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Interview mit Tim Howar und Andrew Roachford (Dresden 2012)
Andrew Roachford und Tim Howar stellten sich nach der Mechanics-Show in Dresden für ein ausführliches it-Interview zur Verfügung.
Die Stimmung hinter der Bühne in Dresden ist gelöst. Andrew und Tim waren sehr interessante und sympathische Gesprächspartner bei unserem ersten Interview im Hard Rock Café in London (2011); es war ihnen angenehm, ein bekanntes Gesicht in Dresden hinter der Bühne zu sehen. Christian Gerhardts sprach mit ihnen über die neuen Mechanics …
it: Das war ein tolles Konzert, besser noch als letztes Jahr, und das war ja schon gut.
Tim Howar: Oh, danke. Wir haben ja jetzt einige Zeit mit der Band verbracht, das macht es einfacher.
it: Das Akustikset in der Mitte hat dem Publikum gefallen. Ich war überrascht, dich Everybody Gets A Second Chance singen zu hören.
Tim:Ohja, weil das ja Paul Carrack gesungen hat.
it: Ich war auch ein bisschen überrascht, dass ihr nur noch zwei Stücke vom aktuellen Album The Road spielt – gibt dafür einen besonderen Grund?
Tim:Ich denke, wir beide sind ja neu dabei. Wir müssen jetzt mehr Stücke von den Mechanics spielen, weil wir nächstes Jahr eine Living Years-Tour machen, und die wird wohl ein bisschen größer werden. Darum müssen wir für Mike und für uns alle, einfach der Abwechslung halber, verschiedene Stücke ins Set aufnehmen. Wir wollen nicht einfach nur das machen, was wir letztes Jahr gespielt haben.
Andrew Roachford:Es war ein bisschen seltsam, weil wir selbst erst vor ein paar Tagen gemerkt haben: He, warte mal, es gibt ja nur noch zwei Stücke vom neuen Album, und wir dachten, da wäre noch mehr im Set, aber … Wir haben versucht, ein paar ältere Stücke zu proben, und dann ein Set zusammengestellt von den Songs, die gut zusammenpassen. So ist das dann passiert, aber wir wollten eigentlich mehr neue Stücke im Set haben.
it: Bei den ersten Konzerten habt ihr I Get The Feeling und The Way You Look At Me gespielt. Dann sind sie verschwunden. Warum?
Tim:Na ja, unser Set ist um die 100 Minuten lang oder so, und am Anfang war es noch länger. Wir dachten, es passt, aber es kam und dann ein bisschen lang vor. Weil man möchte, dass sich das Publikum am Ende noch mehr wünscht. Für uns fühlt es sich lang an. Es schien uns auch ein bisschen langsam.
Andrew:Wenn man eine Setliste zusammenbaut, schaut man manchmal nach bestimmten Stücken, damit sie eine bestimmte Energie ins Set bringen. Da hatten wir I Get The Feeling und Something In The Way You Look At Me, und die Stücke brachten nichts ins Set, was nicht schon da war. Aber wir wollten ein volles, rundes Set machen. Man kann nicht alles machen. An manche Songs geht man heran so nach dem Motto, ok, das haben wir schon hier und da abgedeckt, aber wer weiß? Wenn ich alleine auf Tour bin, ändere ich das Set manchmal jeden Abend, und es gibt keine Regeln – man tut einfach, was gut wirkt.
Tim:Stimmt, aber ich glaube, das Publikum wartet auch mehr auf die großen Hits. Man hat da ein positives Gefühl, und wenn man dann vor vielen liebestrunkenen Pärchen spielt, dann kann man auch The Way You Look At Me spielen oder noch langsamere Sachen, weißt du? Aber hier sind vor allem jede Menge Genesis-Fans und viele Roachford-Fans, und die wollen ihre Melodien hören. Wenn wir die mit zu vielen Liebesliedern langweilen, dann verlieren wir sie.
it: A propos – letztes Jahr gab es Nobody Knowsund If I Were You, die habt ihr zusammen gesungen…
Tim:Was uns angeht, könnten wir die jederzeit zurückbringen. Aber wenn wir nicht die neuen Stücke bringen, wenn wir sie jetzt nicht spielen, dann haben wir nächstes Jahr, wenn wir wiederkommen, um Living Years zu feiern, die Option nicht haben.
it: Du hast eben die vielen Genesis-Fans im Publikum erwähnt. Ihretwegen habe ich gefragt, sie sind ja Konzerte von 2 ½ Stunden gewohnt. Dann hört man oft: „Die Mechanics-Show war wirklich gut, aber ein bisschen kurz“, verglichen mit dem, was sie von Genesis gewohnt sind. Da fragen die Leute oft, warum spielen sie nur 100 Minuten?
Tim:Genesis ist ja eine echte Progband. Die Stücke dort sind einfach länger, mit größeren Intros und Instrumentalteilen.
Andrew:Es ist ein ganz anderes Showkonzept. Das ist es.
Tim:Die Mechanics sind fürs Radio. Mike möchte, dass wir im Radio sind. Seit Silent Runninggab es entweder den Song von 4 bis 5 Minuten oder den 3 ½-Minuten-hit. Auch Stücke wie The Way You Look At Me fallen in diese Kategorie.
Andrew:Je mehr ich mit Mike arbeite, desto größer wird mein Respekt vor ihm. Er hat in solchen Dingen eine tolle Intuition. Er hat das Gefühl, dass es richtig ist, die Show so zu machen. Wenn er das Gefühl hätte, es wäre richtig, eine Genesis-ähnlichere … längere Show zu machen, würde er es tun, aber er geht da intuitiv heran. Und ich glaube, er liegt richtig damit.
it: Wie ist das für euch, dass fast jeden Abend der Schlagzeuger wechselt? Ist das nicht seltsam?
Tim:Ben und Gary vertrauen einander sehr, aber sie sind trotzdem verschieben.
Andrew:Das sind sie, aber wir gewöhnen uns an die Verschiebungen. So groß ist der Unterschied nicht. Aber manchmal drehe ich mich zu Ben und sehe Gary da sitzen… [lacht].
it: Andrew, du bist ja auch allein viel auf Tour. Auf deiner Webseite wird die Tournee mit den Mechanics allerdings kaum erwähnt?
Andrew:Ich glaube, wir hatten einige Konzerttermine dort eingestellt, und haben nach einem Gespräch mit dem Management beschlossen, dass wir die Werbung dafür auf ihre Art machen; wir wollen das getrennt halten. [Andrew und Tim husten und niesen]
it: Ihr beide klingt, als wärt ihr ziemlich erkältet.
Tim:Ich bin seit vier Tagen erkältet und habe vor allem Halsschmerzen. Letzte Woche hatte ich auch noch eine Lebensmittelvergiftung. Im Moment ist es ziemlich schwierig, aber wir können noch spielen.
Andrew:Normalerweise ist es warm und sonnig, wenn man im Juli in Deutschland spielt. Dieses Mal ist es kalt, und der Bus ist auch kalt. Wir frieren. Und nass ist es auch.
it: Fast wie in Kanada, oder?
Tim:[lacht] Naja, wir haben auch schon mal 30 Grad auf eineinhalbtausend Metern, also ist es nicht immer kalt in Kanada.
it: Vor zehn Jahren war ich mal im November da …
Tim:Ja, dann ist es wirklich kalt.
it: Du kommst ja aus Kanada. Ich weiß, dass du in Musicals mitgewirkt hast; du hast auch deine eigene Band Van Tramp mit einer etwas rockigeren Ausrichtung. Ist die Schlussfolgerung richtig, dass deine Musicalkarriere vorbei ist, auch wegen deines Alters?
Tim:[ruft] NEIN! Nein, überhaupt nicht. [lacht] Nach dieser Show steige ich gleich wieder in eine Show im West End [in London] ein. Aber der Vertrag ist noch nicht unterschrieben, darum darf ich nicht sagen, worum es geht. Tony Smith kümmert sich für mich auch darum. Ich mache also eine andere Show und komme hoffentlich zum Schreiben…
Andrew:Bei jemandem, der so gut ist wie er, ist es nie vorbei – ganz unmöglich! [alles lacht]
it: Nun, es kommt einem so vor, dass die meisten Schauspieler oder Tänzer, die in Musicals und anderen Bühnenproduktionen mitwirken, ab einem gewissen Alter verschwinden müssen. Darum frage ich.
Tim:Das ändert sich und es kommt auch darauf an, was man will. Ich hatte das große Glück, dass ich Rock und Filme und Fernsehen und Musicals machen kann, ja. Also bleibe ich auch in Lohn und Brot und das gefällt mir auch! Ich habe diese Konzerte gemacht, dann mache ich eine Rockshow im West End. Damit bin ich dann sechs bis acht Monate im Jahr ausgebucht, dann habe ich Zeit für die Mechanics. Danach mache ich in der Weihnachtszeit Orchesterkonzerte mit verschiedenen Sachen, zum Beispiel von Queen. Und dann – ich will auch an einem Soloalbum arbeiten. Ich mache ein Soloalbum und ihr könnt alle vorbeikommen und für mich spielen, Jungs! [lacht]
it: Du machst in puncto Soloalben dann Roachford Konkurrenz.
Tim:Nein, wir machen uns keine Konkurrenz, das ist so verschieden! Er hat diese R&B-Stimme, mit der ich nie mithalten könnte – und auch nicht wollte, weil sie mir so gefällt. Und bei den Sachen, wo man laut rufen muss, sagt Andrew: „Na, los, mach dein Ding!“ [lacht]. Aber wir unterstützen einander auch. Wenn ich aber mein Soloalbum mache, enthält es völlig andere Elemente. Es könnte eher jazzig sein, in Richtung Crowded House gehen, vielleicht ein Schuss Mechanics, aber so in diese Richtung gehen. Vor ein paar Jahren habe ich sogar etwas geschrieben, was Peter Gabriels Stil entspricht. Diese Mischung ist mir wichtig. Ansonsten spiele ich gerne live, auch kleine Gigs und hoffentlich noch viel Jahre. Aber was die Musicals angeht – da werde ich definitiv wieder dabeisein.
it: A propos Schreiben: Mike sagte, dass du, Andrew, schon einiges geschrieben hast und er auch. Habt ihr zwei zusammengeschrieben, und Mike dann gesagt: „Das ist schön, könnte aufs nächste Album“?
Tim:Nein, aber das sollten wir! Was mir im Bus fehlt, ist eine Gitarre!
Andrew:Mike ist da sehr offen. Er ist viel offener als die meisten Leute glauben. Er interessiert sich für so viele verschiedene Sachen. Wir könnten sehr gut zusammen schreiben. Und Mike ist so… während des Soundchecks spielte er so auf der Gitarre herum, und ich fragte ihn „Was ist das für ein Stück, eins von deinen?“ und er meinte: „Ich weiß auch nicht, was ich da gespielt habe“ – er ist ständig kreativ, aber er denkt nicht darüber nach. Das finde ich fantastisch: er ist völlig intuitiv und natürlich.
Tim:Daran kann man auch sehen, warum Genesis so überaus produktiv waren. Selbst als Gabriel ging, könnten sie sich gedacht haben „Was machen wir jetzt mit all diesen Ideen?“ und sie haben nie aufgehört, so zu denken. Als Songschreiber haben sie alle sehr starke Sachen produziert.
Andrew:Das nennt man Strongwriting.
it: Mike erzählte, dass 2013 der 25. Jahrestag von Living Years ist und Andrew eine neue Version von diesem Stück aufgenommen hat. Was erwartet ihr vom nächsten Jahr? Eine Geburtstagstour, ein neues Album?
Tim:Ich glaube, das ist besonders für die Fans wichtig. Es wird neue Stücke geben, zusätzliche in einem 2CD-Set. Es ist auch wichtig, dass wir das feiern. Aber dieser Jahrestag wird nur einmal stattfinden, und er kommt, weil Mike das feiern möchte. Er könnte jederzeit sagen … zum Beispiel, wenn seine Enkel erwachsen werden, „Ich hab genug davon“ oder auch wenn Genesis sagen „Wir gehen noch mal auf Tour“, also könnte das das letzte Mal sein, dass er Living Years ausspielt. Und wir haben dann etwas öffentliches Interesse und die Gelegenheit und die Zeit, die Stücke nochmal anzuschauen. Man weiß ja nie. Mike sagt, er will nichts ausschließen, so dass jederzeit diese eine letzte Genesis-Tour stattfinden könnte. Das würde viel Zeit in Anspruch nehmen und in dieser Zeit gibt’s keine Mechanics. Wenn wir dann Living Years machen, möchte Mike das feiern und mal anders begehen und das Album vielleicht einer neuen Generation vorstellen.
Andrew:[singt „talking about this generation“, lacht]
Tim:Als ich erzählt habe, dass ich bei den Mechanics singen werde, hat mir niemand von den Leuten, die in ihren 40ern und 50ern sind, gesagt, „das ist ja cool“ – sondern ein Freund von mir, der ist 21 und meinte „Oh Wahnsinn, ich bin ein riesiger Fan von Mike + The Mechanics“. Das ist eine jüngere Generation, und die scheint eine Leidenschaft dafür zu haben. Darum glaube ich, dass das mit der Jubiläumstour eine kluge Idee ist: Eben anders als eine normale Tour.
it: Vor drei Jahren habt ihr euch, glaube ich, noch nicht gekannt, und ihr wusstet noch nicht, dass ihr bei den Mechanics landen würdet, zumindest als Teilzeitprojekt. Wie ist das? Seht ihr das als eine einmalige Gelegenheit oder ist es mehr ein „mal sehen, wo es hinführt“?
Tim:Es kam ja völlig unvorbereitet. Wir wurden ja beide gebeten.
Andrew:Es gibt auch keine langfristigen festen Pläne. Ein weiteres Album und eine weitere Tour sind wahrscheinlich, aber sicher weiß das niemand. Macht es den Eindruck, als wäre es etwas Gutes? Das weiß man nie – wir wollen so weit gehen wie wir können. Als wir zum ersten Mal mit Mike zusammentrafen, war es eine ganz neue Sache, weil die ursprüngliche Idee war, dass ein paar Leute dachten, wir könnten mal zusammen arbeiten. Und wir erkunden das jetzt. Kann sein, dass es nur für eine Weile ist, oder es kann sich auch zu etwas anderem entwickeln.
Tim:Es macht Spaß, wir haben Spaß, Mike hat Spaß … Heute zum Beispiel hat das Konzert lustig angefangen. Wir sind keine von diesen Bands, die das Musikmachen so ganz ernst nehmen. Mike spielt gerne ein bisschen locker, er spielt gerne wie eine Band. Wir haben Glück, dieses Flair zu haben. Ich komme auch aus der Richtung, aus dem Musicaltheater bin ich in eine Band gekommen. Ich wollte etwas lockereres haben, das mehr aus dem Herzen kommt. Und du [schaut Andrew an] kommst ja auch aus dieser Ecke, du machst Musik, hast deinen eigenen Fankreis. Solange Mike Spaß hat und wir Spaß haben, machen wir weiter. Ein paar Jahre vielleicht? Wer weiß?
it: Was mir auffällt: Als wir uns letztes Jahr im Hard Rock Café in London getroffen haben, wart ihr noch nicht auf Tournee gewesen; jetzt schon, und ihr wirkt viel entspannter. Damals wart ihr sehr aufgeregt und gespannt, ob das alles so klappt. Jetzt, da alles klappt, wirkt ihr sehr locker, sehr selbstbewußt.
Andrew:Stimmt, und wir denken uns auch nicht „Ja, passt schon“ – Langeweile haben wir nicht. Ich bin neugierig darauf zu sehen, falls wir noch ein Album machen, wie das wird, denn jetzt kennen wir uns viel besser. Denn bei der letzten CD hatten wir ja sozusagen einen Kaltstart.
Tim:Wir haben uns im Studio kennengelernt! Wir sind hereingekommen, haben uns all die Geräte, Gitarren und so weiter angeschaut, und verschiedene Leute kamen herein und haben dies und das für verschiedene Stücke eingespielt, und die meisten davon kannten wir nicht einmal – da gab es eigentlich keine richtige Band.
Andrew:Es ist eine Herausforderung, wenn irgendetwas schon stark geprägt ist oder ein Markenzeichen ist. Die Leute haben gewisse Erwartungen, ich meine das Publikum, und Mike hat seine eigene Vorstellung von den Mechanics. Ich persönlich glaube, dass man sich entwickeln muss. Die Fans werden das verstehen, wenn das nächste Mechanics-Album ein bisschen anders klingt, solange es gut klingt. Und darum geht es, und das ist besser als wenn das neue Album klingt wie die Mechanics von 1987 oder so.
Tim:Indem man auf die Songs achtet. Mike hat eine gewisse Art zu spielen, das wird immer diesen Sound haben. Und wir packen Soul oder Rock dazu. Es ist eine Mischung und solange jeder die Aufgabe erfüllt, für die er gebraucht wird, werden es immer die Mechanics sein. Man braucht einen Soulsänger, der gut Keyboard spielt, und eine rockigere Stimme. Wir haben andere Leute gehört, die das zu singen versucht haben. Die bekamen das hin, aber sie hatten nicht das gewisse Extra. Dafür braucht man keinen Paul Carrack-Imitator oder so. Ziemlich am Anfang hat Mike mir gesagt: „Du singst wie Paul, aber du imitierst ihn nicht.“
it: Das ist interessant. Die Fans finden nämlich, dass ihr beide der perfekte Ersatz für die beiden Pauls seid, aber eben keine bloße Imitation. Und ihr bringt neue Energie auf die Bühne. Manche Leute behaupten sogar, dass du The Living Years besser singst als Paul Carrack und dass du bei Word Of Mouth besser klingst.
Tim & Andrew:Das freut uns zu hören!
it: Wie sehr beschäftigt es euch, dass die Albumverkaufszahlen hinter den Erwartungen zurückgeblieben sind?
Tim:Es liegt in unserer Verantwortung, nicht wahr?
it: Ist das wichtig für euch oder nur eine Nebensache?
Tim:NATÜRLICH ist es wichtig! Ich möchte Mike + The Mechanics wieder an der Spitze der Charts sehen!
Andrew: Ich finde es auch wichtig. Es ist nicht so toll, wenn man sagt, dass sich das Album nicht gigantisch verkauft, denn ich glaube, was Tim gesagt hat: Für die Mechanics gibt es immer noch einen großen Markt. Und wenn die Sache nicht richtig läuft, ist das frustrierend. Aber ich habe auch das Gefühl, die Sache wächst. Mike möchte weiterspielen, aber gleichzeitig kann man sich nicht auf den alten Lorbeeren ausruhen, man muss vorangehen. Weitermachen, noch ein Album und noch ein Album, und irgendwann wird es die Leute wieder packen. Denn dann merken sie, dass das nichts Nostalgisches ist. Nostalgie ist sehr gefährlich!
Tim:Das Tolle ist: Mike kann hingehen und auch ein paar Genesis-Songs spielen. Andrew und ich haben diese Position nicht, wir kennen noch nicht so viele Mechanics-Sachen. Wir werden die nächsten ein bis zwei Jahre damit verbringen, unsere Versionen der Mechanics-Songs hinzubekommen. Wir können nicht erwarten, dass die Fans im stillen Kämmerlein sitzen, und hoffen, dass es ihnen gefällt. Sie müssen uns live spielen hören. Und dann entscheiden sie, hopp oder topp. Und darum haben wir Sachen wie I Get The Feelingnur einmal gespielt. Wir haben nicht das Echo von den Fans bekommen – vielleicht auch, weil es in Kiel so sehr geregnet hat. Die Fans in Kiel waren aber großartig. Die standen da in dem miesesten Wetter, das ich je gesehen habe. Und dann wurde es besser und besser… aber wir müssen es für die Fans spielen – wir müssen das machen. Und dann muss Mike sagen, dass es gut ist, bevor es im Set landet. Und dann können wir mit neuer Musik weitermachen. Wir wären schön doof, wenn wir keine neue Musik aufnehmen würden.
it: Bei I Get The Feeling war das so, dass die Leute diskutierten, welche Songs denn toll wären, und unter den Favouriten waren Nobody’s Perfectvom Living Years-Album…
Tim:Das stand zur Debatte.
it: Vielleicht macht ihr das dann ja nächstes Jahr. Ein anderes Stück war Why Me vom selben Album und dann auch A Call To Arms, das bei den Fans sehr beliebt ist. Aber I Get The Feelingist nie auf irgendeiner Liste aufgetaucht, und war dann eine große Überraschung und eine ungewöhnliche Wahl.
Tim:Mike hatte da eine Idee. Andrew und ich tauschen die Gesangspartien, das haben wir ja letztes Jahr schon gemacht, und Mike meinte, da ist dieser Song I Get The Feeling, der könnte gut sein, wenn wir beide singen. Also haben wir es ausprobiert.
Andrew:Wenn man etwas ausprobiert, klappt es manchmal nicht. So ist das. Man muss es eben ausprobieren. Und das ist gut. Wenn jedes Konzert gleich wäre und perfekt, das wäre doch langweilig! So merkt man eben nach dem Konzert, dass ein Song da nicht so gut ankam, und das ist gut. Das hält einen inspiriert und lässt einen weiter daran arbeiten. I Get The Feeling … vielleicht hätten wir einen Platz im Set gefunden, vielleicht mit ein paar Änderungen. Aber im Moment passte es nicht hinein.
it: Und das M6-Album? Das ist zum zweiten Mal überhaupt nicht vertreten!
Tim:All The Light I Needist ein tolles Stück!
Andrew:Das Stück haben wir uns auch überlegt. Aber ist nicht Nobody Knowsauf M6? Ach, nein, das ist ja auf Living Years.
Tim:Wir müssen etwas für nächstes Jahr übrig lassen. Wir werden natürlich wahrscheinlich eine Menge von Living Years spielen.
Andrew:Wir schauen uns auf jeden Fall nicht die Alben an und sagen, lass uns von jedem Album etwas spielen. Es ist eher so, dass Mike Tim und mich fragt: „Was könnten wir live spielen?“ – und dieses Mal haben wir eben nichts von M6 ausgesucht. Wir wollen, dass die Show so stark wie möglich wird. Und das bedeutet manchmal, dass man diese Stücke nicht bringen kann.
it: Heute waren hier ungefähr 700 Leute, ihr spielt aber auch auf Festivals vor 10.000 Leuten. Wo liegt für euch der Unterschied, was mögt ihr lieber?
Tim:Das Unmittelbare bei 700 Leuten ist etwas Besonderes. Die Festivals sind wichtig, wenn die großen Songs kommen. Over My Shoulderzum Beispiel – das klappt immer. Solange wir genug in unserem Set haben, das ein Publikum von fünf- oder siebenhundert Leuten zufriedenstellt, sind die großen Shows Selbstläufer. Ich finde die kleinen Konzerte fordernder.
Andrew:Ich mag die kleineren Konzerte, weil es in gewisser Weise so ist, als wäre da die Familie in einem Raum. Wenn man ein bisschen von diesem Gefühl bei einem Konzert mit 10.000 Leuten erwecken kann, dann hat man es geschafft! Dann fühlt es sich kleiner an.
it: Du gehst ja auch noch auf Solotournee dieses Jahr?
Andrew:Ja, stimmt, wir kommen noch mal wieder, auch nach Deutschland. [Konzertdaten hier].
it: Kommst du ganz allein oder mit einer Band?
Andrew:Nein, mit Band, insgesamt sind wir zu viert. Ich freue mich darauf, wieder in Deutschland zu sein.
it: Tim, Andrew, vielen Dank für euere Zeit!
Tim:Ein Vergnügen, wie immer! Wir bleiben in Verbindung!
Andrew:Ja, wir wissen zu schätzen, was ihr macht – und eure Fragen sind immer interessant!
Interview und Transkript: Christian Gerhardts
Übersetzung von Martin Klinkhardt Fotos von Holger Lorenz