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Song 12: „Live And Let Live“ 27. November 2023
Ende gut – alles gut. Das i/o-Vollmondjahr schließt mit Live And Let Live – so wie es zu erwarten war. Nicht so wie immer ist die Veröffentlichungsweise. Ergibt aber Sinn.
Bright-Side und Dark-Side Mix
In-Side Mix
Stripped Down Version
Ende gut, alles gut – oder auch: Alles Neue macht der November.
Die drei Hauptmixe des letzten i/o-Tracks erscheinen diesmal alle zum Vollmond. Das ergibt auch Sinn, denn nur ein paar Tage später wird ja bereits das komplette Album mit allen Varianten veröffentlicht. Spannend bleibt, was uns dann zum Neumond erwartet.
Live And Let Live war das letzte Stück, das für i/o fertiggestellt wurde, und befasst sich – ähnlich wie schon Four Kinds Of Horses – mit Gewalt und Hassexzessen. Und ähnlich wie Love Can Heal hält es Friedfertigkeit und Gemeinschaftssinn hoch.
Inspirierend war zum einen Gabriels Engagement für The Elders – sowie Nelson Mandela, der wohl erzählte, nach 27-jähriger Gefangenschaft sei es schwierig gewesen, mit Leuten zusammenarbeiten zu müssen, die ihn weggesperrt hatten. Aber er habe verstanden, dass er für den Rest seiner Tage ihr Gefangener bleiben würde, wenn er keine Menschlichkeit in ihnen fände und ihnen nicht vergeben könne.
Gabriel selbst sagt, angesichts dessen, was aktuell in der Welt passiert „mit einem Blumenstrauß rumzulaufen und Vergebung zu predigen, erscheint vielleicht banal und jämmerlich. Aber ich glaube, auf lange Sicht müssen die Menschen einen Weg finden. – ‚Frieden entsteht nur, wenn man die Rechte der anderen respektiert‘, lautet ein Zitat der Friedensuniversität in Costa Rica, und ich denke, das ist eine wirklich wichtige Botschaft für mich und für mein Leben. Entweder man gehört zu den Verletzten oder man befreit sich – und Vergebung ist eindeutig ein supereffektiver Weg, sich zu befreien.“
Das Stück trug übrigens den Arbeitstitel Path Of Fortune, der schon früher im Jahr auf einem Notenblatt in einem von Gabriels Videos zu lesen gewesen war.
Lyrics
Eine wieder sehr versammelte Struktur: Zwei Strophen mit jeweils einem Refrain im Anschluss. Danach aber mündet der Song in eine ausgedehnte Schlussphase, die fast nochmal genau so lang ist.
Es geht um das Umgehen mit aggressivem Verhalten – um die Wahl zwischen Gegenwehr und Ausgrenzung oder aber Umarmung und Heranholen.
In einfachen Fragen und Aussagen wird zunächst betrachtet: „Just how much does it have to hurt before you let go of the pain? (Wie sehr muss es wehtun, bevor du den Schmerz loslässt?)“. Der Refrain antwortet darauf sehr schlicht: Wenn wir vergeben, können wir vorangehen.
Die zweite Strophe mahnt: „You dream of revenge […] with an eye for an eye […] until the whole world is blind (Du träumst von Rache […] mit Auge um Auge […] bis die ganze Welt blind ist).“ Und nochmal wird im Refrain gewarnt, dass wir der Last gehören, bis sie genommen ist.
Dann der ausufernde Schlussteil, der aufruft, die Waffen niederzulegen und auch die Bürde. „It takes courage, to learn to forgive (Es braucht Mut, zu lernen, zu vergeben)“.
Zu Beginn dieser Finalphase stehen noch Zeilen einer verklärten Vision: „And it’s William Blake who inks his sting, drawing out Martin Luther King. Tutu and Madiba saying rainbows do exist, the voice of the Elders coming through the mist (etwa: William Blake tunkt seinen Stachel in die Tinte, bringt Martin Luther King hervor. Tutu und Madiba sagen, dass es noch Regenbögen gibt, die Stimme der Elders dringt durch den Nebel.)“
Alles mündet in einem großen Aufbrechen: „Live and let live“ – lebe und lass leben.
Alle Lyrics des Albums stehen auf Peter Gabriels Webseite hier.
Kunst
Das letzte Kunstwerk zu i/o kommt von Nick Cave (nein, nicht der Musiker) und ist eine Mischung aus Kostüm und Objekt.
Es heißt Soundsuit und ist Teil einer inzwischen enormen Reihe, die Nick Cave von ihnen hergestellt hat („mindestens 500“). Sie sollen getragen und performativ genutzt werden, sind aber auch eigenständige Kunstobjekte. Ihren Ursprung hatten sie in der Zeit der Unruhen nach dem Mord an Rodney King durch Polizisten. Farbige wurden (und werden) in den USA gerne generalverdächtigt – die Soundsuits geben Anonymität zu Rasse, Geschlecht, Herkunft und verbreiten zusätzlich eine spielerische, optimistische Stimmung.
Nick Cave wurde 1958 in den USA geboren (in Fulton, Missouri), war ursprünglich Tänzer, studierte dann Bildende Kunst und stellt heute etwa im Guggenheim Museum, New York aus. Er unterrichtet zudem an der School of the Art Institute of Chicago.
Zu allen Album-Kunstwerken und den Künstlern dahinter gibt es weitere Details hier.
Bright-Side Mix – 27. November 2023
Dark-Side Mix – 27. November 2023
Words and Music: Peter Gabriel
Engineering by Oli Jacobs, Katie May, Dom Shaw
Additional engineering by Faye Dolle, Stefano Amerio
Assistant engineering by Faye Dolle, Dom Shaw
Orchestral engineering Lewis Jones
Orchestral assistant engineering by Tom Coath, Luie Stylianou
Pre-production enginneering by Richard Chappell
Produced by Peter Gabriel
Bright-Side Mix mixed by Mark ‚Spike‘ Stent
Dark-Side Mix mixed by Tchad Blake
Mastered by Matt Colton at Metropolis
Recorded at Real World Studios, Bath, The Beehive, London, British Grove, London, High Seas Studios, South Africa, ArteSuono Studio, Cavalicco (UD)/Italy
Drums: Manu Katché
Snare Brushes Loop: Steve Gadd
Rhythm Programming: Peter Gabriel, Oli Jacobs, Brian Eno (Morph Kit), Richard Chappell
Percussion: Peter Gabriel (tambourine), Katie May (clay pot)
Bass: Tony Levin
Electric Guitar: David Rhodes
Piano and Synths: Peter Gabriel
Additional Synths: Brian Eno
Trumpet Solo: Paulo Fresu
BVs: Peter Gabriel, Melanie Gabriel, David Rhodes
LVs: Peter Gabriel
Choir: Soweto Gospel Choir
Soprano: Linda Sambo, Nobuhle Dhlamini, Phello Jiyane, Victoria Sithole
Alto: Maserame Ndindwa, Phumla Nkhumeleni, Zanele Ngwenya, Duduzile Ngomane
Tenor: George Kaudi, Vusimuzi Shabalala, Xolani Ntombela, Victor Makhathini
Bass: Thabang Mkhwanazi, Goodwill Modawu, Warren Mahlangu, Fanizile Nzuza
Choir Solos: Phello Jiyane (Soprano)
Duduzile Ngomane (Alto)
Vusimuzi Shabalala (Tenor)
Fanizile Nzuza (Bass Voice)
Victor Makhathini (Male voice Zulu improvisations)
Phumla Nkhumeleni (Female ululating and chanting)
Musical Director / Vocal Arranger: Bongani (Honey) Ncube
Choir Engineer: Jacques Du Plessis
Orchestral Arrangement: John Metcalfe with Peter Gabriel
From the New Blood Orchestra:
Violins: Everton Nelson, Richard George, Natalia Bonner, Cathy Thompson, Debbie Widdup, Odile Ollagnon, Ian Humphries, Louisa Fuller, Martin Burgess, Clare Hayes, Charles Mutter, Marianne Haynes
Violas: Bruce White, Rachel Roberts, Fiona Bonds, Peter Lale
Cellos: Ian Burdge, Caroline Dale, Tony Woollard, Chris Worsey, William Schofield, Chris Allan
Double bass: Chris Laurence, Lucy Shaw, Stacey Watton
Orchestra Conductor: John Metcalfe
Orchestra Leader: Everton Nelson
Sheet Music Supervisor: Dave Foster
Orchestra Contractor: Lucy Whalley and Susie Gillis for Isobel Griffiths Ltd
Länge: 6:47 Bright-Side Mix | 7:11 Dark Side Mix
Beide Tracks als Download bei amazonMP3
Da die Novemberveröffentlichung etwas anders ausfällt, passen auch wir unsere Struktur an und handeln die beiden Hauptmixe gemeinsamen ab.
Musik
Live And Let Live teilt sich in zwei Abschnitte, die sich recht deutlich voneinander abheben. Der erste ist der erzählende Liedteil, der zweite ausgelassene Party.
Zu Beginn des Stücks ein schillerndes Klingen, erst nur rechts, dann quasi im Echo nach links gleitend. Nach 30 Sekunden setzt das eigentliche Intro ein, das dezent auf der Snaredrum shuffelt. Elektronisch schwillt ein freundliches Brummen an und ab. Das lebhafte Plinkern, das von der Tour her bekannt ist, liegt nur leise im Hintergrund. Bis hierhin unterscheiden sich die beiden Varianten kaum. Der Bright-Side Mix wirkt etwas feiner, der Dark-Side Mix naturbelassener im Klang, organischer.
Mit dem eigentlichen Hauptstück setzt eine lebhaft swingende Begleitung ein, die erstaunlich schlicht ist. Im Wesentlichen ist jetzt das besagte Plinkern zu hören, das harmonische Orientierung gibt, dazu ein gutmütiger Bass und tief klopfende Drums. Der Bright-Side Mix hebt dabei diese Drums etwas mehr hervor, der Dark-Side Mix deutlich den Bass.
Gabriels Stimme liegt im Bright-Side Mix weiter vorne, ist im anderen Fall mehr in die Begleitung eingebettet und weniger schneidend im Equalizing. In beiden Fällen aber ist sie zentral gesetzt und trocken gehalten.
Das Ganze läuft munter, hat ein leicht afrikanisches Flair. Dabei ist der Dark-Side Mix wieder mal kantiger, auch dumpfer – der Bright-Side Mix strahlt mehr und wirkt lebhafter.
Zum Refrain dann ändert sich der Duktus der Begleitung. Das Plinkern und die Drums fallen weg und machen Platz für gesetzte Akkorde tiefer Streicher (die klingen ein wenig beatle-esk). Der bisherige Swing des Stücks weicht dadurch kurzzeitig – was sich im Dark-Side Mix etwas mehr auffängt, weil die Gewichtung hier auch bisher weniger auf den Drums lag.
Der Refrain kommt zunächst dreimalig mit einer absteigenden Sequenz daher, die recht markant ist. Dann verläuft er etwas freier, vielleicht sogar verschlungen. Gut mitsingen lässt sich das nicht mehr. Interessant allerdings, dass im Dark-Side Mix Männerstimmen unisono unterstützen. Klingt recht rau.
Für die zweite Strophe kommen ein paar Zusätze. Im Dark-Side Mix stehen dabei die gezupften Streicher weiter vorn, im Bright-Side Mix die eingestreuten Rimklicks (die auf der anderen Seite erst in der zweiten Strophenhälfte hörbar werden). Im folgenden Refrain dann gibt es weitere Verdichtung im Verlauf durch Keyboardklänge und mehr Begleitgesang.
Mit einem bekräftigenden „yeah, yeah, yeah“ wird ab 3:37 schließlich der finale Teil eingeleitet. Er ändert den ganzen Charakter des Stücks, wird strahlend, verspielt. Ein geregeltes Drumming setzt ein. Es ist im Bright-Side Mix viel präsenter und auch trickreich verfremdet. Dazu kommen Gitarren, der Soweto Choir – später auch Streicher sowie ganz am Ende eine afrikanische Solostimme.
Bevor es richtig losgeht, wird noch Raum gelassen für die vier Textzeilen mit der leicht überbordenden Vision über die afrikanischen Altweisen. In der Sequenz danach treten Trompeteneinwürfe hervor (erstaunlicherweise mit Betonung auf dem rechten Kanal), die vor allem im Dark-Side Mix deutlich in Erscheinung treten können.
Der restliche Schlussteil bricht dann auf in ausschweifendes Feiern, freut sich, jubelt – bleibt im Dark-Side Mix allerdings gehaltener. Dort wird weniger aufeinandergetürmt, insbesondere die Streicher werden zurückgehalten und alles bleibt etwas geordneter.
Dann, wenn das Finale richtig durchgestartet ist, beginnt das Stück langsam auszublenden (ab 6:10), verliert sich in seinem Taumel irgendwo in der Ferne. Noch ein klein wenig präsenter bleiben die Männerstimmen des Chors, dann verlieren auch sie sich. – Zumindest im Bright-Side Mix. Im Dark-Side Mix plänkeln die Begleitelemente für Netto weitere 23 Sekunden nach – was dann auch die längere Laufzeit ergibt. Zum ersten Mal weichen hier die beiden Hauptmixe deutlich voneinander ab.
Besetzung
Ein bisschen hat man das Gefühl, dass für diesen letzten Song alle nochmal zusammenkommen: Natürlich die i/o-Stammband mit Tony Levin, David Rhodes und für den Schlussteil auch Manu Katché. Brian Eno ist mit dabei, Melanie Gabriel bei den Backing Vocals.
Außerdem natürlich sehr passend der Soweto Gospel Choir sowie die Orchester-Sektion (die seit einiger Zeit immer mit „from the New Blood Orchestra“ eingeführt wird).
Interessant ist der Beitrag von Steve Gadd, der mit „Snare Brushes Loop“ bezeichnet ist. Gabriel hatte von früher (sehr wahrscheinlich aus den Zeiten der Up-Aufnahmen) eine gesampelte Einspielung von Gadd. Auf der Suche nach dem passenden Groove kam die ihm wieder in die Finger und er fragte Gadd, ob er sie noch verwenden dürfe. Gadd gab seine Zustimmung und so gibt in der ersten Hälfte des Stücks digitalisiertes Schlagzeug.
Auch interessant der Beitrag des italienischen Trompeters Paolo Fresu: Gabriel wurde auf ihn aufmerksam, weil er im Internet auf eine Aufnahme von Fresu und anderen von What Lies Ahead stieß. Ihm gefiel die Intensität so gut, dass er Fresu bei i/o dabei haben wollte. Erstaunlich dann allerdings wieder, dass Trompentenspiel im Stück kaum vorkommt und im Falle des Bright-Side Mix auch fast nicht zu hören ist.
In-Side Mix – 27. November 2023
Words and Music: Peter Gabriel
Engineering by Oli Jacobs, Katie May, Dom Shaw
Additional engineering by Faye Dolle, Stefano Amerio
Assistant engineering by Faye Dolle, Dom Shaw
Orchestral engineering Lewis Jones
Orchestral assistant engineering by Tom Coath, Luie Stylianou
Pre-production enginneering by Richard Chappell
Produced by Peter Gabriel
3D Audio Sound Treatments and Dolby Atmos Mix by Hans-Martin Buff in the Red Room at Real World Studios and Aural Majority Pad, Boofland
Additional Mix Work at Blue Box, London
Additional Recording Assistance by Bob Mackenzie
Mastered by Matt Colton at Metropolis
Recorded at Real World Studios, Bath, The Beehive, London, British Grove, London, High Seas Studios, South Africa, ArteSuono Studio, Cavalicco (UD)/Italy
Drums: Manu Katché
Snare Brushes Loop: Steve Gadd
Rhythm Programming: Peter Gabriel, Oli Jacobs, Brian Eno (Morph Kit), Richard Chappell
Percussion: Peter Gabriel (tambourine), Katie May (clay pot),
Hans-Martin Buff (Claps)
Bass: Tony Levin
Electric Guitar: David Rhodes
Additional Electric Guitar:Hans-Martin Buff
Piano and Synths: Peter Gabriel
Additional Synths: Brian Eno
Trumpet Solo: Paulo Fresu
Real World Summer Sounds:Hans-Martin Buff
BVs: Peter Gabriel, Melanie Gabriel, David Rhodes
LVs: Peter Gabriel
Choir: Soweto Gospel Choir
Soprano: Linda Sambo, Nobuhle Dhlamini, Phello Jiyane, Victoria Sithole
Alto: Maserame Ndindwa, Phumla Nkhumeleni, Zanele Ngwenya, Duduzile Ngomane
Tenor: George Kaudi, Vusimuzi Shabalala, Xolani Ntombela, Victor Makhathini
Bass: Thabang Mkhwanazi, Goodwill Modawu, Warren Mahlangu, Fanizile Nzuza
Choir Solos: Phello Jiyane (Soprano)
Duduzile Ngomane (Alto)
Vusimuzi Shabalala (Tenor)
Fanizile Nzuza (Bass Voice)
Victor Makhathini (Male voice Zulu improvisations)
Phumla Nkhumeleni (Female ululating and chanting)
Musical Director / Vocal Arranger: Bongani (Honey) Ncube
Choir Engineer: Jacques Du Plessis
Orchestral Arrangement: John Metcalfe with Peter Gabriel
From the New Blood Orchestra:
Violins: Everton Nelson, Richard George, Natalia Bonner, Cathy Thompson, Debbie Widdup, Odile Ollagnon, Ian Humphries, Louisa Fuller, Martin Burgess, Clare Hayes, Charles Mutter, Marianne Haynes
Violas: Bruce White, Rachel Roberts, Fiona Bonds, Peter Lale
Cellos: Ian Burdge, Caroline Dale, Tony Woollard, Chris Worsey, William Schofield, Chris Allan
Double bass: Chris Laurence, Lucy Shaw, Stacey Watton
Orchestra Conductor: John Metcalfe
Orchestra Leader: Everton Nelson
Sheet Music Supervisor: Dave Foster
Orchestra Contractor: Lucy Whalley and Susie Gillis for Isobel Griffiths Ltd
Länge 7:12
Der In-Side Mix wurde bei Amazon Music gemeinsam mit den anderen Hauptmixen zum Vollmond veröffentlicht. Bei Apple Music war er erst am Tag danach zu finden. Die Gründe blieben unbekannt.
Musik
Es fällt direkt auf, dass die Länge mit der des Dark-Side Mixes übereinstimmt, und dass dementsprechend ein längeres Fade Out zu erwarten ist.
Die anfänglichen Keyboard-Klänge schwirren während der ersten paar Sekunden im Klangpanorama umher, bevor schließlich der Einsatz mit Bass, Schlagzeug und weiteren Keyboard-Sounds folgt. Die sphärischen Hintergrundzusätze werden dabei dezent als Dolby Atmos-Effekt genutzt und scheinen im Vergleich zum Bright-Side und Dark-Side Mix anders zu klingen beziehungsweise mit weiteren Elementen angereichert worden zu sein. Hierbei handelt es sich allerdings um wirklich geringfügige Unterschiede.
Wie schon bei einigen der anderen In-Side Mixe fällt auch bei Live And Let Live auf, dass die einzelnen Schlagzeug-Schläge sehr klar zu hören sind, und dass der Bass beeindruckend fett und druckvoll klingt. Einzelne Slides sind deutlich zu hören und Tony Levin macht seinem Ruf als „Herrscher der tiefen Töne“ alle Ehre.
Der Lead-Gesang ist analog zu den bisherigen Dolby Atmos-Mixen erneut so angeordnet, dass er bei Kopfdrehungen mit Apple Air Pods Pro an einer Position zu bleiben scheint. Und insgesamt entsteht der Eindruck, dass der In-Side Mix in Sachen Dynamik und Details etwas näher am Bright-Side Mix als am Dark-Side Mix zu sein scheint.
Im Verlauf des Songs sind dann immer mal wieder vereinzelt Streicher und andere Elemente zu hören, für die der Raum des Dolby Atmos-Mixes genutzt wurde, und die zu einem eigenständigen Mix beitragen. Übertriebene 3D-Effekte sucht man dabei allerdings erwartungsgemäß vergebens.
Da Live And Let Live eine Vielzahl von Streichern, Stimmen, Sounds und sonstigen Instrumenten enthält, ist es nicht leicht, alle Einzelelemente im Detail herauszufiltern. Ob an der ein oder anderen Stelle möglicherweise kleinere Parts von Shakern usw. eingestreut wurden, die in anderen beiden Mixen entweder gar nicht oder nur sehr hintergründig verwendet wurden, lässt sich dementsprechend nicht direkt sagen.
Eine Überraschung wartet allerdings noch ganz am Ende des Songs: Am Schluss des bereits erwähnten und auch hier erwarteten Fade Outs ist nach und nach ein Vogelzwitschern zu hören, das schließlich auch noch übrig bleibt, wenn alle anderen Instrumente ausgeblendet wurden. Das dazugehörige Rauschen legt nahe, dass es sich hier nicht nur um eine einzelne Vogelstimme handelt, sondern um eine Aufnahme irgendwo in der Natur. Erinnerungen an den In-Side Mix von i/o werden wach.
Hans-Martin Buff bleibt seiner Linie treu und legt hier zum Abschluss einen Mix vor, der sich nahtlos mit den anderen Songs von i/o verbinden lässt. Keine übertriebenen und unnötigen Effekte und gleichzeitig genug Sounds und Klänge, die die Möglichkeiten eines Dolby Atmos-Mixes ausnutzen.
Stripped Down Version – 13. Dezember 2023
Words and Music Peter Gabriel
Engineered by Oli Jacobs
Assistant Engineering by Faye Dolle
Pre-Production Engineering by Richard Chappell
Produced by Peter Gabriel
Recorded at Real World Studios, Bath, The Beehive, London
Rhythm Programming: Peter Gabriel, Richard Chappell
Percussion: Peter Gabriel (Tambourine)
Electric Guitar: David Rhodes
Piano: Peter Gabriel
Vocals: Peter Gabriel
Länge 5:51
Das ist schon ordentlich schlitzohrig, was Gabriel da zum Dezemberneumond begeht.
Da die Hauptmixe alle zum Vollmond draußen waren, war das einzige, was jetzt hätte veröffentlicht werden können, die alternative Version von Live And Let Live. Die kommt auch – aber nachdem für viele das Stück den strahlenden Großwurf darstellt, erscheint ausgerechnet das jetzt in der rudimentärsten Fassung aller Bonusvarianten.
Sie wird Stripped Down Version genannt, denn sie entstand an einem Punkt, als Gabriel bereits viele Elemente in die Vorarbeiten gepackt hatte und sich darin zu verlieren drohte. Deshalb setzte er sich mit David Rhodes hin und fertigte diese entleerte Version an, die zwar wie ein frühes Demo klingt, der aber bereits etliche Ausarbeitungsversuche vorangegangen waren. Insbesondere in Bezug auf die Findung der Strophen sollte es auch noch weitere geben.
Wie man erfährt, gehörte Live And Let Live zu den Stücken, die als letztes für das Album verwirklicht wurden. Die Aufnahme jetzt ist von Januar 2022, entstand also nur ein knappes Jahr, bevor der i/o-Mondphasenreigen in die Wege geleitet wurde.
Lyrics
Das erste Mal bei den Alternativversionen zu i/o hat diese einen anderen Text. Was wohl auch das interessanteste an ihr sein dürfte. Er ist vorläufig und unfertig, aber durchaus von Substanz und nicht nur das bekannte Gabrielisch mit Lauten ohne Sinn.
„Breakaway“, singt Gabriel da beispielsweise gedehnt, und setzt die Strophe dann fort mit „when something eating you inside (brich aus, wenn dich etwas innerlich auffrisst)“. Die Gesangsmelodie, auf die er hier Text verfasst hat, ist noch eine völlig andere. Der inhaltliche Gedanke aber ist schon der bekannte: Man soll loslassen, wenn man verletzt wurde, sich weit auf machen. „You’ve got to lay the burden down“ heißt es auch schon – und der Refrain ist im Grunde bereits so wie in der finalen Version.
In der zweiten Strophe wechselt Gabriel mit den Betrachtungen zu sich selbst und singt dann folgerichtig „I’mgonna lay the burden down“. Auch der ganze Refrain ist ins „Ich“ gekehrt und es heißt dann eben „when I forgive I can move on“. Eine Wendung, die fürs Album wieder zurückgenommen wurde.
Interessant ist außerdem, dass für die Schlussphase ein deutlich längerer Text vorhanden ist. Blieb auf dem Album der Vierzeiler mit William Blake, Tutu und Madiba, so gibt es hier noch etliche Schleifen mehr (teilweise schwer zu verstehen), in denen John und Yoko Frieden eine Chance geben und Mahatma Gandhi zu allem lächelt.
Der Vierzeiler des finalen Songs ist also das Überbleibsel von Ausgelassenheiten, die ursprünglich für die Schlussphase viel tragender waren.
Musik
Instrumentell ist das Ganze ziemlich rau: Ein harter Einstieg – zu hören sind programmierte Drums und auf dem Klavier hingeworfene Akkorde. Die Gitarre begleitet simpel, aber stützend.
Musikalisch bleibt das über den ganzen Track hinweg so. Zusätzliche Klänge oder Effekte gibt es keine.
Nach dem zweiten Refrain fällt die Begleitung ab, keine programmierten Drums mehr – es bleiben Klavier und Gitarre, die sich durch die Grundharmonien arbeiten. Gabriel improvisiert vokal etwas. Es könnte den Platzhalter für einen möglichen Instrumentalteil darstellen.
Langsam zieht dann ein verändertet Rhythmusloop wieder ein – er treibt jetzt kraftvoller. Auch die Gitarre legt zu. Hier deutet sich vorsichtig der Jubel des späteren Finales an.
Kurz fällt plötzlich das Klavier weg, lässt eine Lücke. Ob das mit Bedacht passiert oder während der Aufnahme einfach so geschehen ist, bleibt offen. Es kehrt dann jedenfalls zurück für den ausgelassenen Teil über die Friedensträger der Weltgeschichte.
Dann bricht das Stück ohne geregelten Schluss einfach ab.
Auffällig ist noch, dass die Aufnahme im Stereo-Pan eine deutliche Betonung nach rechts hat.
Besetzung
Zu hören sind nur zwei Personen: Gabriel und Rhodes. Am Rhythm Programming hat auch Dickie Chappel mitgearbeitet – Gabriel bedient außerdem ein Tambourine, von dem allerdings nicht viel wahrzunehmen ist. Möglicherweise ist es aber der Grund, weshalb für diese Stripped Down Version zwei Aufnahmelocations genannt werden.
Links
Gabriels erläuterndes Full Moon Video zum Track Live And Let Live:
Song-Hintergrund auf petergabriel.com
Webseite von The Elders (von Gabriel mitbegründeter „Ältestenrat“ zur Förderung von Frieden und Menschlichkeit)
Webseite von Reverberation (von Gabriel mitbegründetes Projekt für ganzheitliche Entfaltung durch Musik)
Version von Paolo Fresu (u.a.) von What Lies Ahead auf Youtube
Diskutiert mit über den Song hier im Forum.
Autor: Thomas Schrage
Besprechung In-Side Mix: Martin Peitz