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Mike + The Mechanics – Rewired – Rezension
„Unplugged“ war eines der Modewörter der 90er. Rewired könnte das Gegenteil sein, aber auch sehr schnell in der Belanglosigkeit verschwinden. Oder auch nicht…
… und Paul Carrack!
„Unplugged“ war eines der Modewörter der 90er.
Rewiredkönnte das Gegenteil sein, aber auch sehr schnell in der Belanglosigkeit verschwinden. Oder auch nicht. Mike & The Mechanics kommen mit ihrem siebten Album. Und sie haben alles erlebt. US Nummer 1 Hit, mehrere europäische Top-10 Erfolge und den Luxus, unbekannt zu bleiben bei steigendem Erfolg. Kaum einer wusste, dass die Band zwei Sänger hatte, auf dem ersten Album sogar noch drei ….
Vom Trio Mike & The Mechanics ist nach dem plötzlichen Tod Paul Youngs nur noch ein Duo übrig. Dennoch erscheint es merkwürdig, sich plötzlich Mike & The Mechanics & Paul Carrack zu nennen und flugs noch ein paar Mechaniker ins Boot zu holen. Die können dann auch besser mit dem Computer umgehen als mit Instrumenten. Rutherford hat das scheinbar gewollt.
Nicht mehr gewollt haben aber alle nach Young’s Tod. Erst auf Einladung von Rutherford hin traf man sich und bald wurde klar: Wir schreiben Songs. Paul Carrack genoss diese Freiheiten besonders und wollte nach eigener Aussage unbedingt etwas ganz anderes machen. Und dabei ist es ihm völlig egal, ob das Resultat nun mechanisch vermarktet wird oder als Demo im Schrank verstaubt. Denn M6 hörte sich stellenweise an wie ein Paul Carrack Album mit Mike Rutherford als Session-Musiker.
Rewiredtut das nicht. Und das, obwohl Paul Carrack der einzige Sänger auf dem Album ist. Doch er singt trotzdem nur bei sieben Songs. Rewired hat wenig bis gar nichts mehr mit der Band zu tun, die seinerzeit Over My Shoulder blickte oder deren All I Need Is A Miracle zum Gassenhauer wurde.
Rewired ist ein Unikat. Ein gutes? Nun was dann?
Nur mal angenommen, man würde jetzt von TripHop schreiben – dann weiß nicht mal der Autor dieser Zeilen, was das bedeutet. Aber genauso klingt es. Und damit ist weniger „bedeutungslos“ gemeint. Wenn man im Mainstream alles gemacht hat und solche hochkarätige Songs schreiben kann, dann muss man auf den Triphop kommen. Mutig.
One Left Standing als erste Single. Klingt wie eine Mischung aus Madonna, Fatboy Slim und Tricky. Und Mike. Und Paul. Rewired. Nix akustisch. Akustische Gitarren werden gleich mit fetten Soundteppichen zugekleistert. Obendrauf wird Pauls Stimme vorwärts und rückwärts durch den Sequenzer gejagd. Und wieder hat der Autor keine Ahnung von der Technik. Aber so klingt es. Und gerade weil das hochkarätige
If I Were Youand alte Tage erinnert, kratz einem der Titelsong mächtig an der Mechaniker-Seele. Song? Nö. Paul Carrack singt eine Hand voll Wörter. Wetten, das er dies nur für diesen „Song“ eigentlich nicht getan hat? Ein Instrumental, doch wo sind die Instrumente? Verstört, gebogen, abgesperrt. Rewired. Ist das wirklich die Band, die im Radio immer dann läuft, wenn die DJs nix falsch machen wollen? Weisheiten haben sie auch – „I want a perfect child to live a perfect life“ – also das ist fast peinlich. Nur: Dieses Stück ist die Zelebration der Perfektion. Besser kann man keine Melodie in Szene setzen.
I Don’t Want It All gerät mit seinem wilden Mix an Unausgeglichenheit und Gelassenheit am ehesten zu einer Erinnerung an M6-Zeiten, auch wenn hier wieder ordentlich verkabelt wurde. Überhaupt sind es nach wie vor die Melodien, die Mike & The Mechanics stark machen. Das ist bei aller Irritation auch bei Rewired so. Elektronische Klänge können nicht kaputtmachen, was Falling oder Somewhere Along The Linean Songpotential enthalten. Und so geht es munter weiter. Nicht ganz. Underscore, ein weiteres vertracktes Stück „instrumentaler“ Elektronik schließt mit seinen teilweise an Uperinnernden Sounds knappe 45 Minuten ab, die einen völlig ratlos hinterlassen. Es ist, als hätte Wolfgang Petry das Jazzalbum des Jahres aufgenommen. Oder Wes Montgomery eine schlechte Schlagerplatte. Ein Comeback? Rewired? Oder doch retrofit?
Das kann man nicht mehr beschreiben. Aber sie heißen ja auch Mike & The Mechanics. Und nicht Mike & The Acoustics. Nur Paul Carrack scheint völlig über den Dingen zu stehen. Egal, ob die Platte nun gut oder schlecht ist. Rutherford brauchte gut 20 Jahre, um sich wieder richtig was zu trauen. Das könnte live interessant werden. Ob das den Collins-Fans gefällt?
Eine Bonus DVD, die alle restlichen Klarheiten beseitigt
Man könnte Rewired als Mut der Konzeptlosigkeit bezeichnen. Die Bonus DVD birgt dagegen das Konzept der Ziellosigkeit. Elf Videos sind enthalten, zu jedem Song eines und gleich zwei zu Perfect Child und One Left Standing. Alle sind nett anzusehen, mal animiert, mal richtig gedreht, mal auch abgedreht. Mit Sicherheit ist es eine gute Idee, jeden Song visuell zu begleiten. Peter Gabriel würde dafür fünf Jahre brauchen. Die Mechanics machen das mal eben schnell. Nur fragt man sich am Ende, was das soll und warum die Filmchen auf der Bonus-DVD zu finden sind (übrigens wie zu erwarten war in Stereo). Am Ende ist Rewired doch ein Konzeptalbum. Also doch Mut als Konzept.
Autor: Christian Gerhardts
One Left Standing
If I Were You
Perfect Child
Rewired
I Don’t Want It All
How Can I
Falling
Somewhere Along The Line
Underscore