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Peter Gabriel – Back To Front Tour 2013 – Europa Tourbericht

Nach seiner Nordamerika-Tour waren die europäischen Fans erleichtert, als Gabriel genau ein Jahr nach seiner geplanten Auszeit die Fortsetzung der Tour in Europa ankündigt. Was 2013 in Europa passiere, kurioses, anderes – Christian Gerhardts und Axel Beringer erläutern euch die Back To Front Tour 2013 – in einem etwas anderen Tourbericht.

Es war ein bisschen wie 2002. Europa? Nein, wir touren in Nordamerika. Und dann mal sehen. Tatsächlich drohte dieses Mal der Supergau: Direkt nach der Nordamerika-Tour 2012 startete Gabriel sein „Sabbatical“ und somit gab es erhebliche Zweifel daran, ob die Back To Front Tour auch in Europa zu sehen sein würde – nicht zuletzt auch deswegen, weil die ursprüngliche Tour 2013 schon mindestens 26 Jahre her sein würde. Aber solche Zahlen interessierten Gabriel schon immer wenig. Das So Anniversary Boxset ist eben auch kein silbernes Jubiläum gewesen, sondern ein Gabriel-Jubiläum. Wir feiern das 26. Jubiläum mit einem Boxset. Das ist auch ein Konzept. Insofern fielen die Steine von allen Herzen, als schließlich wirklich Konzerte für Europa 2013 angekündigt wurden.

Es gibt bereits ausführliche Dokumentationen zu den Shows 2012. Aus diesem Grund werden wir in diesem Bericht die europäischen Besonderheiten beleuchten.

Termine und Hallen

Alle Konzerte fanden von Ende September bis Ende Oktober 2013 statt. In jeder Stadt gab es jeweils ein Konzert – mit Ausnahme von London, wo zwei stattfanden. Peter bespielte viele Hallen, die den Fans bereits von früheren Tourneen vertraut waren, darunter das Forst Nationaal in Brüssel, die Arena in Leipzig, die O2 Worlds in Prag, Hamburg und Berlin, den Palais Omnisport in Paris-Bercy oder das O2 in London. Manche Hallen hatten einfach ihren Namen geändert, teilweise auch zwischen Konzertankündigung und dem Konzert selbst, so zum Beispiel die MRC Arena in Manchester. Tourstart war in einer absolut unbekannten Halle in Herning, Dänemark. Zumindest die Stadt ist für Genesis-Fans nicht unbekannt – dort fand 2007 das zweite Konzert der Turn It On Again Tour von Genesis statt. Dazu gab es mal wieder ein Konzert in Amsterdam sowie einen selten gewordenen Besuch in Wien. Die Gabriel-Hochburg Italien musste sich mit einem einzigen Konzert in Mailand begnügen. Konzerte in Genf hatten auf früheren Tourneen eher Seltenheitswert. Ein Novum war Zagreb – hier hatte Peter noch nie gespielt und zum Zeitpunkt der Show würde Kroatien EU-Mitglied sein. Das Konzert musste aber verlegt werden, da der Promoter pleite ging. Somit fand die Ersatzshow im serbischen Belgrad statt – außerhalb der EU.

Wieder einmal ohne Show blieben Spanien und Portugal. Auch Griechenland, immerhin Schauplatz des Konzertfilms Live In Athens 1987, wurde dieses Mal nicht berücksichtigt. Die skandinavischen Länder Finnland, Schweden und Norwegen mussten 2013 ebenfalls auf Konzerte verzichten. Das gleiche gilt für weite Teile Osteuropas.

Die meisten Locations der Tour waren normale Veranstaltungshallen. Etwas merkwürdig war diejenige in Herning, hier gab es auch prompt massive Soundprobleme. Zum ersten Mal spielte Peter im ISS Dome Düsseldorf. Die Eishockeyhalle in Unterrath ist eine Blechkiste mit grenzwertigen Anfahrtmöglichkeiten. Überraschenderweise gelang in dieser Blechkiste aber ein guter Sound.

Gabriel wird statisch – keine Setlistvariationen

Peter Gabriel live Europe 2013 BerlinNun, nicht ganz. Tatsächlich gab es eine Variation. Zu Beginn spielte Gabriel etwas überraschend Games Without Frontiers. Nach nur zwei Shows flog der Song aber wieder raus. Auf der Nordamerika-Tour gab es zum Ende des ersten Sets entweder Washing Of The Water oder Humdrum. Schon dort gab es somit kaum Variationen. In Europa zementierte Gabriel den Set ab Brüssel dann völlig. Den zweiten Teil der Show beschloss aber zumindest ein völlig neues Stück, der Song Why Don’t You Show Yourself aus dem Film Words With Gods, der 2014 erscheinen soll.

Showelemente: Neues, altes, verändertes

Da sich der Set nicht entscheidend änderte, gab es auch kaum Änderungen in der Live-Show. Einige Dinge sind aber dennoch bemerkenswert: Die Magic Cubes von den ersten beiden Abenden in Herning und Amsterdam waren einmal mehr ein neues, verspieltes Element zu Games Without Frontiers. Es erinnerte etwas an 2003, als Gabriel die Segways auf die Bühne holte. Das Problem der Magic Cubes war wohl, dass sie nicht den gewünschten Effekt brachten. Tatsächlich wirkten sie mehr wie ein Fremdkörper während der Show – was wohl auch ein Grund ist, warum damit auch gleich der ganze Song gekippt wurde.

Insgesamt enthielt die Show aber einige interessante Details. Die ersten drei Songs wurden wie schon in Amerika mit Hallenbeleuchtung gespielt. Trotz Erklärung fand das Publikum diesen Effekt größtenteils merkwürdig. Ein „Licht aus!“ war jedenfalls häufiger mal zu hören. Umso genialer war der Effekt bei Family Snapshot, als in der Mitte des Songs, mit Beginn der „schnellen“ Passage, plötzlich von Hallenlicht auf Bühnenlightshow umgeschaltet wurde. Das klappte mal besser, mal schlechter. In Stuttgart etwa dimmte das Hallenlicht nach und nach weg und in Berlin gingen die Lichter nicht zusammen, sondern separat und nacheinander aus.

Dann begann die schwarz-weiß Phase der Show. Es gab bis zum Ende des „elektrischen“ Teils nicht ein einziges Mal farbiges Licht. Nur weiße Strahler und Blitzelemente begleiteten und prägten diesen Showteil. Am Ende von Family Snapshot, während der Zeile „I shoot into the Light“, bei der auch das Foto der Header-Grafik entstand, erhob sich erstmals einer der Kräne. Danach folgt bei Digging In The Dirt und Secret World eine Reizüberflutung an Lichteffekten. Zusätzlich kamen erstmals die Videoleinwände zum Einsatz. Verzerrte Bilder der Musiker erinnerten an die Secret World Tour. Bei Secret World bewegten sich geometrische Formen über die Leinwände, in denen die Musiker zu sehen sind, bis sich am Ende die gesamte Band auf der Leinwand präsentiert. Erstmals war dann der Lichtkranz unter der Hallendecke bei The Family And The Fishing Net im Einsatz. Er kam herunter, „setzte“ sich auf einen der Lichtkräne, der am Ende des Songs Nebel nach oben ausstieß. Gespenstisch war es bei No Self Control, wenn Gabriel von den Lichtkränen „gefangen“ genommen wurde. Diese beklemmende Momente waren grandios. Interessant: Die Kräne wurden manuell bedient!

Why Don’t You Show Yourself war eine Bereicherung für den Set. Der neue Song, am ehesten als Ballade zu umschreiben, bestach durch eine schöne Melodie und den Einsatz eines Cellos.

Im So-Teil schließlich wurde es farbig. Rot und Blau bei Red Rain, bunt bei Sledgehammer und Big Time. Interessant: Bei Don’t Give Up trug Gabriel einen Koffer quer über den hinteren Bühnebereich, als Jenny Abrahamson singt. Eine Hommage an die Secret World Tour?

Noch etwas ausgefeilter war Mercy Street– Gabriels liegende Performance wurde von mehreren Kameras kongenial eingefangen – inklusive einer „Skykamera“, die von oben herabgelassen wird. Die Beklemmung kehrte mit We Do What We’re Told zurück, wenn die Kräne komplett vorn auf der Bühne symmetrisch angeordnet waren. Bei This Is The Picture spielte die Band nicht mehr im Stehen vorne ihre Modern-Talking-Instrumente, sondern verblieb an ihren angestammten Plätzen. Somit fiel die „in-show-introduction“ der Band weg. 1986/87 fand diese auch bei This Is The Picture statt. In Europa war dafür offenbar Games Without Frontiers vorgesehen, in dem Magic Cube Intro wurde die Band nach und nach eingeführt. Schließlich wurde aber Games Without Frontiers aus dem Set gekippt und damit auch ein Band-Intro (abgesehen von der Introduction nach O But).

Showhighlight ist vermutlich The Tower That Ate People. Der herabkommende Lichtkranz und die Stoffhülle, in der Gabriel verschwindet, lassen Genesis Fans unvermeidlich an The Lamia denken.

Kuriositäten und Fuck Ups

Gleich zwei Mal war Sledgehammer von einem Fuck Up betroffen. In Herning fiel eine Strophe lang Gabriels Mikro aus, in Berlin gab es Probleme mit dem Bass, was wiederum David Sancious aus dem Konzept brachte und er das Bläsersample zu spät spielte. In Leipzig und Manchester brach Gabriel Come Talk To Me ab und startete es neu.

Kurioses auch in Amsterdam: Secret World wurde in einer Art Edit gespielt. Grund dafür dürfte ein falsch eingespieltes Background-Sample sein. Interessanterweise fällt das so gut wie nicht auf, die Band spielte den Song „souverän kürzer“, es fehlte einfach der gesamte Mittel- und Endteil.

Film ab: Kamerachaos in London

In London wurde an zwei Abenden für die kommende Blu-ray und das Kinoerlebnis gefilmt. Dabei wurden an beiden Abenden Extra-Kameras aufgestellt, jedoch (wie schon bei New Blood) kein identisches Setup. Am ersten Abend gab es vor allem einen Riesen-Kran auf Soundboardhöhe, am zweiten Abend weitere querlaufende Kameras auf Schienen. Dazu wurde während des gesamten Konzerts zusätzlich farbiges Deckenstreulich eingesetzt, in der Regel in blau, grün und rot.

Peter Gabriel hatte im Vorfeld der Show bei Facebook die Zuschauer dazu aufgegrufen, im Rahmen einer Crowdsourcing-Aktion das Konzert auf Smartphones mitzuschneiden, vor allem aber In Your Eyes und Big Time. Am Konzertabend verkündete der Filmproduzent Hamish Hamilton aber etwas völlig anderes. Hier war nun von This Is The Picture die Rede. Das resultierte entsprechend in einem Chaos, da viele die Facebook-Nachricht kannten, andere nicht. Schließlich gab es noch Puristen, die solche Filmereien ohnehin ablehnten und eine Security, die wohl nur bei Hamish Hamilton hinhörte und dort auch nicht vollständig: die Security hatte die Order dafür zu sorgen, dass nur bei This Is The Picture gefilmt wird. Die Folge: Ständig wurden Zuschauer ermahnt, was nicht gerade förderlich war für die Stimmung. Dazu kam, dass die Zuschauer sich auch gegenseitig maßregelten.

Hitliste…

Diese Hitliste soll ein kleines Gimmick zur Tour sein, sie ist zu 100% subjektiv, allerdings zusammengetragen von einem, der es wissen muss, denn Axel hat bis auf eine alle Shows der Europa-Tour gesehen.

… die Stimmung

Ganz generell gab es einen Unterschied zwischen bestuhlten Hallen und Stehplatzkonzerten. Letztere waren lebendiger. Hier haben die deutschen Shows somit alle einen kleinen Vorteil. Aber auch in Brüssel und Mailand, wo es einen unbestuhlten Innenraum gab, sprang der Funke nicht so recht über – vermutlich waren diese Konzerte noch etwas früh im Tourplan. Manchester dagegen war ein Highlight, trotz Bestuhlung – ähnliches gilt für Prag. Hier wurde auch mutmaßlich das meiste Bier getrunken… Die berühmte Post-Konzert-Euphorie stellte sich flächendeckend erst ab etwa Genf ein.

TOP: Die deutschen Schows, Manchester, Prag

FLOP: Mailand, Amsterdam

… der Sound

Das Sounderlebnis ist immer abhängig von der Position, aber Axel hat bei allen Konzerten viele Meter absolviert und war mal hier, mal dort und konnte sich so einen guten Überblick verschaffen. Der Sound war im Vergleich zu früheren Tourneen eher enttäuschend. So konnte man zum Beispiel Manu Katché nie richtig gut hören, außer man landete direkt vor der Bühne. Die besten Sounderlebnisse lieferten dabei Leipzig, was durchaus etwas überrascht, und London. Hier war durch die Größe der Halle alles noch etwas bombastischer. In Glasgow dagegen war der Tiefpunkt, obwohl das neue HYDRO angeblich wegen seiner Akustik gebaut wurde bzw. die Akustik eines der Aushängeschilder sein soll …

TOP: Leipzig, London

FLOP: Glasgow

… die Hallen

Die O2-Arenen sind alle irgendwie gleich, auch wenn das Londoner O2 doch gigantischer ist als die anderen. Das Forst Nationaal in Brüssel ist eine richtig schöne alte, versiffte Halle mit Atmosphäre, während das HYDRO in Glasgow brandneu ist, von außen voll aussieht und innen kompakt ist. Paris ist ohnehin eine Legende.

Die Halle in Mailand ist ewig weit draußen, dazu ein langer Fußweg durchs Industriegebiet. Ähnliches gilt ja für Düsseldorf, dort kommt erschwerend hinzu, dass die Sicherheit doch sehr grenzwertig ist: Es gibt offenbar nur einen großen Zugang zum Innenraum.

TOP: Paris, Brüssel, Glasgow

FLOP: Amsterdam, Düsseldorf, Mailand

… Peters Gesang

Dürfte am schwersten zu beurteilen sein und wir verweisen hier auf den Encore Bericht.

TOP: siehe Encore Bericht

FLOP: siehe Encore Bericht

… Getränkepreise / Bier

Bier kostete meist zwischen 4 EUR und 6,50 EUR für den halben Liter bzw. ein Pint. Absolute Ausnahme war Prag mit 40 Kronen für ein edles Staropramen – das sind nicht mal 1,50 EUR. Katastrophal dagegen Paris, wo man 8,50 für ein unterklassiges Bier berappen musste (1664).

TOP: Prag

FLOP: Paris

… Zuschauer

Basiert eher auf einer Schätzung. Voll war es fast überall, außer in Herning und London II, aber dort ist die Halle riesig. In Genf könnte es die wenigsten Zuschauer gegeben haben, ggf. auch in Belgrad, aber da war Axel nicht …

meisten: London

wenigsten: Genf

… Security

War fast überall relativ entspannt außer in London, dort herrschte ein ziemliches Chaos. Die Einlassprozedur in Paris war völlig daneben – langer Marsch durch den angrenzenden, dunklen Wald, dann noch der Securitycheck.

unauffällig: überall außer Paris, London

daneben: London (bzgl filmen)

… Wetter

draußen kalt: richtig kalt war’s nirgendwo

draußen warm: Amsterdam und Brüssel – wie im Frühling

draußen Regen: Mailand, aber besonders Prag und Leipzig, Manchester sogar unwetterartig

… Raucherbereiche

Manche Locations bieten Raucherinseln an, oder man geht in einen abgesperrten Bereich vor die Tür. In London ist komplettes Nichtrauchen angesagt. Wer rauchen will, geht raus und die Karte verliert die Gültigkeit.

TOP: Düsseldorf, Brüssel

FLOP: London


Autor: Christian Gerhardts

Fotos: Lia Eastwood (Headergrafikfoto), Peter Schütz

Bestenliste erstellt mit Hilfe von Axel Beringer (pg100)