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Peter Gabriel – Live im Stadtpark, Hamburg – 19.06.2007
Peter Gabriel parallel mit Genesis auf Tour – in Hamburg waren zunächst Genesis, dann Peter Gabriel zu Gast. Sebastian Wilken war dabei
Peter Gabriel geht wieder auf Tour! Diese Nachricht schlug im Frühjahr 2007 ein wie eine Bombe. Gleichzeitig mit seiner Ex-Band Genesis wollte er es also noch einmal allen zeigen: Seht her, auch ich kann es noch. Dieses Konzertereignis konnte ich mir natürlich nicht entgehen lassen, erst recht nicht, als die Setlisten der ersten Konzerte durchsickerten. Mein Budget für Konzerte war in diesem Jahr allerdings eigentlich schon sehr ausgereizt…
Ich entschied mich erst am Abend vor dem Konzert zu einem spontanen Trip in die Freie und Hansestadt – und das sollte ich nicht bereuen! Als ich den Stadtpark erreichte hatten sich aufgrund des schönen Wetters schon hunderte Hamburger mit Grill, Würstchen und Bier bewaffnet vor den Toren der Freilichtbühne eingefunden, um gratis den Klängen von Peter Gabriel zu lauschen. Doch ich wollte hautnah dabei sein, also musste ich mich erstmal auf die Suche nach einem Ticket begeben. Dies gestaltete sich schwieriger als erwartet, durch den Ausfall des am nächsten Tag geplanten Zusatzkonzertes war die Nachfrage groß und das Angebot spärlich. Als die ersten Töne von Rhthym Of The Heatzu hören waren hatte ich die Hoffnung schon aufgegeben, doch plötzlich tat sich noch ein weiterer Verkäufer auf und nach einer kleinen Auktion mit einem anderen Interessenten hielt ich die ersehnte Karte endlich in den Händen.
Während On The Air betrat ich dann die Freiluftbühne. Durch Glück erwischte ich den besten Eingang und fand mich etwa in der sechsten Reihe auf der linken Seite wieder. Die Location ist wirklich schön und perfekt für Auftritte dieser Größenordnung geeignet. Der Sound war durchweg als gut zu bezeichnen, hätte für meinen Geschmack aber noch lauter sein können. Ich war nun mittendrin in einem Konzert, von dem ich nicht mehr in diesem Leben zu träumen wagte. On The Airging bereits gut ab und die Richtung war klar: Hier wird ohne Kompromisse gerockt und es gibt eine Menge alter Songs zu hören. Es folgte ein wuchtiges Intruder. Hier überraschte mich vor allem der durch Mark und Bein gehende Schrei von Peter am Ende. I am the intruder“). Den hatte ich so nicht erwartet. D.I.Y. wurde sehr fetzig dargeboten und machte Spaß – live eine richtige Abgeh-Nummer!
Mit Blood Of Eden war nun die erste Ballade des Abends an der Reihe. Hier überzeugte vor allem die neue Keyboarderin Angie Pollock, die Melanie Gabriel hervorragend beim Background-Gesang unterstützte. Als besonderes Schmankerl folgte Moribund The Burgermeister, welches auf der gesamten Tour nur dreimal gespielt wurde. Für mich ein neuer Song, da ich damals Peters Debütalbum noch nicht kannte. Dennoch zog mich die Abgedrehtheit des Songs gleich in ihren Bann und beim späteren Genuss der Encore-Series war ich erstaunt, wie gut die Atmosphäre der Studioversion rekonstruiert wurde. I Don’t Remember und No Self Control, die beiden Klassiker von Peters drittem Album, waren mir wiederum sehr bekannt und wurden überzeugend dargeboten. Bei I Don’t Remember begeisterte Tony Levin mit seinen Einlagen am Stick und das Intro von No Self Control wurde live von Multi-Instrumentalist Richard Evans dargeboten.
Lovetown steuerte Peter einst zum Soundtrack des Films Philadelphia bei. Mir war der Song allerdings vor dem Konzert nicht bekannt und so war ich positiv überrascht von dem sehr groovend vorgetrackenen Titel. Mit Schnappschuss (Ein Familienfoto) kam nun der erste emotionale Höhepunkt des Konzertes an die Reihe. Peter ließ es sich nicht nehmen diesen Titel auf deutsch zu singen und ich hatte Tränen in den Augen, dass ich diese Mini-Oper live erleben durfte. Doch die Melancholie wurde schnell durch das poppige Steam beiseite gewischt, womit Peter erst als sage und schreibe elften Titel den ersten Hit kredenzte.
Mother Of Violence bescherte die nächste Überraschung des Abends: Nicht nur dass diese Perle des zweiten Albums überhaupt gespielt wurde, sondern auch, dass Melanie Gabriel den Gesang komplett übernahm sind schon als kleine Sensationen zu werten. Peters Tochter ist gewiss keine Virtuosin, aber sie machte ihre Sache gut. Mit Humdrum schloss sich direkt der nächste Knaller an, welcher nicht allzu oft auf der Tour zu hören war. Der Song wusste vor allem durch seinem Bombast im Schlussteil und seine herrlichen Harmonien zu überzeugen. Big Time war nie ein Favorit von mir und sicher nur als Gabe an das Hit-Publikum zu verstehen, wurde aber solide vorgetragen.
Die nächsten Höhepunkte folgten aber auf den Fuß: Zunächst ein überragendes Not One Of Us, bei dem Ged Lynch mal so richtig auf seine Drums einprügeln durfte. Auch hier gab es stellenweise wieder deutschen Gesang zu hören. Du bist nicht wie wir“). Den Abschluss des regulären Sets bildete dann das atmosphärische Meisterwerk des vierten Albums, Lay Your Hands On Me. Und schon verließ die Band die Bühne – viel zu früh, da war sich das Publikum einig. Peter Gabriel und seine Mannen ließen sich glücklicherweise nicht lange bitten und erschienen zum Zugabenblock.
Dieser begann mit Diggin‘ In The Dirt, doch Peters Mikrofon blieb zunächst stumm. Die Band aber spielte routiniert weiter und ließ sich nichts anmerken. Dann startete Peter erneut und kündigte dies mit „Take two“ und „Fertig?“ an. Sehr charmanter Umgang mit dem einzigen größeren technischen Problem an diesem Abend! Was folgte war eine sehr energische und aggressive Version, bei der vor allem die Gitarrenarbeit von David Rhodes und Richard Evans hervorzuheben ist. Aus Sicht des Hit-Publikums waren nun endlich die Mega-Hits Solsbury Hill und Sledgehammer an der Reihe. Diese wurden gewohnt solide dargeboten und brachten die zuvor trotz des sonnigen Wetters eher hanseatisch-zurückhaltende Stimmung erstmals zum kochen. Bei der Bandvorstellung bekam Peter einen hartnäckigen Lachanfall, weil er über einen eigenen Witz lachen musste. Sehr lustige Situation, welche auf wunderbar auf der zugehörigen Encore-Series dokumentiert ist.
Den Abschluss des Konzertes bildete das nicht totzukriegende In Your Eyes, bei dem auch Charlie Winston, der im Vorprogramm aufgetreten war, auf die Bühne geholt wurde. Die Band verließ schließlich unter großem Jubel die Bühne und ein denkwürdiges Konzert war Geschichte. Am Ende gingen alle zufrieden nach hause, auch wenn die sehr außergewöhnliche Setliste sicherlich eine Herausforderung an manchen Zuhörer stellte. Die Band war während des gesamten Konzertes sichtlich gut aufgelegt und wir bekamen einen derart kraftvollen Sound zu hören, dass man sich eher auf einem Rock- als auf einem Pop-Konzert wähnte.
Für mich war es das erste Peter-Gabriel-Konzert meines Lebens und ich bin bis heute begeistert wenn ich daran zurück denke. Mit dieser spontanen, intimen und natürlichen Konzertreihe im Sommer 2007 hat Peter Gabriel auf ganzer Linie überzeugt und – meiner Meinung nach – die Mammut-Produktion seiner Genesis-Kollegen in musikalischer Hinsicht in den Schatten gestellt. Vor allem die entspannte Atmosphäre überzeugte. Peter war witzig aufgelegt, machte alle Ansagen auf deutsch und suchte immer wieder den Kontakt zum Publikum. Kleinere Fehler waren da eher eine wohltuende Ablenkung von der sonst üblichen Perfektion eines größeren Konzertes und rundeten einen gelungenen Abend auf symphatische Art und Weise ab.
Autor: Sebastian Wilken