Genesis – The Way We Walk, Vol. 1: The Shorts – Rezension

Genesis Live 1992 | The Way We Walk – Volume 1: The Shorts

Es ist ein kühler Novembermorgen des Jahres 1992. Ein Mann schleppt keuchend schwere Pakete in den nur spärlich beleuchteten Lagerraum des Plattenladens, um kurz darauf mit seinem grauen Kleinbus im dichten Nebel, der über der Stadt liegt, zu verschwinden. Der zu dieser Stunde noch recht schläfrig dreinschauende Plattenverkäufer Harry macht sich eher widerwillig daran, das erste der unzähligen Pakete zu öffnen. Beim Anblick des Kartoninhalts schießen ihm spontan die Erinnerungen der letzten zwölf Monate in in den Sinn.

Ja, fast genau ein Jahr ist es nun her, dass diese Band ein neues Album herausgebracht hatte. Hunderte CDs, LPs und MC’s davon waren inzwischen über die Ladentheke gewandert. Dann, im Sommer dieses Jahres, füllte die Band die größten Stadien in Amerika und Europa und stellte einem Millionenpublikum ihre Musik live vor. Harry dachte daran, dass er auch gerne zu einem der Konzerte gegangen wäre, doch leider war schon lange alles ausverkauft. Aber nun kann er ja Versäumtes nachholen, denn die CD, die er da gerade ausgepackt hat, ist der erste Teil des neuen Livealbums von Genesis mit dem Titel The Way We Walk.

Hastig legt er die CD in den Player und drückt die Start-Taste, worauf auch sogleich der Konzert-Opener Land Of Confusion durch die zwei kleinen Kugellautsprecher an der Decke dröhnt. Die nächsten 64 Minuten lang ist Harry nicht ansprechbar, denn ein Hit folgt dem anderen: No Son Of Mine, Jesus He Knows Me, Throwing It All Away, I Can’t Dance, Mama, Hold On My Heart, That’s All, In Too Deep, Tonight, Tonight,Tonight und Invisible Touch. Er ist begeistert. Die Aufnahmequalität ist schlichtweg super (das Gefühl von Live-Stimmung will allerdings nicht so recht aufkommen) und die Zusammenstellung der Songs dürfte dem Album wohl zu guten Verkaufschancen im angehenden Weihnachtsgeschäft verhelfen. Auf einem runden, CD-großen Pappdeckel findet er den Hinweis, dass im Januar 1993 der zweite Teil der CD folgen soll. Er wird den Untertitel The Longs tragen und folgende Stücke enthalten: Dance On A Volcano / The Lamb Lies Down On Broadway / Musical Box / Firth Of Fifth / I Know What I Like, Driving The Last Spike, Domino, Fading Lights, Home By The Sea und Drum Duet.

Beim Lesen dieser Titel fällt ihm schlagartig ein Kunde ein, der sich über diese zweite CD bestimmt noch mehr freuen wird, als über die erste. Er ist ein großer Genesis-Fan, der sehr den alten Tagen der Band nachtrauert und für den gerade die Songs auf der zweiten CD die absoluten Höhepunkte der 92er Genesis-Konzerte waren.

Autor: Helmut Janisch
zuerst veröffentlicht in it Nr. 05 (Dezember 1992)