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Genesis – The Way We Walk Live – 2DVD Rezension

Der Mitschnitt der sechs ausverkaufen Earl’s Court Konzerte von 1992 erschien 2001 endlich auf DVD. Erstmals präsentierten Genesis sich in sattem 5.1 Sound auf dem noch relativ neuen Medium DVD. Alexander Pfaff hat reingeschaut und -gehört.

Am Montag, den 26. November 2001 war es soweit, Genesis veröffentlichte (nach dem Genesis Songbook) die zweite DVD ihrer Bandgeschichte.

coverDer Inhalt:

Ein kompletter Konzertmitschnitt der 1992er We Can’t Dance-Tour aus London (Earl’s Court) mit vier Stunden Zusatzmaterial (Interviews, Fotogalerie, Multi-Kamera-Optionen und Offiziellem Tour Programm).

Bereits vor diesem Datum ist die Fangemeinde allerdings in zwei Lager gespalten. Während einige die DVD lediglich als schlichte 1:1 Kopie des bereits vor etlichen Jahren veröffentlichen Konzerts auf VHS sehen, ist die DVD-Veröffentlichung für die anderen (und auch für die englische Presse) „ein wichtiger erster Schritt in die aufregende Welt der DVD-Technologie“. Mit dieser Kritik möchte ich daher nicht nur einen Überblick verschaffen, sondern dem einen oder anderen die Entscheidung etwas erleichtern.

Hauptkritik

Nachdem sie in zwei Läden noch nicht verfügbar war, und mir 87,50 DM bei HMV doch etwas zu teuer war, hatte ich bei Saturn Glück und konnte sie für 78,50 DM erwerben. Ein Preis, den man im Moment wohl leider als Standard für eine Doppel-DVD ansetzen muss. Den ersten negativen Eindruck vermerkte ich zu Hause beim Auspacken der DVD bzw. beim Betrachten des Booklets. Hier gibt es den ersten Minuspunkt in meiner Bewertung, es gibt nämlich gar keins. Wirklich enttäuschend, im Innern der Hülle findet man nur die zwei DVDs und das war’s … kein Booklet, gar nix. Ein Blick auf die Tracklist macht mich stutzig, als ich The Drum Thing lese (steht für Drum Duet). Warum die ursprüngliche und eher bekannte Bezeichnung nicht gewählt wurde, kann ich leider nicht erklären.

Aber was wirklich zählt, ist ja bekanntlich das, was im Innern steckt, daher habe ich mich gleich an meinen PC gesetzt und war gespannt, was mich da so erwartet. Für alle PC-Freaks und technisch Interessierten gibt’s am Ende eine Auflistung des Systems, mit dem ich die DVD getestet habe.

Nach dem Einlegen der ersten DVD gelangt man automatisch in unten dargestelltes Hauptmenü, welches bei beiden DVD’s gleich ist. Man hat leider keine Trennung zwischen dem eigentlichen Konzert auf der einen und dem Zusatzmaterial auf der anderen DVD vollzogen, was sich später in einigen Punkten als sehr nervig gestaltet.

Concert (startet das Konzert)

Tracks (hier hat man eine sehr schön animierte Anwahl der einzelnen Tracks zur Verfügung)

Audio (Tonauswahl zwischen Stereo, 5.1 Surround Sound und Audiokommentar)

Cameras (Auswahl zwischen vier verschiedenen Kameraperspektiven)

Extras (Tourprogramm, Interviews und Fotogalerie)

Info (Informationen über die Positionen der verschiedenen Kameras, Ein- und Ausschalten der Bildschirmkamerainfo)

menuEin kurzer Klick auf Audio und den 5.1 Sound aktiviert, zurück ins Hauptmenü und das Konzert gestartet. Links oben ist eine Kamera mit einer Nummer von jeweils 1-4 zu sehen, die mich irgendwie nervt und ich auch nicht sofort weiß, wie man sie abschaltet. Also noch mal ins Hauptmenü zurück und gesucht … unter Info gibt’s eine Option, welche die Bildschirmkamerainformation ausschaltet. Die Kamera also deaktiviert und zurück zum Konzert und da ist sie immer noch zu sehen, sie lässt sich erst entfernen, indem man die automatische Anzeige der Untertitel deaktiviert. Jetzt ist es wohl perfekt, ich stelle auf Vollbild und suche verzweifelt das 16:9 Format, denn das Konzert ist nur im 4:3 Format aufgenommen. Wir dürfen nicht vergessen, dass das Konzert von 1992 ist, daher ist eine Aufnahme in 16:9 technisch nicht möglich gewesen.

Nach einem kurzen Moment dröhnen die ersten Schlagzeugbeats von Chester und die Show beginnt mit

Land Of Confusion. Die Bildqualität erschlägt mich schier, ich habe das Gefühl, die Jungs stehen bei mir im Zimmer, zum Greifen nahe. Im Vergleich zur VHS habe ich ein kristallklares Bild, keine Verzerrung des Bandes und keine Geisterschatten wie früher. Ich bin so baff, dass ich nicht merke, dass die Boxen noch nicht richtig aufgedreht sind, also drehe ich bei No Son Of Mineauf und kurze Zeit später klingelt mein Nachbar und fragt ob Genesis bei mir ein Sonderkonzert geben würde. Spätestens jetzt weiß ich, dass es nichts geileres als solchen Sound und so ein Bild geben kann. Als nächstes kommt

Driving The Last Spike und bei der Begrüßung und der Einleitung von Phil wird klar, dass es sich um eine 1:1 Kopie des Konzerts auf der VHS handelt.

Danach kommt das

Old Medley, was meiner Meinung nach ein etwas verkrampfter Versuch ist, die alten Fans nicht ganz außen vor zu lassen und Ihnen zu zeigen: „Hey wir haben auch mal andere (bessere; Anmerkung des Autors!) Musik gemacht.“ Ich finde das Medley ganz okay, es ist wesentlich besser, als wenn sie gar nichts von den alten Sachen gespielt hätten.

Jetzt bin ich neugierig und probiere die Multikamera-Optionen aus und letztendlich blicke ich auch hier durch. Es gibt insgesamt zwölf verschiedene Kameras, aber pro Track kann man nur zwischen vier dieser zwölf wählen.

Wie ich so mein eigener Kameramann bin, entdecke ich Chester, wie er nach

The Musical Box (Closing Section) seine Drums verlässt und an Phil an dessen Schlagzeug übergibt. Witzig!!!

Nach dem Medley folgt das eher ruhigere

Fading Lights und danach ist Phil in seinem Element und fordert die Leute auf ihm achtzehn Millionen Dollar zu geben: „Touch the screen!“ Als ich gerade das Gefühl habe, aufgrund des Sounds direkt in London zu sein und zu

Jesus He Knows Me applaudiere, werde ich aus meinen schönsten Träumen gerissen, weil ich die DVD wechseln muss.

BITTE?

Jungs, das ist echt scheiße. Packt doch bitte beim nächsten Mal ein Konzert auf eine DVD und das komplette Zusatzmaterial auf eine zweite und verzichtet von mir aus auf zwei Kameraperspektiven. So eine Unterbrechung tötet die Stimmung.

mike

Murrend stehe ich auf und lege die zweite DVD ein, natürlich muss ich Audio erneut einstellen und auch die Kamera deaktivieren. Weiter geht’s mit

Dreaming While You Sleep, einer echten Bereicherung zu den 2 Live CDs. Diesen Track gibt es live auf

Archive #2und der

Tell Me Why-CD-Single. Er ist mir dreimal lieber als manches andere Lied. Sehr begeistert bin ich, als die ersten Töne von

Home By The Sea erklingen. Schade, dass die komplette Ansage fehlt. Wer das Konzert in Knebworth gesehen hat, weiß, was ich meine. Also kein „contact to the other world“, aber dafür, dank der Kameraperspektiven, einen ruhigen und längeren Blick auf das Tastenspiel von Banks oder die Gitarrenriffs von Rutherford.

Nach diesem längerem Stück folgt, das meiner Meinung nach eher unnötige und seicht-triefende

Hold On My Heart. Das muss echt nicht sein. Entschädigt werde ich durch Domino, diesmal mit Phils Ansage (dem Domino Principle). Auch hier entdeckt man das eine oder andere Highlight mit Hilfe der zusätzlichen Kameraperspektiven, u.a. einen richtigen Fehler, einen Bug würde man bei Microsoft sagen. Während sich Phil beim Publikum bedankt. You were very, very good and thank you for your participation“), sieht man ihn schon längst nicht mehr am Mikrofon.

Also, für alle, die es nachvollziehen wollen, Audiospur 5.1 wählen und Kamerawinkel 3 oder 4 auswählen, man hört dann Phil sagen „You were very…“, obwohl er schon nicht mehr am Mikrofon steht. Werde ich hier irgendwie mit einer gemischten Ton- oder Videospur eines anderen Gigs verarscht? Etwas Klarheit bringt ein Artikel auf der offiziellen Genesis-Seite unter: http://www.genesis-music.com/makingwww.htm. Scheint also, als ob es ein technisches Problem ist, dennoch finde ich das richtig schlecht gemeistert. Und wenn ich schon am Meckern bin, warum wird der nächste Titel The Drum Thing nicht als Drum Duet aufgeführt?

Zum Schluss folgen noch I Can’t Dance und die gekürzte Version von Tonight, Tonight, Tonight, bevor mit Turn It On Again (mit Kameraperspektiven bei Phils Verabschiedung experimentieren lohnt sich) die Show vorbei ist.

drumZusatzmaterial

Auch hier erfolgt eine Trennung nach DVDs und nicht nach Themen, man findet also Interviews auf beiden DVDs und auch die Bildergalerie ist zweigeteilt.

Unter Programme (DVD1) findet man das komplette Offizielle WCD-Touprogram (Marketingbilder und Konzertfotos) zum Durchblättern und Betrachten. Ich finde es eigentlich ganz nett gemacht und auf alle Fälle eines Zusatzmaterials würdig.

Unter dem Punkt Interviews, erfährt man nichts grundlegend Neues. Man kann einzelne Interviews von jedem Bandmitglied wählen, die Fragen sind abzulesen und werden dann einzeln per Mausklick beantwortet. Ähnlich wie beim Songbook ist es sehr schön und interessant, gerade von Tony demonstriert zu bekommen, wie einige Akkorde, Melodien und ganze Stücke entstanden sind.

Sehr schön auch die Fotos unter Photo Gallery, mit einigen Fotos, die während der Tour (auch bei Proben und Backstage) geschossen wurden. Die Diashow ist im Hintergrund jeweils mit Musik unterlegt (Instrumentalversion Way Of The World auf DVD1 und Living Forever auf DVD2. Natürlich gehören auch die Multi-Kamera-Optionen zum Zusatzmaterial, aber dazu habe ich mich schon in der Hauptkritik geäußert. Das letzte Extrafeature ist der Audiokommentar, der normalerweise, gerade bei Filmen als zusätzliche Tonspur vorhanden ist, auf der z.B. der Regisseur bestimmte Szenen aus der Sicht von damals erklärt. Während man sich also hier vorstellen könnte, dass die Jungs uns erklären, wie einzelne Lieder entstanden sind, oder auch mal was über das Tourleben berichten, wird man eher enttäuscht. Was man geboten bekommt, ist das Audioergebnis von Banks, Rutherford und Collins beim Betrachten dieser DVD, so wie manch einer sich mit Kumpels einen Film anschaut. Tony Smith und Nick Davis stellen hin- und wieder verzweifelt eine Frage, um die Jungs etwas zu kitzeln, damit Sie etwas über die Tour berichten – vergebens.

tourbookEin- oder zwei Mal gibt es interessante Aspekte (z.b. Mikes Äußerung über die Atmosphäre während The Drum Thing im Backstagebereich), aber das war’s. Ansonsten erfahren wir nur, dass ein Bekannter von Phil gerade beim Babysitten ist, während er mit Mike berät, welchen Tee er trinken soll. Vielleicht kann man sich beim nächsten Mal etwas sachlicher über die Songs unterhalten. Technisch gesehen ist der Audiokommentar viel zu schwer zu verstehen, da im Hintergrund die Konzertspur mitläuft und nicht abzuschalten ist.

Tracklist

Land Of Confusion

No Son Of Mine

Driving The Last Spike

Old Medley

Fading Lights

Jesus He Knows Me

Dreaming While You Sleep

Home By The Sea

Hold On My Heart

Domino

The Drum Thing (Drum Duet)

I Can’t Dance

Tonight, Tonight, Tonight

Invisible Touch

Turn It On Again

Fazit

Alles in allem ein gelungenes Konzert, wenn man die Hauptkriterien wie Ton und Bild betrachtet. Die negativen Einzelheiten schmälern jedoch das Gesamtergebnis. Ich habe natürlich nicht alles im Detail erwähnt, denn jeder Käufer sollte für sich selbst entscheiden und sich beim Experimentieren viel Zeit und Ruhe nehmen.

Für echte Genesis Fans und Liebhaber von den Audio- und Videovorzügen einer DVD ein absolutes Muss. Für alle anderen sowie die Besitzer des VHS-Konzerts kann man nur sagen, dass man sich die 80 DM sparen kann.

Abschließend muss ich auch sagen, dass ich irgendwie das Gefühl habe, man hätte mehr daraus machen können. Die Möglichkeiten der zur Verfügung gestellten Technologie scheinen nicht voll ausgenutzt worden zu sein. Irgendwie wirkt die DVD als Ganzes nicht fertig, teilweise sogar relativ gewöhnlich. Wer eine, meiner Meinung nach von A-Z perfekte DVD sehen möchte, dem empfehle ich die neue DVD von U2. Ich freue mich trotzdem auf zukünftige DVD-Veröffentlichungen von Genesis, vielleicht gelingt es ja, weitere „alte“ Tourvideos auf DVD zu veröffentlichen.

Für Rückfragen und Anregungen zu meiner Kritik stehe ich jederzeit über den Club zur Verfügung.

stage

Testumgebung

· AMD Athlon 1000MhZ, 512MB RAM, Windows 2000 Professional

· CREATIVE Sound Blaster LIVE 5.1

· Cambridge Sound Works 4.1 Lautsprecher

· Cyber Link DVD Player 3.0

· Toshiba DVD-ROM Laufwerk SD-MI 1302

· ELSA GLADIAC GTS2

· ELSA ECOMO 741 22″ Monitor

Autor: Alexander Pfaff