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Nad Sylvan – Vampirate Trilogie – Prolog
Vorgeschichte und Basisinformationen: Was ihr über Nad Sylvans Werdegang und die Vampirate-Trilogie wissen müsst.
Es war circa 11 Uhr am 16. April 2012, als Nad Sylvan einen Anruf von Steve Hackett bekam. Was daraus resultierte, ist hinlänglich bekannt – er wurde Steves Sänger, ging mit ihm und seiner Band seither auf mehrere Tourneen und wurde so eine der tragenden Säulen des Genesis Revisted-Projekts. Es war sicherlich ein unerwarteter Twist im Leben von Nad Sylvan, dessen musikalische Karriere vergleichsweise ungewöhnlich ist – wer schafft schon den wirklichen Durchbruch erst mit Mitte 50? Es musste viel passieren, bis er sich als Musiker etablieren konnte, ein fester Bestandteil von Steve Hacketts Live-Band wurde und schließlich seinen ersten richtigen Plattenvertrag mit dem Label InsideOut schloss. Aber der Reihe nach…
Geboren wurde Nad am 04. Juni 1959 in Kalifornien als Hugh Erik Stewart – Sohn der Schwedin Agnete Sylvan und des amerikanischen Profi-Tennisspielers Hugh Wright Stewart. Bald schon ging es nach Schweden, wo sich die Familie allerdings trennte und Nad die nächsten Jahre bei seinen Großeltern mütterlicherseits verbrachte – also auch Sylvans. Nad wurde daraufhin in Christopher Stewart umbenannt, sah sich selbst aber einfach als Chris Stewart (Genesis-Fans: klingelt da was?). Musik war damals schon ein fester Bestandteil in seinem Leben; er fing an, sich das Piano-Spielen beizubringen und zu komponieren.
Die progressive Rock-Welle in den 70ern ging natürlich auch an ihm nicht vorbei und so wurde er Fan von Bands wie Yes, Camel oder Gentle Giant. Nads favorisierte Band war aber eine andere: nämlich jene, deren Wind & Wuthering-Tourer an seinem 18. Geburtstag in Stockholm besucht hat. Hätte ihm damals schon jemand gesagt, dass er Jahrzehnte später genau diese Songs auf professionaler Ebene mit dem Gitarristen dieser Band gemeinsam darbieten sollte…
Die nächsten Jahre gestalteten sich teils schwierig; Nad war Mitglied in mehreren Bands, der wirkliche Durchbruch jedoch gelang ihm jedoch nicht. Am populärsten machten ihn die Bandprojekte Unifaun und Agents of Mercy, deren Sänger er war. Letztere Band begann wiederum als Solo-Projekt des Flower Kings-Frontmanns und Gitarristen Roine Stolt – mit dem auch Steve Hackett auf Genesis Revisited II und einer der folgenden Tourneen zusammenarbeitete.
Die Findung der definitiven künstlerischen Identität dauerte also ein wenig. Da sich Nad immer mehr „Sylvan“ fühlte als „Stewart“ begann er, unter diesem Namen aufzutreten. In Anlehnung an musikalische Größen wie Marylin Manson oder Alice Cooper dachte er daran, sich einen weiblichen Vornamen zu geben – den Namen Nadine mochte er schon immer. Um aber drohender Verwirrung entgegen zu wirken, kürzte er den Namen um die Hälfte und daraus wurde Nad.
Von sich selber sagte er, er habe keine Wahl gehabt. Es führte kein Weg daran vorbei, Steve Hackett zuzusagen und sich quasi in Vollzeit der Musik zu widmen. Er kündigte seinen regulären Job bei einem privaten Überwachungs-Unternehmen, wo er die letzten 16 Jahre in Spät- und Nachtschichten eingesetzt war – ein Sprung ins Ungewisse also. Rückblickend kann man feststellen: es scheint sich gelohnt zu haben, dieses Risiko einzugehen.
Schließlich ergab sich die Möglichkeit für das erste Solo-Album von Nad bei Inside Out. Und dabei blieb es nicht: insgesamt entstanden in den letzten Jahren drei Alben, die alle thematisch mehr oder weniger miteinander verknüpft sind und als Trilogie gesehen werden können:
Courting The Widow(2015)
The Bride Said No (2017)
The Regal Bastard (2019)
Offiziell sind dies allerdings nicht die ersten Soloalben von Nad: tatsächlich ist der erste Teil der Trilogie sein viertes; das erste erschien 1997 mit Life Of A Housewife, allerdings in sehr geringer Auflage. Davor entstand bereits 1995 ein Album, das aber nicht offiziell veröffentlich wurde – tatsächlich findet diese Zeit auch kurz Anklang im zweiten Teil der hier vorliegenden Trilogie.
Ein zentrales Element zwischen den Alben ist der „Vampirate“. Manche Personen meinen wohl, Nad würde aussehen wie ein Vampir – doch aber auch irgendwie wie ein Pirat. Daraus entstand der Hybrid dieser beiden Charaktere und damit der Vampirate. Zumindest die Leidenschaft für Vampire scheint Sylvan mit Hackett gemein zu haben, wenn etwa einen Blick auf dessen Alben Defector, Guitar Noir oder Wolflight wirft.
Jedes Album bietet durchaus individuelle Storys, die aber eher abstrakt gehalten und nicht so eindeutig sind. Hier wird also viel mit der Interpretation des Hörers gespielt und die Deutungsfreiheit voll ausgereizt. Als Trilogie verbunden sind die Alben eher durch die Charaktere, wie etwa die Witwe aus dem ersten Album, die schließlich zur Braut im zweiten wird – oder eben nicht, da sie ja „Nein“ sagt. Und natürlich der Vampirate, der im späten 16. Jahrhundert geboren wurde, aber erst im 17. Jahrhundert wirklich auftauchte, als alte Seele in einem jungen Körper. Wenn das mal keine spannende, inhaltliche Grundlage für ein Alben-Zyklus ist.
Und musikalisch? Da fällt Nad in erster Linie durch Gesang und seine ungewöhnliche Stimme auf, die ihm sicherlich ähnliche Höhen wie Jon Anderson oder Roger Hodgson ermöglicht. Für einige Fans war dies im Rahmen der Genesis Revisited-Veröffentlichungen erst etwas befremdlich. Wie man aber bei den dazu gehörigen Konzerten feststellen kann, versucht er nicht, Gabriel und Collins zu imitieren, sondern bringt seinen eigenen Stil mit. Und genauso verhält es sich auch bei diesen Alben: er setzt seine Stimme immer passend ein und unterstreicht seine Rolle als stimmliches „Chamäleon“ mit einer beachtlichen Vielseitigkeit. Als eine Art Multi-Instrumentalist singt Nad nicht nur, sondern steuert auch diverse Gitarren- und Keyboard-Einsätze bei und wird auf allen drei Alben von einer beachtlichen Liste an Gastmusikern unterstützt: unter anderem Steve Hackett, wie auch Roger King, Gary O’Toole, Jonas Reingold und Rob Townsend von Hacketts (Live-) Band. Aber auch andere bekannte Namen wie Nick Beggs (Steve Hackett, Steven Wilson), Nick D’Virgilio (Spock’s Beard, Genesis) Tony Levin (King Crimson, Peter Gabriel), Guthrie Govan (Steven Wilson, The Aristocrats), Doane Perry (Jethro Tull) und Roine Stolt (mit Sylvan bei „The Flower Kings“) finden sich wieder.
Bleibt noch zu erwähnen, dass alle drei Alben nicht durch herkömmliche gemeinsame Studio-Aufnahmen entstanden sind. Jeder beteiligte Musiker hat seine jeweiligen Beiträge einzeln nach Nads Vorgaben aufgenommen und ihm zugesendet – eine Gelegenheit, die sich durch die weltweite Vernetzung ergibt und natürlich jemandem entgegenkommen, der ein Album aufnimmt, aber ständig tourt. Man kann deutlich konstatieren: es ist nicht herauszuhören, dass sich nicht alle Musiker im gleichen Studio befanden – was, zusammen mit der stets differenzierten Abmischung, wiederum für die Fertigkeiten von Sylvan als Produzent spricht.
Die Voraussetzungen sind also schon mal erfüllt…und so beginnt die Reise.
weiter zu Teil 1: Courting The Widow
Autor: Ole Uhtenwoldt