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Peter Gabriel – Back To Front: Live In London – Blu-ray + DVD Rezension und Infos
Seine umjubelte Back To Front Tour hat Peter Gabriel im Rahmen des 2013er Tourabschnitts wieder gefilmt. Ein Teilergebnis war bereits im Kino zu sehen, nun folgt die Veröffentlichung als Blu-ray und DVD.
Im Mai 2014 war Peter Gabriel für eine dritte Runde mit der Back To Front Tour unterwegs und für November und Dezember ist bereits der vierte Tourabschnitt angekündigt. 2013 wurden die beiden Abende in London für eine Veröffentlichung gefilmt – und am 20. Juni 2014 wird es nun soweit sein und das Ergebnis erscheint in gleich mehreren Formaten.
Berichte zu den einzelnen Tourabschnitten der Back To Front Tour sind unter diesem Link nachzulesen. Die Konzerte waren jeweils dreigeteilt: Es gab einen akustischen Block, dann einen elektrischen, düsteren Block und schließlich das Album So, farbenfroh und ohne Unterbrechung vorgetragen. Als Zugabe gab es noch ein Gimmick bei The Tower That Ate People und Biko.
Inhalt & Formate:
Im Vorfeld der Veröffentlichung wurde eine Version des Konzertfilms im Kino gezeigt. Diese Version war stark verkürzt und von Interviewsequenzen zwischen den Songs unterbrochen, die teilweise bis in den Song hineinreichten. Die Kinoversion ist Bestandteil der Deluxe-Boxsets, Herzstück aller Formate ist jedoch der ungeschnittene Konzertfilm.
Dieser Konzertfilm wird auf DVD und Blu-ray veröffentlicht. Die Einzel-Discs enthalten den (ungeschnitten) Konzertfilm sowie die Kurz-Doku „The Visual Approach“. Zusätzlich gibt es für beide Formate eine Deluxe-Edition mit einer Bonus-DVD bzw. -Blu-ray sowie zwei CDs, die das Konzert nochmals im Audio-Format enhalten. Es handelt sich bei dieser Doppel-CD nicht um eine Encore, sondern um den Konzertfilm-Mix (siehe unten). Die Deluxe Editions kommen in einem quadratischen Fotobuch, das Bilder von York Tillyer und Peter Gabriel selbst enthält. Dazu gibt es ein recht langes Vorwort, das den Bogen schlägt von der 1987er This Way Up Tour bis zur laufenden Back To Front Tour.
Besonderheiten
Bemerkenswert ist, dass das neue Stück, das während der Tour und auch auf den Encore CDs stets mit O But bezeichnet wurde, nun Daddy Long-Legs heißt. Außerdem erwähnt Gabriel Genesis: Er bestätigt die Vermutung vieler Fans, dass die Showeinlage bei The Tower That Ate People eine Hommage an seine Genesis-Zeit (The Lamia) ist.
Der Regisseur: Hamish Hamilton
Regie beim Film führte Hamish Hamilton, was er auch bereits bei den beiden Gabriel-Konzertfilmen Growing Up Live und Still Growing Up – Live And Unwrapped tat. Außerdem trug er auch die Verantwortung für einen der letzten Konzertfilme von Phil Collins, Finally: The First Farewell Tour.
Hamilton ist mit seiner Firma Done & Dusted eine feste Größe im Business und für anspruchsvolle Tourablichtungen mit teils abenteuerlichen Kameraperspektiven bekannt. Naben Gabriel und Collins sicherten sich auch Bands wie U2, The Rolling Stones, Robbie Williams, Madonna oder Eminem seine Dienste. Hamilton hatte für Gabriels neuen Konzertfilm auch wieder eine Reihe Ideen, wie Besucher der beiden Shows berichteten. Einmal ging es um Handyfotos während ausgewählter Songs, dann sollte ein einzelner Besucher aufspringen und „turn the lights off rufen“. Beide Aktionen fanden leider nicht den Weg auf die Blu-ray / DVD.
Zu erwähnen ist, dass Hamish Hamilton Back To Front: Live In London in Ultra High Definition 4K aufgenommen hat, was technisch gesehen nur in ausgewählten Kinos eine Relevanz hat – die Blu-ray
Veröffentlichung wird durch die ihr eigenen technischen Möglichkeiten limitiert. Hier gibt es also „nur“ Full-HD.
Der Film
Der Konzertfilm beginnt mit der Kaffeetassensequenz, genau wie in der Kinofassung. Gabriel erklärt kurz, was ihn von seinem Bühnen-ich unterscheidet und dann beginnt die Show – ohne weitere Interviewsequenzen. Die Kameraführung reicht von unaufgeregt bishin zu kreativ oder impulsiv. Hamilton gelingt es ausgezeichnet, den Film über die gesamte Länge nie langweilig erscheinen zu lassen. Beim Akustik-Teil wechselt er von Intimität und Nähe (Nahaufnahmen der Bühnemusiker) geschickt in Totale, beim elektrischen Teil verteilt er die Effekte dezent, aber wirkungsvoll. Bei So wird bzgl. der Live-Show an vielen „richtigen“ Stellen der nötige Drive transportiert, was bei einem Konzertfilm per se sehr schwierig ist. In manchen Songs wird geschickt zwischen normalem Bild und Effekten der Videoleinwände gewechselt. Dann gibt es einzelne Kamera-Einstellungen, bei denen Hamilton bewusst auf Schärfe verzichtet. Das betrifft zum Beispiel die Gabriel-Perspektiven, von einem der Lichtkräne aufgenommen, während The Family And The Fishing Net. Grundsätzlich ist es genau dieser Song, der im Vergleich zum Konzerterlebnis erheblich gewinnt – weil man die gesamten Details mitbekommt.
Bei Digging In The Dirt und vor allem Secret World kann ein Großteil der Wucht der Live-Shows in den Konzertfilm übertragen werden. Ohnehin ist Secret World, so viel Subjektivität muss man dem Rezensenten zugestehen, die Gabriel-Übernummer schlechthin. Der Song war nie ein Hit, aber immer ein Klassiker. Es ist sein Home By The Sea, unkaputtbar, immer ein absoluter Höhepunkt. Hamilton zeigt im elektrischen Teil generell kontrastreiche Details auf der Bühne, während im akustischen Teil noch der Wechsel zwischen Nah- und Fernschärfe sein Spielzeug war. Dazu kommen erheiternde Aufnahmen wie eine Einstellung von Tony Levin, der sich ein Plektrum auf die Stirn klebt, oder aber Details der Bandleistung – an der stelle sei wiederum Tony Levin erwähnt, der bei Secret World mit seinen funk sticks dreifingrig Keyboards spielt. Kinobesucher erinnern sich sicher auch an die Collage bei Solsbury Hill. Hamilton hatte hier die Aufnahmen verschiedener Touren vermischt. Das ganze wirkte wie eine Art Abschied, auch wenn es so sicher nicht gemeint war. Der reguläre Konzertfilm enthält diese Collage nicht, die auch bei Sledgehammer im Kino zu sehen war. Die Collagen sind aber natürlich auf der Bonus-DVD bzw. Bonus-Blu-ray vorhanden.
Bunt wird es im So-Teil. Hamilton gelingt auch hier ein Mix aus Totalen und Detailaufnahmen. Er verzichtet fast vollständig auf Verzögerungseffekte (so etwas ist am Ende von Don’t Give Up zu sehen), bietet dafür mit der Vogelperspektive interessante Einblicke, die nicht nur bei Mercy Street für besondere Sehmomente sorgen. Und nicht zuletzt gelingt es ihm immer wieder, die Kamera aus den absurdesten Perspektiven laufen zu lassen. Man wird faktisch auf die Bühne gezogen, ist mitten im Geschehen und im nächsten Moment hat man den kompletten Überblick. Interessanterweise wirkt Don’t Give Up nicht annähernd so intensiv wie im Konzert – was allerdings auch an dem vergleichsweise verhaltenen Jubel für Jennie liegen kann – in manchen Städten haben die Zuschauer vor Verzückung mitten im Song fast die Halle abgerissen. Im Kontrast dazu ist We Do What We’re Told extrem intensiv. Hier erlauben natürlich verschiedene Kameraeinstellung und die für diesen Song zuträgliche absolute Stille im Saal besonders bizarre Momente. Bei In Your Eyes kommt Daby Touré auf die Bühne, der Gabriel schon auf der (Still) Growing Up Tour supportete und auch bei diesem Song auftrat.
Bei den Zugaben gibt es eine zu erwartende Perspektive von Gabriel im Schlauch bei The Tower That Ate People. Zuvor sieht man den Kranz auf Gabriel herabsinken. Möglich macht das wieder die Deckenkamera, die auch schon bei Mercy Street Verwendung findet. Standesgemäß endet die Show mit Biko und dem bewegenden Ende mit der Einblendung des Fotos des besungenen.
Audio-Mix
Die Audiospur des Films ist zusammengeschnitten aus Teilen von London I und London II – teilweise wechselt das sogar innerhalb eines Songs. Die üblichen gabrielischen Studioergänzungen sind vermutlich auch vorhanden, aber bemerkenswert zurückhaltend eingesetzt. Verglichen mit den Encores klingt das Ganze ziemlich autentisch. Am Mix ist allerdings noch einmal deutlich nachgeschliffen worden und alles wirkt nun wesentlich ausgewogener. Immer wieder sind einzelne Instrumente gefällig in den Vordergrund geholt, beispielsweise die Drums bei Come Talk To Me oder Sancious‘ Gitarren Fill-Ins bei Shock The Monkey. Viele Songs haben auch ordentlich an Druck und Groove gewonnen – etwa Solsbury Hill oder Red Rain. Das macht Spaß und gibt vielem den entscheidenden Pfiff. Andererseits gibt es bei Family Snapshot einen merkwürdig deutlichen Schnitt an der Stelle, an der das Saallicht ausgeht. Das wirkt nicht richtig gelungen. Auch bedauerlich, dass man sich bei der ersten Strophe von Come Talk To Me für die tief transponierte Fassung von London II entschieden hat – da war London I doch dynamischer. Hat aber vermutlich seinen Grund im Bildschnitt des Films. Bemerkenswert noch die Bearbeitung der Drums bei Familiy And The Fishing Net: sie sind jetzt trockener und härter als auf den Encores, was aber ganz gut wirkt. Insgesamt ist die Tonbearbeitung also sehr gelungen und man kann nicht wirklich meckern.
Das 2CD Album
Das Livealbum ist jeweils auf den Deluxe Boxsets enthalten und ist im Wesentlichen eine Wiedergabe der Tonspur des Konzertfilms. Ansagen sind jedoch bis auf die zu Biko komplett herausgeschnitten. So beginnt das erste Stück Daddys Long Legs sofort ohne Applaus vorweg oder einer Einführung. Ein harter Start für ein Livealbum. Der anschließende Beifall wird dann ausgeblendet und der Wiedereinstieg zu Come Talk To Me ist wieder so hart. Ähnliches erleben wir noch einmal am Schluss nach In Your Eyes. Auch hier wird der Applaus ausgeblendet – und The Tower That Ate People beginnt dann mit einem harten Schnitt in einen langezogenen Ton hinein – etwas befremdlich. Ansonsten gibt es keine Überraschungen verglichen mit dem Film und insgesamt ist es ein rundes Livealbum einer gelungenen Tour mit toller Band.
Bonus-Material
Die Standard DVD oder Blu-ray enthält lediglich das sechsminütige The Visual Approach, eine typische Behind-The-Scenes-Doku – unterhaltsam, wenn auch etwas kurz.
Die Bonus DVD bzw. Bonus-Blu-ray beinhalten dagegen noch mehr Material. Zum einen ist das der Konzertfilm in der Kinofassung, bei dem nicht nur auf diverse Songs verzichtet wurde, sondern die vorhandenen Songs teilweise auch noch gekürzt sind. Für viele ein Ärgernis waren die Interviewsequenzen, die als Unterbrecher zwischen den Songs platziert sind und so manches Intro zerstören. Die Interviews selbst sind interessant, aber nicht separat aufrufbar.
Zusätzliches Material sind zwei weitere Spielereien: Zum einen gibt es eine Collagen-Version von In Your Eyes, die Hamilton für den Kinofilm nicht verwendet hat – wohl auch deswegen, weil diese Version ein paar Brüche aufweist und nicht so flüssig ist, wie die anderen beiden. So werden zum Beispiel die Special Guests am Ende der einzelnen Tourneen hintereinander hineingeschnitten. Außerdem gibt es eine Fan-Cam-Version von This Is The Picture. Hier hat Hamilton Fan-Videos, die alle YouTube-Qualität haben, zusammengeschnitten (mit dem Konzert-Ton der DVD). Wie viele verschiedene Perspektiven das insgesamt sind, haben wir nicht gezählt. An der Stelle stellt sich die Frage, ob man diese Version vielleicht sogar in den Hauptfilm integrieren wollte, es aber am Ende doch nicht tat – warum auch immer. Es ist jedenfalls ein nettes Bonus-Gimmick – nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Fazit
Einmal mehr geizt Gabriel nicht, sondern veröffentlicht ein Konzert mit kompletter Setlist. Dieses Mal macht er einen Rundumschlag und bringt den Konzertfilm einzeln und als Deluxe Edition im Artbook heraus – jeweils als DVD und Blu-ray. Abgesehen davon, dass die Sammler vermutlich deswegen stöhnen werden, hat er ein mehr als solides Werk vorgelegt. Ton und Bild sind grandios, die Kameraführung phänomenal. Vielleicht ist die hohe Qualität des Konzertfilms auch Grund dafür, dass man beim Bonus-Material denkt „naja, hätte etwas mehr sein können“. Aber sei’s, wie es ist: Man bekommt einen formidablen Einblick in die Tour und ein schönes Erinnerungsdokument.
Inhalt
Standard Disc
● komplette Back To Front Show mit allen Stücken
● „The Visual Approach“ – Featurette über das Entstehen der Show (6 min).
Deluxe Edition Box
1) Standard Disc
2) Bonus Disc:
● gekürzte Kinoversion der Show, inklusive Interviewsequenzen und „Montageversionen“ von Solsbury Hill und Sledgehammer
● In Your Eyes (Montageversion)
● This Is The Picture (Fan Cam Version)
3) DoppelCD: komplette Back To Front Show als Audio
4) 60seitiges Hardcoverbuch mit Fotos
Ton
Dolby Digital Stereo, Dolby Digital 5.1, DTS 5.1, DTS HD High Res Audio (Blu-ray)
Untertitel:
Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch, Portugiesisch, Italienisch
Trackliste
1) Daddy Long Legs
2) Come Talk To Me*
3) Shock The Monkey
4) Family Snapshot
5) Digging In The Dirt
6) Secret World
7) The Family And The Fishing Net*
8) No Self Control
9) Solsbury Hill
10) Show Yourself
11) Red Rain
12) Sledgehammer
13) Don’t Give Up
14) That Voice Again*
15) Mercy Street
16) Big Time*
17) We Do What We’re Told
18) This Is The Picture (Excellent Birds)*
19) In Your Eyes
20) The Tower That Ate People
21) Biko
* nicht in der Kinoversion (Deluxe Edition) enthalten
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