dass es das längste Konzert dieser Tournee werden würde. Besonders überraschend war dabei, dass sie Wallflower am Ende des ersten Sets spielen würden, als „Mini-Encore“.

2Durch die Verzögerung beim Soundcheck begann der Einlass nun also mit über einer Stunde Verspätung und es war klar, dass es nicht um Punkt 20 Uhr losgehen würde. Auf jedem Ticket stand das jeweilige Einlass-Tor, und es gab viele Einlasstore in die Arena, so dass man hoffen konnte, es würde alles ziemlich schnell gehen. Für viele Leute ging es auch schnell, aber die Schlange vor Tor 13 war um ein Vielfaches länger als vor allen anderen Toren, sie reichte zeitweise bis ans Ende des großen langgestreckten Piazza Bra vor der Arena – und auf meinem Ticket stand natürlich das Tor 13! Also habe ich mich schön brav hinten angestellt und war dann kurz vor 20:30 endlich drin. Noch kurz ein Bier genommen, 6 Euro für 0,5 Liter, und dann zum Platz. Ich saß fast genau in der Mitte hinten nicht allzu weit über dem Bereich von Ton- und Videomischpult. Also schon etwas erhöht in den Rängen, aber noch nicht sehr weit oben. 
Die Arena ist inzwischen offensichtlich voll besetzt und nun warten wir alle darauf, dass es losgeht. Es geht aber noch nicht gleich los, dafür macht das italienische Publikum jetzt erstmal selbst Stimmung mit jeder Menge ‚Las Olas‘! Währenddessen gehen plötzlich sämtliche Screens und Leinwände aus und ich kann sehen, wie unten die Video-Kontroll-Bildschirme auch ausgehen und die Computer dort alle neu starten. Nach ganz kurzer Zeit ist alles wieder da, nichts passiert. Was die Bühne hier von den anderen New Blood-Showsunterscheidet, ist, dass sie komplett bis oben hin seitlich in die Ränge gebaut ist und die Sicht nach hinten durchgehend blockiert ist. Zusätzlich sieht man links auf der Bühne ein kurzes Gleis für einen Kamerawagen, der während der Show von 3 ‚Red Men‘ hin- und hergefahren und bedient wird. Hinten im Mischpult-Bereich ist noch eine zusätzliche Kamera für die Aufnahmen von vorne und von der Gesamtbühne installiert. Während der Show läuft zusätzlich noch jemand mit einer kleineren Profi-Kamera durch die Ränge und filmt diverse Einstellungen des Publikums.

3Gegen 20:45 Uhr geht es dann endlich los. Gabriel kommt auf die Bühne und stellt das Scratch My Back-Projekt vor und Ane Brun, natürlich auf Italienisch (zwar abgelesen aber durchaus verständlich), und Ane Brun kommt und singt ihre 2 Songs. Der Applaus für sie ist durchaus mehr als nur höflich, aber am lautesten ist er in dem Moment, als sie das Publikum dazu auffordert, Peter wissen zu lassen, dass alle da sind. 
Sie verlässt nun wieder die Bühne – und es heißt wieder warten, bestimmt nochmal 10 – 15 Minuten. Hinterher kann man dann im Tour Diary nachlesen, dass Gabriel so viel Zeit für das Make-Up gebraucht hat, weil ja nun mal alles gefilmt werden soll. 
Kurz nach 21 Uhr ist unser Held dann endlich schön genug und wir hören Heroes. Mir fällt an seiner Stimme wie erhofft nichts Erkältetes auf und obwohl ich ja doch in einiger Entfernung zur Bühne sitze, kommt der Sound sehr direkt und druckvoll aus den Lautsprechern, wenn auch vielleicht etwas zu bass-betont und ungewöhnlich trocken. An der einen oder anderen Stelle meine ich bei Gabriels Gesang leichte Timing-Probleme (oder bewusste Abweichungen?) zu entdecken; das ist aber so gering, dass man schwer sagen kann, ob es gewollt ist oder nicht. Allerdings ist mir das bei den anderen Shows so nicht aufgefallen. Aber wir wissen ja, dass er ein Meister der Nachbearbeitung ist… 
Das Publikum ist während der leisen Stücke zwar ziemlich ruhig, aber nicht ganz so mucksmäuschenstill wie meist bei den deutschen Konzerten, dafür ist aber der Applaus nach jedem Stück auch entsprechend lauter und gelegentlich wird auch mit den Füßen applaudiert, was man auf den über den Stein gelegten Belägen und Rängen besonders gut hören kann.

4Direkt im Anschluss an das Scratch My Back-Set kommt dann tatsächlich noch Wallflower, von Gabriel kurz auf halb Englisch, halb Italienisch angekündigt, was vom Publikum besonders erfreut aufgenommen wird. Nach gut 20 Minuten Pause geht es weiter; es läuft alles rund und trotz des besonders langen Sets stellen sich bei den Beteiligten offenbar keine Ermüdungserscheinungen ein. 
Aufgrund der Filmarbeiten wurden also tatsächlich alle Songs gebracht, die bisher schon einmal gespielt wurden. Nur Father, Son, das in Brüssel beim Soundcheck zu hören war, kam nicht. Am Ende des Konzerts war es dann ca. 0:15 Uhr und obwohl ich nicht besonders leicht bekleidet war, war ich doch bei den Zugaben schon etwas am Bibbern. Aber das lag auch daran, dass der Himmel meist nur leicht bewölkt war, und während des Konzerts war sogar der Mond aufgegangen (leider nicht ganz der Full Moon). 
Jegliche Befürchtungen, dass es dort mitten in der Innenstadt vielleicht eine lärmbedingte Sperrstunde geben könnte, hatten sich also als haltlos erwiesen. Hinterher waren die Restaurants auf der Piazza Bra noch eine Weile geöffnet und man bekam noch Snacks zu essen und natürlich was zu trinken. Aber auch in Italien ist die Nacht nicht endlos und so hat dann der Kellner gegen 1:30 Uhr schon mal kassiert und etwas später sogar Plastikbecher gebracht, damit wir unseren Wein aus den Gläsern umschütten konnten, weil nun auch die Gläser (und Tischdecken) abgeräumt werden mussten. 
So haben sich wirklich alle Erwartungen, die ich an diesen Tag vorher hatte, durchgehend erfüllt – das Verona-Konzert war das beste Gabriel-Konzert in 2010, sowohl vom Konzert her selber als auch von den äußeren Umständen her. 
Da konnte es meine Stimmung nicht mehr trüben, dass es am nächsten Tag, den ich noch für einen längeren Stadtbummel vorgesehen hatte, ständig geregnet hat. 
Mein Vorschlag: weitere New Blood Open-Air-Konzerte in Italien im nächsten Sommer, ich wäre dabei!

panorama

Autor: Volker Warncke
Fotos: Roberto Scorta & Volker Warncke