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Peter Gabriel – Classic Records: 45rpm 4-LP Vinyl Special
Classic Records haben für Freunde der audiophilen Tonträger einige Gabriel-Alben neu aufgelegt – als hochwertige, einseitig bespielte 45rpm 4-LP-Sets. Andreas Eifler erklärt, was es damit auf sich hat.
Schon seit über 20 Jahren wird in HiFi-Kreisen das Thema „Analog vs. Digital“ leidenschaftlich diskutiert. Die einen schwören auf den, angeblich, wärmeren Vinylsound, die anderen auf die ausgereifte und komfortablere Digitaltechnik. Die neu veröffentlichten Peter Gabriel Clarity Vinyl-Scheiben legen jetzt die qualitative Meßlatte für die analoge Musikwiedergabe eine Stufe höher.
Schon im Jahre 2000 wurden von Classic Records die offiziellen Peter Gabriel Alben als 200g QUIEX SV-P Vinyl -Highend Editionen- veröffentlicht. Umso überraschender kam die Ankündigung einer Neuauflage seiner ersten fünf Studioalben im Spätjahr 2009. Was sollte an dieser, absolut perfekten, 2000er Ausgabe noch verbessert werden?
Nun, der neue Slogan heißt „Clarity Vinyl 45 RPM Series“ und verspricht die Steigerungsform auf „absolute Perfektion“ zu sein. Jedes Album ist in einer roten aufwändigen 4-LP Box verpackt, welche durch eine weiße Banderole versiegelt ist. Im Karton befinden sich, eingebettet in Luftpolsterfolie, die vier durchsichtigen Vinylscheiben und ein Reprint des Plattencovers der Auflage von 2000. Auf der bespielten Seite sind die Labels einfarbig bedruckt, die leere zweite Seite wurde mit einem Stroboskopring versehen welcher es ermöglicht die exakte Drehgeschwindigkeit zu überprüfen.
Für den ersten Hördurchlauf legte ich die Peter Gabriel I auf den Teller meines Laufwerkes Acoustic Solid Small Machine. Zunächst ist jedoch der Antriebsriemen von 33 1/3 auf 45 rpm (revolutions per minute) zwecks schnellerer Übersetzung umzulegen. Vorteil der schnelleren Drehzahl ist die dadurch ermöglichte höhere Speicherdichte der Musiksignale.
Nachdem sich die Nadel meines Tonabnehmers (Audio-Technica AT95E ) in die extra tiefgeschnittenen Rillen gesetzt hat traute ich meinen Ohren nicht. Die ersten Klänge von Moribund the Burgermeister bestechen durch Feindynamik, Details und Nuanciertheit, so realistisch und unmittelbar, als ob man dem Sänger beim Singen bis auf den Gaumen blicken könnte. Weder ein Rauschen noch ein Knacksen ist der sauber, ohne Höhenschlag, gefertigten Vinylscheibe zu entlocken, was unter anderem eine Folge der neuen Vinylmischung [SV-P II-Vinyl -Clarity Vinyl genannt-] ist.
Wesentlicher Materialbestandteil ist das beste verfügbare Co-Polymer, darüber hinaus wurde auf schwarze Carbonfarbe verzichtet welches magnetische Metallspuren enthält und elektrische Störungen im Tonabnehmer verursacht. Weitere Maßnahmen die zur Reduzierung der Oberflächengeräusche beitragen sind die einseitigen Pressungen [Single Sided-Pressed] welche tiefere Rillen und damit größere Rillenmodulationen ermöglichen. Darüber hinaus wird durch die größere Vinylmasse [200g] die Übersprechdämpfung reduziert.
Schon nach dem zweiten Song, Solsbury Hill,muss man zum ersten Mal die Platte wechseln die in einer teuren Nagaoka-Hülle aufbewahrt wird. Nur 2-3 Songs sind pro Platte enthalten, was dem Umstand des Spurfehlwinkels geschuldet ist. Dieser Spurfehlwinkel wird durch geometrische Unzulänglichkeiten des Tonarmes (bei mir im Einsatz: Rega 250 B) verursacht. Somit werden in das letzte Drittel jeder Plattenseite, wo der Spurfehlwinkel am größten ist, keine Rillen geschnitten. Das viermalige Wechseln der Platte (pro Album) ist für den Musikkonsumenten im Zeitalter von MP3 und Shuffleplay natürlich unakzeptabel. Dem Vinylfreak kann es jedoch alleine durch den Umgang und die Haptik mit dem edlen Material und der faszinierenden Laufwerkstechnik ein sinnliches Vergnügen bereiten.
Ein Sturzbach der Emotionen erzeugt Here Comes the Flood das einen regelrecht in ein unheilvolles Geschehen hineinzieht.
Auch bei Intruder, vom dritten Peter Gabriel Album, stockt einem schier der Atem wenn sich Schallereignisse in den Raum hineinbewegen und das Gefühl konkreter Bedrohung erzeugen. Genau darum geht es auch bei der audiophilen Musikwiedergabe, nämlich dem Erzeugen von Emotionen, die einen durch eine detailliertere, räumlich-gestaffelte Klangkulisse ein Stück mehr in ihren Bann ziehen als bei normalen, oberflächlichen Hörgewohnheiten.
Ein audiophiles Highlight wird Peter Gabriel IV wohl nicht mehr werden. Daran änderte auch das Mastering und der Transfer von den originalen 1/4″-2-Spurbändern nichts, welches von dem hochgeschätzten Bernie Grundman überwacht wurde. Zu experimentell waren die Aufnahmetechniken die Gabriel zu jener Zeit verwendete.
Ganz anders verhält es sich da bei dem 1986 erschienenen Album So. Atemberaubend, wie hier bei Sledgehammer Levin’s Bassspiel bis in tiefste Regionen sauber gestuft hinabsteigt ohne zu geblähtem Tieftonbrei zu verkommen. Auch Verzerrungen, wie sie zum Beispiel oft bei S-Lauten vorkommen, sucht man vergebens. Es macht einfach Spaß, in die Aufnahme hineinzuhorchen und einzelne plastische Details der Instrumente in ungeahnten Klangräumen zu entdecken. Zwar bedeutet auch diese Weiterentwicklung nicht das Ende der „Analog vs. Digital“-Diskussion, dennoch wird hier durch eine Reihe von kleinen technischen Maßnahmen ein in der Summe deutlicher Qualitätssprung erreicht.
Negativ sind mir jedoch die nicht hundertprozentig zentrierten Lochungen aufgefallen. Des Weiteren trüben auch hier, nach einigen Durchläufen, Staubpartikel und elektrostatische Ladungen den Hörgenuss. Dieser Makel lässt sich jedoch durch eine fachgerechte Plattenwäsche in Grenzen halten. Der Anschaffungspreis von ca. 80 Euro ist natürlich enorm, man sollte jedoch berücksichtigen, dass diese limitierten Editionen nicht lange im Handel erhältlich sein werden und in Sammlerkreisen den Wiederverkaufswert zu 100% oder mehr erhalten werden, vorausgesetzt der Zustand der LPs lässt dies zu.
Erschienen sind*:
Peter Gabriel – I, 4 Discs Set
Peter Gabriel – II, 4 Discs Set
Peter Gabriel – III, 4 Discs Set
Peter Gabriel – IV, 4 Discs Set
Peter Gabriel – So, 4 Discs Set
Deutsche Anbieter findet ihr unter diesem Link
weitere Links:
http://www.classicrecords.com/
http://mugsy.classicrecords.com/blog/clarity/45%20box%20w-band.jpg
Autor: Andreas Eifler 6 | 2010