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Interview mit Mike Rutherford (27.02.1995)

Mike Rutherford im Gespräch mit it über das neue Mike + The Mechanics-Album Beggar On A Beach Of Gold.

Someone Always Asks Someone – Mike Rutherford im Gespräch mit it über das neue Mike + The Mechanics-Album Beggar On A Beach Of Gold.

it: Lass uns über dein neues Album sprechen. Was hast du seit der We Can’t Dance-Tour alles gemacht?
Mike: Die Tour endete im Dezember ’92. Im Februar und März ’93 schrieb ich dann an einigen Songs. Danach machte ich erstmal fünf Monate Urlaub und spielte den ganzen Sommer über Polo. Ich bin ein sehr begeisterter Polo-Spieler, und ich wollte einmal einen ganzen Sommer haben, um diesen Sport auszuüben. Im September ’93 fing ich in meinem Haus an, Songs für die Mechanics zu schreiben. Dies habe ich zunächst allein gemacht, und später kamen dann noch Paul Carrack, B.A. Robertson und Chris Neil hinzu. Bis ungefähr Januar ’94 arbeiteten wir in meinem Haus, und Ende Januar gingen wir dann ins Studio. Dort hielten wir uns viereinhalb Monate auf. Ich schrieb dieses mal viel mehr Lieder als gewöhnlich, und wir nahmen insgesamt einundzwanzig Stücke auf. Wenn man mit so vielen Songs anfängt, beginnt man normalerweise nach fünf oder sechs Wochen, zu sagen, dass „dieses oder jenes Lied nicht so gut ist“ und dass „ man es lieber herausnehmen möchte“. Aber von diesen Stücken schien keines wirklich schlecht zu sein, und deshalb nahmen wir sie alle auf. Das muss ungefähr im Juni gewesen sein. Danach hatte ich die schwere Aufgabe, zu entscheiden, welche Songs auf dem Album erscheinen sollten. Beim nächsten Mal würde ich nicht noch einmal so viele Lieder aufnehmen. Ich habe festgestellt, dass man bei so einer großen Anzahl von Stücken nur fünf oder sechs von ihnen aufnehmen sollte. Bei 21 Tracks dauert das wirklich ewig. Ich hatte so manchen Song zwei Wochen lang nicht mehr gespielt, und es wurde dann sehr schwer, sich wieder an ihn zu erinnern. Wenn man zehn Lieder aufnimmt, benötigt man dafür eine bestimmte Zeit, wenn man aber zwanzig Lieder aufnimmt, dauert es mehr als doppelt so lang.

it: Eines der Stücke, welche nicht auf dem Album zu hören sind, heißt Always The Last To Know und ist auf der englischen Ausgabe der Over My Shoulder-CD-Single erschienen. Werden auch andere „Non-album-tracks“ auf diesem Wege veröffentlicht?
Mike: Ich kann mir vorstellen, dass die meisten dieser Stücke als 8-Seiten oder in Form von speziellen Editionen veröffentlicht werden. Ich habe nicht vor, diese Stücke auf einem der nächsten Mechanics-Alben zu veröffentlichen. Ich versuche deshalb, auch diese Lieder herauszubringen. Wenn man ein Album zusammenstellt, sucht man sechs oder sieben Songs heraus, die man definitiv darauf haben möchte. Viele andere Tracks gefielen mir zwar auch, sie passten aber nicht so gut zu dem bereits ausgewählten Material. Ein Beispiel für so ein Lied ist Always The Last To Know.

it: Hast du auch ältere Ideen verwendet, oder ist alles neu geschrieben worden?
Mike: Die Stücke sind alle neu. Wenn man mit einem neuen Album anfängt, neigt man dazu, alles, was bereits vor zwei oder drei Jahren geschrieben wurde, als alt zu empfinden. Ich fange bei einem neuen Album auch gerne mit neuem Material an.

it: Gibt es eine besondere Geschichte oder ein Konzept, welches hinter Beggar On A Beach Of Gold steht?
Mike: Nein, das gibt es nicht! Wenn man ein Album macht und es dann später betrachtet, beginnt man, gewisse Ähnlichkeiten zwischen den Songs zu erkennen. Auf diesem Album geht es um sehr viel Gegenteiliges. Einige der Lieder sind schneller und auch sehr positiv, und eine oder zwei Kompositionen sind eher düster. Ich denke, dass sich vom sehr positiven Titelstück dieser LP auch auf die Stimmungen einiger anderer Lieder dieses Albums schließen lässt. Alle Menschen dieser Welt sind ständig auf der Suche nach etwas, oder hetzen irgend etwas hinterher. Dieser Song sagt aus, dass man sich selbst und alles, was einen umgibt, sehr genau betrachten soll. Unter Umständen hat man nämlich die Ziele, die man verfolgt, schon lange erreicht. Das Album hat ein schönes Cover, das einen Bettler (dargestellt von mir) an einem Goldstrand zeigt. Er sieht nicht das Geld, das ihn umgibt, da der ganze Strand aus Goldmünzen
besteht. Es gibt da ein anderes Lied mit dem Titel Another Cup Of Coffee. Der Refrain lautet: ,,Sie schenkt sich noch eine weitere Tasse Kaffee ein.“ Ich kam auf diese Idee, als ich den Film Alfie sah. Er spielt in den Siebzigern, und Michael Caine stellt eine der Personen dar. Es geht um einen Mann, der viele Freundinnen hat und sie nicht sehr gut behandelt. In einer dieser Beziehungen geht es um ein Familienleben, und je unfreundlicher er zu ihr ist, desto mehr schrubbt, säubert und poliert sie alles. In einer schlechten Beziehung versuchen Menschen sich häufig mit der Situation abzufinden und mit ihr zu leben, indem sie kleine häusliche Aufgaben wie Polieren, Säubern und Waschen übernehmen. Ein anderes Stück heißt Someone Always Hates Someone, und eine Textzeile darin lautet: „Jemand hasst immer jemanden, jemand kauft immer ein Gewehr“, und das ist leider eine Tatsache. The Ghost Of Sex And You schrieb ich zusammen mit B.A. Robertson, und es geht darin um eine viele Jahre zurückliegende Beziehung und einen Mann, der von seinen Erinnerungen an diese Erfahrung geplagt wird. Over My Shoulder ist ein sehr einfacher akustischer Song. Sie haben ihn als erste Single ausgewählt, was mir nicht unbedingt gefällt, da ich als erste Single gerne eines der härteren Stücke des Albums gesehen hätte. Ich habe es zusammen mit Paul Carrack in ungefähr fünf Minuten geschrieben. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt nicht viel auf der akustischen Gitarre gespielt und war trotzdem mit dem Ergebnis recht zufrieden. Mea Culpa ist lateinisch und heißt „Meine Schuld“. Der Song hat im Grunde auch dieses Thema zum Inhalt. Ich fand erst sehr spät heraus, dass auch Enigma ein Stück geschrieben hatte, welches den gleichen Titel besitzt. Es ist aber zu spät, um das noch zu ändern. A House Of Mony Rooms schrieb ich ebenfalls zusammen mit B.A. Robertson. Der Text beschreibt diesen Mann, der seine charakterlichen Seiten mit den verschiedenen Räumen eines Hauses vergleicht. Immer dann, wenn er sich in einem anderen Raum befindet, verändert sich auch sein Charakter. Something To Believe In handelt vom Leben in der Stadt in einer heißen Sommernacht und dem ganzen Chaos, dem Krach und dem Schmutz, der dich umgibt. Ein Mann kehrt zu seiner Frau zurück, und in diesem ganzen Chaos ist sie jemand, an den er wirklich glauben kann. Auf dem Album befinden sich auch zwei Coverversionen. Als wir die Aufnahmen für Beggor … abgeschlossen hatten, meinte Tony Smith zu mir: ,,Warum probiert ihr nicht einmal ein paar Stücke von anderen Künstlern aus?“ Ich fragte: ,,Warum?“, und er antwortete: ,,Die Mechanics haben eine Art eigenen musikalischen Sound. Probier einige andere Lieder aus, um zu sehen, ob dieser Sound dann immer noch vorhanden ist.“
Wir wählten zwei Songs aus. Einer davon ist von Stevie Wonder und hat den Titel I Believe (When I Fall In Love It Will Be Forever) und ist eines meiner und Pauls Lieblingslieder. Das andere Stück heißt You’ve Really Got A Hold On Me von Smokey Robinson und entstand etwas anders. Paul Carrack und Paul Young singen es im Duett, und das war etwas, was ich schon sehr lange machen wollte. Als You ‚ve Really … dann aufgenommen war, fühlte ich mich nicht sehr glücklich dabei, zwei Coverversionen auf dem Album zu veröffentlichen.
Aber beide Kompositionen sind sehr stark, und ich glaube, dass das Publikum einfach nur die Lieder genießen will, wenn es ein Album anhört. Es ist völlig unwichtig, wer die Musik geschrieben hat. Deshalb habe ich auch beide Songs aufs Album genommen.

it: Welchen Grund hat es, dass die neue CD viel mehr Akustikgitarre enthält als die drei anderen Mechanics-Alben?
Mike: Ich hatte das nicht unbedingt geplant. Ich hörte mir nochmal das erste Album an, bevor ich mit Beggar … anfing. Ich mochte daran, dass alles auf Atmosphären und Stimmungen aufgebaut und die Arrangements nicht übertrieben worden waren. Das war der einzige Gedanke, den ich im Kopf hatte. Over My Shoulder entstand auf eine sehr natürliche Weise. Another Cup Of Coffee wurde nicht auf einer akustischen Gitarre geschrieben, sondern es wurde zunächst auf einem Keyboard mit Streicher-Sound komponiert. Chris Neil hatte dann die Idee, dieses Stück auf der Akustikgitarre auszuprobieren, was mir sehr gut gefiel. Ich mag die Akustikgitarre sehr, ich hatte das in all den Jahren aber irgendwie vergessen, und ich habe sie zudem seit vielen Jahren nicht mehr gespielt.

it: Wenn man sich neue Fotos von den Mechanics sowie das Cover und das Video zu Over My Shoulder anschaut, bekommt man den Eindruck, dass die Band zu einem Trio geschrumpft sei.
Mike: Es hat sich in der Tat einiges verändert. Adrian Lee ist nicht mehr länger bei uns. Nach dem letzten Album hatte er große Probleme mit dem Produzenten Russ Titelman und auch dem Word Of Mouth-Album. Ich denke, dass er darin wohl auch das Ende unserer Beziehung gesehen hat. Ich traf ihn im letzten Jahr und fragte ihn, ob er nicht mal vorbeischauen möchte. Zu dem Zeitpunkt, als er dann ins Studio kam, war mir nicht sofort bewusst, dass ich bereits viele KeyboardPassagen mit der Synthesizer-Gitarre selber eingespielt hatte. Paul Carrack hat viel Keyboard gespielt, und B.A. Robertson ist bei den meisten Stücken an den Tasten vertreten. Adrian konnte bei vielen Songs ganz einfach nicht mehr sehr viel beisteuern, und ich denke, dass er darüber irgendwie unglücklich war.
Peter van Hooke ist aber immer noch sehr stark in die Mechanics involviert. Peter spielt zwar ein elektronisches Schlagzeug sehr gut, ich wollte aber dieses mal auf der Bühne ein richtiges Schlagzeug haben. Da Peter als Produzent für Rod Argent sehr beschäftigt ist, wollte ich mit GaryWallis mal etwas anderes ausprobieren und sehen, ob es funktioniert. Die beiden Pauls und ich verbrachten
eine lange Zeit des letzten Jahres zusammen, wohingegen Peter nur für drei Wochen vorbeikam, um auf dem Album mitzuspielen. Bei einigen Liedern spielt auch Gary Wallis mit. Ich habe mit ihm zusammen ein Wohltätigkeits-Konzert gegeben (Cowdray Ruins Concert 1993), bei dem auch Genesis und Pink Floyd mitmachten. Gary beteiligte sich sehr engagiert an diesem Projekt.

it: Es gibt jetzt, da die Band zu einer Art Trio geworden ist, gewisse optische Ähnlichkeiten zwischen den Mechanics und Genesis.
Mike: Phil (Collins) sah ein Foto von den Mechanics und meinte zu mir: ,,Das sieht ein bisschen nach uns aus, da Paul Carrack wie ich aussieht, Paul Young Ähnlichkeiten mit Tony hat und auch du darauf bist“. Ich wäre auf diese Parallelen nie gekommen.

it: Auf dem Album singen die beiden Pauls ganz offensichtlich die gleiche Anzahl von Songs.
Mike: Ja, es ist tatsächlich so. Ich habe letztendlich die dreizehn besten Stücke ausgesucht. Wenn dies bedeutet hätte, dass ein Paul mehr Lieder gesungen hätte als der andere, wäre das halt nicht zu ändern gewesen. Dass am Ende doch beide Pauls bei der gleichen Anzahl von Songs mitgesungen haben, liegt ganz einfach daran, dass das zuletzt ausgewählte Stück das Duett You ‚ve Really Got A Hold On Me war. Übrigens ist der Gesang von Paul Carrack und Paul Young auf diesem Album wirklich sehr, sehr gut.

it: Warum singst du nicht auch einmal selbst bei deinen Liedern?
Mike: Weil ich keine gute Stimme habe. Wenn ich eine gute Stimme hätte, würde ich bestimmt selber singen. Das Problem ist, dass man als Songwriter Stimmen für die Songs haben möchte, die sehr gut sind, und das ist meine nun mal nicht.

it: Du hast aber auf dem ganzen Acting Very Strange-Album selbst gesungen.
Mike: Ja, und als nächsten Schritt habe ich dann auch die Mechanics gegründet. Das Album ist zwar soweit okay, ich bin aber halt kein Sänger. Man muss einfach wissen, worin man gut ist und worin nicht.

it: Könntest du dir vorstellen, zumindest ein Lied auf jedem Album zu singen, so wie es Tony (Banks) in der Vergangenheit gemacht hat?
Mike: Ich glaube, dass ich kein Verlangen danach spüre. Die Mechanics haben zwei sehr gute Sänger mit brillanten Stimmen, und ich hätte es sehr schwer, gegen die beiden Pauls zu bestehen.

it: Wo wurde das Album aufgenommen?
Mike: Es wurde mal wieder in „The Farm“ aufgenommen. Es war diesmal aber etwas anders als sonst, da ich bereits einiges bei mir zu Hause aufgenommen hatte. In der Vergangenheit bin ich mit den Songs ins Studio gegangen, obwohl ich noch keine konkreten Ideen hatte, wie sie letztendlich klingen sollten. Diesmal entstanden das Wesen und der Klang der Stücke bereits in meinem Haus. Zuhause spiele ich auch irgendwie besser als im Studio.

it: Wie würdest du das neue Album beurteilen, wenn du es mit den vorangegangenen Werken der Mechanics vergleichst? Würdest du sagen, dass es eine Zurückführung an die Wurzeln der Mechanics darstellt, oder ist darin eher eine Weiterentwicklung zu sehen?
Mike: Es ist beides! Von den insgesamt vier Alben erscheint mir Word Of Mouth anders zu sein als die anderen. Das lag auch daran, dass ich mit anderen Produzenten gearbeitet habe und dass Russ Titelman bei der Auswahl der Stücke behilflich war. Dies legte irgendwie die Stimmung des Albums fest und veränderte alles in eine rockigere Richtung, in der nicht unbedingt unsere Stärken liegen. Ich habe herausgefunden, dass die starken Seiten der Mechanics im Schaffen von Stimmungen und Atmosphären liegen, und bei Beggar … ist uns das gut gelungen.

it: Befindet sich auf dem neuen Album wirklich die Art von Musik, die du machen möchtest, oder ist sie eher ein Kompromiss zwischen dem, was du machen möchtest, und dem, was du machen musst, um kommerziellen Erfolg zu haben?
Mike: Das ist eine sehr ungewöhnliche Frage. Viele Leute verstehen häufig nicht, wie das mit Genesis funktioniert. Wenn ich ein Album mache, habe ich nur ein Ziel: ich möchte mich dabei glücklich machen. Es mag vielleicht seltsam klingen, aber es ist sehr wichtig, dass man sich dabei um niemanden kümmert. Man darf sich nicht um die Plattenfirma und nicht einmal um die Fans kümmern. Es ist außerdem sehr wichtig, dass man sich nur um sich selbst kümmert und ehrlich zu sich selbst ist. Ich habe mir zwar regelmäßig angehört, was Chris Neil, Paul Carrack und Paul Young zu den Songs zu sagen hatten, aber am Ende des Tages kam es immer darauf an, ob sie mir gefielen oder nicht.

it: Könntest du dir vorstellen, mal etwas völlig anderes wie beispielsweise ein Akustik-, ein Instrumental-Album oder einen Soundtrack aufzunehmen?
Mike: Das wäre durchaus denkbar. Da ich aber in zwei Gruppen, Genesis und Mike & The Mechanics, bin, wird es schwer werden, mal so ein Album entstehen zu lassen. Mit Genesis läuft alles ausgezeichnet, und bei den Mechanics möchte ich die entstandenen Beziehungen gerne weiterentwickeln. Ich bin mit beiden Bands wirklich sehr beschäftigt.

it: Also sind andere Projekte möglich, und das Ganze ist nur ein Zeitproblem?
Mike: Ja, ich weiß einfach nicht, ob es einmal dazu kommen wird. Wenn du alleine arbeitest ist das großartig, wenn man aber mit anderen Musikern zusammenarbeitet, ist es schön, eine gewisse Kontinuität zu bewahren.

it: Wie sehen die Live-Pläne für die Mechanics in diesem Jahr aus?
Mike: Zunächst habe ich die Band-Besetzung verändert. Gary Wallis wird am Schlagzeug sitzen und Tim Renwick Gitarre und Bass spielen. Wir haben zwei Sängerinnen dabei, und Paul Carrack wird die Keyboards übernehmen. Von daher klingt schon mal alles anders. Wir haben zudem nicht vor, das Album Note für Note nachzuspielen. Wir wollen auch ohne Computer und mit weniger Technik auskommen. 1994 haben wir an einem Konzert für Virgin Records teilgenommen. Wir spielten die Songs The Living Years, All I Need ls A Miracle und Over My Shoulder. Wir hatten mit den Verstärkern und den Instrumenten nur das Nötigste dabei. Ich wusste nicht einmal, was man sich für die Licht-Show ausgedacht hatte, und trotzdem klappte alles großartig. Mir wurde klar, dass die Mechanics weder eine große Licht-Show
noch eine spezielle Atmosphäre für die Musik, so wie das bei Genesis der Fall ist, benötigen. Ich möchte erreichen, dass wir weniger Aufwand betreiben und dafür beweglicher sind. Das Motto der Tour könnte auch lauten: „Gebt uns die Möglichkeit zu spielen, und wir werden kommen!“ Unser Agent hat einige Festivals in Deutschland und Europa geplant, was vier oder fünf Wochen in Anspruch nehmen wird, da diese Ereignisse grundsätzlich an Wochenenden stattfinden. Wir werden also versuchen, zwischen den Festivals einige Konzerte zu geben. Das hängt allerdings auch vom Erfolg des Albums ab. Im Juli und August werden wir dann nach Amerika gehen und im September nach Europa zurückkehren.

it: Habt ihr bereits angefangen zu proben, und was für Material werdet ihr auf der Tour spielen?
Mike: Am 18. Januar dieses Jahres haben wir sogar schon ein Konzert im Victory Club in London gegeben. Wir spielten Beggar, Coffee, Over My Shoulder, Mea Culpa, You ‚ve Really Got a Hold On Me, Living Years, Miracle und I Get The Feeling. Unter Umständen habe ich da jetzt ein Lied vergessen! Auf jeden Fall haben wir vor kurzem eine Akustik-Version von Silent Running einstudiert, die wirklich toll klingt. Ich denke, dass wir auf dieser Tour eine Kombination aus neuen und alten Songs präsentieren werden.

it: Könntest du dir vorstellen, auch altes Material von Acting Very Strange oder Smallcreep ’s Day zu spielen?
Mike: Ich glaube nicht, da wir ja mittlerweile vier Mechanics-Alben zur Verfügung haben, von denen wir Stücke auswählen können. Ich kann mich an die erste Tournee erinnern, bei der wir nur in Amerika spielten. Wir hatten nur acht Lieder im Gepäck, und das erschwerte das Ganze natürlich etwas.

it: Viele Fans würden aber möglicherweise sehr gerne Material von deinen ersten beiden Alben hören …
Mike: Ich habe die Idee, ein Medley zusammenzustellen, das aus Songs von Paul Carrack, Paul Young und mir besteht. Es soll zeigen, von wo die Mechanics kommen.

it: Bei Genesis ist es ähnlich. Auch da möchten die Fans mehr von den alten Liedern hören.
Mike: Das alte Material ist bei ihnen im laufe der Zeit immer beliebter geworden. Das Problem ist, dass wir nur das spielen wollen, was uns am meisten reizt. Ich mus allerdings gestehen, dass ich bei Konzerten auch immer die alten Lieder hören möchte.

it: Wo wir gerade über Altes sprechen: Warum wurde für das Platten-Cover nicht wieder das alte Mike & The Mechanics-Logo verwendet?
Mike: Ich weiß es ehrlich gesagt nicht genau. Ich wurde da irgendwie überredet. Ich vermisse es sogar etwas, aber ich setze mal voraus, dass wir es für andere Zwecke wieder verwenden werden. Ich weiß nicht, ob es im Einklang mit dem Bild auf dem Cover gut ausgesehen hätte. Wir werden es aber ganz sicher wieder benutzen. Ich bin mit dem Cover übrigens sehr zufrieden. Es gibt nicht allzu viele Plattenhüllen, die mir gefallen. Das We Can ‚t Dance-Cover gefällt mir auch, aber dieses hier ist wirklich sehr, sehr gut. Als wir zum ersten Mal die Idee für das Cover hatten, sollte in der Tat ein alter Mann (zu sehen auf Seite 14 des CD-Booklets) den „Bettler an einem Goldstrand“ darstellen. Zunächst war ich mit dem Bild sehr zufrieden, aber nach einiger Zeit empfand ich es als zu deprimierend für ein Album-Cover. Dann meinten noch einige Amerikaner: ,,Mike sieht auf dem Bild aber alt aus“, und das bewegte uns dazu, mein Gesicht auf seinen Körper zu setzen. Nun hatte der abgebildete Mann aber sehr alte Hände! Letztendlich wurde dann ein komplettes Foto von mir verwendet.

it: Auf der Over My Shoulder-CD-Single befindet sich auch eine Live-Version dieses Songs. Wann und wo wurde sie aufgenommen?
Mike: Diese Version wurde am 31 . Mai 1994 bei der 21.-Geburtstags-Party von Virgin Records aufgenommen. Damals spielten wir noch in der alten Besetzung, also mit Adrian und Peter. Tim Renwick war gerade mit Pink Floyd auf Tour, deswegen war Andy Fairweather Low mit dabei. Mit von der Partie waren auch zwei Background-Sängerinnen. Zu diesem Zeitpunkt war Over My Shoulder noch nicht fertig aufgenommen, und als ich mir die Live-Aufnahme des Stückes anhörte, gefiel mir diese Version so gut, dass ich die beiden bat, bei diesem Lied den Hintergrundgesang zu übernehmen.

it: Ist dir bekannt, weswegen Atlantic Records Mea Culpa als erste Single des Albums ausgewählt hat?
Mike: Ich weiß nicht, warum! Ich habe mit der Auswahl der Singles nichts zu tun. Ich nehme ein Album auf, und solche Dinge überlasse ich dann den Plattenfirmen.

it: Du bist aber nicht sehr glücklich mit dieser Entscheidung …
Mike: Ich kümmere mich nicht darum. Es ist ein guter Song, aber in meinen Augen ist er kein Single-Track. Sie denken wohl, dass es ein Stück des Albums sei, welches sehr geeignet ist, um die amerikanischen Radiostationen auf uns aufmerksam zu machen.

it: Welches Lied wird als nächste Single ausgekoppelt?
Mike: In Amerika wird es eventuell Over My Shoulder sein. In England und dem Rest der Welt hat man als nächste Single A Beggar On A Beach Of Gold ausgewählt, worüber ich mich sehr freue.

it: Vielen Dank für den interessanten Einblick in deine Aktivitäten. Wir würden dich während der Tournee im Sommer gerne wieder treffen, um mit dir ein längeres Interview über deine musikalische Vergangenheit mit den Mechanics und Genesis zu führen.
Mike: Ihr wisst darüber wahrscheinlich mehr als ich. Mein Gedächtnis ist nicht besonders gut.

it: Wir werden versuchen, dich zu den alten Tagen zurückzuführen. Vielen Dank, dass du soviel Zeit mit uns verbracht hast. Wir freuen uns schon sehr darauf, das Gespräch mit dir recht bald fortzusetzen.

Transkription und Übersetzung: Helmut Janisch, Bernd Zindler
zuerst erschienen im it-Magazin #14, März 1995