- Artikel
- Lesezeit ca. 9 Minuten
Martin Levac – Interview in Frankfurt 2010
Anfang 2010 tourte Martin Levac erstmals mit seiner Phil Collins-Show durch Europa. Helmut Janisch hatte in Frankfurt die Gelegenheit, ein kurzes Interview mit ihm zu führen.
Martin Levac wurde bekannt durch seine perfekte Performance des frühen Phil Collins während der Shows der kanadischen Band The Musical Box. Der Ruf des „Collins-Klon“ eilt ihm seitdem voraus. Nach seinem Ausstieg bei The Musical Box 2007 tourt Martin Levac mit eigenen Projekten. Erstmals kam er Anfang 2010 mit der Ultimate Phil Collins Show nach Deutschland. Helmut Janisch traf Martin in Frankfurt zum Interview.
it: Letztes Mal warst Du mit The Musical Box hier. Jetzt bringst Du deine eigene Show mit. Was ist der wichtigste Unterschied zwischen dieser Show und einer von The Musical Box?
Martin Levac: Wenn man die beiden vergleicht, sind sie völlig unterschiedlich. Auf der einen Seite steht die Wiedergabe eines Genesiskonzerts, die genau und exakt dasselbe ist. Das Tempo ist dasselbe, die Sounds sind dieselben und alles ist dasselbe. Man kann nicht hingehen und ein Drumfill spielen, das im Original nicht da war – das geht eben nicht. Das ist ihre Mission, und ich war lange genauso drauf. Ich war fünf Jahre bei The Musical Box, und das hat mir sehr viel Spaß gemacht. Ich war auch mit ganzem Herzen dabei, aber nach fünf Jahren fühlte ich mich etwas eingeschränkt, was die Möglichkeiten angeht, mehr Sachen zu machen. Ich wollte schöpferischer arbeiten. Ich brauchte das. Ich habe nicht viel Zeit, meine eigenen Sachen zu machen und eine Show zusammenzustellen – das ist harte Arbeit! Also mache ich lieber eine Genesis- oder Phil Collins-Sache. Ich bin zuallererst ein riesiger Fan von allem, was Phil Collins gemacht hat von 1971 bis heute. Nach fünf Jahren bei The Musical Box habe ich mich entschlossen, diese Show hier zusammenzustellen. Also, am Anfang nicht genau diese Show. Ich habe eine andere Show gemacht, eine Darbietung von Genesis aus der Phil Collins-Ära. Ich wusste nicht, dass sich The Musical Box dafür interessiert, etwas aus der Ära Collins und der Zeit nach Gabriel zu machen, weil ihre Mission ja darin bestand, die edlen, ruhmreichen Zeiten Peter Gabriels [mit Genesis] wiederaufleben zu lassen; das fand ich auch gut, weil ich ja Schlagzeug spielen wollte, ich fand es klasse, in diese Rolle zu schlüpfen und zu trommeln und alles andere. 2007 bin ich dann ausgestiegen, und danach haben sie beschlossen, mit A Trick Of The Tail weiterzumachen. Sie wollten mich zurückholen, aber ich war schon ausgebucht mit meiner Dance On A Volcano-Show, also dem Three Sides Live-Konzert. Ich habe die Three Sides Live-Show wieder aufgeführt, die von der Encore-Tour 1982. Das war das letzte Mal, dass Genesis Supper’s Ready komplett gespielt haben. Und wir hatten diese Schlagzeugdinger und es machte mir sehr viel Spaß, und daher konnte ich – ich konnte mir nicht vorstellen, zurückzugehen und die ’76er-Tour zu spielen und mir einen falschen Bart umzuhängen. Und da habe ich beschlossen: Das ist nichts mehr für mich. Es war zu einengend.
Diese Show jetzt bedeutet völlige Freiheit. Auf der Bühne mache ich, was ich will. Es geht nicht darum, dass … „Am 17. April 1985 trat Phil einen Schritt vor und sagte ‚Take Me Home‘.“ [lacht] So ist es eben überhaupt nicht, sondern: Ich bin ein großer Fan, ich kann die Rolle spielen, aber ich habe die Freiheit zu singen und mich zu bewegen und zu spielen und zu reden, wie ich es möchte.
it: Es sieht aber sehr nach Phil aus, muss ich sagen.
Levac: Weil es ganz und gar von Phil Collins inspiriert ist! Ich entwickle die Rolle ein Stück weiter, was bei The Musical Box unmöglich war. Ich hätte nicht die Freiheit gehabt, mich dem Publikum zuzuwenden und „heya-heya“ oder sonstwas zu sagen, weil es da so eine Wand gibt, wie im Theater. Wenn ich der Leadsänger gewesen wäre, hätte ich vieles vom Publikum aufgegriffen. Manchmal ruft jemand aus dem Publikum dem Sänger etwas zu, und der Sänger sollte das aufgreifen und mehr mit dem Publikum interagieren. Denis hat den Peter Gabriel großartig gespielt – die Collins-Show habe ich nicht gesehen, aber für Peter Gabriel war er genial. Es war halt nur so, dass das alles so steif war. Wir können das nicht machen? Nein. Ah. – Die ganze Zeit wurde die Kreativität eingeschränkt.
Ich erinnere mich an einen Abend – ich habe natürlich alle Bootlegs gehört, und kenne alle Drumfills von allen Bootlegs; ich würde gerne mal alle Fills von allen Bootlegs spielen, aber das könnte ich nicht. Mein Schlagzeuger heute abend spielte was ganz besonderes, ich weiß nicht mehr in welchem Stück, aber ich dachte nur „Yeaaahh!“ und drehte mich um und es war ER – nicht Chester Thompson, aber wie Chester Thompson. Ich möchte von meinen Musikern, dass sie wie die Originale spielen. Der Bassist spielt ein bißchen wie Nathan East und ein bißchen wie Leland Sklar, aber er klingt toll. Bei den Sounds ist es genauso. Wir richten uns mehr nach den originalen Texturen auf dem Album, denn manchmal hat Collins‘ Band live die Instrumente gewechselt oder die Besetzung, so dass der Sound manchmal ein anderer war. Ich versuche den Sound so nahe wie möglich am Album zu halten, aber auch so geht es richtig ab.
it: Das hast du dann mit The Musical Box gemeinsam.
Levac: Ja. Mindestens. Ich glaube, dass das aber auch die einzige Gemeinsamkeit ist, denn ich hoffe, dass ich mit dieser Show die Barriere durchbrechen und wirklich mit dem Publikum in Kontakt treten kann. Das ist doch der wirkliche Kick daran. Man macht eine Show, das heißt, man teilt etwas mit dem Publikum. Und das ist es auch, was mir an dieser Show gefällt, weil das Publikum ein Drittel der Show auf den Beinen ist und schreit und tanzt und ruft und singt. Darum geht es mir bei der Musik.
it: Findest Du es schade, dass der Saal bestuhlt ist?
Levac: Nein. Das Publikum sitzt eh nur etwa zwei Drittel der Show, und das ist okay. So soll es ja auch sein. Die Bläser, die bringen die Leute auf die Beine, und die Leute stehen auf, und wenn sie erstmal stehen, setzen sie sich nicht wieder hin, sondern grooven zur Musik – das ist toll, so etwas mag ich. Ich habe auch in Clubs gespielt. Vor The Musical Box habe ich auf Hochzeiten gesungen und getrommelt.
it: Du hast es also auf die harte Tour gelernt.
Levac: Ja. Aber für mich war das nicht die harte Tour. Man spielt ja Musik nicht nur, damit sich die Leute das anhören, sondern auch damit sie teilhaben an der Musik. Das finde ich so toll an Popmusik: Man kann dazu tanzen. Man fühlt etwas. Zuhause höre ich nicht King Crimson, sondern ich höre Lady Gaga. Find ich klasse. Darauf fahre ich ab, auf dieses [macht einen fetten Drumbeat nach] Ziemlich groovig. Und all die Funk- und Discosachen. Ich bin ein großer Fan von der Popmusik insgesamt.
it: Hast du irgendetwas als Vorbereitung speziell für diese Show gemacht? Zum Beispiel gezielt Phil Collins-Videos angeschaut? Oder hast du es einfach übernommen von der anderen Show mit der anderen Band?
Levac: Nun, ich habe das Tempo und die Setlist festgelegt. Ich stelle mir vor, ich ginge zu einem Phil Collins-Konzert und überlege: Was würde ich sehen wollen. So habe ich die Show zusammengestellt. Außerdem habe ich meine Favoriten, zum Beispiel Hand In Hand von den ’85er Konzerten, In The Air Tonight von 1990 und auch Dance Into The Light von 2005. Ich habe mich von allem, was er gemacht hat, anregen lassen, und mir gesagt: Okay, damit machen wir jetzt was. Mit dem Menschen, der die Lichtshow entworfen hat, habe ich bei Null angefangen. Wir haben uns keine Phil Collins-Videos angeschaut, nein. Wir haben ganz von vorne angefangen und uns vorgenommen, etwas zu schaffen, das den Songs dient. Natürlich waren am Ende einige Stücke so ähnlich wie Collins das gemacht hat, aber nicht so sehr. Das war die Vorbereitung. Wie gesagt bin ich ein großer Collinsfan, darum habe ich die Videos immer und immer wieder angeschaut.
it: Im Set gibt es eine Menge Hits. Kannst Du Dir vorstellen, auch weniger bekannte Stücke zu spielen – es ist natürlich schwierig, weniger bekannte zu finden, aber vielleicht zwei oder drei …?
Levac: Nicht auf dieser Tour. Diese Tour muss eine Greatest Hits-Tour sein, damit alle die Stücke kennen. Ich hatte für heute abend drei Extra-Stücke, die ich spielen könnte: I Don’t Care Anymore, Who Said I Would und Behind The Lines. Aber ich habe beschlossen, diese Stücke wegzulassen, weil die Show zu lang wurde. Wenn ich die Stücke drin ließe, könnte ich dieses und jenes nicht auskosten, also habe ich es so gelassen. Vielleicht möchte ich es mal in der näheren Zukunft machen wie The Musical Box und eine spezifische Setliste von einer bestimmten Ära aus Phil Collins‘ Solokarriere aufführen.
it: Zum Beispiel Perkins Palace …?
Levac: Zum Beispiel Perkins Palace, ja, das wäre toll. I Cannot Believe It’s True, all diese Stücke, das wäre großartig.
it: Gibt es Stücke, die Du gerne in der Setliste gehabt hättest, die aber nicht gingen?
Levac: Nein. Eigentlich schon. Separate Lives wäre toll gewesen, aber es ist die erste Tour und unser Budget ist sehr knapp, also haben wir gesagt: Überhaupt keine Backgroundsänger. Die Jungs machen ihre Sache toll, sie singen sehr gut und sind tolle Musiker mit tollen Stimmen, aber diesmal haben wir keine Sängerin in der Band. Vielleicht in der Zukunft, wer weiß? Wir sind jetzt acht Leute auf der Bühne, und ich weiß, Phil Collins hatte auf seiner letzten Tour achtzehn Leute, davon sechs Sänger.
it: Wie kam es, dass Ronnie [Caryl] als Vorgruppe aufgetreten ist?
Levac: Ich habe Ronnie in New York kennengelernt, als ich dort das Three Sides Live-Konzert spielte. Er kam, um mich zu sehen. Wir haben einen gemeinsamen Freund in New York, und der lud ihn zum Konzert ein, damit er in New York die Vorgruppe machen konnte. Und es war: Wow, sofort eine Verbindung – wir sind jetzt gute Freunde. Mit Daryl bin ich auch befreundet. Da läuft ja die Daryl Stuermer-Geschichte. Das ist cool. So etwas passiert einfach, dem kann man nicht hinterherrennen. Ich habe auch Daryl zu einem Konzert eingeladen und er kam.
it: Ich habe gehört, es gibt Pläne für eine DVD mit Daryls Show …
Levac: Vielleicht wird sich da etwas mit der Genesis Rewired-Show ergeben. Das weiß ich nicht. Ich bin da nicht in alle Geheimnisse des Projektes eingeweiht, ich bin bloß der Sänger [lacht]. Es ist Daryls Projekt, nicht meines. Und ich weiß, dass Daryl investieren will, so viel live spielen möchte wie möglich mit diesem Projekt, und ich weiß, dass Daryl auch noch andere Sachen hat. Sein Jazzfusions-Projekt ist ihm auch sehr wichtig. Ich weiß aber nicht genau, wie die Zukunft da aussieht.
it: Du wirst ja jetzt mit diesem Projekt recht lange auf Tour sein …
Levac: … hoffentlich.
it: Wirst du so etwas wieder machen?
Levac: Ja.
it: Oder vielleicht mit deinem Solomaterial touren?
Levac: Nicht live – nicht mit diesem Publikum. Wir bringen hier eine Phil Collins-Show. Ich möchte niemanden mit dem Martin Levac-Zeugs enttäuschen [lacht]. Sie können ja die CD kaufen, wenn sie wollen. Eines Tages vielleicht … Vielleicht in kleineren Sälen, mit einem Trio vielleicht, Klavier, Percussion und Gitarre, in kleinen Sälen. Ich habe in Kanada ein Konzert, bei dem ich meine eigenen Sachen spielen werde, die französischen Songs, die du schon kennst, und diese Stücke auch, und ich habe auch neue Sachen. Das wird so für hundert Leute, eine ganz intime Veranstaltung. Das wird sehr erfrischend sein, und das werde dann ich selbst sein. Nicht Phil. Und zwar in Quebec, wo ich lebe, also in der Provinz Quebec, in Montreal.
it: Vielen Dank für dieses Interview.
Transkription: Martin Klinkhardt
Fotos: Helmut Janisch