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Genesis – das Foxtrot-Veröffentlichungsdatum: eine neue Recherche

Die Recherche zum Foxtrot-Albumrelease geht weiter. Nach neuen Erkenntnissen können wir nun ein Update liefern.

Im Oktober 2022 veröffentlichten wir den ersten Teil unserer Recherchen über Veröffentlichungsdaten von Genesis-Alben. Dabei beschäftigten wir uns seinerzeit mit Foxtrot. Im August 2023 erschien dann das Buch Foxtrot von Mark Bell. Dort widerspricht er unserer Erkenntnis, dass das Album am 15. September 1972 veröffentlicht wurde und kommt zu einem anderen Ergebnis. Das nahmen wir zum Anlass, um erneut intensiv zu recherchieren und unseren Artikel komplett zu überarbeiten.

Einführung

Für viele ist es einfach – am 6. Oktober 1972 erschien das Album Foxtrot. So stand es lange Zeit bei Wikipedia und in vielen anderen Veröffentlichungen steht es immer noch so. Auch Genesis selbst nutzen dieses Datum, zum Beispiel im Booklet von R-Kive. Die Wahrheit ist aber: Das Album erschien NICHT am 6. Oktober, sondern unserer Meinung nach am 15. September 1972. Warum das so ist, klären wir nun auf.

Zunächst: Warum investieren wir* so viel Zeit in die Recherche von Veröffentlichungsdaten (oder auch Konzertterminen)? Die Antwort ist leicht: Wir wollen eine möglichst genaue Darstellung der GENESIS-Historie. Entsprechend sind wir immer auf der Suche nach klaren Belegen für solche Daten. Meist funktioniert das sehr gut – etwa durch Promokampagnen, Anzeigen in Magazinen usw. Dies belegt in der Regel gut ein Veröffentlichungsdatum. Manchmal fehlt auch der entscheidende Hinweis und ein Datum bleibt zunächst unklar. Wir können es dann nur auf Grund von Indizien eingrenzen.

Im Falle von Foxtrot ziehen viele als Beleg ausschließlich die Chartplatzierung heran. Diese erfolgte am 14. Oktober 1972 – ergo muss der 6. Oktober (ein Freitag wie seinerzeit üblich) doch eigentlich stimmen, oder? Nein … mitnichten!

Historischer Kontext

Die Geschichte beginnt damit, dass das Schreiben der neuen Stücke für Foxtrot und die späteren Aufnahmen so gar nicht in das sonst übliche Schema (Tour – Aufnahme – Tour usw.) passt. Denn seit der Veröffentlichung von Nursery Cryme im November 1971 war die Band andauernd auf Tour. Dies führte dazu, dass die neuen Stücke zwischen den einzelnen Konzerten geschrieben wurden. Zwei neue Stücke (Can-Utility And The Coastliners und Watcher Of The Skies) entstanden erst während der Italien-Tour im April 1972. Diese wurden dann in den Live-Set integriert und auf der Bühne weiterentwickelt. 

Sounds vom 22. Juli 1972

Erstmals von einem neuen Genesis-Album lesen wir im Sounds-Magazin vom 22.07.1972. Dort wird ein neues Lindisfarne-Album (Dingly Dell) für den 8. September sowie eine 21-tägige Tour von Lindisfarne angekündigt. Diese Infos kommen von Glen Colson, Assistent von Tony Stratton-Smith bei Charisma. Gleichzeitig wird bekannt gegeben, dass Genesis und Rab Noakes Lindisfarne für die restlichen Tour-Termine ab 1. Oktober begleiten.

Am Ende des Artikels ist dann zu lesen: „Genesis haben ihr neues Album mit Bob Potter fertiggestellt, und Lindisfarne befinden sich in der Endphase ihres Albums mit dem Produzenten Bob Johnson. Beide werden am 8. September veröffentlicht.“ 

In diesen beiden letzten Sätzen stecken eine Menge wichtiger Informationen. Zum einen, dass es schon von Anfang an geplant war, dass beide Alben von Lindisfarne und Genesis zusammen veröffentlicht werden sollten, um danach gemeinsam auf Tour zu gehen. Zum anderen, dass Genesis zu diesem Zeitpunkt schon mit Bob Potter zusammen an Foxtrot gearbeitet hat, wenn auch nur kurz. Nicht stimmen kann aber die Aussage, dass das Album bereits fertiggestellt ist.

Die Rolle von John Burns

An dieser Stelle lohnt es sich kurz auf die Produzenten bei Foxtrot einzugehen. Mit John Anthony, der zuletzt Nursery Cryme und die Single Happy The Man produziert hat, will die Band nicht weiterarbeiten. Da kommt Bob Potter sehr gelegen, der gerade mit Lindisfarne Dingly Dell in nur 3 Tagen, vom 14. bis 16. Juli, aufgenommen hat. Diese zügige Arbeitsweise gefällt der Plattenfirma und so wird Potter der neue Produzent. Doch von Anfang an stimmt die Chemie zwischen einigen Bandmitgliedern und Potter nicht. Lediglich mit Hackett versteht er sich gut und so landet Horizons als einziges Stück mit Bob Potter als Produzenten auf dem späteren Album. Danach trennen sich die Wege wieder und John Burns übernimmt den Job und bringt das Album zum Abschluss.

Steve Hackett erinnert sich in einer Mail an diese Zeit: „Ich bin mir über den zeitlichen Ablauf nicht sicher, aber ich erinnere mich, dass Bob Potter mit einigen Arbeitsmethoden der Band nicht zurechtkam. Bob war als Produzent unerfahren, aber er und ich haben Horizons gemeinsam aufgenommen, wofür ich dankbar bin.“ Ein Teil der akustischen Arbeit am Anfang von Supper’s Ready wurde mit Bob Potter aufgenommen, und als John Burns und David Hitchcock das Projekt übernahmen, sagte John Burns: „Ich habe kein schlechtes Gefühl dabei. Für mich klingt es gut.“

Disc-Magazin vom 12. August 1972

Im August hört und liest man dann erst einmal nichts mehr vom neuen Genesis-Album. Dingly Dell von den Labelkollegen Lindisfarne wird jetzt dagegen im Disc-Magazin für Freitag, den 15. September angekündigt. Gleiches ist im Record Mirror am 05.08. zu lesen. Dort steht, dass Dingly Dell nur zwei Wochen bevor die Gruppe eine landesweite Tournee am 30. September in der Newcastle City Hall startet, erscheint.

Doch was tut sich bei Genesis? Anfang Juli haben die Aufnahmen für Foxtrot mutmaßlich noch nicht begonnen. Die Band spielte vielmehr weiterhin Konzerte und hätte das neue Album am liebsten selbst produziert. Doch dann engagierte Charisma Bob Potter. Dies wird nach dem 16. Juli gewesen sein, nachdem die Arbeiten am Lindisfarne-Album abgeschlossen waren.

Konzerte, Tonys Hochzeit und Aufnahmesessions

Wenn man der Aussage der Sounds vom 22. Juli glaubt, könnten die Aufnahmen mit Bob Potter in der Zeit vom 17. bis 20. Juli begonnen haben, denn an diesen Tagen fanden keine Gigs statt. Erst vom 21. bis 25. Juli gab es noch einige Konzerte. Die folgenden geplanten Konzerte vom 27. Juli bis 3. August wurden höchstwahrscheinlich auf einen späteren Zeitpunkt verschoben, um Zeit für die Aufnahmen des Albums zu gewinnen. Sicher wissen wir das aber nur für die beiden Shows in Worthing am 2. August und Hastings am 3. August.

Am 29. Juli 1972 fand dann noch ein bedeutendes Ereignis statt. Tony Banks heiratete Margaret McBain in Farnham, im Beisein seiner Bandkollegen und der Roadies. Zusätzlich bekam Tony einen „honeymoon-day“ in Dartmoor, wie Mike Rutherford in seinem Buch The Living Years erzählt.

Wir nehmen an, dass in der nun folgenden konzertfreien Zeit die Aufnahmen mit dem neuen Produzenten John Burns in den Islands-Studios fortgesetzt wurden. Sie sind dann auch weitestgehend abgeschlossen, bevor Genesis beim Festival in Reading (11. August) auftraten, denn direkt danach reiste die Band nach Italien, zu einer kurzen Tour ab dem 14.08.1972. Das letzte Konzert fand am 24. August in Travagliato statt und Steve Hackett flog am nächsten Tag eilig nach England zurück.

Er schreibt uns in einer aktuellen Mail dazu folgendes: „Ich bin am nächsten Tag zurück ins Vereinigte Königreich geflogen. Die anderen kamen mit dem Auto zurück. So hatte ich einen zusätzlichen Tag Zeit, um die Overdubs für Supper’s Ready und insbesondere die mehrspurigen Teile am Ende des Songs aufzunehmen. Das Album war aber so gut wie fertig, nur noch nicht abgemischt. Der Grund für die Verzögerung der Veröffentlichung war, dass wir so viel auf Tournee waren. Ich habe nur noch schnell den letzten Schliff gegeben, was die Sache nicht verzögert hat.“

An das genaue Datum der Veröffentlichung und wann die Aufnahmen in den Island-Studios begonnen haben, kann Steve sich leider nicht erinnern.

Nachdem Hackett also seine letzten Aufnahmen absolviert hatte, wurde das Album in den Apple-Studios von John Burns abgemischt. Wann dies genau passiert ist und wie lange die Aufnahmen tatsächlich dauerten, können wir nicht genau sagen.

Foxtrot Mastertape für die USA

Fest steht aber, dass der Mix spätestens am 8. September fertig gewesen ist. Denn auf dem Mastertape für die USA steht „Date 8-9-’72“. Hier handelt es sich höchstwahrscheinlich um das Datum 8. September 1972 (englische Schreibweise), welches aus den Apple Studios in Großbritannien stammt. Später wurde das Tape in den USA (Neil Bogart/Buddah Records) am 14. September und 6. Oktober verwendet. Man beachte dazu die handgeschriebenen Daten in amerikanischer Schreibweise (9/14/72 und 10/6/72). [1]

Noch ein Wort zu dem Begriff des analogen Mastertapes. Nachdem ein Album auf Band aufgenommen und gemischt wurde, entstand das ursprüngliche Studiomasterband, auch erste Generation genannt. Danach wurde es schnellstmöglich kopiert, um mehrere Sicherungskopien zu erstellen. Man spricht bei diesen Kopien dennoch von einem Master, obwohl es die zweite Generation ist . [2]

Spurensuche nach dem Veröffentlichungsdatum anhand der Medien

Den Anfang macht das Sounds-Magazin vom 9. September. Dort wird eine exklusive Preview von Jerry Gilbert, seinerzeit ein großer Fan und Unterstützer von Genesis, unter dem Titel „Genesis Doing The Foxtrot“ veröffentlicht. Dieser Artikel wurde höchstwahrscheinlich nach dem Anhören des fertigen Mixes erstellt.

Gilbert, stellvertretender Redakteur des Sounds-Magazin, fand das neue Album schlicht sensationell und bezeichnete Genesis als eine der wenigen Top-Bands in Großbritannien. Er thematisierte auch das Album-Cover und den Fuchskopf, der später noch eine große Rolle spielen sollte.

Erste Anzeigen in den englischen Musikmagazinen erschienen dann am 16. September im New Musical Express und der Sounds.  

Diese beiden markanten Toppers-Anzeigen bewerben gleichzeitig das neue Album von Lindisfarne und Genesis, was zusätzlich nahelegt, dass beide auch am gleichen Tag erschienen sind. Auf der doppelseitigen Anzeige ist auch ein dritter Zylinder mit den Tourdaten von Lindisfarne/Genesis zu sehen. Die Überschrift lautet „Appearing together“, was nicht nur für die Tour gelten muss, sondern auch ein schönes Wortspiel für die Alben wäre.

Liverpool Echo vom 15. September 1972

Für das Lindisfarne-Album findet sich sogar ein Beleg im Liverpool Echo vom 15.09.1972, dort wird geschrieben „Dingly Dell wich is out to-day“.

Auch wichtig zu wissen, Chrisma versuchte ihre Alben, wenn möglich, in der Woche vor oder unmittelbar nach ihrer Veröffentlichung an prominenter Stelle zu bewerben, wie es hier der Fall zu sein scheint.

Und noch eine kleine Erläuterung zur britischen Musikzeitschriftszene damals: Bei normaler Auslieferung der wöchentlichen britischen Musikzeitungen würden diese Anzeigen im Großraum London bereits ein paar Tage vor dem möglichen Erscheinungstermin (d. h. in diesem Fall am 13. September) erscheinen, bevor sie am Donnerstag im gesamten Vereinigten Königreich veröffentlicht wurden. In Anbetracht der Verzögerung der geplanten Veröffentlichung von Foxtrot um eine Woche scheint es Charisma tatsächlich gelungen zu sein, das Album in der Woche seines Erscheinens zu bewerben, obwohl das Fehlen eines bestimmten Datums vielleicht eher auf die Verzögerung als auf ein geschicktes Marketing seitens der Plattenfirma zurückzuführen ist.

Zwischenspiel 1

An dieser Stelle wollen wir kurz auf die Ergebnisse von Mark Bell eingehen, die er in seinem Buch Foxtrot präsentiert. Ein umfassendes wie lesenswertes Buch, wie unser Autor Martin Klinkhardt im August 2023 geschrieben hat. Bell widmet darin knapp 6 Seiten der Veröffentlichung des Albums und kommt dabei auf den 29. September.

Als erstes Indiz gegen eine Veröffentlichung am 15. September zieht er eine Konzertkritik von Charles Webster im Record Mirror vom 23.09.1972 heran. Dort bespricht Webster das Konzert vom 17. September im Greyhound in Croydon. Mark Bell hat recht, das neue Album wird tatsächlich mit keinem Wort erwähnt.

Allerdings erschienen in der gleichen Ausgabe zwei Kurzkritiken von Foxtrot und Dingly Dell. Für uns ein weiteres Indiz für eine gleichzeitige Veröffentlichung am 15. September 1972. 

Ein großer Artikel von Charles Webster, über Genesis und Foxtrot, wird dann erst am 04. November im Record Mirror veröffentlicht.

 Weitere Anzeigen und Artikel

In der Folge erschienen weitere Anzeigen und Artikel. Darin sind unserer Meinung nach weitere Hinweise zu finden, dass Foxtrot bereits am 15. September veröffentlicht wurde. Da wäre zum einen eine weitere doppelseitigen Anzeige, diesmal im Melody Maker vom 23.09.1972. In der gleichen Ausgabe des Melody Maker wird das Albums im Artikel „The Band Who Want To Be Booed“ von Chris Welch erwähnt: „The group recorded it’s first album with Jonathan King in 1966, but it bore little resemblance to the present day Genesis and so they like to call their latest album „Foxtrot “ (Charisma), their third, although it’s their fourth.“ Anschließend gab es Album-Reviews im Melody Maker und Sounds ( beide vom 30.09.1972).

Sounds vom 30. September 1972

Besonders spannend ist dabei die Rezension „Special review of the new album“ von Jerry Gilbert in der Sounds. Eingeleitet wird der Artikel mit folgenden Sätzen: „Hast du schon eine Kopie des neuen Albums bekommen? fragte Mike Rutherford kleinlaut, als Genesis sich letzte Woche im Marquee auf die Bühne vorbereiteten. Nun, ich hatte das Album, und einen Moment lang fand ich es unmöglich, sein fast entschuldigendes Verhalten mit dem zu vereinbaren, was sicherlich eines der wichtigsten Werke des Jahres werden wird.“

Der Gig im Maquee Club fand am 19.09.1972 statt. Das bedeutet, dass Gilbert an diesem Tag im Besitz des Albums war. Wir gehen davon aus, dass es sich dabei auch nicht mehr um eine Vorabversion handelte.

Hastings & St. Leonards Observer vom 16. September

Einen weiteren überaus wichtigen Hinweis gibt es in einer Konzertkritik von Jenni Inness in der Zeitung Hastings & St. Leonards Observer, in der der Genesis-Auftritt am 12. September in Hastings besprochen wurde. Die Zeitung erschien am Samstag, den 16. September und erwähnt das neue Album Foxtrot mit dem Zusatz „in dieser Woche erschienen“. Wäre es bereits am 8. September erschienen, hätte es heißen müssen „letzte Woche erschienen“. Und zur Erinnerung, Alben wurden seinerzeit in England immer am Freitag veröffentlicht.

Mic Smith, der ebenso wie wir den 15. September als Veröffentlichungstag präferiert, führte im Oktober 2022 im Steve Hoffman Music Forums einen sehr interessanten Chat mit einem Zeitzeugen, der unsere Annahme untermauert, dass beiden Alben an einem Tag herausgekommen sind: „Foxtrot und Dingly Dell wurden definitiv am selben Tag veröffentlicht. Ich habe beide damals als Neuerscheinungen gekauft, aber nicht am Tag der Veröffentlichung, denn keiner der Plattenläden in meiner Stadt hatte sie vorrätig, sodass ich am nächsten Tag zurückgehen musste, um sie zu bekommen.

Jede Woche habe ich den Melody Maker und den NME bekommen, also muss es von dort gekommen sein. Ich habe die Tour am 19. Oktober in Trentham Gardens in Stoke gesehen, das war mein erstes Konzert überhaupt. Genesis waren also buchstäblich die erste Band, die ich live gesehen habe, die erste Band vor Rab Noakes und dann Lindisfarne. Ich hatte das Album zu diesem Zeitpunkt schon ein paar Wochen und bin mir sicher, dass es im September und nicht im Oktober veröffentlicht wurde, obwohl ich es nicht genauer sagen kann, außer dass es definitiv das gleiche Datum wie Dingly Dell war.

Zwischenspiel 2

War es möglich, dass Foxtrot am 15. September veröffentlicht wurde? Und welche Rolle spielt das erstmalige Erscheinen des Fuchskopfes und des roten Kleides am 28. September in Dublin?

Folgende Eckpunkte sind nun bekannt und auch belegt. Im Sommer 1972 schrieb die Band die neuen Stücke. Foxtrot sollte ursprünglich am 8. September erscheinen, zusammen mit Dingly Dell von Lindisfarne. Dies funktionierte aber nicht, weil die Band laufend Konzerte spielte und erst Mitte Juli/Anfang August begann das Album in den Island-Studios aufzunehmen. Am 8. September war das Mastertape für die USA fertig überspielt.

Die Veröffentlichung des Albums am 15.09.1972 ist nach diesem zeitlichen Ablauf sehr ambitioniert. Wenn man aber davon ausgeht, dass das Album vor dem 8. September abgemischt war, was das Mastertape für die USA ja belegt, sollte es dennoch funktioniert haben. Denkbar ist, dass die endgültige Fassung für UK bis zu einer Woche früher fertig war.

Auch gehen wir davon aus, dass das Cover schon gedruckt war. Und es ist auch zu vermuten, dass die allererste Pressung nur in einer geringen Stückzahl vorgenommen wurde, um eben bei der Veröffentlichung nur eine Woche gegenüber dem 8. September zu verlieren. Das bestätigt auch der Zeitzeuge aus dem Steve Hoffman Music Forums. Das Album war nicht sofort bei ihm außerhalb Londons zu kaufen.

Mark Bell dagegen glaubt, dass das Album am 29. September 1972 erschienen ist, gestützt durch eine geschickte Marktstrategie. Er vertritt in seinem Buch dazu folgende These: „… es spricht viel dafür, dass das Erscheinen des Fuchses auf der Bühne und auf dem Album koinzidieren (zusammenfallen, Anm. d. Red.) sollte, um einen maximalen Werbeeffekt für das parallel erscheinende Album zu erzeugen.“ Wir stimmen insofern mit ihm überein, dass der Auftritt am 28. in Dublin und noch mehr der am 30. September in London, beim Melody Maker Poll Award Concert, für großes Aufsehen gesorgt hat.

Die Idee stammte ursprünglich von Paul Conroy, der damals als Booking-Agent daran beteiligt war, einige der wichtigsten Namen des Prog der frühen 70er Jahre zu buchen und mit ihnen auf Tour zu gehen. Auf den legendären Italien-Tourneen von Genesis 1972 wurden er und die Band richtige Freunde. Conroy war eine Zeit lang für die Agentur (Terry King Associates, Anm. d. Red.) und die Plattenfirma mit ihnen unterwegs. „Und da sie nur zwei Roadies und einen Beleuchter hatten, half ich ihnen beim Aufbau und später bei der Suche nach Requisiten für Peter bei der Foxtrot-Tour.“

Conroy war es auch, der Gabriel die Maske mit dem Fuchskopf vorschlug, die er 1972 in Dublin erstmals auf der Bühne trug. Sie sollte Genesis auf die Titelseiten der Musikpresse bringen. „Der Fuchskopf entstand während eines Gesprächs zwischen mir und Glen Colson, dem Pressechef von Charisma“, sagt Conroy. „Wir sprachen mit Peter und er war verwirrt, warum Lindisfarne und VdGG mehr Presse als sie bekamen. Das Gespräch drehte sich um die Tatsache, dass ihre Musik zwar großartig war, sie aber mehr visuelle Präsenz auf der Bühne haben mussten. Peter ging los und ließ den Kopf des Fuchses anfertigen. Die Requisitenabteilung wurde eröffnet und die Titelseiten der Zeitungen folgten. Von da an musste ich Rasenmäher finden und so weiter.“ [3]

Diese Idee wurde dann von Peter Gabriel auf seine eigene Art und Weise umgesetzt, indem er mit einem roten Kleid seiner Frau und besagtem Fuchskopf zum Ende des Musical Box-Instrumentalteils auf der Bühne erschien. Dies sorgte nicht nur beim Publikum für erhebliche Aufmerksamkeit, sondern überrasche auch seine Bandkollegen.

Wir haben auch Steve Hacket noch einmal aktuell die Frage bzgl. einer Marketingstrategie vorgelegt. Seine Antwort dazu ist eindeutig: „The concert was in a boxing stadium in Dublin. It was a highly effective move by Peter as we then started to get pictures on the front of magazines which helped the band’s profile enormously.

Charisma nutze dann tatsächlich ein Foto dieses Momentes für eine weitere Album-Werbung im Melody Maker vom 14.10., welche wohl zur Legendenbildung führte, dass dieses Foto „eine Woche später“ auf dem Titelbild landete. Dies geschah aber erst am 13. Januar 1973. 

Das dies also ein geschickter, marketingstrategischer und von langer Hand geplanter Schachzug von Charisma war, halten wir für widerlegt. Denn nur Conroy, Glen Colson und Gabriel kannten diese Idee, die Plattenfirma an sich war aber nicht involviert.

Charteintritt

Als Letztes wollen wir uns noch mit dem Charteintritt von Foxtrot beschäftigen, aber auch Dingly Dell interessiert uns dabei sehr.

Was sind die Offiziellen Charts? Folgendes ist unter anderem auf der Website zu lesen: Die Offiziellen Charts sind Großbritanniens einziges offizielles, zuverlässiges wöchentliches Maß für das, was in der Musik gerade populär ist – wie auf BBC Radio 1 zu hören – wir sind seit über 70 Jahren ein zentraler Bestandteil der britischen Popkultur. In der Chartwoche werden die Verkäufe und Streams von 00.00 Uhr am Freitagmorgen bis 23.59 Uhr am Donnerstagabend gezählt (das hört nie auf, nicht einmal zu Weihnachten). Wir zählen jeden Tag die Verkäufe und Streams aus 8.000 Quellen und fassen sie dann jeden Freitag für die Offiziellen Charts zusammen, die von BBC Radio 1 vorgestellt und auf OfficialCharts.com veröffentlicht werden. [4]

Das Genesis-Album trat erstmals am 14. Oktober 1972 auf Platz 12 in die offiziellen UK-Album-Charts ein. Bereits in der folgenden Chartwoche rutschte das Album auf Platz 29 ab und hielt sich für insgesamt 7 Wochen in den Charts. Dingly Dell war dagegen bereits am 30. September erstmals in den Charts gelistet.

Wie erklärte es sich aber nun, dass Foxtrot erst nach 4 Wochen in die Charts kam? Dingly Dell schaffte das schon nach 2 Wochen, obwohl beide am selben Tag erschienen sind.

Im Grunde ist dies ganz einfach zu erklären. Beide Alben wurden erstmalig am 22. Juli in der Sounds erwähnt und erschienen dann gemeinsam am 15. September. Am 16. September werden sie in denselben zwei doppelseitigen Anzeigen im New Musical Express und in der Sounds beworben.

Bei Genesis kauften sich aber offensichtlich zuerst nur die eingefleischten Fans der Gruppe das neue Album zeitnah. Man kann davon auszugehen, dass das Album nicht sofort mit einer sehr großen Stückzahl gepresst worden ist. Vielmehr wurde stetig aufgrund steigender Nachfrage immer wieder nachgepresst. Erst die Auftritte mit Fuchsmaske und rotem Kleid am 28. und 30. September in Dublin und in London weckte das Interesse neuer Fans. Dies und die Alben-Besprechung von Jerry Gilbert am 30.09. generierte ausreichend Verkäufe für den Charteinstieg zwei Wochen später am 14. Oktober.

Bei Lindisfarne war das ganz anders. Die Band ist zum damaligen Zeitpunkt ein angesagter Top-Act mit einer großen Fanbase. Dementsprechend gut war der Verkauf des Albums ab dem Erscheinen am 15. September. Der Eintritt in Charts erfolgte dann auch erwartungsgemäß nach 14 Tagen am 30. September, auf Platz 5.

Fazit

Nach Auswertung aller vorliegenden Indizien und Belege ist für uns klar, dass Foxtrot auf keinen Fall am 6. Oktober erschienen ist, sondern im September. Foxtrot erschien in Großbritannien am 15. September 1972! Und dies zusammen mit Dingly Dell von Lindisfarne.

Übrigens: In Deutschland erschien Foxtrot später – nach den uns derzeit vorliegenden Infos am 27.10.1972.


* wir – das bedeutet ein Kern von motivierten Fans und Recherchierern (in diesem konkreten Fall haben Mic Smith, Phil Morris, Peter Schütz, Christian Gerhardts und Alexander Sturm an der Frage gearbeitet) sowie weiteren Helfern, die immer wieder wichtigen Input liefern.

Mic Smith’s Essay zu den Genesis Release Dates ist bei Genesis Movement verfügbar (die Foxtrot-Info wird mit der nächsten Aktualisierung auch dort eingepflegt).

Autor: Peter Schütz
Lektorat: Alexander Sturm/Christian Gerhardts/Helmut Janisch

Falls jemand Fragen oder Ergänzungen zu unserem Artikel hat, kontaktiert bitte Christian – das gilt insbesondere auch für die Frage nach dem deutschen Veröffentlichungstermin.

[1] Bild und Erklärungen zum Mastertape Foxtrot USA, mit freundlicher Genehmigung von Adam Gottlob,
https://genesismuseum.com
[2] https://thereeltoreelrambler.com/reel-to-reel-tape-a-beginners-guide/what-exactly-is-a-master-tape/
[3] https://www.loudersound.com/features/the-managers-that-built-prog-paul-conroy-the-man-who-helped-genesis-and-vdgg
[4] https://www.officialcharts.com/about/