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Peter Gabriel – III (Melt) – Rezension

Fünf Jahre nach seinem Ausstieg bei Genesis nahm Peter Gabriel ein Schlüsselalbum seiner Karriere auf. Der Song Biko prägte sowohl den Musiker, als auch den Menschen Gabriel. Das dritte Album gilt auch als Geburtsstunde des legendären Phil Collins-Drumsound.

Nach zwei Alben war noch unklar, in welche Richtung sich Peter Gabriels Solokarriere entwickeln sollte. War Album 1 noch als ersehnte Rückkehr Gabriels auf die musikalische Bühne begrüßt worden, schien das düster und ohne großen Hit daherkommende Album 2 die Entwicklung erst einmal gebremst zu haben. Viele Live-Auftritte sorgten dafür, dass Peter im Gespräch blieb, auch der legendäre Essener Rockpalast-Auftritt 1978 tat ein Übriges. Die Einrichtung des ersten eigenen Studios in einem alten Herrenhaus nahe seines Wohnorts Bath war dann der Schlüssel für einen kreativen Schub. Ohne auf hohe Studiomieten Rücksicht nehmen zu müssen, waren ganz neue Möglichkeiten für den Produktionsprozess gegeben. Das ausgiebige Experimentieren mit allerlei Effekten sollte man dem fertigen Album deutlich anhören. Peter Gabriel setzte 1979 auch seine Praxis fort, das neu geschriebene Material vorab live zu testen, wozu einige Festival-Auftritten die Chance boten. I Don’t Remember, einer der zentralen Tracks des kommenden Albums, war gar seit 1978 in einer roheren perkussiven Version schon mit im Tourgepäck gewesen. Neben dem eigenen Studio war auch die Wahl des Produzenten von Bedeutung: Mit Steve Lillywhite (bekannt für seine Arbeit mit Ultravox, XTC und später auch U2) setzte sich der neue Star der britischen Studioszene an das Mischpult – in Hinblick auf die Genesis-Geschichte interessant ist der Umstand, dass er als Schüler Brian Enos gilt, der ja für The Lamb Lies Down On Broadway einige Effekte beigesteuert hatte.

Die Stücke für das neue Album waren primär rhythmusbasiert entstanden, statt von Melodien auszugehen. Ein wichtiges Mittel für diese neue Songwriting-Praxis war überraschend unspektakulär: eine kleine Drum-Machine der Firma Paia, die nach konkurrierenden Angaben entweder 60 Pfund oder 60 Dollar kostete – in jedem Fall also kein High-End-Produkt. Keyboarder Larry Fast hatte das Gerät empfohlen und erste Einführungen gegeben. ‚Für mich als gescheiterten Drummer war es eine Freude, plötzlich dazu in der Lage zu sein, Grooves hinzukriegen, die weiterliefen, wenn ich die Hände von der Tastatur nahm‘, so Peter, der auch die ’nahezu manischen Qualitäten‘ der Drumbox pries. Die Rhythmusorientierung schlug sich auch in einer Entscheidung nieder, die den Charakter des Albums wesentlich prägte, und welche die Schlagzeuger vor eine unerwartete Situation stellte: Die Vorgabe war, keine Becken zu verwenden. Neben dem schon als festes Mitglied der Live- und Studioformation etablierten Jerry Marotta war der zweite auf dem Album vertretene Schlagzeuger kein geringerer als Ex-Genesis-Kollege Phil Collins. Das gesamte Album sollte also ‚ohne Metall‘ auskommen, um einen perkussiveren Drumsound und aggressiveren Gesamtklangeindruck zu erreichen. Keine einfache Sache – Collins montierte schließlich weitere Trommeln an die Stelle, wo sonst die Becken stünden – schlichtweg, um nicht aus alter Gewohnheit die Becken anzusteuern, aber ins Leere zu schlagen. Gemeinsam mit Toningenieur Hugh Padgham entwickelte Collins zudem einen neuen Drumsound, der durch den Einsatz von Noise Gates, Kompressoren und Limiter-Effekten erreicht wurde. Der hart komprimierte und dadurch ungleichlich druckvollere Drumsound wurde durch das Gate noch vor dem natürlichen Ausklingen hart abgeschnitten und verstärkte den harten Schlagzeugsound. Diese Effekt-Experimente gelten als Geburtsstunde des ‚Phil Collins signature drum sound‘, den er auf In The Air Tonight, No Son Of Mine und unzähligen weiteren Aufnahmen verwenden würde und der zu seinem unverwechselbaren Markenzeichen werden sollte.

Weitere Effekte und ungewöhnliche Sounds, die im eigenen Studio in Ruhe ausgetüftelt werden konnten, lieferte der zu dieser Zeit brandneue Fairlight Sampler. Nach einer eigens arrangierten Vorführung dieses noch kaum bekannten neuen Stücks Musiktechnologie war Peter Gabriel von dessen Möglichkeiten so begeistert, dass er mit dem ‚Computer Musical Instrument‘ sofort zu arbeiten begann, darüber hinaus aber auch Import und Vertrieb des in Australien gefertigten Geräts übernahm. Neben der Möglichkeit, eigene Sounds zu samplen und daraus neue Klänge zu kreieren, brachte der Fairlight auch eine Reihe an vorgefertigten Sounds mit, was den direkten Einstieg erleichterte. Was das Mitwirken weiterer Musiker betraf, so begann hier die langjährige und bis heute andauernde Zusammenarbeit mit dem Gitarristen David Rhodes, während der Mitstreiter der ersten Stunde Tony Levin aufgrund anderer Verpflichtungen nur auf einem Track zu hören war. John Giblin, der auch auf Phil Collins‘ zwei ersten Solo-Alben zu hören sein würde, übernahm weitere Bass-Parts. Die Mitwirkung von Paul Weller (damals bei The Jam) auf And Through The Wire kam eher spontan zu Stande: Weller arbeitete im benachbarten Studio im Townhouse-Komplex und steuerte seinen Rhythmusgitarrenpart auf die Schnelle zwischen eigenen Aufnahmen bei.


coverMelt
(wie die Platte nach dem Cover mit dem zerfließenden Gesicht inoffiziell benannt wurde) war das erste Album, auf dem Peter Gabriel die ihn ständig stärker beeinflussenden Weltmusikelemente in eigene Songs einfließen lassen sollte. Der afrikanische Gesang in Bikowar da noch eher Zitat denn Aneignung, und die tatsächlich von Gabriel eingesetzten World Music-Elemente sind auch im Vergleich zu späteren Alben noch eher spärlich. Die von Gabriel betriebene Verflechtung von World Music und Rock lässt sich aber deutlich nachvollziehen: Zum einen kann man hier die immer wieder auftauchenden Xylofon-Klänge nennen, zum anderen die Arbeit an Schlagzeug und anderer Percussion – sowohl in Rhythmik als auch in den eingesetzten Instrumenten (die Surdo auf Biko z.B.). Die extrem rhythmische Orientierung wirkte sich auch auf die Arbeit an Texten aus. Gabriels Aussage, dass der Klang eines Worts und dass die Texte auf diesem Album zum Teil eher an den Rhythmus angepasst wurden als umgekehrt, war für einen in der Regel als programmatisch wahrgenommenen Künstler sicher etwas überraschend. Dennoch vollzog Gabriel mit Melt auch den klaren Schritt zum im weiteren Sinne politischen Künstler. Mit Games Without Frontiers enthielt die Platte auch den zweiten großen Single-Hit nach Solsbury Hill.

Intruder

Das Album startet mit Phil Collins hartem, monotonem, aber zugleich treibendem Drumrhythmus und mit einer düsteren, unheimlichen Stimmung werden die Gefühle eines Einbrechers aufgegriffen. Sinistere Schreie jagen einem Gänsehaut über den Rücken, ehe mit raunender Stimme der Intruder, der Eindringling zu sprechen beginnt. Im Zentrum steht dabei das Sinnieren über den Akt des Einbruchs selbst und die Erregung, die er bei der stillen Begegnung mit dem Opfer empfindet. Ein eindringlicher Song, der einem unter die Haut geht, der aber auch mit seiner Rhythmusorientierung für die neue Zielrichtung in Gabriels Wirken steht.

No Self-Control

Eine gelooptes Sample leitet den zweiten Song mit Phil Collins ein, der hier seinen neuen voluminösen Schlagzeug-Sound noch eindrucksvoller zur Schau stellt. Daneben treten zunächst vor allem Elemente der Minimal Music, wie das manisch vorantreibende Xylofon. Ein rastloser, gehetzt scheinender Mensch breitet seine Gefühle aus, eine nervöse Spannung macht sich breit, die sich schließlich in einem Soundgewitter und dem verzweifelten Ausruf ‚No Self-Control‘ entlädt, um schließlich zu der nervösen Stimmung des Anfangs zurückzukehren. Schuldgefühle, Unsicherheit, unterdrückte Gefühle – vielleicht auch der Eindringling aus dem ersten Track, der hier mit seinen dunklen Seiten zu kämpfen hat‘ Das Stück wurde aufgrund seiner Dramatik zu einem der Live-Klassiker der nächsten Tourneen, gewann in seinen Konzertdarbietungen allerdings noch an atmosphärischer Dichte.

Start

Ein Songschnipsel, der mit seinen Synthesizerflächen und dem jazzig darüber hinweg flatternden Saxofon mehr wie ein Intro zu einem Song wirkt als wie ein eigenständiger Song. In der Kürze von nicht einmal anderthalb Minuten stecken viele schöne Ideen, die aber nicht so recht zum nachfolgenden I Don’t Remember passen mögen. Welcher andere Song versteckt sich hierin wohl noch?

I Don’t Remember

Erneut ein monotoner Rhythmus von Schlagzeug und Bass mit immer wieder gleichen Gitarrenfills, eine Melodie, die gerade im Refrain fast zu platt wirkt. Der Text kreist um Themen wie Gedächtnisverlust, Unfähigkeit zur Kommunikation, Rückzug ins Innere und das Aufgehen der eigenen Identität in der Masse. Die Struktur des Songs ist sehr einfach, Strophe-Refrain-Strophe-Refrain-Refrain, im Mittelpunkt stehen hier zu Beginn und zu Ende Effektspielereien, die verfremdete Stimme Gabriels, gegen Ende eine technizistisch klingende Soundscape aus verzerrter Gitarre, Synthesizer und Fairlight.

Family Snapshot

In einem der wenigen plotorientierten Songs von Peter Gabriel wird die Geschichte eines politischen Attentats erzählt. Der Text basiert auf dem Buch An Assassin’s Diary des Beinahe-Attentäters Arthur Bremer, der 1972 den Gouverneur von Alabama George C. Wallace (Demokraten) in einem Einkaufszentrum niedergeschossen hatte, ohne Wallace allerdings zu töten. Im Songtext finden sich dann aber auch Elemente, die man als Parallelen zum Mordanschlag auf John F. Kennedy deuten könnte. Der Song steigert sich von einem ruhigen nur von Klavier begleiteten Gesangspart zu einem treibenden Rockrhythmus, an dem das unheimlich stimmig gespielte Saxofon einen starken Anteil hat, bis das Abfeuern des Schusses (‚and I let the bullet fly“) in den introspektiven Schlussteil überleitet, der uns einen Einblick in das Seelenleben und die offensichtlich problematische Kindheit des Attentäters gewährt. Am Ende mag man kaum glauben, dass diese Vielfalt an Stimmung und dieses gekonnt aufgebaute Drama nur viereinhalb Minuten lang währt. Erneut also ein hochdramatischer Song, der über Jahre hinweg zum festen Live-Repertoire gehören sollte. Peter Gabriel setzte für den Klaviersound hier zum ersten Mal ein elektrisches Yamaha CP-70-Klavier ein, das bereits seinem Ex-Genesis-Kollegen Tony Banks so gut gefiel und das mit seinem charakteristischen Sound für die Zukunft einen zentralen Platz in Gabriels Keyboard-Setup einnehmen sollte. Auch der gekonnte Einsatz verschiedener Synthesizer-Sounds zur langsamen Steigerung der Stimmung deutet auf Gabriels gewachsene Vertrautheit mit den Mitteln der Musiktechnologie hin.

And Through The Wire

Ein naher Verwandter von I Don’t Rememberscheint der dann folgende Song zu sein: Die Melodie beginnt sich in engem Rahmen und hat in ihrer Einfachheit zwar einen gewissen Reiz, aber auch etwas sehr Ermüdendes, die Strophe hat in gewisser Weise etwas Zielloses. Zwar sind die technischen Spielereien nicht so stark ausgeprägt, doch auch hierfür werden zahlreiche Gelegenheiten genutzt. Das Tambourin durchbricht hier ein wenig das ‚metallfreie‘ Schlagzeugspiel. Gegen Ende wird der Song noch mal einen Tick aggressiver und kann an dieser Stelle am meisten überzeugen.

Games Without Frontiers

Ein selten billig klingender Drummachine-Sound leitet die große Hitsingle dieses Albums ein, Kate Bush haucht ihr ‚jeux sans frontières‘ darüber, eine kaum höheren Ambitionen gereichende Gitarrenfigur gesellt sich dazu, und dann noch durch die Filter wabernde fremdartige Synthesizersounds – und doch nimmt einen Games Without Frontiers von Beginn an gefangen. Hier zeigt sich einerseits die neue Songwriting-Praxis auf Basis von Drummachine-Patterns, andererseits aber auch die exzellente und zudem sehr reduzierte Produktion. Wo Gabriel auf den ersten beiden Alben (noch von Genesis beeinflusst‘) hier und da bombastischerem Sound zuneigte (Moribund‘, Humdrum, Here Comes The Flood, White Shadow), ist dies hier endgültig verschwunden. Gegen Ende wird der elektronische Drumbeat durch gut gesetzte Fills aufgelockert und erneut wird die Soundkiste geöffnet und merkwürdige und spannende Klänge kommen dabei heraus.

Der Text dreht sich um die seinerzeit in Europa so beliebte Fernsehserie, die wir in Deutschland unter Spiel ohne Grenzen, in Frankreich als Intervilles sowie in Großbritannien als „It’s A Knockout“ (eine im Refrain wiederkehrende Phrase) kennen oder wohl eher kannten. In ihrer internationalen Variante hieß die Sendung dann übrigens Jeux Sans Frontières. Vertreter verschiedener Städte traten in häufig absurden Verkleidungen in ebenso absurden Wettkämpfen gegeneinander an. Gabriel greift in seinem Songtext das aus seiner Sicht kindische Verhalten der Erwachsenen in diesen Spielshows auf. Doch dahinter verbirgt sich auch Kritik an Nationalismus und Krieg – durchaus auch am Kalten Krieg: ‚Spiele ohne Grenzen – Krieg ohne Tränen‘ könnte man als Metapher für den Ost-West-Konflikt lesen. In Konzertauftritten sollte Peter Gabriel die antimilitaristische Botschaft seines Songs durch entsprechende Kommentare noch unterstreichen. Games Without Frontierswurde Gabriels erster Top-Ten-Hit als Solokünstler und erreichte wie sechs Jahre später auch Sledgehammer Platz vier der UK-Charts, die höchste Single-Platzierung in Großbritannien für ihn. In den USA kam die Single immerhin auf Platz 48.

Not One Of Us

Am Anfang scheint man Gabriel beim Einsingen erwischt zu haben, so mag es klingen, eine geschickt eingesetzte Imperfektion, die zu einem fesselnden Intro überleitet: Eine treibende Gitarre und eine Mischung von elektronisch klingenden Synthesizer- und Fairlight-Effekten, dazu verfremdete Schreie. Erneut wird eine unheimliche Stimmung aufgebaut, die in der Strophe ihre Fortsetzung findet. Der vielen Songs auf diesem Album anmutende treibende Charakter wird hier durch einen überwiegend von dem Toms bestimmten Schlagzeugrhythmus getragen. Der Refrain klingt eher wie das Skandieren von Slogans denn wie Gesang, und das dürfte vom Songtext her gegebene Absicht sein:’You’re not one of us‘ – damit ist das Thema der Fremdenfeindlichkeit, oder zumindest der Abgrenzung gegenüber Andersartigem markiert.

Lead A Normal Life

Über einen Zwei-Noten-Xylofon-Rhythmus werden auf dem Yamaha CP-70 zarte Klaviertupfer gesetzt. Ein stimmungsvoller Anfang, der jedoch durch verzerrte Stimmen im Hintergrund eine erste Störung erfährt. Was folgt, erinnert an Stellen in Humdrum oder Here Comes The Flood. Der kurze, nicht unmittelbar zugängliche Text scheint auf ein Leben in der Nervenheilanstalt zu deuten – der schöne Blick auf den Park, keine Messer, nur Löffel zum Essen und der Wunsch, ‚we want to see you lead a normal life‘ – wobei ausgerechnet die Wörter ’normal life‘ soundtechnisch verfremdet werden, womit die Frage danach, was Normalität eigentlich sein soll, aufgegriffen wird. Ein Song, der sehr nachdenklich macht, der in seiner Schlichtheit überzeugen kann.

Biko

Ein afrikanischer Klagegesang leitet als Vorspann den abschließenden Track ein, der mit seiner einfachen Struktur und seiner sparsamen Instrumentierung für eine sich auf dem gesamten Album immer stärker herausschälenden typischen Qualitäten von Gabriel solo steht: In der Einfachheit liegt die Klarheit liegt die Atmosphäre. Rein von der Melodie und der harmonischen Entwicklung her tut sich in diesem Song nicht viel. Die Stimmung und die Aussage stehen hier im Mittelpunkt. Und die sind stark: Von der ersten Zeile kann man sich dem Sog dieses Songs kaum entziehen und die Passagen wie ‚When I sleep at night I can only dream in red‘ ergreifen einen ebenso wie das schlichte ‚the man is dead, the man is dead‘, das geradezu wie eine archaische Totenklage wirkt. Das Schicksal des in staatlichem Auftrag ermordeten südafrikanischen Bürgerrechtlers Steve Biko wird hier zum Anlass einer künstlerisch formulierten massiven politischen Kritik am südafrikanischen Apartheid-Regime. Immer stärker verdichtet sich die anfangs sehr karge Instrumentierung durch das Hinzukommen von Trommeln und schließlich der Dudelsäcke – welch eine Kombination! Wie Gabriel später meinte, habe er immer empfunden, dass der Dudelsack etwas sehr Afrikanisches an sich hätte. Prophetisch muten die Worte über das Feuer, das nicht auszupusten geht und den Augen der Welt, die zusehen, an. Mit diesem Song war Peter Gabriel zum politischen Rockstar geworden, als der er in den folgenden Jahren besonders aktiv sein sollte. Wobei man schon das Aufgreifen musikalischer Elemente von anderen Kontinenten in einem weiteren Sinne als politisch begreifen kann. Biko wurde zu einem weiteren festen Bestandteil des Live-Sets, meist am Ende des Sets. 1989 wurde Biko von den Simple Minds gecovert, wobei sie sich nicht allzu weit vom Original entfernten.

Gabriels amerikanische Plattenfirma hatte erhebliche Probleme mit dem komplexen Werk, das so voller verschiedener Stimmungen und neuartiger Klänge war und sah von einer Veröffentlichung ab. Zu künstlerisch, zu esoterisch – nichts für den US-Markt, meinte man. Erst, als Games Without Frontiers weltweit die Charts eroberte, wollte man die Vertriebsrechte zurückerwerben. Stattdessen kam es zu einem Deal zwischen Charisma und Mercury Records (das einzige dort erschienene Gabriel-Album), in deren Händen Melt den 22. Platz der US-Charts schaffte (nach dem 38. bzw. 45. für Album 1 und 2). In Deutschland erreichte das Album die Top (Platz 9), während Games Without Frontiers mit Platz 36 ein Top-40-Erfolg wurde. In Großbritannien erreichte das Album sogar Platz 1 – im Juni 1980 hielt die Platte für zwei Wochen den Spitzenplatz.

Mit Melt hatte Peter Gabriel wieder festeren Boden unter seinen Füßen bekommen. Die neuen technischen Möglichkeiten erlaubten ihm neue Ausdrucksformen und erweiterten die klangliche Vielfalt ungemein. Die Experimente und die Soundtüfteleien hatten hier gerade mal ihren Anfang genommen – und führten dazu, dass in einigen Songs weniger an Melodien und Songstrukturen, sondern viel stärker am Sound gearbeitet wurde, was manche Stücke für den Produzenten wohl aufregender machte als für den Hörer. Der Einsatz für die Produktion zahlte sich aber auch aus: Das Album klingt auch in heutigen Ohren – bis auf wenige Ausnahmen vielleicht – kaum verstaubt, vor allem eines nicht: nach dem typischen Plastiksound der 80er.

Die dritte Soloscheibe von Peter Gabriel zählt mit Sicherheit zu seinen ganz großen Klassikern und bildete den Anfang einer sehr erfolgreichen und produktiven Phase, die über Peter Gabriel IV (Security) und dem Soundtrack Birdy hin zu So führte – vier Alben in 6 Jahren, eine Produktionsdichte, von der wir heute leider nicht mehr verwöhnt werden. Das Album landete 1989 auf Platz 45 des Rolling-Stone-Rankings ‚100 greatest albums of the 1980s‘ und für das britische Q Magazine zählt Melt zu den ‚Top 100 Greatest British Albums‘ und erreichte im Jahr 2000 Platz 53 auf dieser Liste.

Autor: Jan Hecker-Stampehl

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