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Paul Carrack – Interview in Aschaffenburg 2003
Vor dem Konzert in Aschaffenburg am 23. Mai 2003 traf Helmut Janisch backstage im Colos-Saal Paul Carrack zu einem Interview.
it: Alle deine Soloalben bis einschließlich
Beautiful World nahmst du mit kompletter Bandunterstützung auf. Bei
Satisfy My Soul und den folgenden CDs änderte sich das. Warum spieltest du bei den letzten drei Alben fast alle Instrumente selbst?
Paul: Die Songs für
Satisfy My Soul schrieb ich zu Hause in meinem Studio. Ich begann die Stücke aufzubauen und aufzunehmen, so wie ich das auch in der Vergangenheit immer gemacht hatte. Früher habe ich dann als nächstes anderen Musiker und Produzenten hinzu gezogen. Aber meine Demos gefielen mir immer besser als das Endprodukt. Mit
Satisfy My Soulging ich einen anderen Weg, und machte alles selbst. Aber geplant war es nicht, es hat sich einfach so ergeben, und ich war glücklich damit, wie die Songs klangen. Die Musik ist sehr einfach und da braucht es keine phantastischen Musiker, sondern das richtige Gefühl.
it: Ist die Tatsache, dass du jetzt dein eigenes Studio hast, nicht auch ein wichtiger Punkt, warum du heute vieles selbst machst?
Paul: Nein, es ist eher so, dass ich nun auf meine musikalischen Instinkte vertraue. Die waren zwar früher auch schon da, aber ich hatte nicht das Selbstvertrauen, etwas alleine fertig zu stellen.
it: Wie kam es zur Gründung deines eigenen Plattenlabels Carrack-UK?
Paul: Es begann damit, dass ich
Satisfy My Soul selbst produzierte, und es mir gut gefiel, wie es klang. Ich wollte danach keine Plattenfirma mehr mit einbeziehen. Ich fühlte mich dabei sehr wohl, und freundete mich mit dem Gedanken an, den letzten Schritt zu gehen, und es selbst herauszubringen und zu vermarkten. Dieses Gefühl von Unabhängigkeit ist großartig.
it: Zu diesem Marketing gehört auch deine eigene Website. Bist du auch hier involviert, was Inhalt und Optik angeht?
Paul: Mein Keyboarder, Paul Copley, macht das, und wir sprechen praktisch jeden Tag über verschiedene Dinge rund um die Seite. Es ist eine schöne Sache, mit den Leuten in Kontakt zu kommen. Wir bekommen eine Menge E-Mails und Eintragungen ins Gästebuch.
it: Die Seite ist nun auch in deutscher Sprache online. Wieso gerade Deutsch?
Paul: Nun, wir fangen gerade an, mehr in Deutschland zu arbeiten, und daher ist das natürlich eine gute Sache.
it: Was inspirierte dich, für deine CD
Groovin‘ Werke anderer Künstler aufzunehmen?
Paul: Das hat mir einfach Spaß gemacht. Ursprünglich nahm ich „just for fun“ ein paar Sachen in dieser Art auf. Dann dachte ich aber, dass so ein Album gut in meinen Katalog passen würde. Außerdem nahm es den Druck von mir, denn ich hatte zu dem Zeitpunkt nicht viele eigene Songs geschrieben.
it:
Satisfy My Soul und
Groovin‘sind inzwischen wiederveröffentlicht worden, beide im Doppel-CD-Format mit jeweils einer zweiten CD mit Bonusmaterial. Wie kam es dazu?
Paul: Ich hoffe das klingt jetzt nicht zu zynisch und zerstört nicht zu viele Illusionen, aber der Hauptgrund ist, dass dadurch diese Alben in den Läden bleiben. Es ist ein Anreiz für den Handel, sich die CDs ins Geschäft zu stellen. Wir wollen damit nicht meine Fans ausbeuten. Das meiste Material der Bonus-CDs ist ohnehin schon anderswo erschienen, z. B. auf meiner DVD.
it: Aber leider nicht alles, und die Fans müssen sich darum das Album noch einmal kaufen, nur um an die Bonus-CD heran zu kommen.
Paul: Ich weiß, aber wenn wir das nicht tun würden, wären die CDs gar nicht mehr im Handel zu finden. Es ist keine tolle Situation, und viele Leute regen sich darüber auf. Wir werden wohl darüber nachdenken müssen, wie wir die Bonus-CD seperat anbieten können.
it: Das könnte man am besten über deine Website.
Paul: Ja, vermutlich.
it: Bei unserem letzten Interview sagtest du, du hättest bis dahin noch nicht die Zeit gehabt, dich auf deine eigene Karriere zu konzentrieren. Du müsstest noch herausfinden, was du wirklich tun willst. Wie denkst du heute, sieben Jahre und fünf Alben später, darüber?
Paul:
Inzwischen macht es mir Spaß, und ich stecke fast meine ganze Zeit in meine Soloprojekte. Es ist genau das, was ich immer tun wollte. Einen Großteil meiner Karriere habe ich damit verbracht, an Projekten anderer Musiker mitzuwirken. Dabei bin ich nicht automatisch meinen Ideen und Wünschen nachgegangen. Heute bin ich dazu in der Lage, denn ich habe mein kleines Label und meine Band, die mich unterstützt. Es ist ein tolles Gefühl und macht viel Spaß, in der Lage zu sein, Dinge auszuprobieren.
it: Wie sehen deine Pläne für den Rest dieses Jahres aus?
Paul: Ich werde nächste Woche Mike
treffen. Wir haben in den letzten Jahren einige Sachen geschrieben. Es gibt ein paar Dinge, an denen wir zusammen gearbeitet haben, aber ich weiß nicht, was daraus werden wird – vielleicht eine Filmmusik oder etwas ähnliches. Mike steht unter keinerlei Druck und er sieht es locker. Außerdem versteht er, dass ich einen eigenen Terminplan und eigene Projekte habe. Im Sommer werde ich mit Ringo Starr in den USA auf Tour gehen. Das wird sicher großartig. Ich werde Keyboard spielen und singen. Jeder in der Band wird ein paar seiner Hits singen. Im Herbst bin ich dann wieder solo auf Tour, und zwar in Großbritannien.
it: Es gibt also derzeit keine konkreten Pläne für ein Mechanics-Album, eine Tour oder ein einzelnes Konzert?
Paul: Nein, ich glaube nicht, dass es irgendwelche Konzerte geben wird. Das ist ziemlich unwahrscheinlich. Aber vielleicht wird es eine Art Projekt geben – ein Album oder einen Soundtrack.
it: Was bedeutete der Tod von Paul Young für dich?
Paul: Nun… es bedeutete einiges. Es war natürlich ein großer Schock. Es war für mich ein Schock, denn er war ein Kollege. Aber seine Familie hat das selbstverständlich am meisten getroffen. Alles andere ist im Vergleich dazu relativ unwichtig. Es bedeutete wahrscheinlich das Ende von Mike + The Mechanics, so wie wir waren. Ich persönlich würde mich sehr seltsam ohne ihn fühlen.
it: Die beiden Pauls als Sänger haben vermutlich die Mechanics zu einem Großteil ausgemacht. Kannst du dir vorstellen, dass es trotzdem eine Zukunft für die Band gibt?
Paul: Ich weiß es nicht. Im Augenblick habe ich kein Verlangen danach, ohne ihn weiter zu machen. Vielleicht ändert sich das in der Zukunft. Man wird sehen.
it: Hat Mike nicht mit dir darüber gesprochen?
Paul: Nun, wie gesagt, Mike… er hat an den Songs gearbeitet, die wir zusammen gemacht haben. Aber ich glaube, er kennt meine Gefühle. Ihr müsst ihn schon selbst fragen, was er darüber denkt.
it: Kommen wir noch einmal auf eines deiner Gastprojekte der letzten Zeit zurück. Bei Steve Hacketts Album
Genesis Revisited hast du zwei Songs gesungen. Was kannst du uns dazu sagen?
Paul: Die Tonart war zu hoch – daran erinnere ich mich. Ein Stück war besonders gut,
Your Own Special Way – es ist sehr schwer zu singen. Steve ist ein lustiger Typ. Die Sache hat Spaß gemacht.
it: Wie kamt ihr in Kontakt?
Paul: Ich glaube, er rief mich einfach an und fragte mich, ob ich Lust hätte, auf dem Album zu singen.
Vielen Dank an Paul für das Interview (insbesondere weil er sich uns zur Verfügung stellte, obwohl ihn ziemliche Kopfschmerzen quälten, wie er uns verriet)!
Interview, Transkription, Übersetzung, Photos: Helmut Janisch