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Peter Gabriel – Growing Up Live Nordamerika 2002 Bericht

Peter Gabriel tourte mit seiner ambitionierten Growing Up Tour zunächst in Nordamerika. Volker Warncke und Christian Gerhardts waren bei einigen Konzerten dabei.

Mehr als acht Jahre musste die Musikwelt warten, ehe Peter Gabriel endlich wieder auf Konzerttour ging. Dazwischen gab es zwar des öfteren einen besonderen Live-Auftritt, aber das konnte zu keinem Zeitpunkt eine ausgereifte Gabriel-Show ersetzen. Und Peter ließ es sich nicht nehmen, vor allem die europäischen Fans in große Spannung zu versetzen. Erst spielte er beim 20-jährigen Virgin-Jubiläum mehr als 3 Wochen vor der Veröffentlichung des Albums erstmals (und noch etwas verkrampft) sein neues Material, dann gab es eine Reihe von Warm-Ups, bei denen die Anwesenden durchaus selten oder später gar nicht mehr gespieltes Material zu hören bekamen.

Das alles war im Oktober zu Ende und die Peter Gabriel Band brach nach Nordamerika auf. Deutsche Konzerte waren zunächst nicht vorgesehen.

Die ersten drei Konzerte in Mexico-City fanden noch ohne die neue Bühne statt, danach gab es in Quebec City den letzten Feinschliff in Form einer Generalprobe vor 1000 Zuschauern, ehe es am 12.11.02 in Chicago vor ausverkauftem Haus endlich losging.

ticketDie Preise

Konzerte sind in Nordamerika in der Regel teurer als in Europa. Aber auch dort ist die Preisexplosion bemerkbar. In den USA musste man für einen Platz in der Spitzenkategorie schnell $ 140 berappen, für einen „schlechten“ Platz auf vielen Oberrängen waren immer noch $ 45 fällig. Ein bisschen anders sieht es in Kanada aus. Dort waren die Preise zwar identisch, aber der Umrechnungskurs ist 1 Euro = 1.50 kanadischer Dollar. Somit waren die Tickets – etwa für einen Redakteur des deutschen Genesis-Fanclubs – dort wesentlich billiger. Die Einheimischen aber kratzt das wenig, für sie bedeutete der Preis ein ebensolcher Hammer wie für ihre amerikanischen Kollegen. Alle Hallen waren komplett bestuhlt. Im amerikanischen Fernsehen lief ein Werbespot zur Tour, den man auch auf der offiziellen Homepage ansehen kann bzw. konnte.

Das Merchandise war extrem teuer. Man hatte durchaus das Gefühl, beim Kauf eines T-Shirts hochwertige Trekking-Ausrüstung zu kaufen. In Kanada kostete das Tourprogramm schon $ 35, ein T-Shirt $ 45, ein Langarm-Shirt $ 60 und ein speziell geschnittenes V-Neck Shirt schon $70. Dann gab es noch eine Weste für $ 80 und ein Fleece-Shirt für stolze $ 175. Wer jetzt noch Geld hatte, konnte sich für $ 15 ein Poster oder einen Schlüsselanhänger kaufen oder eine Button-Serie für $ 10. Den Vogel schießt aber vielleicht die UP-Wintermütze ab. Ohne Logo wohl für $ 5 in jedem Kaufhaus zu bekommen, bezahlt man bei Peter Gabriel mal eben $ 50. Da tröstet es wenig, dass man überall mit fast allen Kreditkarten bezahlen konnte.


Die Hallen

Die Growing Up-Tour fand überall in großen Arenen statt, in der Regel mit einem Fassungsvermögen von über 10.000 Leuten. Viele Hallen Nordamerikas sind größer als in Europa und fassen beinahe 20.000 Menschen, andere sogar noch mehr. Fast überall hatte man das Gefühl, dass die Show nicht ausverkauft war. In Chicago und Montreal, wo Peter aufgrund der großen Nachfrage zwei Mal spielte, wurde aber auch deutlich, dass man in den meisten Arenen die Plätze auf den Oberrängen gar nicht erst zum Verkauf angeboten hatte – die Fans hätten sonst nicht viel mehr gesehen, als die Skystage von oben. Die meisten Konzerte waren sehr gut besucht, in einigen Städten lag die Auslastung aber auch nur bei 60%. Die größte Begeisterung erfuhr Peter in New York (Madison Square Garden), Montreal (Centre Bell), Quebec City (La Colisée) sowie Los Angeles (Forum).

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Die Bühne

Wie schon Phil Collins 1997, so tourte diesmal auch Peter Gabriel mit einer so genannten Centerstage. Die Vorteile sind klar: Auf allen Seiten befinden sich Zuschauer, die Sicht ist im Prinzip in jeder Halle deutlich besser und es finden mehr Zuschauer in der Halle Platz. Anders als Phil benutzte Peter eine rotierende Außenbühne. Dazu kam der zentrale Bereich der Bühne, auf dem oft das Drumkit von Ged Lynch stand. Doch es wäre vermutlich kein Peter Gabriel Konzert und keine Bühne von Robert Lepage, wenn das schon alles wäre. Unter der Hallendecke hängt eine gerüstartige Plattform, die in etwa so groß ist wie der Innenbereich der Centerstage. An dieser Skystage oder UP-Stage kann man einige Elemente der Lightshow erkennen und es wird irgendetwas durch weiße Tücher verhüllt. Während die Tour bereits lief, wurden noch einige Elemente der Bühne verändert. Dazu zählt vor allem das Hinzufügen von Video-Leinwänden an der langen Seite der Halle und eine Showeinlage bei Downside-Up, dazu später mehr.


Supporting Peter

Niemand sonst als die legendären und mittlerweile mit einem Grammy ausgezeichneten und dafür wieder nominierten Gospelsänger „The Blind Boys of Alabama“ begleiteten Peter auf der Nordamerikanischen Growing Up-Tour. Den Blind Boys gelang mit Spirit Of The Century ein Riesen-Comeback auf dem Real World Label. Dass Peter die Blind Boys auswählte, ist natürlich kein Zufall. Während Peters eigener Show kamen sie nochmals auf die Bühne zurück.

Nach den mitreißenden Blind Boys gab es dann Weltmusik pur. Dr. Hukwe Zawose und sein Bruder aus Tansania stellten das Publikum zuweilen auf eine harte Geduldsprobe. Ohne Zweifel sind die beiden großartige Musiker. Ihre Musik klingt in der westlichen Welt doch sehr abstrakt, Zawose und sein Bruder legten sich dennoch ins Zeug, um das Publikum zu begeistern. Sie spielten auf exotischen Instrumenten und trugen aufwendige Kleider und liefen barfuß über die Bühne. Das letzte Stück, das sie darboten, hatte dann deutlich mehr Rhythmus und vermochte das Publikum dann doch zu versöhnen. Auch Dr. Zawose und sein Bruder kamen später bei Peters Show zurück auf die Bühne.


„What you’ll hear is a mixture of new and old“ – Die Songs

Peter Gabriel spielte einen auf die Bühnenshow abgestimmten Set, den er aber sowohl showtechnisch, als auch songtechnisch des öfteren variierte. Die folgende Setlist gibt in etwa in der Reihenfolge alle gespielten Songs wider. Den Bemerkungen ist zu entnehmen, wann welcher Song möglicherweise nicht gespielt oder erstmals gespielt wurde.


Here Comes The Flood

Peter betritt die dezent in dunkelblaues Licht gehüllte Bühne alleine und spielt eine Piano-Version des Klassikers. Während der zweiten Strophe beginnt die Bühne sich zu drehen. Peter trägt ein Kopfmikrofon, singt aber in das Ständermikrofon am Keyboard. Am Keyboard ist ein Ringordner zu erkennen, auf dem Peter die Texte ablesen kann.

Zwei Mal auf der gesamten Tour spielte Peter den Song (am 4.11.02 in Mexico und am 12.11.02 in Chicago) als letzte Zugabe. Am 3.11.02 in Mexico City wurde er gar nicht gespielt.

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Darkness

Meist ohne weitergehende Ansage erklingen die ersten Töne von
Darkness, während die Band ihre Position einnimmt. Das Drumkit steht in der Mitte der Bühne etwas abgesenkt unter einem hausförmigen Zelt, das das „House In The Woods“ darstellen soll. Rachel Z steht in etwa gegenüber von Peter mit dem Rücken zum Publikum, genau wie Peter, wenn er Keyboard spielt. Tony Levin, Richard Evans und David Rhodes laufen durchaus etwas umher, ohne sich allerdings zu weit von ihrem Equipment zu entfernen. Ebenso steht Melanie Gabriel in der Regel an ihrem Mikrofon. Peter geht über die Bühne und flüstert „Consequence“, es kann losgehn! Während des Songs läuft Peter über die Bühne und singt sowohl in sein Handmikrofon, als auch in sein Kopfmikrofon. Während der Textezeile „When I allow it to be“ wird die ganze Halle in weißes Licht getaucht, während der aggressiven Strophen flackert alles sehr bedrohlich.

Darkness wurde bei jedem Konzert als zweiter Song gespielt. Nur am 3.11.02 in Mexico City war Darkness der Opener.


Red Rain

Vor dem Song machte Peter immer eine Ansage. „It’s good to be back, we will play a mixture of new and old, this next one fits the last category, it’s called Red Rain„. Tosender Jubel überall, und die Bühne wird in rotes Licht getaucht. Man bekommt eine kraftvolle Version zu hören, die vielleicht nicht mehr ganz die Atmosphäre des Originals rüberbringen kann, aber in der Regel professionell dargeboten wird.

Red Rain folgte bei jedem Konzert direkt nach Darkness.


Secret World

Diesen Favoriten vieler Fans spielte Peter in einer leicht veränderten Version. Der Song ist wesentlich kraftvoller als auf der letzten Tour. Während man während der Strophen einen wunderschönen Song genießt, wird man nach der dritten Strophe durch einen lauten Knall aus der Idylle gerissen und die ganze Band rockt und Peter tanzt kreisend über die Bühne, das ganze wird nach „shh, listen“ wiederholt und der Song endet anders als auf der letzten Tour mit Gesang. making it up in our secret world“). Während des Song wird von der Decke etwas Eiförmiges aus Stoff herabgelassen.

Der Song wurde bei jedem Konzert immer an dieser Stelle gespielt.

My Head Sounds Like That

Eine solide Darbietung des neuen Songs. Am Ende stellte sich Peter in die Bühnenmitte und das Ei wurde so weit heruntergelassen, dass nur sein Kopf darin verschwand.

Der Song wurde bei den drei Mexico Shows gespielt, beim Dress Rehearsal in Quebec und beim ersten Konzert in Chicago, jeweils nach Secret World, mit Ausnahme vom 4.11.02, als The Barry Williams Show davor gespielt wurde. Nach dem ersten Chicago-Konzert wurde der Song aus dem Set gestrichen.


Sky Blue

Zu Beginn des Songs setzen sich die Blind Boys of Alabama unter das Ei auf die etwas abgesenkte Plattform in der Mitte der Bühne und Peter kündigt den Song an. Während der ersten und zweiten Strophe bleibt Peter am Keyboard, zur dritten Strophe geht er auf den Außenring, der sich entgegen seiner Laufrichtung zu drehen beginnt. Mit dem Ende seines Gesangsparts verlässt er mit Melanie die Bühne, während die Blind Boys sitzend hydraulisch nach oben gefahren werden und ein atemberaubendes Finale des Songs darbieten.

Sky Blue wurde seit dem 12.11.02 immer gespielt, beim Dress Rehearsal konnte es nicht gespielt werden, weil die Blind Boys nicht da waren. Beim ersten Mexico-Konzert wurde der Song ohne die Blind Boys gespielt.


Downside-Up

Gesungen wurde der Song von Melanie und Peter, die beide auf dem Original nicht singen. Den Strophen wurde ein wohlklingender Drumrhythmus hinzugefügt. Melanies Stimme kommt zwar nicht an die von Elizabeth Frazier heran, aber sie macht einen guten Job. Während der ersten beiden Strophen wird die Skystage bis auf ca. 3 Meter nach unten gefahren. Nach dem „Pull me in“ kommen die „Orange Men“ (Crew) auf die Bühne und stellen Leitern auf. Peter und Melanie klettern auf die Leitern und haken sich mit ihren am Ende von Sky Blue angezogenen Sicherheitsgurten unter die Skystage und beginnen mit den Füßen unter der oberen Bühne kopfüber zu laufen. Dabei singen sie weiterhin. Diese Showeinlage sorgte für große Begeisterung. Am Ende – bei „Slipping into the unknown“ – lassen sich die beiden einfach hängen und der Song ist zu Ende.

Downside-Up wurde immer gespielt, allerdings zu Anfang ohne die Showeinlage. Am 18.11.02 wurde dies erstmals gemacht, am 19.11.02 nicht. Seit dem 21.11.02 ist die Einlage fester Bestandteil der Show.

The Barry Williams Show

Die Skystage wurde nun komplett auf die Centerstage herabgelassen und Peter kletterte auf die Skystage. Diese besteht im Prinzip nur aus einem äußeren Bühnenring, der begehbar ist und ein Geländer hat. In der Mitte hat die Bühne ein Loch (so konnte bei
Secret World das Ei herabgelassen werden). Auf der Skystage steht eine Kamera auf Rollen und Peter beginnt mit den Worten „Some people say, you are what you eat. I say – you are what you watch – and you watch The Barry Williams Show“ und los geht’s. In der Mitte der Skystage hängt ein weißer Vorhang, auf dem Peters Bilder projiziert werden. Zudem kann man seine Arbeit auf den großen Leinwänden ansehen. Peter filmt, während er singt, sich selber, das Publikum und die Bandmitglieder. Bei den Textzeilen „my daughter’s selling sex“ sowie „I love my daughter’s rapist“ hatte er meist Melanie vor der Kamera und die streckte jedes Mal frech die Zunge heraus. Die Live-Darbietung war sehr kraftvoll und wesentlich rockiger als auf der CD.

Der Song gehörte immer zum Set und wurde in der Regel nach Downside-Up gespielt, mit Ausnahme vom 3.11.02 und 4.11.02.


More Than This

Während die Skystage wieder nach oben fährt, kündigt Peter More Than Thisan und witzelt herum, dass es in dem Song um Dinge geht, die vom Mond beeinflusst werden, wie zum Beispiel der Menstruationszyklus, auch wenn er davon wenig Ahnung habe. Zum Ende des Songs hin erscheint ein Mond unter der Skystage, der entsprechend ausgeleuchtet ist.

Der Song wurde bei den Centerstage-Konzerten immer nach The Barry Williams Show gespielt.

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Shock The Monkey

Vertraute Töne, ein tanzender Gabriel, krachende Drums – ein kraftvolles Shock The Monkey springt aus den Boxen. Und der hat es tatsächlich getan – den altbekannten „Shock“ – Jump. Ist somit auch mit 52 noch möglich. Gabriel rennt ausgelassen über die Bühne und stellt sich mehrfach provozierend vors Publikum. Mal tanzt David Rhodes mit ihm, mal Tony Levin.

Shock The Monkey wurde erstmals am 29.11.2002 in Montreal direkt nach Secret World gespielt und war dort eine faustdicke Überraschung (ebenso wie in Quebec City am 30.11.). In Toronto am 2.12.02 spielte die Band den Song nach More Than This, ebenso in Detroit. In Los Angeles wurde er nach Digging In The Dirt gespielt, in Oakland, San Jose und Seattle als zweite Zugabe.


Mercy Street

Auf der Bühne wird ein Boot aufgebaut und die Band versammelt sich darum. Peter Gabriel erzählt die bekannte Geschichte zum Song und die Band singt ein A-Capella Intro des Songs, ehe alle wieder zu ihren Instrumenten gehen und den Song dann elektrisch spielen. Während des Songs setzt sich Melanie ins Boot und die äußere Bühne beginnt sich wieder zu drehen. Zum Schluss geht auch Peter auf den rotierenden Teil der Bühne und läuft hinter dem Boot her. Richard Evans spielt während des Songs Flöte.

Mercy Street wurde immer nach More Than This gespielt – mit Ausnahme von Toronto und Detroit.


No Way Out

Der Song lehnt sich an die Studioversion an, wenngleich live deutlich mehr Dynamik und bei den Refrains Aggressivität rüberkommt. Gabriel kippte den Song nach den Mexiko-Konzerten aus dem Set. Er wurde bei den Centerstage-Shows nie gespielt.


Digging In The Dirt

Ein bekannter Rhythmus und ein „Digging!“ von Peter… Digging In The Dirt gehört zu den kraftvollsten Darbietungen des Abends. Mehrfach fordert Peter das Publikum zum Mitsingen auf. Nach „I got hurt“ wird die gesamte Bühne hektisch beleuchtet und Peter rennt hinter den Mitmusikern her. Während des Songs wird der Stoff von dem herabhängenden Ball entfernt, der bei Mercy Street noch einen Mond darstellte. Übrig bleibt ein in violettes Licht getauchter Zorboball, dessen Stunde bald schlagen sollte.


The Tower That Ate People

Dargeboten wurde der Song in der Version des Red Planet-Soundtracks. Sehr kraftvoll, sehr intensiv, ein weiterer Beweis dafür, wie sehr ein Song live an Format gewinnen kann.

Leider wurde der Song nur in Mexico am 3.11.02 gespielt und für den Rest der Tour aus dem Set gestrichen.

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Growing Up

Der showtechnische Höhepunkt ist mit Sicherheit
Growing Up. Gabriel steht in Bühnenmitte und der Ball wird auf ihn herabgelassen. Schließlich verschwindet er darin und beginnt zu singen, nach dem er den Ball in die Wunschposition gebracht hat. Nach dem Intro fängt er an, mit dem Ball über die Bühne zu rollen. Bei den Strophen beginnt er zu hüpfen. Nicht selten muss ein Bass von Tony Levin dran glauben. Peter rollt ganz ohne Hilfe von außen über die Bühne und befindet sich während des ganzen Songs im Ball. Das Publikum war überall völlig aus dem Häuschen.

Growing Up wurde bei den Centerstage-Konzerten immer nach Digging In The Dirt dargeboten.


Animal Nation

Nach dem anstrengenden Growing Up brauchte sowohl Peter etwas Zeit zum Verschnaufen, als auch die Crew, um den Ball zusammenzufalten. Peter erzählt von seinen Experimenten mit den Affen und dass ihn dies zu diesem Song inspirierte. Animal Nation erschien in Nordamerika auf dem Soundtrack The Wild Thornberrysund ist fest für den UP-Nachfolger I/O eingeplant. Somit war der Song nach Downside-Up schon der zweite gänzlich unbekannte Song für das nordamerikanische Publikum.

Zur musikalischen Unterstützung kamen Dr. Zawose und sein Bruder wieder auf die Bühne und zirpten auf ihren exotischen Instrumenten. Sie sind übrigens auch auf der Studioversion vertreten. Peter forderte das Publikum bei dem langen Song immer zum Mitsingen auf.

Animal Nation wurde immer nach Growing Up gespielt.


Solsbury Hill

Vor dem Song stellte Peter immer seine Band vor. Auffallend war der tosende Applaus für Tony Levin, noch bevor Peter irgendetwas über ihn sagte. Tony genießt in Nordamerika eine unglaubliche Popularität.

Mit den ersten Klängen von Solsbury Hill werden auch die letzten von den Stühlen gerissen. An Peters Keyboard steht ein Fahrrad, mit dem er bald seine Runden über die Bühne dreht, während er singt. Bei der letzten Strophe dreht sich die Bühne gegen die Fahrtrichtung.

Solsbury Hill wurde bei jedem Konzert an dieser Stelle gespielt.


Sledgehammer

Bei den letzten beiden Tourneen hatte man immer das Gefühl, dass Sledgehammer nicht perfekt sei. Vielleicht wäre ein echter Satz Bläser hier richtig gut. Doch diesmal ist auch das nicht nötig, denn
Sledgehammer fetzt wie noch nie. Ein Intro gibt Peter die Gelegenheit, eine mit unkoordiniert blinkenden Lampen besetzte Jacke anzuziehen, die sprichwörtlich unter Strom steht, und ein Kabelträger muss ständig hinter Peter her rennen. Und er macht es immer noch, seine legendäre sexuell anspielende Refrainbewegung. Der Song ist kraftvoll und versetzte überall die Leute in Rage. Es ist eben nach wie vor und wohl auch für immer sein größter Hit überhaupt. Und es ist kein schlechter!

Sledgehammer war bei allen Konzerten der vorletzte Song des regulären Sets.


Signal To Noise

Nun ja, die Streicher und Nusrat kommen vom Band, dafür aber sind David Rhodes Gitarrensounds wieder da, die Peter nicht mit aufs Album nahm. Dementsprechend treibt Signal to Noise deutlich mehr als auf UP, man fühlt sich zeitweise an die Premiere des Songs 1996 erinnert.
Signal To Noise ist ein brillanter Schlusspunkt. Nach dem letzten „receive and transmit, you know that’s it“ gehen die Musiker, Peter voran, alle von der Bühne (oder besser unter die Bühne), bis schließlich Ged Lynch alleine auf die Felle haut. Den ganzen Song über wird er umhüllt von einem weißen Tuch, das von der Skystage abgelassen wurde. Am Ende senkt sich die Skystage und Ged Lynch verschwindet darunter. Das Konzert ist vorläufig zu Ende. Und irgendwie fühlt man sich nach diesem emotionalen Abschluss etwas alleingelassen.


In Your Eyes

Déjà vu: Wie schon auf der Secret World-Tour fährt nun auch der Bühnenaufsatz nach oben, während die ersten Klänge des Songs ertönen. Dr. Zawose kann man auch erkennen und die Band spielt eine stark an die 93/94er Version angelehnte Song des Klassikers. Und irgendwie hat dies alles etwas von Sussudio. Als Fan kann man es einfach nicht mehr hören, aber bei jedem Konzert sind die Leute aus dem Häuschen. Nun gut, In Your Eyes ist deutlich besser als Sussudio. Und als Auftakt für die Zugaben ist es mittlerweile überetabliert.

In Your Eyes wurde bei jedem Konzert gespielt.


Come Talk To Me

Keltische Klänge, dann Peters Stimme „Ah please talk to me“ – Come Talk To Me wurde in einer veränderteten Version als noch auf der Secret World-Tour gespielt. Etwas straighter, rockiger – bedingt vor allem durch den komplett anderen Drumstil Ged Lynchs. Es ist zwar noch immer kein Song zum Tanzen, kommt aber kräftig herüber und gilt auch als Favorit der Fans. Eine solide Vorstellung. Nach der letzten Strophe rennt Peter wieder über die Bühne. Beim Refrain singen er und Melanie sich gegenseitig an. Ironie des Schicksals: Come Talk To Me handelt von den Kommunikationsproblemen zwischen Peter und Melanie vor mehr als 10 Jahren.

In Chicago war der Song noch Teil des regulären Sets, danach wurde er sporadisch als 2. Zugabe gespielt: In Minneapolis, Cleveland, Washington, Montreal I, Toronto und beim Abschluss in Vancouver.


Family Snapshot

Eine solide Version von Family Snapshot bietet Peter, mehr als 20 Jahre nachdem der Song veröffentlicht wurde. Der Mittelteil ist etwas dynamischer, manchmal allerdings wirkt der Song etwas zerfahren und livetechnisch nicht ausgereift. Dennoch ist es ein Klassiker und somit crowd-pleaser.

Family Snapshot spielte Peter gelegentlich als Zugabe, nämlich in Chicago (14.11.), East Rutherford, Philadelphia, New York, Boston, Montreal (29.11.), Quebec City, Detroit und Los Angeles.


Father, Son

Der Song wird alleine von Peter mit dezenter Unterstützung von Tony Levin am Bass dargeboten. Peter erzählt jedes Mal den uns wohl bekannten Hintergrund des Songs.
Father, Son ist oft der Abschluss des Konzerts gewesen, außer beim ersten Chicago-Konzert, als es der Opener war und in Denver und Detroit, wo der Song aufgrund von Peters Stimmproblemen weggelassen wurde. In Boston und beim ersten Mexiko Konzert wurde er auch nicht gespielt.

„This was a technical Fuck-Up!“ – Growing Up Tour 2002 – Anekdoten

Peter auf Tour – das bedeutet natürlich auch Pleiten, Pech und Pannen. Alle wissen um seine Schwäche, die Texte seiner Songs in der richtigen Reihenfolge zu singen. Doch nicht nur menschliche Fehler, auch technische Probleme und besondere Gäste ließen mehrere Konzerte zu außergewöhnlichen Erlebnissen werden.

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Allgemeines

Er konnte es nicht lassen: Schon in München und bei den Warm Ups ließ es sich Tony Levin nicht nehmen, mit seiner Digitalkamera Bilder von den Shows zu machen. Viele davon kann man auf seiner Website auch ansehen. So gab es wie eigentlich immer bei z.B. The Barry Williams Show, des öfteren die kuriose Situation, dass die Band spielte und Tony mit seiner Kamera und ohne Bass über die Bühne hechtete. Manchmal machte auch einer der Orange-Men ein paar Bilder.

Zuweilen kam es auf der Bühne zu Konfusionen, wenn bei den etwas stürmerisch vorgetragenen Songs wie Secret World, Shock The Monkey oder Growing Up einzelne Bandmitglieder vergessen hatten, an welcher Stelle sie gestanden haben. So fand sich David Rhodes das ein oder andere Mal an den Apparaturen von Tony Levin wieder und auch Richard Evans kamen seine Instrumente nicht immer bekannt vor.

Der Ball: Er ist der Kern der Show und Peter läuft im Prinzip ohne Hilfe damit über die Bühne. Somit kam es des öfteren dazu, dass Teile des Bühnenequipments umgestoßen wurden. Auch Rachel Z Haare wurden durch den statisch aufgeladenen Ball stark angezogen. Tony Levin musste mehr als ein Mal seine Kamera und die Instrumente vor dem heranrollenden Peter retten.

Peter benutzte sowohl ein Kopfmikro, also auch ein Handmikrofon. Die Band war für den Hintergrundgesang mit Kopfmikrofonen ausgestattet. Im Falle von Peter führten die zwei Mikrofone oft zu Kuriositäten. So sieht man ihn bei Darkness über die Bühne gehen, und nicht immer hat er sein Handmikrofon pünktlich zum Gesang am Mund – was nicht schlimm ist, denn er singt über das Kopfmikrofon. Bei In Your Eyes läuft er auch über die Bühne und hält für das tief gesprochene „in Your Eye“ Tony Levin sein Handmikro hin. Der wiederum hat ein Kopfmikro. In Toronto ging dies völlig in die Hose, als Peter verspätet zu Tony rennt, Tony singt in sein Kopfmikro und Peter fuchtelt etwas unkoordiniert mit seinem Handmikro in der Luft herum. Von weitem könnte man annehmen, es sei Playback. Aber das ist Peter. Besser 2 Mikrofone als eins und vor allem die Texte am Keyboard. Allerdings fragt man sich, warum er die ständig falsch abliest.

Tourauftakt Chicago

Es gab massive Probleme bei der Einreise von Dr. Zawose, weshalb die beiden nicht spielen konnten. So konnte das Publikum als einziges während der Tour die Blind Boys bei Animal Nation und In Your Eyes bewundern.

Minneapolis, Target Center

Kaum musste das Equipment seinen ersten Ab- und Aufbau unter Zeitdruck bestehen, gibt es die ersten Probleme. Zunächst gab es zeitliche Probleme beim Aufbau, weshalb Peter erst um 23 Uhr (!) auf der Bühne stand. Während Sky Blue gab es mehrere Aussetzer der PA, die Band spielte aber weiter, als wäre nichts gewesen. Das Problem verstärkte sich bei The Barry Williams Show und Peter stoppte danach die Show und bemerkte: „OK, we’re gonna shut down the PA. We’ve got a little bit of a technical problem, we’re gonna be right back in 30 seconds. Don’t go away!“. Während der Pause spielte die stromlose Band dann einen Jam, bis die PA wieder lief. Sofort danach verpasste Peter seinen Einsatz bei More Than This und stoppte den Song, um von vorne zu beginnen. „This is fuck up #. , bemerkte er trocken. Nach Mercy Street stellte er die Band vor und bei seiner Tochter schrie ein Fan „I love you Melanie“ und Peter erwiderte trocken: „Shh! Her father can hear that!“. Es dauerte dann bis Sledgehammer, ehe die PA wieder ausfiel. Das Publikum sang lauthals mit und es hatte manchmal den Anschein, als wären die Aussetzer Absicht. Jedenfalls war der Effekt nicht negativ. Mitten im Song meinte Peter „Maybe sometimes we have a PA“. Zusätzlich gab es dann bei Signal To Noise deutliche Verzerrungen im Klang. Die Feuertaufe für die PA ging also etwas in die Hose.


New York, Madison Square Garden

Das Konzert gilt als eines der besten der Tour. Peter erklärte: „It’s great to be back in N.Y.C.“, was zu tosendem Beifall führte. Er erfüllte die Hoffnungen auf eine Reise zum Lamb-Album aber erwartungsgemäß nicht.

Bei Sledgehammer sang er statt „You have an aeroplane flying“ – „you can have a bomberplane flying“, was mit Sicherheit eine Anspielung auf George Bush war, den er wenige Woche zuvor bezüglich der Irak-Politik noch sarkastisch kritisierte – „I believe that any action should be taken by the UN and not by cowboy states led by presidents who weren’t elected.“


Montreal, Centre Bell

Das erste Konzert wäre fast im Chaos versunken. Erst wenige Minuten vor 19 Uhr war alles fertig aufgebaut. Um 19 Uhr war planmäßiger Einlass, und man hielt sich auch dran. Somit spielte die Band ohne Soundcheck und die Technik konnte keinen Check mehr machen. Aber die Show verlief bis auf das Ausfallen von Peters Kamera bei The Barry Williams Show absolut reibungslos.

Bei der Vorgruppe The Blind Boys kam das Publikum in den zweifelhaften Genuss eines PA-Belastungstests, als dem Schlagzeuger ein Mikrofon auf sein Becken knallte, was dieser natürlich nicht sehen konnte und das Mikrofon fast eine ganz Minute für trommelfellzerreißende Zisch- und Quietschgeräusche sorgte.

Vor dem zweiten Konzert spielten Rachel Z und Tony Levin ein Überraschungskonzert im HMV in Montreal. Dargeboten wurden Stücke von Rachel Z.

Am zweiten Abend gab es eine kleine Soundpanne bei The Barry Williams Show, als David Rhodes Gitarren viel zu laut abgemischt waren. Kurios: Es klang sehr gut. Die Band spielte zum ersten Mal
Shock The Monkeyund Peter erklärte im flüssigen Französisch, dass der Song noch nie so gut klang wie mit dieser Band.

Nach In Your Eyes kam niemand geringerer als Bühnendesigner Robert Lepage persönlich auf die Bühne und wurde vom Publikum gefeiert.

Peter erklärte später mehrfach, dass das zweite Montreal Konzert vermutlich das beste der Nordamerika Tour war. Es war auch eines der längsten.


Quebec City, La Colisée

Die Stadt kam in den Genuss des Warm Up Konzerts vor dem Tourstart. 1000 Fans durften zusehen und zuhören, wie die Band ihren „Full Dress Rehearsal“ spielte. Einzige Bedingung: die 1000 Fans mussten ihre Karte für das reguläre Konzert am 30.11.02 mitbringen.


Toronto, Air Canada Center

In der vielleicht größten Arena der Nordamerika-Tour gab es gleiche mehrere Besonderheiten.

Peter kommt auf die Bühne mit den Worten „I will start with something we haven’t finished last time“ und es ertönte Here Comes The Flood. Tatsächlich hatte Peter auf der Secret World-Tour die Bühne nach der ersten Strophe des Songs kommentarlos verlassen und das Konzert war zu Ende. Peter hielt nach der ersten Strophe kurz die Luft an, bevor er den Refrain sang. Ob er sich an seinen paradoxen Abgang in Toronto während der Secret World-Tour erinnern kann und dies seine Geste war, ist nicht bekannt. Für etliche im Publikum sah es aber so aus.

Toronto dürfte auch Rekordhalter sein, was das Vergessen oder Durcheinanderbringen der Texte angeht. Bei Darkness ging es los und erst mit Solsbury Hillhatte Peters Konfusion ein Ende. Es gab ein „I laugh until I cry“ und „there’s no ooaoaoooaa it to be, there’s no control over me“. Bei Secret World verhaspelte er sich in der letzten Strophe, Red Rain hatte das obligatorische Wirrwarr im Gesamttext. Höhepunkt: Bei
More Than Thisstartete Peter zu früh mit der zweiten Strophe: „It started when… no, sorry, my fault! It started when I saw…“

Die Stimmung in Toronto war eher verhalten. Nach den Songs gab es immer tosenden Jubel, aber die Leute wollten nicht so richtig mitsingen, klatschen und von ihren Stühlen runter. Bei
Animal Nation klappte dementsprechend das Mitsingen auch nicht und Peter kapitulierte. Er legte sich auf die Bühne und wartete, bis das Publikum anfing zu singen. Von dem Moment an war das Eis in Toronto gebrochen.

Die Witwe von Nusrat Fateh Ali Khan saß im Publikum und Peter erklärte: „You can hear his voice on the next track and maybe his spirit is in the air. His widow is among you and I dedicate this song to her“.


Denver

Peters Stimme war bei diesem Konzert auf dem Nullpunkt, was dazu führte, dass man den Set kürzte (kein
Shock The Monkey, nur eine Zugabe). Bei Sky Blue war es besonders zu merken, dass Peters Stimme angeschlagen war, denn diesen Track setzte er sprichwörtlich in den Sand. Nach In Your Eyes kam Peter nochmals auf die Bühne und erklärte, dass er stark angeschlagen sei und alles gegeben hätte.


Nachlese

Peter Gabriel live nach fast 10-jähriger Pause, das war schon eine feine Sache. Die größte Frage stellte man sich natürlich vorher: Würde er auch mit 52 Jahren noch fit genug sein für eine derartige Konzertreise? Die Antwort ist ein klares Ja! Bis auf 3 oder 4 Shows, in denen seine Stimme angeschlagen war, konnte Peter sowohl mit seiner körperlichen Fitness, als auch mit seiner immer besser werdenden Stimme überzeugen. Einge Songs bekamen eine ordentliche Frischzellenkur verpasst, so klangen Secret World und Shock The Monkey wesentlich besser als auf vergangenen Tourneen. Dagegen zeigten sich Schwächen bei Red Rain, das lange nicht die emotionale Intensität wie auf dem Album herüberbringt. Richard Evans ist allein schon durch die Flöte bei Mercy Street eine Bereicherung. Allerdings kann man ihn kaum hören, wenn er Akustik-Gitarre spielt.

Zur anstehenden Europatour darf man erwarten, dass Peter den Set etwas umstellen wird. Der Kern der Show wird sicher der gleiche bleiben. Aber wie er schon die Nordamerikaner mit Animal Nation überraschte, so wird er im April und Mai mit Sicherheit auch die europäischen Fans zu überraschen wissen. Und so stellt man sich die zweitgrößte Frage nachher: Wird er noch mal wiederkommen? Nun, das steht in den Sternen, möglicherweise kommt er dann im September, aber wir wissen nicht, in welchem Jahr.

Autor + Fotos: Christian Gerhardts