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Paul Carrack – Groovin‘ – CD Rezension
„Just for fun“ nahm Paul Carrack – quasi in einer Atempause – ein Album voller Coverversionen auf. Groovin‘ heißt das Werk. Christian Gerhardts hat reingehört.
Es ist weiter ruhig in den Reihen der Genesis-Mitglieder, zumindest was die Produktion von neuem Material angeht. Neue Alben von Peter Gabriel und Phil Collins sind erst im nächsten Jahr zu erwarten. Paul Carrack legt nun ein Album vor, dass eigentlich auch nichts Neues enthält – es besteht aus einer Reihe gestandener Hits, manch einer würde dazu wohl „Oldie-Sammlung“ sagen.
Es gibt viele Alben mit Coverversionen, Phil Collins oder Peter Gabriel haben von Zeit zu Zeit immer mal wieder einen Klassiker gecovert, aber nie ein ganzes Album vorgelegt. Paul Carrack wagt es nun, wenngleich ihm klar sein muss, dass so was auch ganz gut in die Hose gehen kann, wie das jüngste Werk der Simple Minds (
Neon Lights) etwa zeigt. Aber das hier ist Paul Carrack, der seit Jahren frischen Wind produziert und nicht wie letztgenannte Band jenseits ihres Zeitlimits lebt.
13 Songs hat Paul Carrack ausgewählt, alle Melodien hat man schon mal irgendwo gehört, oft weiß man aber nicht, von wem der Song im Original ist. Vielleicht liegt es daran, dass Carrack’s Stimme bei allen Songs so vertraut klingt. Er hat eben die perfekte Gesangsstimme. Überraschenderweise erlaubt dieses Album einen kleinen Querverweis zu einem Trommler, der auch Sänger einer ganz großen Band war. Aber dazu später mehr.
Paul verzichtet auf diesem Album auf computererzeugte Effekte und vermittelt so ein erdiges, natürliches Gefühl. Dies gibt der Platte ein Flair, das sie stellenweise auch etwas alt macht. Nichtsdestotrotz versprüht
GroovinElan und jugendliche Gelassenheit sowie Aufgeschlossenheit, eine Sommerplatte eigentlich, aber wir haben doch Winter…nun, Paul selber erklärt im Booklet der CD, dass ihm die Idee zur Platte im Juni kam, als er fröhlich aus dem Fenster sang. Na sowas!
Den Anfang der CD macht eine Art Frühlingshit.
Harvest For The Worldist eine unspektakuläre, aber eingängige Nummer, deren Instrumentierung doch sehr an
Did You See Me Comingvom letzten Mechanics-Album erinnert. Paul spannt mit der Art der Instrumentierung einen Bogen über die gesamte Platte, hier und da wird dann mal ein Satz Bläser eingefügt, aber das Gerüst der Songs ist immer gleich.
Sunny – den Song hat auch schon Jazz-Meister und Ulknudel Helge Schneider zum Konzertklassiker gemacht. Pauls Version ist aber natürlich eine ganz andere. Nichts jazziges, sondern solider Pop-Rock. Aber jazzig kann sogar Paul Carrack werden – bei
Anyday Now etwa, einem Song, der einmal mehr die Qualitäten von Carracks Stimme unterstreicht! Es kann gut sein, dass dem ein oder anderen leidenschaftlicheren Collins-Fan eine bestimmte Melodie im Kopf bleibt:
Too Busy Thinkin‘ Bout My Baby – das kommt einem einfach bekannt vor. Phil hat es einmal mit einer Band namens Manhattan Transfer gecovert – ganz im Stil der 80er. Paul Version geht etwas zurück und hat doch etwas modernes – etwa von Bands wie Travis oder Starsailor. Das mag damit zusammenhängen, dass der klinische Sound der 80er und auch die Elektroeskapaden der 90er mittlerweile von vielen neuen Bands gemieden werden und die Songs wieder musikalischer werden. Einem wie Paul Carrack kann das ja nur recht sein! Zur Mitte des Albums, bei Songs wie
Cover Me oder
What Does It Take wird das Tempo etwas getragener, was ein erhöhtes jazziges Feeling erklären würde. Schließlich aber dreht das Album zum Finale hin noch einmal ordentlich auf und bringt mit
Ain’t No Sunshine einen der hochkarätigsten Klassiker dieses Albums. Und mit seiner Version von
Groovin gelingt ihm ein echter Sommermorgenhit. Der letzte Song vermittelt eine positive Abschlussbotschaft, die vielleicht eher für den Winter geeignet ist:
You’ve Got A Friend.
Das Hören der Platte erweckt einmal mehr den Eindruck, als könne Paul Carrack einfach keine schlechten Platten machen. Doch wie bereits bei
Satisfy My Soul fehlt der ganz große Knaller. Dafür kommt das Album als Einheit daher und auch Paul selber wird es eher als eine Art Ausspannen von seiner sonstigen musikalischen Arbeit sehen. Weitaus schwierigere Dinge stehen ja erst noch an – man denke an das neue Mechanics-Werk ohne Paul Young. Und viele Songs werden auch weiterhin das Geheimnis verbergen, wer sie im Original interpretierte – denn die Komponistenangaben geben das in den meisten Fällen bei weitem nicht her. Erwähnenswert ist noch, dass das gesamte Album von Paul Carrack selber eingespielt und produziert wurde. Was nun einmal angebracht wäre – eine Tour durch Deutschland. Aber wie wir wissen kommt Paul von der Insel kaum herunter. Da bleibt nur eins:
Groovin!
Es gibt derzeit zwei Versionen des Albums auf dem Markt. Eine Special Edition beinhaltet fünf Bonus Tracks und eine DVD mit vier live tracks von der In Concert DVD sowie zwei Musikvideos
Special Edition track listing:
Harvest For The World / Sunny / Too Busy Thinkin‘ Bout My Baby / Crazy Love / Baby I Need Your Lovin‘ / Walk On By / What Does It Take / Anyday Now / Cover Me / With You In My Mind / Ain’t No Sunshine / Groovin‘ / You’ve Got A Friend.
Bonus Tracks:
Into The Mystic / People Get Ready / Warm And Tender Love / It’s Growing / I Wish It Would Rain.
Bonus DVD:
Better Than Nothing (live) /
The Living Years (live) /
Eyes Of Blue (live) /
Tempted (live) /
Satisfy My Soul (video) /
My Kind (video).
Autor: Christian Gerhardts