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Peter Gabriel – Live in Gelsenkirchen 2007 – Konzertbericht
Parallel zu Genesis ging Peter Gabriel 2007 auf Tour. In Gelsenkirchen spielte er gleich zwei Shows und überraschte sein Publikum mit einer Fan-Wunschsetlist. Christian Gerhardts und Udo Lampenscherf berichten
Peter Gabriel startete seine Warm Up-Tour 2007 mit zwei Konzerten in Gelsenkirchen am 14. und 15. Juni. Die Konzerte waren so etwas wie die konzentrierte Erfüllung vieler Fanwünsche. Manches hatten wir erwartet, vieles erhofft, aber was Peter dann tatsächlich präsentierte, übertraf auch die kühnsten Vorstellungen.
Innerhalb des regulären Sets am ersten Tag gab es (von Washing Of The Water einmal abgesehen) überhaupt keinen Song, den Peter auf seiner letzten Tour spielte. Statt dessen kredenzte er den Fans das, was sie wollten. Diesmal machte er wirklich ernst. Auf Basis seines Website-Polls bestand der Set im Prinzip nur aus Songs der Top 20 der Fanwünsche. So wurde die Einleitung zu We Do What We’re Told zum Motto des Abends – „Wir machen, was bestellt war“.
Der Set begann mit dem Gejaule am Anfang von The Rhythm Of The Heat, bei dem sich Peter kräftig im Ton vergriffen hatte. Fuck-Ups gehörten zum Abend und wurden von Peter gut gelaunt mitgezählt.
Bestellt und geliefert wurden auch danach etliche Klassiker, darunter sogar ein Moribund The Burgermeister, Songs seines zweiten Albums wie D.I.Y. oder On The Air, lange geforderte und ewig nicht gespielte Schmankerl wie Intruder oder No Self Control. Peter ließ es sich nicht nehmen, etwas deutsch zu singen – Schnappschuss (ein Familienfoto)und Teile von Not One Of Us (Du bist nicht wie wir). Einer der beliebtesten Titel seines zweiten Albums, Mother Of Violence, wurde komplett von Melanie Gabriel gesungen.
Es dauerte eine ganze Zeit, ehe mit Big Time der erste wirkliche Hit gespielt wurde. Und als der reguläre Set mit Lay Your Hands On Me ein würdiges Finale fand, hätte es wohl auch keinen mehr gewundert, wenn Peter es tatsächlich getan hätte … doch er tat es nicht.
Kurios: Am Ende spielte Peter dann doch noch drei große Hits, Solsbury Hill, Sledgehammer und In Your Eyes waren die Zugaben, passten aber überhaupt nicht zu dem Spektakel, das er vorher abgezogen hatte.
Der zweite Tag startete witterungsbedingt unter ähnlichen Vorzeichen. Regen war angesagt, aber – und um es vorab zu sagen – geregnet hat es dann doch nicht.
Nach der sehr guten Vorgruppe (Charlie Winston) ging es schnell los. Da das zweite Konzert nicht ausverkauft war, war genügend Platz und man konnte sich gut in die vorderen Reihen vorarbeiten. Es war schön die Gesten der Musiker sehen und Ihren Spaß am Spiel erkennen zu können. Es wurde untereinander geflachst und gelacht und man nahm nicht alles Ernst – vor allem Gabriel nicht bei seinen zahlreichen Fehlern. Wie sagte er zwischendurch so schön: “Wahre Schätze für die Fans sind die Fehler zu finden, die wir machen. Und wir haben viele Schätze….” um direkt wieder einzuschränken…”I have many treasures, not the band…..”
Dies und die Tatsache, dass Gabriel sein Alter nicht mehr verbergen kann (und will) machten ihn für mich menschlicher. Und spätestens als sich mehrfach die Blicke zweier Ü100 trafen, war es für mich auch ein sehr persönliches Konzert.
Die Setlist ist ja jedem Leser bekannt und muss von mir nicht erwähnt werden. Die Hüpf – und Tanzfraktion ist bei diesem Konzert nicht auf ihre Kosten gekommen. Die Stimmung war während der ruhigen und langsamen Stücke so wie sie sein musste. Die Leute hörten andächtig – teils fast nachdenklich – zu, um bei den schnelleren Stücken sofort Rhythmus und Takt aufzunehmen. Ich habe mich des Öfteren umgeblickt und es war schön zu sehen, das die vielen teils doch schon älteren Fans begeistert waren. Dies wurde von der Band dankend aufgenommen und durch die bereits erwähnte Spielfreude zurückgegeben. Nicht umsonst bedankte sich Gabriel nicht nur bei seinen Mitstreitern und der ganzen Crew, sondern auch beim Publikum, ihm den immer schwierigen Tourstart so erleichtert zu haben.
Die Lightshow erinnerte mich mit ihrer effektiven Einfachheit sehr stark an die beiden ersten Gabrieltourneen und die Abstimmung der Setlist durch die Fans lassen vermuten, das Gabriel auf dem Weg “back to the roots” seinen alten Weggefährten wieder einmal mehr als einen Schritt voraus ist. Kann man die zeitgleiche Tour mit Genesis sowie die beiden „Tanzeinlagen“ – die es durchaus immer schon gegeben hat, aber in die sonst die ganze Truppe involviert war und die jetzt nur von dreien – sehr ähnlich dem I Can’t Dance-walk – ausgeführt wurden, nicht auch als Nadelstiche gegen seine alten Kumpane verstehen??
Vielleicht interpretieren wir in all diese Dinge zu viel hinein und die fünf sind doch noch gute Freunde – wie es von Phil Collins und Mike Rutherford auf N3 zu hören war.
Am zweiten Tag gab es prompt die ersten Setlistveränderungen. Humdrum wurde gespielt, dazu Lovetown und zum einzigen Mal auf der Tour Indigo. Im Gegenzug hatten die Besucher des ersten Konzerts die Exklusivität von I Grieve und We Do What We’re Told. Beide Songs tauchten (wie Indigo) später nicht mehr im Set auf.
Es waren zwei rundum gelungene Abende. Die Shows unserer Protagonisten sind am Ende wohl doch zu verschieden, um miteinander verglichen werden zu können.
Aber “Old Peter” hat an diesen Abenden (mal wieder) ein richtig gutes “Brett” abgeliefert. Dafür ein fettes “Chapeauchen”!!
Das war ganz großes Kino – ohne Rücksicht auf den Mainstream spielte Peter das, was seine treuesten Fans hören wollte. Otto-Normal-Konzertbesucher – repektive die Hüpf- und Tanzfraktion – waren wohl ziemlich geschockt. Nach einigen Tourneen, die vor allem die Hits abgedeckt hatten, war dies definitiv ein Abend für einen vergleichsweise kleinen Teil der sogenannten Hardcore-Fans. Auf jeden Fall war es ein Fest, das in diesem Toursommer auf seine Weise nur schwer zu toppen sein wird.
Autoren: Christian Gerhardts und Udo Lampenscherf.
Fotos: Christian Gerhardts, Sarah Werner und Helmut Janisch
aus dem it-blog LIVE 2007