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John Hackett – Another Life – Infos und Rezension

Im September 2015 erscheint der Nachfolger des Rockalbums Checking Out Of London von John Hackett. Another Life kann sich auch durch interessante Gastmusiker auszeichnen.

Hintergrund: 10 Jahre waren nach der Veröffentlichung von John Hacketts letztem Rockalbum, Checking Out Of London, vergangen, als im September 2015 mit Another Life endlich wieder ein Output dieser Art auf den Markt kam. In der Zeit dazwischen produzierte John Hackett vor allem Alben, die in der Klassik und der akustischen Musik beheimatet sind. Hervorzuheben ist hier die grandiose Kollaboration mit seinem Bruder Steve, Sketches of Satie.

Es war Zeit, einige Musiker zusammenzutrommeln und ins Studio zu gehen. Neben John (Flöte, Gitarre, Bass) sollten v.a. drei herausragende Protagonisten das Album bestimmen: Nick Clabburn, der die Songlyrics schrieb1), Nick Magnus, der nicht nur Keyboards und Schlagzeug (programmiert) beisteuert, sondern auch für die Produktion zuständig zeichnet und Steve Hackett, der wunderschöne Gitarrensoli und ein Statement auf der Mundharmonika abliefert. Einen Special Guest wollen wir nicht unterschlagen: Anthony Phillips. Zu ihm unten mehr.

Was hat sich zum Vorgänger geändert? Nun, die Kompositionen sind gereifter, das Album wirkt geschlossener und die Melodien noch schöner. John Hacketts Gesang hat an Ausdrucksstärke gewonnen. Man merkt ihm die Gesangsstunden an. Die Produktion von Nick Magnus ist sensibel und schön auf die Musik abgestimmt2)

Cover

Der Steve Hackett-Fan wird erkennen, dass mit John, Nick und Steve Zweidrittel der ersten Steve-Hackett-Band gemeinsam musizieren. Das hört man dem Album auch an, Erinnerungen an Spectral Mornings und Defector, aber auch Cured werden geweckt.

Die CD ist in einem Digipak mit Booklet erschienen. Das Artwork zeigt einen Blick aus einem mit Gaze-Gardinen verhangenem Vorhang auf eine triste, graue Betonlandschaft. Das Bild wird durch die Naht, an der sich die Vorhänge treffen, geteilt. Man könnte sich aber auch einen Wasserstrahl, der durch das Bild rauscht, vorstellen. Das Backcover jedoch, in dem die Vorhänge ein wenig geöffnet sind, scheint aufzuklären, oder doch nicht? Grau-Blau sind die Farben der Fotos von Nick Clabburn, passend zu den melancholischen Texten.

Another Life (4:01)

Der Opener und zugleich Titelsong beginnt mit Gitarrenakkorden, die von einem düsteren Keyboard umarmt werden. Johns Gesang setzt ein und erhebt sich nach einer knappen Minute zum Refrain. Fast flehentlich singt er vom Ausbruch aus der Normalität als ein überstandener Autounfall zum Nachdenken über das bisherige Leben zwingt. Untermalt wird der Gesang von einem schönen Flötensolo, tollem Bass, um ab Minute 2:32 in einem herrlichen Gitarrensolo aufzugehen. Hier ist ein Vergleich mit den Highlights von Spectral Mornings angebracht. Auch Elemente des In The Court of the Crimson King – Albums sind zu hören. Schon mit dem Opener wird der lyrische rote Faden, der das Album durchzieht, festgezurrt. Nach kurzweiligen vier Minuten ist der Spuk vorbei. Der Hörer muss erst einmal Luft holen. Mit Steve Hacketts Stück In Another Life von 2017 hat das Lied nichts zu tun.

Look Up (3:42)

Gitarrenarpeggien, zunächst zurückhaltender Gesang, gepaart mit Steves singender Solo – Gitarre lassen einen kurzen Rocksong erklingen, der in einem herrlichen Finale, dass an Genesis zu Wind & Wuthering – Zeiten erinnert, endet.

Poison Town (3:34)

Düstere, verhallenden Keyboard-Klänge, melancholischer Gesang mit traumhaften Lyrics, Strings aus der Dose bilden das Gerüst der Musik, die sich wellenartig, vom Fluss des Lebens berichtend ausbreitet. Eine schöne nachdenkliche Ballade, die leider etwas vom synthetischen Schlagzeug gestört wird.

White Lines (5:06)

Collage

Ein Fanfarenstoß, Gitarrenarpeggien, pumpender Bass, zurückgenommene Keyboards, Steves wundervolle singende Solo – Gitarre und Johns fast hypnotischer Gesang erzeugen die Stimmung des Defector-Albums. Mit fünf Minuten der längste und einer der wenigen schnellen Songs des Albums, dessen schöner Refrain fast fröhlich den Weg zu einer riesigen Shopping Mall (Junction 8) durch Singapur besingt. Eine Kapitalismuskritik?

Life in Reserve (3:17)

Eine ruhige, sentimentale Pianoballade wird von einem wundervollen Flötensolo gekrönt. John singt gefühlvoll vom Verlassensein und warten auf die Rückkehr des geliebten Menschen.

Burn Down Trees (2:54)

Ein verlorenes Stück von Peter Gabriels So, oder ein neues Paperlate? Die synthetischen Bläser erinnern an Sledgehammer oder Big Time. Ein herrliches, augenzwinkerndes Pop-Lied mit einem wie befreit aufspielenden Steve Hackett.

Satellite (3:29)

Wie kann Musik klingen, wenn Steve Hacketts Mundharmonika mit Ant Phillips 12-String musiziert und John Hackett dazu singt? Ein wunderschön relaxtes Kleinod, irgendwo zwischen Blues, Blue Grass und Neil Young liegend. Erinnerungen an die akustischen, pastoralen Genesis zu Trespass-Zeiten werden wach. Insbesondere wenn Ants Harpsichord die Musik in wundervoll melancholische Welten entführt. Neben dem Opener, für mich der Song des Albums, der die Lyrics, die die inneren Konflikte im Leben der Menschen zum Inhalt haben, am wundervollsten umsetzt. Eine kleine Perle und ein Highlight des Albums!

Forest (4:41)

John beginnt mit leicht verzerrtem Acapella – Gesang, der von einer schönen Melodie abgelöst wird. Verhalten geht das Lied seinen Gang und weckt Gedanken an Cured. Immer wieder wird das Eingangsthema aufgenommen. John brilliert auf Gitarre und Bass und das gar nicht synthetisch klingende Schlagzeug schmiegt sich angenehm in den Song.

Magazine (4:37)

Den Hörer erwartet eine weitere Piano-Ballade. Nick Magnus arbeitet mit Strings, lässt ein ganzes Orchester entstehen. Von Gitarren ist erst im Finale etwas zu hören. Ein Stück, dass auch auf einem Nick Magnus Soloalbum seinen Platz gefunden hätte. Kein Wunder, hat er es doch mitkomponiert. Es steht Hammer in the Sand kaum nach.

Rain (3:10)

Melancholisch, ruhig und nachdenklich geht es in Rain weiter. Das Stück, wieder angenehm gesungen, wird von Steves Gitarre bestimmt. Sie führt mit Orgelparts zu einem wunderbar proglastigen Finale. Die Hackett-Band der 70er Jahre erwacht zum Leben.

Actors (3:40)

… nimmt die Stimmung des Vorgängers auf. In der Mitte des Songs wird es kurz etwas schneller, bis die Gitarre zu singen beginnt, nur unterbrochen von Gesang und düsteren Keyboardparts. Die Lyrics erinnern an den Song Divided Self vom Squackett-Album, die auch von Nick Clabburn geschrieben wurden3)

Another Day, Another Night (4:08)

Endlich wird es wieder fröhlicher, Bläser erklingen, das Keyboard und der Gesang übernehmen und geleiten den Hörer durch einen munteren Pop-Song im Stil der 80er. Die Flöte findet nochmals ihren Einsatz. Locker und leicht geht das Album seinem Ende entgegen, oder?

Poison Town Reprise (2:08)

Steves Gitarre spielt bluesige Töne und John zitiert Verse aus dem Song Poison Town: „I never wanted to be happy, I never wanted sad, I never wanted good, I never wanted bad.“ Eine Aufforderung an den Hörer, über sein Leben nachzudenken?

Zusammenfassung:

John Hackett hat ein Album voller aufregender Kontraste geschaffen. Musik zwischen Progrock und ruhigen, fast meditativen Songs, zwischen Pop und sogar Folk. Seine Stimme hat an Ausdrucksstärke gewonnen, so dass man darüber nachzudenken beginnt, wie es gewesen wäre, wenn er bei seinem Bruder Steve die Vocals übernommen hätte. Die Lyrics erzählen vom Leben neben dem Mainstream, von Veränderungen, Mutlosigkeit, verlorenen Träumen und Hoffnungen. Sie haben durchaus autobiografische Züge, denn auch John tritt aus seinem bisherigen Leben als Musiker hinaus und schlüpft in die Rolle eines Songwriters. Eine Offenbarung ist Steves songdienliche Gitarrenarbeit. Seine Soli fügen sich harmonisch in die Lieder ein, ergänzen hier und da das Flötenspiel seines jüngeren Bruders, der auch auf Gitarre und Bass glänzt.

Ein gelungenes Album ist da entstanden, welches die leichte Seite des Progressive-Rocks zeigt, ohne andere Musikstile zu vergessen. Es wirkt auf den ersten Blick spröde, will durch mehrmalige Zuwendung erhört werden, aber dann lässt es einen nicht mehr los.

Für Liebhaber der ersten Soloalben Steve Hacketts ein Muss. Alle, die die Musik von Genesis mögen, sollten ein Ohr riskieren.

John ging mit dem Album im Gepäck auf Tour. Daraus entwickelte sich die John Hackett Band, die noch auf sich aufmerksam machen sollte4.

Autor: Thomas Jesse
Another Life ist bei JPC online erhältlich.

Anmerkungen:

1. Nick Clabburn hat auch auf Checking Out Of London die Songlyrics beigesteuert und schrieb für Steve Hackett Sleepers
2. Siehe dieses Interview
3. Siehe hier – man vergleiche den Refrain!
4. John Hackett Band