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Genesis – Three Sides Live Tour 1982 – Tourreport
Nach der Veröffentlichung des Albums Three Sides Live gingen Genesis 1982 erstmals auf Promotion-Tour für ein Live-Album. Ein Novum in der Bandgeschichte, mit einem historischen Tourabschluss.
Genesis On Tour (10) – Three Sides Live 1982
Dance On A Volcano, Behind The Lines, Follow You Follow Me, Dodo/Lurker, Abacab, Supper’s Ready, Misunderstanding, Man On The Corner, Who Dunnit?, Medley: In The Cage/Cinema Show/Raven/Afterglow, Turn It On Again, Los Endos, The Lamb Lies Down On Broadway/Watcher OfThe Skies (instr.), I Know What I Like
…wenn man sich diesen Set betrachtet, gerät man unweigerlich ins Staunen. Die Auswahl der Stücke erinnert zwar sehr an die Abacab-Tour, allerdings entdeckt man bei näherem Hinschauen, dass besagte Songs von absoluten Klassikern sozusagen eingerahmt wurden und in Supper’s Ready einen fantastischen Höhepunkt fanden. Nie zuvor wurden von Genesis so dicht aufeinanderfolgend „alte“ und „neue“ Lieder live präsentiert wie bei diesen Konzerten. Aber es gibt noch andere außergewöhnliche Dinge über die 1982er Tour zu berichten.
Zunächst aber zu den Beweggründen für die Three Sides Live Tour (so die inoffizielle Betitelung dieser Tournee), die ihre Wurzeln in der Veröffentlichung der gleichnamigen Doppel-LP im Juni 1982 fanden. Außer in England wurde die vierte Seite mit Stücken versehen, die aus den Aufnahme-Sessions für Abacab beziehungsweise Duke stammten. Den britischen Fans bot man etwas Besonderes, indem man Live-Material von älteren Tourneen auf die B-Seite der zweiten Platte presste. Ungewöhnlich und einmalig in der Geschichte der Band ist die Tatsache, dass man sich dazu entschloss, im direkten Anschluss an die Veröffentlichung dieses Live-Albums auch eine (Promotion-)Tour folgen zu lassen. Allerdings ist kaum zu übersehen, dass die englische Version von Three Sides Live ganz offensichtlich den Anreiz dazu gegeben hat, auch alte Klassiker wieder auszugraben und live zu spielen. Zudem wurde von offizieller Seite verkündet, dass Genesis dem 10jährigen Jubiläum von Supper’s Ready einen Tribut zollen wolle und deshalb diesen Song mit in den Set aufgenommen habe. In den Raum gestellt sei an dieser Stelle die Vermutung, dass Genesis mit den ausgewählten Stücken aus den siebziger Jahren die (nach der Abacab-Tour doch sehr enttäuschten) Fans entschädigen wollte.
Kurz nach der Verlautbarung der Konzertdaten folgte ein immenser Ansturm auf die Eintrittskarten. In England beispielsweise gingen innerhalb von zwei Wochen über 500.000 Vorbestellungen für die Shows ein, die die Gruppe auf britischem Boden plante. Genesis war zu einem absoluten Top-Act geworden, bei dem die Veranstalter keine Angst vor ausbleibender Nachfrage und leeren Konzerthallen haben mussten. Was die Bühnenshow anbelangt, gab es diesmal ausnahmsweise keine technischen Neuerungen, die bei den Konzerten das Licht der Welt erblicken sollten. Die bereits bei der Abacab-Tour erprobten Varilites kamen natürlich wieder zum Einsatz, und im Zusammenspiel mit dem verwendeten Trockeneis wurden so unvergessene Momente geschaffen. Sehr reizvolle Effekte wurden zudem durch die Verwendung von Schwarzlicht geschaffen. Was den Besuchern der Konzerte da geboten wurde, war mehr als nur ein paar farbige an der Bühnendecke aufgehängte Scheinwerfer. Das auf den Zuschauer einwirkende Szenarium war ein optisch perfekt in Szene gesetztes Spektakel, das die Musik nicht nur untermalte, sondern deren Wirkung noch verstärkte.
Wie nicht anders zu erwarten war, standen neben Phil, Mike und Tony auch wieder Daryl Stuermer (Gitarre und Bass) und Chester Thompson (Schlagzeug) auf der Bühne. In den USA lud man zudem Bill Bruford als Gastmusiker ein. Dieser hatte Genesis ja schon einmal bei der A Trick Of The Tail-Tour begleitet. Ein ähnlich ungewöhnliches Ereignis gab es am 22. August 1982 in New York. Dort gaben die Bläser von Earth, Wind &: Fire ein einmaliges Gastspiel und begleiteten Genesis bei den eigens für diese Show mit ins Programm genommenen Stücken Paperlateund No Reply At All. Bei den übrigen Konzerten variierte man sowohl in Amerika wie auch in Europa den Set praktisch nicht.
Zur musikalischen Darbietung der Stücke ist zu sagen, dass die gespielten Versionen an vorangegangene Tourneen angelehnt waren und deshalb kaum irgendwelche außergewöhnlichen Überraschungen bargen. Erwähnenswert ist allerdings The Lamb Lies Down On Broadway/Watcher Of The Skies, die jeweils erste Zugabe bei den Auftritten. Das bei der Trick-Tour gespielte und auf Three Sides Live veröffentlichte Medley It/ Watcherbot die Vorlage zu dieser Neuinszenierung. Bei Watcherwurde wiederum nur das instrumentale Intro und Ende dieses Songs präsentiert.
Ein großes Anliegen der Band war es, bei dieser Tour in Ländern zu spielen, in denen man seit Jahren nicht mehr live aufgetreten war. So gastierte man beispielsweise auch in Dänemark und Italien, wo Genesis das letzte Mal 1975 bei der The Lamb Lies Down On Broadway-Tour gespielt hatte. In Italien feierte die Band in den frühen Siebzigern ihre größten Erfolge außerhalb Englands, und die frenetischen Fans bedankten sich bei ihnen mit einer unglaublichen Begeisterung und drei restlos ausverkauften Konzerten. Übrigens ließ es sich Phil auch diesmal nicht nehmen, seine kleinen Geschichten, die er sich zu einigen Liedern ausgedacht hatte, in der jeweiligen Landessprache vorzutragen.
So auch geschehen am 10. September 1982 im Wilhelm-Koch-Stadion in Hamburg. Dieses Konzert, welches das einzige in Deutschland während dieser Tour war, gilt in Fan-Kreisen noch heute als fantastisches Erlebnis. Aus der ganzen Republik pilgerten die Genesis-Anhänger in die Hansestadt und ließen diese Show zu einem Kult-Ereignis der Extraklasse werden, über das man noch Jahre später voller Enthusiasmus sprach. Aber auch ein anderer, einmaliger musikalischer Leckerbissen ließ diesen Abend zu etwas ganz Besonderem werden.
Eigens für diese Show wurde nämlich (auf eigenen Wunsch von Genesis) King Crimson, die zu der Zeit ebenfalls auf Tournee waren, als Vorgruppe engagiert. Die Faszination, die Robert Fripp &: Co. noch in den Achtzigern auf Banks, Rutherford und Collins ausübten, veranlasste sie sogar dazu, ein gerade stattfindendes Interview zu unterbrechen, um den Klängen von King Crimson zu lauschen. Das sollte aber noch lange nicht das Ende der Besonderheiten während dieses jahres sein. Am 10.11.72 spielte Genesis im legendären Marquee Club in London. Am 27.09.82, also nach fast zehn jahren, sollten diese heiligen Hallen wieder der Schauplatz für ein ungewöhnliches Konzert sein. Ungewöhnlich deshalb, weil die Gruppe unter dem Namen The Garden Wall (eine der beiden Schulbands, aus denen Genesis entstand) auftrat. Als die Fans von dieser Show Wind bekamen, wurden die Eintrittskarten natürlich heiß begehrt. Viele übernachteten vor dem Eingang des Theaters, und am nächsten Morgen hatte sich bereits eine lange Warteschlange gebildet. Bereits um 10.30 Uhr war das Konzert ausverkauft. Nur fünfhundert Leute hatten dann die Chance, den Club zu betreten, und natürlich gab es an diesem Tag Hunderte, die leer ausgehen sollten. Aber es sollte für sie keinen Grund geben, enttäuscht zu sein. Denn es kündigte sich der absolute Höhepunkt des Jahres 1982 an: Genesis spielte wieder ein Konzert zusammen mit Peter Gabriel!
Wie war es dazu gekommen? 1981 hat Peter Gabriel die Organisation W.O.M.A.D. (World Of Music, Arts And Dance) ins Leben gerufen. Seitdem stellen Künstler aus der ganzen Welt bei sogenannten W.O.M.A.D.-Festivals ihre Kulturen vor. Das erste dieser Festivals fand am 16. und 17. juli 1982 in Shepton Mallet statt. Es endete in einer riesigen finanziellen Katastrophe und einem Schuldenberg von £189.000. Als Genesis von ihrem Manager Tony Smith von diesem Desaster hörten, entschlossen sie sich, als Abschluss ihrerTournee ein Benefizkonzert zugunsten von W.O.M.A.D. zu geben. Peter, der sich mitverantwortlich für die entstandenen Schulden fühlte, wollte an dieser Veranstaltung teilnehmen. So kam es am 2. Oktober 1982 zu einem ehrwürdigen Reunion-Konzert, das als „Six Of The Best“ in die Geschichte von Genesis einging. Die Proben für dieses Ereignis fanden am 28., 29. und 30. September im Hammersmith Odeon von London statt, wo zudem die drei letzten Konzerte der Three Sides Live-Tour gegeben wurden. 50.000 Fans aus der ganzen Welt waren in den Concert Bowl von Milton Keynes gekommen, um die „Wiedervereinigung“ von Genesis und Peter Gabriel mitzuerleben. Im Vorfeld dieses Festivals traten John Martyn, The Blues Band und Talk Talk auf. Punkt neunzehn Uhr betraten Tony, Mike, Phil, Chester und Daryl die Bühne. Ein von vier Leichenbestattern getragener Sarg war dann im Rampenlichtzu sehen. Der Sarg öffnete sich, und heraus stieg Peter im „Rael“-Outfit, um sogleich das Konzert mit Back In N. Y. C.zu beginnen.
Es folgten zwei Stunden voller Begeisterung, einmaliger Gefühle, Freude und Faszination. Als krönender Abschluss dieser unglaublichen Zeitreise erschien auch noch Steve Hackett, um seine ehemaligen Band-Kollegen bei den beiden Zugaben zu begleiten. Folgende Stücke wurden an diesem Abend gespielt: Back In N. Y.C., Dancing With The Moonlit Knight (Intro), The Carpet Crawlers, Firth Of Fifth, The Musical Box, Solsbury Hill, Turn It On Again, The Lamb Lies Down On Broadway, Fly On A Windshield, Broadway Melody Of 1974, In The Cage, Supper’s Ready, I Know What I Like, The Knife. Das Wetter war alles andere als angemessen für dieses Konzert, aber obwohl es praktisch ununterbrochen regnete, war jeder Anwesende über das glücklich, was er da miterleben durfte. Bei Supper’s Ready gab es übrigens die einzigen Momente dieser Stunden, in denen es aufhörte zu regnen…
Autor: Bernd Zindler
Fotos: * Robert Ellis / # Alan Perry
Tourdaten Three Sides Live Tour (Recherche-Stand: 17.07.2012)
01.08.82 | Peoria – Civic Center | USA |
02.08.82 | Chicago (Hoffman Estates) – Poplar Creek Music Theater | USA |
03.08.82 | Chicago (Hoffman Estates) – Poplar Creek Music Theater | USA |
06.08.82 | Berkeley – Greek Theatre | USA |
07.08.82 | Berkeley – Greek Theatre | USA |
08.08.82 | Berkeley – Greek Theatre | USA |
09.08.82 | Los Angeles – Forum | USA |
10.08.82 | Los Angeles – Forum | USA |
11.08.82 | Tempe – Grady Gammage Memorial Autorium | USA |
13.08.82 | Dallas – Reunion Arena | USA |
14.08.82 | Houston – The Summit | USA |
15.08.82 | Oklahoma City – Myriad Convention Center | USA |
16.08.82 | St. Louis – Arena | USA |
18.08.82 | Clarkston – Pine Knob Music Theater | USA |
19.08.82 | Columbia – Merriweather Post Pavilion | USA |
21.08.82 | Philadelphia – John F. Kennedy Stadium | USA |
22.08.82 | New York City – Forest Hills Stadium | USA |
23.08.82 | New York City – Forest Hills Stadium | USA |
25.08.82 | New Haven – Veterans Memorial Coliseum | USA |
26.08.82 | Saratoga Springs – Saratoga Performing Arts Center | USA |
27.08.82 | Rochester – Community War Memorial | USA |
28.08.82 | Toronto – C.N.E. Grand Stand | Canada |
29.08.82 | Montreal – Stade Jarry | Canada |
03.09.82 | Genf – Stade des Charmilles | Schweiz |
04.09.82 | Fréjus – Les Arènes | Frankreich |
06.09.82 | Pisa – Tirrenia Film Studios | Italien |
07.09.82 | Rom – PalaEur | Italien |
08.09.82 | Rom – PalaEur | Italien |
10.09.82 | Hamburg – Wilhelm-Koch-Stadion | Deutschland |
12.09.82 | Stockholm – Johanneshovs Isstadion | Schweden |
13.09.82 | Kopenhagen – Brondbyhallen | Dänemark |
14.09.82 | Göteborg – Scandinavium | Schweden |
16.09.82 | Brüssel – Vorst Nationaal | Belgien |
18.09.82 | St. Austell – Coliseum | UK |
19.09.82 | Shepton Mallet – Showering Pavilion | UK |
20.09.82 | Birmingham – National Exhibition Centre | UK |
21.09.82 | Birmingham – National Exhibition Centre | UK |
22.09.82 | Deeside – Leisure Centre | UK |
23.09.82 | Leeds – Queens Hall | UK |
24.09.82 | Ingliston – Royal Highland Exhibition Centre | UK |
25.09.82 | Ingliston – Royal Highland Exhibition Centre | UK |
27.09.82 | London – Marquee Club (as „The Garden Wall“) | UK |
28.09.82 | London – Hammersmith Odeon | UK |
29.09.82 | London – Hammersmith Odeon | UK |
30.09.82 | London – Hammersmith Odeon | UK |
SIX OF THE BEST | ||
02.10.82 | Milton Keynes – Concert Bowl | UK |