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it25 – Event-Bericht 2017 – From Invisible Touch to it
Anlässlich unseres Silberjubiläums zelebrierten wir auch ein Jubiläumsevent – wenn auch mit einjähriger Verspätung. Thema war die Geschichte der Band, aber auch des Fanclubs, dazu gab es einen Auftritt der Band Carpet Crawlers. Tony Reinsperger war vor Ort und schildert seine Eindrücke.
Wie oft kommt das wohl vor? In einem verschlafenen 1000-Seelen-Dörfchen mitten in Deutschland sind alle Gasthöfe ausgebucht und aus einem Tourbus wird schweres Gerät geladen. Ein Dorf avanciert wieder mal zu Deutschlands Metropole für Anhänger von echten Rocklegenden.
Am 7. Oktober 2017 lud der 1991 gegründete Deutsche Genesis Fanclub it zu seinem 25-jährigen Jubiläum in das neu gebaute Bürgerhaus von Eichenzell-Welkers bei Fulda. Richtig gerechnet. Wie für das Genesis-Umfeld fast schon typisch, wird ein Jubiläum auch mal mit leichter Verspätung gefeiert. Das stört aber die wenigsten, denn mit bis zu 25 Jahren Fanclub-Erfahrung sieht man vieles gelassen. Im Programmheft zum silbernen Jubiläum dokumentiert der Club seinen Wandel im Laufe des vergangenen Vierteljahrhunderts und gibt einen Ausblick auf das, worauf man sich am Clubtag noch freuen kann. Alles steht unter dem Motto „…from Invisible Touch to it“.
Unter dem Namen Invisible Touch hat der Fanclub zu Beginn der 90er-Jahre viermal jährlich mit einem zu Beginn noch fotokopierten Heft aktuelle Informationen aus dem Genesis-Kosmos unter die interessierte Hörer- und Leserschaft gebracht. Nur wenige Jahre später folgten professionell gedruckte Hefte, die Umbenennung in das kurze und prägnante it, sowie die Veranstaltung von Clubtreffen.
Doch mit dem einsetzenden Siegeszug des Internets wurde beschlossen, die Clubhefte zugunsten einer Onlinepräsenz einzustellen. Damit einher ging die Gründung des Forums, dem zentralen Schauplatz für Diskussionen und Gespräche von Fan zu Fan. Gerüchten zufolge soll der Fanclub sogar auf mehr oder minder sozialen Medien wie Facebook vertreten sein. #wersmag
Die Bedeutung und den Andrang auf den Clubtagen, mittlerweile im wahrsten Sinne des Wortes Events, vermag all das nicht zu schmälern. Über die Jahre hinweg ist es der Redaktion immer wieder gelungen, Wegbegleiter aus dem Genesis-Umfeld wie den Bandfotografen Armando Gallo, oder gar Bandmitglieder wie Steve Hackett oder Anthony Phillips und andere für ein Event zu gewinnen. Für das Jubiläum wurde die Gelegenheit genutzt, die britische Genesis Tribute-Band The Carpet Crawlers während ihrer Invisible-Touch-Tour zu einem Zwischenstopp in Welkers zu bewegen. Für eine originalgetreue Nachbildung der Lichteffekte während der Konzerte von 1986/87 konnten sich die Musiker Unterstützung aus erster Hand sichern.
Mike Kidson, damaliger Genesis-Tourmanager, half dabei, die Bühnenshow mittels modernster Technik auch auf kleineren Bühnen zu realisieren. Er sollte den Eventgängern in einem Interview von seinen Aktivitäten berichten, ist jedoch wegen eines Krankheitsfalls in der Familie verhindert. Allerdings bekommen die Fans eine Videobotschaft von Kidson gezeigt. Der Lichttechniker vor Ort gibt stattdessen einen kurzen Überblick über die Möglichkeiten der Scheinwerfer, die The Carpet Crawlers am Abend ausleuchten werden. Die Entwicklung von beweglichen Bühnenlichtern, die zudem ihre Farbe ändern können, wurde von Genesis in den 80ern maßgeblich vorangetrieben.
Die Lücke füllt ein besonderes Schmankerl. Der Redaktion wurde eine professionell gefilmte Aufnahme eines Genesis-Auftritts aus dem Niedersachsenstadion in Hannover von 1987 zugespielt. Der geneigte „Tape Trader“ wird hellhörig und tatsächlich: den Kennern wird eine Version von In The Cage präsentiert, die zwar in guter Qualität als Teil einer Radiosendung verfügbar ist. Gefilmt kennt man jedoch nur eine unscharfe und verwackelte Aufnahme aus dem Publikum (gut, dass sowas heute keiner mehr macht…) Auf der offiziellen DVD Live at Wembley Stadium fehlt dieser Track aufgrund von lückenhaften Originalbändern. Weitere Programmpunkte sind eine Auktion, bei der besondere Gegenstände der Fanclub-Geschichte für einen guten Zweck versteigert werden, und eine Tombola. Nostalgisches Highlight: für Rudis Quiz, bei dem der gestandene Genesis-Nerd für sein Fachwissen mit lukrativen Preisen belohnt wird, wurde Oliver Düvel reaktiviert, der seine Rolle als Quizmaster schon seit mehreren Jahren abgegeben hatte.
Bei jedem Event avancieren die Pausen zu heimlichen Höhepunkten. Sie bieten die Zeit für Gespräche zwischen Fans ohne den Umweg über das Netz. Viele Besucher kennen sich seit Jahren, man redet nicht mehr nur über Musik, denn längst sind persönliche Freundschaften entstanden. Man hat sich zwischenzeitlich vielleicht sogar gegenseitig geheiratet, manche rücken bereits mit Nachwuchs an. Gleichzeitig schweifen die Blicke über die vielen akribisch zusammengestellten Schaukästen, die gefüllt mit Devotionalien und Erinnerungsstücken 25 Jahre Fanclubgeschichte dokumentieren, während derer man sich über viele Events hinweg mit den unterschiedlichsten Epochen innerhalb von 50 Jahren Genesis und Solo beschäftigt hat. Während all das passiert, gibt es jederzeit die Möglichkeit, sich mit Kaffee, Kuchen, warmen Snacks und kalten Getränken zu stärken.
Gegen 19 Uhr wird es für The Carpet Crawlers ernst. In realistischen 80er-Outfits betreten sie zur Drum Machine von Mama die Bühne, um ein für die Invisible Touch Tour typisches Set zu spielen. Sänger Brian Cummins schlüpft dabei während der öfter vorkommenden ausgedehnten Instrumentalpassagen auch in die Rolle des Schlagzeugers, um dem Original Phil Collins gerecht zu werden, dem es stets wichtig war, während Konzerten seine Stammrolle auszufüllen.
Cummins macht deutlich: die Band ist sich bewusst, dass ein Fanclub das wohl denkbar strengste Publikum ist und deshalb feuern die Briten aus allen Rohren. Nicht nur wird Follow You Follow Me als Zugabe mitten im Set eingestreut, beim beliebten In-The-Cage-Medley wird nach dem damals üblichen Instrumental In That Quiet Earth in den Höhepunkt des Genesis-Monolithen Supper’s Ready übergeblendet. Genesis selbst mussten wegen der Strapazen für Collins‘ Stimmbänder seinerzeit kurz nach Tourbeginn wieder Afterglow für das Medley reaktivieren (wer die Collins-Autobiographie gelesen hat, weiß welche Konsequenzen die langen Genesis-Tourneen für die Gesundheit des Sängers hatten). The Carpet Crawlers bekommen stehende Ovationen. Brian Cummins ist bescheiden. Ihre Konzertbesucher seien nicht Fans der Carpet Crawlers, sondern von Genesis, so wie die Bandmitglieder selbst. Das verbindet die Musiker mit ihrem Publikum.
War das 1986/1987 noch nicht der Fall, muss man mittlerweile feststellen, dass auch die damals aktuellen Hits wie Invisible Touch oder Land Of Confusion mittlerweile, Zitat Collins, „alte alte Stucke“ sind. Da kann man neidisch werden, wenn Cummins darauf hinweist, dass der frisch rekrutierte Gitarrist Daniel Saleh ohne Fanvergangenheit daher kommt, und daher viele Genesis-Klassiker erst kürzlich zum ersten Mal gehört hat. Vermutlich auch Los Endos, das am Ende des regulären Sets steht und erneut stehend beklatscht wird. Für die Zugabe legen die Musiker erneut eine Schippe drauf. Mit Dodo, Behind The Lines, Duchess und Turn It On Again (auf das damals übliche Medley aus Motown und Rock ’n‘ Roll Hits wird verzichtet) avanciert die Zugabe zu einer Miniausgabe von Three Sides Live. Für das letzte Stück schlägt die Band den Bogen zum heutigen Motto: „…from Invisible Touch to it“. Das Stück it wird dabei wie auf der Genesis-Tour von 1976 in Watcher Of The Skies übergeblendet. Sichtlich gerührt verabschieden sich The Carpet Crawlers vom begeisterten Publikum. Das Bürgerhaus Welkers hat die mächtige Ton- und Lichttechnik gut verkraftet. Auch die Brandschutzbeauftragten der freiwilligen Feuerwehr sind zufrieden. Die Fans sind sich auch einig. it is good to be back. Sie hoffen it is here to stay.
Autor: Tony Reinsperger
Fotos: Jan Kruse und Helmut Janisch