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Harmony For Elephants: Anthony Phillips, Steve Hackett et al. Buch / CD Rezension
Über eine Kickstarter-Kampagne erschien im letzten Jahr ein Bildband über Elefanten – von Kate Evans und Lesley Wood. Für Genesis-Fans ist das Werk auch deswegen interessant, weil es dazu eine CD mit neuer Musik gibt, auf der neben Anthony Phillips und Steve Hackett auch etliche andere Musiker aus der Genesis-Familie vertreten sind. Martin Klinkhardt hat sich das Gesamtpaket genauer angesehen.
Was haben Elefanten und die Musiker und Sänger unserer Lieblingsband gemeinsam? Sie sind groß (was das künstlerische bzw. physische Erscheinungsbild angeht) und einigermaßen grau. Diese Parallele dürfte allerdings nicht der Grund sein, dass Anthony Phillips und auch Steve Hackettsich musikalisch am Projekt Harmony For Elephants beteiligt haben. Immerhin sind die beiden (neben Ray Wilson) die am wenigsten ergrauten Genesis-Musiker.
Stiftungen zum Schutz der Elefanten gibt es viele. Sie schaffen und erhalten Rückzugsräume. Andere bilden Wildhüter aus, damit Wilderer abgeschreckt oder wenigstens zur Rechenschaft gezogen werden. Aber die Entwicklung des Klimas und der Bevölkerung führen dazu, dass die Bereiche von Mensch und Elefant überlappen. Das bringt Konflikte mit sich – Kleinbauern sind schnell in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht, wenn ein Elefant in ihre Felder einbricht.
Elephants For Africa erforscht die Verhaltensmuster von Elefanten, vor allem von einzelnen Elefantenbullen, die sehr viel öfter mit Menschen in Konflikt geraten als Elefanten aus einer Herde. Die Ergebnisse werden genutzt, um den Menschen in Botswana zu vermitteln, wie sie mit den wilden Tieren zusammenleben können. Elephants For Africa wendet sich an Kinder und bringt ihnen bei, dass Elefanten für das Ökosystem wichtig und daher schützenswert sind. Die Erwachsenen sollen die Elefanten verstehen, erfahren, dass Elefanten auch Nutzen bringen, und den Schaden, den einzelne Tiere anrichten, abmildern können. Sie lernen Techniken, mit denen sie Konflikte vermeiden und gleichzeitig bessere Ernten erhalten. Dies alles dient dabei dem übergeordneten Ziel: dem Schutz der Dickhäuter.
Seit fast zwanzig Jahren betreibt die Biologin Dr. Kate Evans Feldforschung in Afrika; mehr als drei Viertel dieser Zeit leitet sie ein Elefanten-Forschungsprojekt in Botswana. Aus diesem Erleben heraus hat sie die Stiftung Elephants For Africa gegründet, die sie auch leitet.
Um Aufmerksamkeit und natürlich auch finanzielle Unterstützung zu generieren, beschlossen Dr. Evans und die Berufsfotografin Lesley Wood, ebenfalls Biologin, gemeinsam ein Projekt anzugehen. Über sechs Jahre hinweg haben sie ihre Idee eines Bildbandes über Elefanten immer weiter ausgefeilt. Das Ergebnis ist das Buch Harmony For Elephants. Finanziert wurde es über die Crowdfunding-Plattform Kickstarter, und die Hälfte aller Gewinne aus dem Buchprojekt gehen direkt an die Stiftung. Ab einem bestimmten Beitrag bekam man dann ein Exemplar des Buches (im Format A4 quer oder – bei besonderer Spendenfreude – sogar A3 quer) und als besondere Zugabe die CD Harmony For Elephants, für die eine ganze Reihe profilierter Musiker neue Stücke gespendet haben.
Als Bildband enthält das Buch vor allen Dingen großformatige, beeindruckende Fotografien von Elefanten. Die Bilder sind größtenteils farbig, wobei eine Reihe von Bildern aber auch Schwarz-Weiß sind und dadurch noch einmal besonders wirken. Neben den Bildern stehen kurze Texte. Sie illustrieren, was Elefanten für Botswana und für Afrika bedeuten, wie bedroht die Elefanten sind (Dr. Evans: „An jedem einzelnen Tag verliert die Welt zwischen 100 und 200 Elefanten an den illegalen Handel mit Elfenbein.“) und belegen auch auf sehr liebenswerte Weise, wie schön Elefanten sind („Wenn es keine Elefanten gäbe, könnte man sie nicht erfinden. Sie gehören zu der kleinen Gruppe von Lebewesen, die so unwahrscheinlich sind, dass sie den gesunden Menschenverstand herausfordern.“ Lyall Watson). Dabei kommen neben „europäisch-westlichen“ Biologen auch diejenigen zu Wort, die in Botswana versuchen, friedlich Seite an Seite mit den Elefanten zu leben.
Die Texte in diesem Buch sind natürlich engagiert, sie vermitteln eine klare Botschaft – aber sie sind dabei, so paradox das klingen mag, informativ, aber nicht belehrend.
DIE MUSIKER UND DIE MUSIK
Die Liste der Musiker wirkt wie eine kleine Party, auf der jeder jeden irgendwoher kennt: Nad Sylvan hat live für Steve Hackett gesungen, der Anthony Phillips bei Genesis abgelöst hat. Tony Patterson ist der Sänger der Coverband ReGenesis und hat auch auf Nick Magnus‘ Album N’monix gesungen. Rob Townsend gehört zu Steves Liveband wie auch Amanda Lehmann. Auf Anna Madsens zweitem Album Whispers spielt Anthony Phillips mit. Dale Newman hat mit und für Anthony Phillips gearbeitet. Nick d’Virgilio, der auch für Genesis trommelte, schwingt die Stöcke hier für Andy Neve – alles gute Bekannte also.
Das Album besteht aus sieben Liedern und acht Instrumentalstücken, die alle spezifisch für diese Veröffentlichung geschrieben wurden.
Eingängig spannende Rockmusik eröffnet das Album. Eventide (The Call Of The Wild) schildert eine Jagd- und Schutz-Situation und formuliert das Motto für das gesamte Projekt: “We’d like to see the end of ending lives for the call of the wild” (Wir möchten gerne sehen, das das Töten aufhört – zugunsten des Rufs der Wildnis”).
Zusammen mit Roger King haben Steve Hackett und Anthony Phillips, Gitarristenvorgänger und -nachfolger bei Genesis, In A Perfect World geschrieben. Gefällige Harmonien, nettes Klavier und ein Gitarrensolo kringeln sich ins Ohr, ohne tiefere Wirkung zu hinterlassen.
Tony Pattersons See The Dreamorientiert sich klanglich stark an Peter Gabriel. Es beginnt wie ein Stück von Passion und greift dann Klänge von San Jacinto auf. Ein bisschen epigonal, da hätte man sich ein bisschen mehr gewünscht.
Sunset Trail ist bewährte Ant Phillips-Kost auf der 12-saitigen Gitarre. Es zeigt, wie gut Ant darin ist, eine Situation musikalisch zu skizzieren und einen poetisch passenden Titel zu finden, der mit dem Stück eine gute Verbindung eingeht.
Elefanten scheinen zu tröten am Anfang von Rob Townsends Play For Time, Time For Play. Ein merkwürdiges Stück. Bläser imitieren Elefanten, dann stehen die Zeichen auf Big Band Blues… und nach einer Minute geht das Stück in eine fröhlich dahinhüpfenden Xylophonmelodie über; mit der Musik könnte man sehr gut die illustrierenden (kommentarfreien) Teile eines Videos unterlegen, das auf das Anliegen von Elephants For Africa aufmerksam macht: fröhlich spielende Elefantenbabys, aber auch die Ansätze zur Koexistenz zwischen Mensch und Tier – und auch die Bedrohung durch Wilderer.
Amanda Lehman gießt in We Are The One das „Selbstverständnis“ einer Elefantenherde in leicht esoterische Klänge, die den Einfluss von Steve Hackett nicht leugnen können. Klavier und Gitarre bringen hier lange, getragene Akkordsequenzen zusammen.
Eine große, orchestrale Musik wie für einen der großen Monumentalfilme aus vergangenen Zeiten – irgendwo zwischen Vom Winde Verweht, Ben Hur und Hatari. Flugaufnahmen stehen dem Hörer vor Augen: Eine Elefantenherde stapft gelassen durch den Busch – später schreiten sie majestätisch vor der untergehenden Sonne über die Leinwand. Nick Magnus verdanken wir Crossing The Savannah– und der einzige Makel ist, dass er hier irrtümlich „Mick Magnus“ genannt wird.
Eines der längsten Stücke auf dem Album ist die Ballade Two Rope Swings. Ausgehend von der Seilschaukel, auf der „westliche“ und afrikanische Kinder gleichermaßen gerne spielen, zeigt Andy Tillison Diskdrive auf, dass unsere zivilisierte und industrialisierte Welt und die sogenannte „Dritte Welt“ Parallelen aufweisen, verflochten sind, Klischees vom jeweils anderen haben – und was in der einen „Welt“ passiert, Auswirkungen auf die andere hat – auch auf die Tiere hier und dort.
Klavier und zurückhaltendes Schlagzeug prägen den ersten Teil, der an Roger Waters‘ deprimierende Stücke (z.B. auf Amused To Death) erinnert, dann kommen große Keyboardausbrüche in flottem Neoprog dazu.
Lockere Klavierklänge leiten über zu The Elephant’s Tale von Anthony Phillips. In die munter plätschernde Musik schleichen sich immer wieder verstörende Töne – wie auch das Leben der Elefanten gestört wird. Mit den Variationen und Unterbrechungen gibt es hier eine Mini-Suite zu hören.
This Is Our Home könnte auch im Mainstream-Radio laufen, vielleicht eher im Abend-/Nachtprogramm. Hymnisch schwebende Gesänge erinnern ein wenig an die „Chorepik-Stücke“ a la Adiemus aus den 90ern.
Lorato ist das zweitkürzeste Stück auf dem Album. Steve Hackett spielt akustische Gitarre.
Dann kommt Dale Newman, der auf diesem Album mit seinem Akzent aus dem Mittleren Westen deutlich heraussticht. Everyone Should Know ist genauso geradeheraus wie der Titel schon andeutet: Ich finde es schade, dass etwas so schönes verloren geht.
Die ersten Sekunden von Rivers Of Fire könnten von Peter Gabriel’s Passion-Album geborgt sein. Ein einfacher Schlagzeugrhythmus kommt hinzu, bevor schlichte Keyboard- und Gitarrenmotive übernehmen. Wenn dieses Stück für mich ein wenig abfällt, dann weil ich finde, dass ein Stück, dessen Anfang von meinem Lieblings-Soundtrack stammt, auch ein entsprechendes Ende haben sollte. Brendan Eyre und seiner Musik wird das unter Umständen nicht ganz gerecht.
Mit wenig Keyboardklängen beschwört Tim Bowness in Andy Neves Stück abschließend den Hörer: „Speak for me – sprich für mich! Wenn wir weg sind, wird die Welt ärmer“. Langsam wächst die Instrumentierung, aber im Kern bleibt Speak For Me eine schlichte Nummer, die ihre eindringliche Bitte klar formuliert.
Als Bonustrack ist dann noch Into The Lens von Andy Neve dabei. Ein schön schwebender Abschluss für das Album. Wenn man die Augen schließt, kann man sich dabei die beeindruckendsten Bilder von Naturfilmern in Afrika vorstellen. Nach einer sanften Einleitung tritt ein afrikanisch wirkender Trommelrhythmus hinzu. Die Sopranistin Lorna James steuert dazu zunächst textlosen Gesang bei, der in der Coda in die Zeilen „She walks into the lens“ mündet. Das ist dann der Moment, indem Lesley Wood auf den Auslöser drückt und solche großartigen Bilder entstehen.
Ein beeindruckendes und hochwertig ausgestattetes Buch und eine CD voll reizvoller und exklusiver Musik, die es sonst nirgends gibt. Dazu noch eine Gelegenheit, ein Scherflein zu einem lobenswerten Anliegen beizutragen – eine rundum gute Kombination.
Autor: Martin Klinkhardt
Das Buch/CD-Set Harmony For Elephants kann ausschliesslich unter diesem Linkbestellt werden.
Das CD-Album wird am 25. Mai 2018 nun auch separat erscheinen und kann hier bestellt werden:
CD Digipak:JPC | Amazon
Digitales Album:iTunes
Die Credits:
Nad Sylvan – Eventide (The Call Of The Wild)
Nad Sylvan (lead, backing vocals, percussion), Anders Wollbeck (keyboards, orchestration, guitar, drum programming), Lalle Larsson (synthesizer solo), Dan Sundquist (bass)
Steve Hackett and Anthony Phillips – In A Perfect World
Steve Hackett (electric guitar), Anthony Phillips (electric guitar, acoustic 12-string guitar), Roger King (keyboards and programming)
Tony Patterson – See The Dream
Tony Patterson (vocals, keyboards, thumb piano, guitars, programming), Kim Seviour (vocals)
Anthony Phillips – Sunset Trail
Anthony Phillips (acoustic 12-string guitar)
Rob Townsend – Play For Time, Time For Play
Rob Townsend (composed, arranged, performed, produced)
Amanda Lehman – We Are One
Amanda Lehman (vocals, guitar, piano, synth backing)
Nick Magnus – Crossing The Savannah
Nick Magnus (composed, arranged, performed, produced)
Andy Tillerson Diskdrive – Two Rope Swings
Andy Tillerson Diskdrive (all instruments, produced)
Anthony Phillips – The Elephant’s Tale
Anthony Phillips (piano)
Anna Madsen – This Is Our Home
Anna Madsen (vocals), Brian Coombes (keyboards, Taurus pedals, percussion), Myron Kibbee (guitars), Jonathan Mover (drums), Dale Newman (backing vocal), Rob Townsend (saxophone)
Steve Hackett – Lorato
Steve Hackett (acoustic guitar)
Dale Newman – Everyone Should Know
Dale Newman (composed, arranged, performed, produced), Brian Coombes (additional recording), Anna Madsen (additional voices), Dave Mattacks (drums)
Brendan Eyre – Rivers Of Fire
Brendan Eyre (keyboards, programming), David Clements (bass), Robin Armstrong (lead guitar), Adrian Jones (additional guitar)
Andy Neve – Speak For Me
Tim Bowness (vocals), Dave Gregory (guitars), Andy Neve (keyboard, bass, backing vocals), Nick d’Virgilio (drums)
Andy Neve – Into The Lens
Lorna James (soprano vocals), Andy Neve (keyboards, bass and programming), Dave Gregory (slide guitar), Nick Magnus (additional programming)
Links:
Harmony For Elephants Kickstarter page
Elephants For Africa Website
Lesley Woods Homepage