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Mike + The Mechanics – London, Hanover Grand, 10. Mai 1999 – Warm Up Gig
Noch bevor das Album veröffentlicht wurde, spielten Mike + The Mechanics im Londoner Club Hanover Grand vor ausgewähltem Publikum einen Warm-up-Gig.
Drei Tage vor dem offiziellen Beginn der Tour gaben Mike und seine Kumpane ein „Warm-up“-Konzert in einem kleinen, aber wohl momentan sehr angesagten Club in der Hanover Street. Zugang zu dem Konzert bekamen neben Presse- und Medienvertretern wohl nur Gewinner diverser Preisausschreiben, die die BBC und der englische Genesis-Fanclub The Waiting Room kurz vorher veranstalteten. Die BBC nahm das Konzert auch auf und strahlte einen Teil des Sets später aus.
Als die Band die kleine Bühne betrat, war der Club gut gefüllt und das Publikum in bester Stimmung. Schlecht informierte Mechanics-Fans wunderten sich sodann auch über ein neues Gesicht in der Band. Der bis dahin nicht zum Genesis-Dunstkreis gehörende Jamie Moses ersetzte Tim Renwick, der von 1986 an als Live-Mechaniker zur Band gehörte, an der Gitarre. Die Erwartungen an den Set waren bei den Fans recht unterschiedlich, soviel hatte man vorher schon mitbekommen. Aber was man auch immer erwartet hatte, dass die Show fast exakt so ablaufen würde wie die der letzte Tour, hatten sich wohl die wenigsten Fans gewünscht.
Nach dem Motto „Beggar-Songs raus – ‚M6‘-Songs rein“ wurde einfach alt gegen neu getauscht. Man muss natürlich zugestehen, dass Songs wie A Beggar On A Beach Of Gold, Another Cup Of Coffee und insbesondere Over My Shoulderim Jahre 1999 schon zu den „alten Knallern“ der Band zählen, die nun fest zum Mechanics-Repertoire gehören und die dem entsprechend auch deutlich frenetischer bejubelt wurden als bei der letzten Tour. Neben diesen Hits durften dann auch weder Get Up und Living Years noch All I Need Is A Miracle und Word Of Mouthfehlen. Allerdings könnte sich Mike zumindest bei den beiden letzteren Titeln langsam etwas anderes einfallen lassen, als die an sich sehr guten Stücke live derart in die Länge zu ziehen. Eine knackige Viereinhalb-Minuten-Version von Miracle ohne Paul Youngs mittlerweile fast schon lächerliche „All I Need“ Animationen stünde der Band z. B. besser zu Gesicht.
Über die Sektion der drei Songs von Bands, in denen die drei Hauptmechaniker nebenbei spielen/spielten, muss man nicht viele Worte verlieren, außer dass „Einfallsreichtum“ auch hier sicher nicht zum Wortschatz der Mechanics gehört. Die grandiose Version von Silent Runningder letzten Tour wurde in London leider nicht gespielt. Somit waren das Interessanteste des Abends die Songs des neuen Albums, die so souverän abgeliefert wurden wie der Rest des Programms. Die Mechanics überzeugten wie gewohnt durch viel Spielfreude. Jamie Moses konnte musikalisch überzeugen – die Fans über das Fehlen seines sympathischen Vorgängers hinwegzutrösten vermochte er aber nicht. Vielseitigkeit bewies Paul Carrack, der hin und wieder von den Keyboards zur Akustikgitarre oder zum Bass wechselte (und natürlich auch sang).
Paul Young gab den Entertainer zum besten, sang, zupfte dann und wann den Bass, verschwand kurz an die Percussions oder haute auch schon mal in die Tasten. Mike und Band-„Backfisch“ Jamie Moses bedienten alles, was vier oder sechs Saiten hat. Gary Wallis fiel hinter seinem Drumkit nicht sonderlich auf – weder negativ noch positiv. Die Show gehörte wie immer Paul Young, der in der Rolle des Frontman aufgeht. Anscheinend waren Mike &. Co. von dem Erfolg dieser Show recht angetan, denn bei den folgenden Konzerten wurde stets ein fast identischer Set gespielt. Was sollte man aber auch schon verändern, wo doch 80 Prozent des Publikums auf die Fülle der Hits, die die Mechanics im Programm haben, voll abfahren? Man will nun mal (insbesondere bei Konzerten) ein möglichst breites Publikum befriedigen. Das klappt mit einem Set, der unbekanntere, ältere oder vielleicht sogar „kantigere“ Songs enthält, sicher nicht, obwohl es manch einen, der nicht zu den 80 Prozent gehört, richtig freuen würde, einmal z. B. The Ghost Of Sex And You oder Why Me von den Mechanics live zu hören. Dass eine Band nach fünf eigenen Studioalben fast nur das kommerziell erfolgreichste Material zu einer viel zu kurzen 90-Minuten-Show zusammenstellt, ist schon traurig und hinterlässt einen faden „Nachgeschmack“, obwohl die Mechanics-Gigs an sich gar nicht übel sind.
Autor: Helmut Janisch