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Peter Gabriel – Encore Series 2009 – Rezension [CD]
Nach der (Still) Growing Up Tour 2003/04, der Warm Up Tour 2007, hat Peter Gabriel auch 2009 zu seiner Lateinamerika-Tour wieder Soundboardaufnahmen als Encore Series veröffentlicht. Die Tour umfasste diesmal nur 7 Konzerte – wir geben in alle Mitschnitte einen Einblick.
Ein weiteres Mal ist Peter Gabriel auf Tour gegangen. Im Jahr 2009 war diesmal, nach langer Abstinenz, Lateinamerika dran. Wie schon zu den letzten Touren seit 2003, gibt es auch diesmal wieder von jedem Konzert einen Soundboard-Mitschnitt, also eine direkt aus dem Mischpult überspielte, unbearbeitete Aufnahme – quasi einen offiziellen Bootleg. Im Folgenden soll nun eine Übersicht über die einzelnen Aufnahmen dieser Encore Series 2009 gegeben werden.
Die Tour fand in der zweiten Märzhälfte statt und umfasste 7 Konzerte – also eine eher kurze Veranstaltung. Über das Warum-das-Ganze ist vielfach spekuliert worden. Letztendlich wird man aber von außen nicht endgültig beantworten können, ob Peter Geldmangel, Mitleid, Verpflichtungen oder einfach nur Lust auf Bühne hatte. Tatsache ist aber, dass er in den Ländern Südamerikas sehr populär ist (angeblich mehr als hier) und die Sache mit nicht zu geringem Aufwand betrieben hat.
Setlist
Die Songs waren – nicht unerwartet – aus den Programmen der letzten Konzertreisen zusammengestellt. Die Growing Up Tour war ja an den jetzt angefahrenen Orten im Prinzip vorbei gegangen, die Warm Up Tour sowieso. Da war es zu vermuten, dass Peter die Best ofs dieser Shows spielen würde – und so kam es auch. Die Liste der gespielten Stücke sah im Allgemeinen bei allen Konzerten gleich aus. Die geringfügigen Abweichungen bestanden darin, dass auf dem allerersten Konzert Father, Son noch nicht mit dabei war, dass in Santiago de Chile zusätzlich Wallflowergemeinsam mit der Gruppe Inti Illimani dargeboten wurde, und dass der Song an Position 12 variierte. Vor allem Letzteres ist von Bedeutung, da auf diese Weise zweimal Down To Earth, dreimal Big Time, und jeweils einmal Come Talk To Me und Burn You Up, Burn You Down verewigt ist.
Band
Die spielerische Qualität ist durchwegs sehr hoch. Peters Verfassung ist im Großen und Ganzen einigermaßen stabil, am Ende der Konzerte ermüdet seine Stimme des öfteren, ansonsten tritt er mit frischem Mut auf und schafft es sogar weitgehend auf die berüchtigten Fuck ups zu verzichten. Die Band ist gleich mit derjenigen von 2007. Das bedeutet, dass auch die rotationsreiche Position an den Keyboards erneut mit Angie Pollock besetzt ist. Das ist nicht nur für das eingespielt sein gut, ganz grundsätzlich ist ihre Energie eine Bereicherung für die Band, und ihre Variation des In-Your-Eyes-Solos ist mittlerweile angenehm-ungewöhnlich geworden. Die übrigen Bandmitglieder spielen engagiert und routiniert wie man sie kennt. Auch Melanies Darbietung von Mother Of Violence wird immer besser und mittlerweile wird sie von Daddy gar nicht mehr groß angesagt sondern legt einfach los.
Arrangements
Einige grundsätzliche Abweichungen vom Altbekannten seien noch erwähnt. Als Intro fungiert Zaar, welches auf den Aufnahmen auch immer mit drauf ist (aber meist ausgeblendet wird). Games Without Frontiershat einen neuen Rhythmustrack als Grundlage, der zwar flott aber auch glatter ist – dadurch fehlt leider der Biss noch mehr. Darknesswird erstaunlicherweise am Ende ausgeblendet, The Tower That Ate Peopleklingt nicht mehr ganz so brachial wie noch 2004, sondern irgendwie raffinierter. Bei In Your Eyes singt Melanie nun dauerhaft im Intro den Part, der bisher traditionellerweise ein Youssou-Sample war. Das klappt mal mehr, mal weniger gut. Auch Red Rainbekam einen neuen Rhythmustrack und groovt jetzt etwas besser und für Bikowird das Schlagzeug sehr trocken und hart verfremdet.
Die übrigen Stücke kommen im Großen und Ganzen so daher, wie man sie aus früheren Konzerten kennt. Manchmal wäre ein bisschen frischer Wind sicher ganz schön – auf jeden Fall abwechslungsreicher.
Technisches
Die Klangqualität der einzelnen Encores ist wie gewohnt brilliant – bei den Abmischungen gibt es jedoch Qualitätsschwankungen, die in den Einzelbesprechungen genauer aufgeführt werden. Dass die Konzerte in großen Arenen stattfanden und dass das Publikum hocheuphorisch war, ist meist deutlich zu hören. Dadurch wirken die Konzerte frischer als etwa diejenigen von 2007.
Die sieben Shows im Einzelnen
18.03.2009 Caracas, Campo Futbol USB, Venezuela
Die Eröffnungsshow der Tour leidet noch deutlich an Unsicherheit. Die Band flattert und spielt oft nicht zusammen. Peter macht weitgehend den Eindruck, sich auf anderes als singen konzentrieren zu müssen. Zudem hat die Örtlichkeit ein hässliches Echo, welches bei den Ansagen und gelegentlich auch bei der Musik (da dann aber auch richtig störend) wahrzunehmen ist. Das Publikum ist kaum hörbar, das macht wenig Stimmung. Bei Blood of Eden wird der Chorgesang immer unsauberer, zum Schluss hin klingt das ziemlich kläglich. Dafür ist hier die Version von Down To Earth gelungener. Konzentriert und feinfühlig gespielt – gleichmäßig ausgesteuert. Nur den Schlussteil hätte die Band noch ein wenig mehr ausfeilen können. Recht viele Fuck ups von Peter – der beste ist, dass er lang und ausführlich Darkness ansagt – um dann festzustellen, dass auf der Setliste Mother of Violence steht.
20.03.2009 Lima, Estadio Monumental, Peru
Das zweite Konzert ist schon gelungener. Der Mix bringt viele Details hervor. Peter jedoch scheint stimmlich angeschlagen und muss sich des öfteren schonen (vor allem bei hohen Passagen). Auch das Spiel der Musiker wirkt nicht völlig rund. San Jacinto ist zwar durchaus beseelt, Down To Earth hier leider nicht so gelungen. Zwar bringt auch hier die Abmischung einige schöne Details zutage, aber im Ganzen wirkt sie nicht so ausgewogen. Schade dass der Song danach nicht mehr gespielt wurde, angeblich um den Gesamtschwung des Abends zu heben. Sicher hätte er aber (an einer anderen Position) noch eine gute Wirkung erzielen können. Ein kleines Fuck up in Down To Earth.
22.03.2009 Buenos Aires, Estadio Velez Sarsfield, Argentinien
Diese Show wirkt frisch. Es herrscht gute Stimmung in der Arena, was man auch hören kann. Der Mix ist fein, man hört viele Details und Peters Stimme scheint fit zu sein. The Rhythm Of The Heat ist sinnlich, bei Mother Of Violence hört man viel Gitarre, was schön ist. Dafür ist Darkness am Beginn übersteuert! (Man darf raten, an welchen Stellen.) Big Time gibt’s das erste Mal und mit sattem Chorgesang – ansonsten bleibt’s aber eher noch wackelig. Zu Solsbury Hill wird vom Publikum ein neuer Mitsingchorus erfunden und von Peter gleich aufgegriffen. Nur ein Fuck up – natürlich bei Secret World.
24.03.2009 Santiago de Chile, Estadio Nacional, Chile
Leider ist die Abmischung dieser Show nicht geglückt. Peter ist oft zu leise (Intruder) und auch manch anderes verliert sich gelegentlich. Zusätzlich ist die Gesamtleistung der Band unharmonisch und des öfteren kommt ein Song ins schlingern. Durch das Saalecho bekommt The Rhythm Of The Heat zwar etwas mystisches, der Mix von Steam geht aber völlig in die Hose, und Big Time wirkt zäh. Bei Wallflower handelt es sich in erster Linie um eine saiteninstrumentale Version von Inti Illimani – Peters Band bleibt im Hintergrund. Da der Song nur dieses eine Mal gespielt wurde, ist seine Darbietung weit entfernt von ausgereift. Schade, dieses Lied hätte es verdient öfter und besser gespielt zu werden. In der Mitte von In Your Eyes gibt ein Musiker von Inti Illimani noch ein eigentümliches Klarinettensolo – mal was anderes. Im Ganzen nur zwei kleine Fuck ups.
27.03.2009 Mexico City, Foro Sol, Mexiko
Bei dieser Aufnahme wurde diesmal Peter etwas mehr in den Vordergrund gemixt. Das gibt allem viel Kraft. Auch die Arrangements treten deutlicher hervor und brillieren so gut wie bisher kaum. Nur Peters Stimme ist im zweiten Teil deutlich mitgenommen. Die Version von Games Without Frontiers wirkt durch die Dominanz der Keyboards beinahe funky, dagegen verliert sich das Xylophon von No Self Control im Soundbrei. Mother Of Violence strahlt so zahrt und kraftvoll, wie nirgends bisher. Auch The Tower That Ate People kommt mit vielen Details und starker Energie daher, genau wie Red Rain. Bei San Jacinto aber gibt es am Schluss eine geradezu disqualifizierende Rückkopplung. Trotzdem: Dies ist sicher eine der besten Aufnahme der Reihe. Ein kleines Fuck up in Secret World(wo sonst).
29.03.2009 Guadalajara, Arena VFG, Mexiko
Da (auch) dieses Konzert in einer Halle stattfand, hört sich das Publikum recht nahe an. Die Stimmung wird von Song zu Song besser und scheint alle zu euphorisieren, bis man gegen Ende das Gefühl hat, dass dadurch gelegentlich kleine Fehler unterlaufen. Macht aber nichts. Peter gibt stimmlich beinahe fast alles, der Mix ist sehr klar. Hier ist zum einzigen Mal auf dieser Tour Come Talk To Me zu hören. Ob das geschah um vor der Band die Probenarbeit zu rechtfertigen oder die Attraktivität der Encore-Series zu erhöhen, sei dahingestellt. Die Umsetzung hat jedenfalls Kraft, wirkt aber trotzdem nur mäßig geglückt, unter anderem weil sich Peters Stimme wieder erschöpft hat. Bei Solsbury Hill wird der Livemix immer an der “boum boum boum”-Stelle merkwürdig zurückgefahren – klingt nicht schön. Peter lacht aus unbekanntem Grund bei In Your Eyes wenn Tony tut, als würde er mit tiefer Stimme singen. Und lustig ist auch, dass Peter zur Schlussverbeugung nochmal der Reihe nach alle Namen der Bandmitglieder aufruft und an entsprechender Stelle “me” sagt. Wegen gelungener Versionen von Games, Control, Signal und Father, Sonist dies ein eher herausragender Mitschnitt. Bei Red Rain gibt es drei Fuck ups.
31.03.2009 Monterrey, Nuevo León, Mexiko
Auf dem Abschlusskonzert ist in der Abmischung das Publikum wieder verhaltener, Peter ist nicht richtig fit und seine Stimme wird im Verlauf immer kratziger. Alle Beteiligten wirken irgendwie müde. Im Gesamtmix treten hier besonders die Gitarren in den Vordergrund. Zu Intruder hört man sehr bestechend die Arbeit von Tony Levin am Chapmanstick. Auch bei San Jacintosind im Soundloop diesmal ganz ungewöhnliche Details wahrnehmbar, was interessant ist. Und es wird zum einzigen Mal Burn You Up, Burn You Down gespielt – eine energievolle, aber recht grobe und abenteuerliche Version. Ansonsten bleibt das Konzert in der Gesamtleistung solide Routinearbeit aller Beteiligten. Es gibt keine Abschlussgags, wohl aber drei Fuck ups.
Autor: Thomas Schrage
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