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Mike + The Mechanics – Beggar On A Beach Of Gold – Rezension

Im Frühjahr 1995 veröffentlichen Mike + The Mechanics, in der öffentlichen Darstellung auf ein Trio geschrumpft, ein weiteres Album, diesmal mit deutlich akustischeren Tönen.

Mittlerweile erscheinen auch die Soloalben der verbliebenen Genesis-Mitglieder in sehr regelmäßigen Abständen. Nachdem Phil bereits Ende ’93 seine Both Sides veröffentlichte, folgt nun knapp 15 Monate später Mike Rutherford mit seinen Mechanics. Beggar On A Beach Of Gold ist zehn Jahre nach ihrem Debüt das vierte Album von Mike & The Mechanics. Angesichts dieser Serie kann man kaum noch von einem Soloprojekt sprechen, sondern eher davon, dass Mike eben zwei Bands angehört: Genesis und den Mechanics.

Doch während erstere seit etlichen Alben pedantisch darauf bedacht sind, jedes Werk dem vorangegangenen so unähnlich wie möglich zu machen, zeichnen sich die Songs der Mechanics durch einen hohen musikalischen Wiedererkennungswert aus, der bei Genesis allenfalls noch durch Phils markante Stimme gegeben ist. Mike & The Mechanics waren seit jeher dafür bekannt, aalglatte und durchweg radiotaugliche Musik zu liefern und auf allzu komplexe Songstrukturen wie Tonart- und Tempowechsel sowie auf ewige Soloausflüge gänzlich zu verzichten. Der kommerzielle Erfolg dieses Konzeptes steilte sich schnell ein. Mit Silent Running und All I Need Is A Miracle hatten die Mechaniker bereits auf ihrem Debütalbum zwei Top-Ten-Hits verewigt. Der Titelsong des 1988er Albums Living Years stand dem in nichts nach. Auch Word Of Mouth, die bislang letzte Scheibe, verkaufte sich überdurchschnittlich gut, wurde aber den Anschein nie ganz los, doch recht lustlos und eher unter Druck das Licht der Welt erblickt zu haben. Zu viele der Songs wirkten wie von den Vorgängeralben einfach abgeschrieben. Neue Ideen waren, wenn überhaupt, nur spärlich zu finden.

Erfreulicherweise spiegelt Beggar On A Beach Of Gold diesen Eindruck in keiner Weise wider. Bereits beim ersten Durchhören hat man den Eindruck, dass die Werkstätte der Mechaniker gründlich mit frischem Wind durchlüftet wurde. Erstes auffälliges Novum ist der Einsatz der akustischen Gitarre. Ein längst überfälliger Zug, da die Mechanics mittlerweile das Spektrum synthetischer Sounds, angefangen beim Einsatz von Drumcomputer und Sequencer bis hin zum Gitarrensynthesizer, derart strapaziert hatten, dass es schon fast langweilig wurde. Zwar überwiegen diese Stilmittel auch auf der neuen CD, hier jedoch im Gegensatz zu den früheren Alben in einem sehr gesunden Verhältnis. Ebenso ist die klare und eingängige Struktur der Stücke geblieben. Beggar On A Beach Of Gold wirkt jedoch als Gesamtwerk und innerhalb der einzelnen Songs weitaus dynamischer und abwechslungsreicher als alle bisherigen Mechanics-Werke. Ebenso hervorzuheben sind die wirklich „sauguten“ Gesangsparts von Paul Carrack und Paul Young, die nicht – wie leider zu oft –  einfach nur irgendwelche während des Jammens entstandene Riffs übersingen. Zu den absoluten Highlights zählt Over My Shoulder, ein Stück, das soundmäßig sehr naturbelassen gehalten ist und den frischen Wind bei den Mechanics wohl am besten repräsentiert. Ein absoluter Tip für die Charts. Ähnlich aufgebaut und instrumentiert ist Another Cup Of Coffee. In den vergangenen Monaten ist in der Rock- und Popmusik ein gewisser Drang „zurück zur Natur“ zu verzeichnen. Akustische Gitarre, Hammond-Orgel, warme Bass-Sounds und mehrstimmiger Gesang sind wieder salonfähig geworden. Dies vielleicht auch als eine Art allergischer Reaktion auf die schon fast krankhaft wuchernde Techno-Welle. Offensichtlich gehen auch die Mechanics bewusst oder unbewusst diesen Weg. In diese Richtung zeigt auch Plain & Simple, ein ungewohnt hartes Stück, das Bands wie Deep Purple alle Ehre machen würde, klänge es in seinem Verlauf nicht immer wieder gewaltig nach den Mechanics. Sicherlich ein absoluter Live-Hammer.

Auf der rein Mechanics-typischen Seite dürfte der Titelsong Chancen für den Sprung u?ber die Top-Ten-Marke haben, aber nicht etwa, weil A Beggar On A Beach Of Gold penetrant kommerziell gehalten wäre, sondern einfach weil es ein guter Rocksong ist. Ebenso hervorzuheben ist Someone Always Hates Someone. Text und Melodie sind denkbar einfach gehalten. Angesichts der Botschaft, die rüberkommen soll, aber ein gutes Stilmittel, denn dieses Stück nimmt Illusionen. Es wird immer irgend jemanden geben, der jemanden hasst, und das ist leider eine sehr nüchterne und einfache Sache. Auch The Ghost Of Sex And You lebt davon, dass Text und Melodie gut miteinander harmonieren. Erzählt wird eine Beziehungskiste, die sich offenbar vor vielen Jahren in Mikes Leben ereignet hat und die er wohl jetzt erst musikalisch verarbeitet hat.

Mea Culpa, Web Of Lies, Something To Believe In, A House Of Many Rooms und Going, Going…. Home sind zu den Songs zu rechnen, die sich auf jedem Album derart gestandener Musiker finden, gut klingen und sauber arrangiert und gespielt sind. Nicht weniger, aber auch nicht mehr. Damit wäre Beggar On A Beach Of Gold aber noch nicht am Ende. Zwei Coverversionen zieren als weiteres Novum die neue Mechanics-Scheibe. Der Vorschlag, Coversongs einzuspielen, stammt ursprünglich von Tony Smith. Daraufhin wurde eine Version von I Believe von Stevie Wonder (das u.a. auch von George Michael gecovert wird) und You ‚ve Really Got A Hold On Mevon Smokey Robinson aufgenommen. Dass beide Versionen letztendlich auch auf dem Album erschienen sind, ist als Überzeugungstat der Mechanics zu werten. Ob den Fans diese Songs aber ebenso gefallen werden, bleibt abzuwarten, vor allem auch, weil Coverversionen meist gnadenlos mit dem Original verglichen werden. You’ve Really Got A Hold On Me klingt hundertprozentig amerikanisch und besticht durch einen schönen zweistimmigen Gesang, wäre aber insgesamt noch besser gelungen, hätte man die synthetischen Strings-Sounds bei der Endabmischung entfernt. I Believe könnte etwas lebendiger sein, wird aber durch den satten Gesangspart unheimlich aufgewertet. Das Album wurde mit viel Liebe, einigen neuen Ideen und offensichtlicher Spielfreude aufgenommen. Ihren mittlerweile zum Markenzeichen erwachsenen Stil haben die Mechanics dabei keineswegs aufgegeben.

Dem Album hat es hörbar gut getan, dass der Veröffentlichungstermin etliche Male verschoben wurde. Ebenso dürfte sich die leichte Umbesetzung beziehungsweise Ergänzung in der Schlagzeug- und Keyboardabteilung positiv ausgewirkt haben. Aber eigentlich ist es auch egal, woran es liegt, Beggar On A Beach Of Gold ist eine Empfehlung wert. Und das nicht nur fu?r die Mike & The Mechanics-Fans, die sich die CD ohnehin kaufen. Allen, die auch mal gerne einfache, aber dennoch gute Rockmusik mit Köpfchen hören, sei die Scheibe ebensoans Herz – will sagen – in die Schublade gelegt. Zu guter Letzt ein Zitat von Tony Banks über Mike Rutherford: „Er schafft es, ein wirklich nettes Gefu?hl aus drei einfachen Akkorden zu vermitteln.“ Quod erat demonstrandum: Beggar On A Beach Of Gold!

Autor: Andreas Vollherbst

zuerst veröffentlicht in it Nr.14 (März 1995)

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