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Genesis – Duke – CD Rezension

Die 80er Jahren begannen für Genesis mit einem nuen Bandgefühl. Duke wurde zu einem wichtigen Album in der Bandgeschichte – und ist vielleicht das letzte Album, dass die Prog-Fans mögen.

Mit Duke veröffentlichten Genesis im März 1980 ihr zweites Album als Trio in der Besetzung Tony Banks (Keyboards), Phil Collins (Gesang, Schlagzeug) und Mike Rutherford (Bass, Gitarre). Dieses Album dürfte endgültig die Entwicklung zur eingängigeren Pop- und Rockmusik eingeläutet haben und das nicht ohne Erfolg: Erstmals erklomm ein Genesis-Album die Spitze der britischen Charts und mit Misunderstanding befand sich sogar eine in den USA recht erfolgreiche Single auf Duke.

Nach der Tournee zum Vorgängeralbum And Then There Were Three legten Genesis 1978/79 eine schöpferische Pause ein. Nachdem sie in den vergangenen Jahren pausenlos mit der Aufnahme von Alben und Konzerten beschäftigt waren, war dies die erste längere Auszeit für die Band. Die genesislose Zeit verbrachten die drei Musiker auf unterschiedliche Weise. Während Phil versuchte, seine erste Ehe zu retten und zeitweise sogar nach Kanada auswanderte, beschäftigten sich Mike und Tony mit der Aufnahme ihrer jeweils ersten Soloalben A Curious Feeling und Smallcreep’s Day. Als Phils Ehe jedoch in Scherben lag, kam er nach England zurück und nahm in seinem Haus Demos auf, die später mal zu seinem Erfolgsalbum Face Value werden sollten. Um den Kummer zu verdrängen stürzte er sich förmlich in die Arbeit und so kam er auch Ende 1979 wieder mit Tony und Mike zusammen.

Große Teile von Duke schrieben sie in Phils Haus. Auf Duke sollte erstmals wieder mehr Wert auf Gruppensongs gelegt werden, nachdem auf den Vorgängeralben noch jeder sein eigenes Süppchen kochte. Dies hing auch damit zusammen, dass Mike und Tony ihr Material bereits für ihre Soloalben verbraucht hatten und somit fast mit leeren Händen dastanden. Phil hingegen hatte schon einige fertige Songs in der Hinterhand und präsentierte ihnen Misunderstanding und Please Don’t Askals seine Beiträge zu Duke. Die wohl besten Songs auf Duke entstanden aber allesamt in Gruppenarbeit und die Band zeigte sich sehr zufrieden damit. Tony bezeichnet Duke sogar als sein Lieblingsalbum von Genesis.

Sie mieteten sich schließlich zwischen Oktober und Dezember 1979 in den Stockholmer Polar Studios ein, um das zehnte Genesis-Album aufzunehmen. Ausführender Produzent war zum letzten Mal David Hentschel, der bei einigen Titeln auch als Background-Sänger in Erscheinung tritt.

Betrachtet man Duke etwas näher, fällt eine Art Zweiteilung des Albums auf. Zum einen wäre da die vielzitierte Duke-Suite, welche aus Behind The Lines, Duchess, Guide Vocal, Turn It On Again, Duke’s Travels und Duke’s End besteht und von allen drei Musikern zusammen geschrieben wurde. Angeblich waren diese Titel einst Teile eines großen Longtracks, der – in bester Supper’s-Ready-Manier – aus einer Folge von Songfragmenten bestand. Allerdings ist weder textlich, noch musikalisch eine „große Geschichte“ hinter diesen Songs zu erkennen und es ist nichts darüber bekannt, ob es überhaupt jemals ein übergreifendes Konzept gab. Zum anderen steuerte jedes Genesis-Mitglied noch zwei in Soloarbeit geschriebene Songs zum Album bei, so dass die Credits auf Duke insgesamt sehr homogen verteilt sind.

Duke verfügt über einen neuen, bei Genesis bisher unbekannten Sound. Dazu trägt nicht zuletzt die Instrumentierung bei: Tony Banks beschränkt sich oft auf das Klavier und verzichtet weitgehend auf abgedrehte Synthesizer-Sounds und längere Soloausflüge. Dabei tut sich besonders das Yamaha CP-80 E-Piano hervor, welches prägend für den Sound des gesamten Albums ist. Mike Rutherford besticht durch sein hervorragendes, klares Bassspiel und seine dezent, aber effektiv eingestreuten Gitarrenlinien.

Phil Collins schließlich macht auf Duke wohl seine größte musikalische Weiterentwicklung durch: Er ist nicht nur gleichberechtigter Komponist und steuert erstmals zwei eigene Songs bei, sondern auch sein ausdrucksstarker Gesang kommt auf Duke erstmals voll zum Tragen. Tony sagte dazu: „[…]erst mit Duke wurde er zum richtigen Sänger“(1). Vor allem als gefühlvoller Balladensänger tut sich Collins hier hervor. Songs wie Alone Tonight oder Please Don’t Askträgt er mit einer solchen Emotionalität und Zerbrechlichkeit vor wie man es zuvor noch nicht gehört hat. Diese Seite an ihm hängt sicher auch mit seinen privaten Problemen zusammen. Auch die Schlagzeugarbeit ist revolutionär: Die Drums rücken auf Duke wieder in den Vordergrund und Collins experimentiert viel mit erdigen und fast an Weltmusik erinnernden Rhythmen. Duke ist zudem das erste Album, auf dem Genesis eine Drum-Machine einsetzen.

Duke macht einen in sich sehr geschlossenen Eindruck und ist weit weniger Stückwerk als noch das Vorgängeralbum And Then There Were Three. Die Atmosphäre ist kühl, fast schon steril. Dies wird neben der teilweise minimalistischen Musik auch vom Artwork des französischen Künstlers Lionel Koechlin unterstrichen. Die Figur „Albert“ trottet dabei durch seine hauptsächlich in weiß gehaltene und an „Der kleine Prinz“ erinnernde Welt. Auch thematisch ist Duke ein eher nachdenkliches Album. Die Texte handeln von Aufstieg und Fall in der Showbranche, Einsamkeit und verpassten Chancen.

Die Analyse – Track by Track


Behind The Lines
Länge*: 05:31
Musik: Banks/Collins/Rutherford
Text: Banks

Das Album beginnt mit dem fanfarenartigen Intro, welches noch bestens als Opener der Turn It On Again Tour 2007 bekannt sein dürfte. Kraftvolle Drums, fette Keyboard-Akkorde und monotones Basspedal machen die ersten zwei Minuten von Behind The Lines wohl zu *der* Eröffnungssequenz schlechthin im Genesis-Schaffen. Tony bemerkte dazu: „Wenn ich es heute anhöre, dann hat die Einleitung von ‚Behind The Lines‘ das gewisse Etwas. Es ist so optimistisch.“ (2)

Nach ein paar netten Gitarrenmomenten von Mike geht es dann bei Minute 2:15 in den Gesangsteil über. Plötzlich verändert sich das Stück in eine lockere, funkige Richtung. Hier sticht vor allem der knackige Bass von Rutherford und das bereits erwähnte Pianospiel von Banks hervor. Phil singt darüber, wie er „hinter den Zeilen“ eines Buches eine Art Kontakt zu einer nicht näher bestimmten Person aufnimmt. Behind The Lines wirkt selbstbewusst und vermittelt einen Spaßfaktor, den man so bei Genesis auch noch nicht gehört hat. Nach einem kurzen Gitarrensolo geht es dann nahtlos über zu…

Duchess
Länge*: 06:25
Musik: Banks/Collins/Rutherford
Text: Banks

Duchess beginnt – nachdem der Schlussakkord von Behind The Lines verklungen ist – nur mit einem fließenden, monotonen Drum-Machine-Rhythmus und einigen Percussion-Sounds. Dann setzt Tony mit sparsam dosierten Klaviernoten ein und Mike setzt ein paar Gitarrentupfer, die an das Ende von Dancing With The Moonlit Knight erinnern. Der Titel baut sich langsam und sehr atmosphärisch auf, bis bei 1:56 eine kleine Piano-Melodie beginnt. Wenig später setzen die Drums und bei 2:23 ein kraftvoller Bass und Phils Gesang ein, was Duchess nun zu einem sehr dichten und druckvollen Kleinod macht. Der Text handelt vom Aufstieg, Erfolg und Niedergang eines weiblichen Rockstars, der Duchess. Ihre Karriere beginnt hoffnungsvoll und ohne Sorgen:

Times were good
She never thought about the future
She just did what she would
But she really cared about her music
It all seemed so important then“

Noch kann sie nur vom Erfolg träumen und kämpft sich durch das harte Musik-Business. Doch ihr Traum von Fans, die ihr auf der Bühne zujubeln, wird schon bald wahr:

„But now everytime that she performed
Everybody cried for more
Soon all she had to do was step into the light
For everyone to start to roar
And the people cried, you’re the one we’ve waited for“

Doch die Zeit vergeht, Sorgen um die Zukunft und zu viele Gedanken darüber, welche Musik ihren Fans gefallen könnte. Too much thinking ‚bout the future – And what people might want“), lassen den Glanz vergangener Zeiten vergehen. So kommt es, dass niemand mehr ihre Musik hören möchte:

„And then there was the time that she performed
When nobody called for more
And soon everytime she stepped into the light
They really let her know the score“

Alles was ihr nun noch bleibt ist die Erinnerung an vergangene, erfolgreiche Zeiten.
Duchess wird oft mit der Geschichte von Genesis selbst in Verbindung gebracht. Nach vielen Jahren harter Arbeit und ersten kommerziellen Erfolgen (Follow You, Follow Me) könnte es an der Zeit gewesen sein, in sich zu gehen und die bisherige Karriere zu reflektieren sowie in die Zukunft zu blicken. Man sollte Duchess daher vielleicht als Warnung verstehen, die eigene Herkunft nicht aus den Blick zu verlieren und dem Massengeschmack nicht zu viel Beachtung zu schenken. Scheinbar gab es zu dieser Zeit auch eine gewisse Angst in der Band, irgendwann in der Bedeutungslosigkeit zu versinken.

Für Genesis hat Duchess jedenfalls eine große Bedeutung, wie Tony Banks verdeutlicht: „Es wurde zu einem meiner Lieblingssongs von Genesis. Ich mag es, wie er aus dem Nichts kommt und wieder im Nichts verschwindet. […] Eine sehr einfache kleine Geschichte mit sehr einfachen Emotionen“. (3)

Nach diesem aufwühlenden Gesangsteil „beruhigt“ sich der Titel wieder und kommt zur Drum-Machine und den atmosphärischen Klaviernoten aus dem Intro zurück.

Guide Vocal
Länge*: 01:34
Musik: Banks
Text: Banks

Guide Vocal ist ein kurzes aber sehr gefühlvolles Stück, welches nur aus Klavier und Gesang besteht. Es schließt direkt an Duchess an und ist als Nachsatz zu den beiden vorherigen Songs oder Zwischenspiel zu verstehen. Phil spricht als unbekannte, „leitende Stimme“ eine weitere Person an, welche er nun verlassen muss. Er sieht keinen anderen Ausweg mehr und die angesprochene Person muss von nun an bis ans Ende ihrer Tage allein zurecht kommen. Unterlegt ist ist dieser Abschiedsgruß mit herrlichen Banks-Harmonien und sanften Streichern. Der Text von Guide Vocal wird später in Duke’s Travels nochmal leicht verändert aufgenommen.

Man Of Our Times
Länge*: 05:35
Musik: Rutherford
Text: Rutherford

Mit Man Of Our Times folgt nun ein kraftvoller Rutherford-Titel. Es handelt sich um ein relativ eingängiges Rockstück, welches vor allem durch seinen krummen Rhythmus und die aggressiv und rotzig-frech vorgetragenen Strophen auffällt. Phils Stimme wird dabei immer wieder mit verschiedenen Effekten verfremdet. Im Refrain wird es dann etwas wohlklingender und durch das Basspedal und die Keyboard-Akkorde sogar recht bombastisch. Doch auch wenn man die Rhythmuslastigkeit des Songs anfangs noch als willkommene Abwechslung empfindet, kann sie einem bald schon – je nach Stimmung – auf die Nerven gehen. Dieser Song will vom Sound her nicht ganz zu den übrigen Stücken auf Duke passen und wäre auf einem der späteren Alben vielleicht besser aufgehoben gewesen.

Misunderstanding
Länge*: 03:15
Musik: Collins
Text: Collins

Misunderstanding ist der Titel, mit dem Genesis ihren Durchbruch in den USA schafften. Der von Collins geschriebene Song wirkt mit seinen „Uuuhuuhuuu“s für Genesis-Verhältnisse sehr soulig. Man könnte es auch plump, simpel oder banal nennen. Allerdings ist er für eine Single mit seinem schönen Klavier und dem luftigen Schlagzeug sicher nicht schlecht gemacht. Den Amerikanern hat es jedenfalls gefallen, woran sicher auch das Video einen Anteil hatte, in dem drei lustige, in Hawaii-Hemden gekleidete Herren mit einem Pick-Up und Klavier auf der Ladefläche durch die Gegend fahren…

Heathaze
Länge*: 05:00
Musik: Banks
Text: Banks

Nach dem kurzen Ausflug in die Welt der seichteren Popmusik folgt nun eine ganz besondere Banks-Perle. Es beginnt verhalten mit einem kurzen Piano-Vorspiel, dann setzt Phil mit seinem zaghaften Gesang ein. Bald gesellen sich ein paar Gitarrenzupfer dazu. Ab 1:41 wird der Track dann richtig druckvoll und emotional. Phils wehmütiger Gesang ist ungemein berührend und Zeilen wie „Oh I feel like an alien, a stranger in an alien place“ zeigen an, dass wir es wieder mit den Themen Einsamkeit und Hoffnungslosigkeit zu tun haben. Besonders erwähnenswert ist noch das Outro ab 4:28, welches eine wunderschön perlende Gitarrenlinie beinhaltet, die mal wieder beweist, was für ein guter und geschmackvoller Rhythmus-Gitarrist Mike Rutherford doch ist. Heathaze ist insgesamt ein emotionaler Höhepunkt des Albums und reißt den Hörer mit in seinen durch verschiedene Naturbilder ausgedrückten, kargen und wehleidigen Kosmos.

Turn It On Again
Länge*: 03:51
Musik: Banks/Collins/Rutherford
Text: Rutherford

Der siebte Titel des Albums führt nun die angesprochene Duke-Suite weiter. Turn It On Again ist einer der Live-Klassiker schlechthin von Genesis und darf auf keinem Konzert seit 1980 fehlen. Durch das Stück zieht sich ein pumpender Basspedal-Rhythmus und ein von Gitarre und Keyboards stets wiederholtes Riff. Allerdings ist das ganze nicht so simpel wie es klingt, der 13/8-Takt ist durchaus dazu geeignet, um aus dem Rhythmus zu fliegen. Tatsächlich (bewusst) simpel gehalten ist hingegen der Text, der aus Sicht eines Fans/TV-Zuschauers von seiner Beziehung zu seinem Star berichtet. Turn It On Again war nicht nur das Motto diverser Genesis-Kompilationen und der letzten Tour, sondern wurde in den 1980er Jahren auch als Ausgangspunkt für ein Medley verschiedener Blues- und Rocksongs, die Genesis bei ihren Konzerten coverten, verwendet. Der Song wurde auch als Single ausgekoppelt und schaffte es sogar auf den achten Platz der britschen Charts.

Vorgesehen war Turn It On Again allerdings vorerst nur als kurze Überleitung innerhalb der Duke-Suite. Doch dann bemerkte die Band die Qualität des Songs. Tony berichtet: „Wir bauten diesen Brückenteil mit dem Titel ‚Turn It On Again‘ ein, aber als wir es anhörten, dachten wir: ‚Das ist viel zu gut, um nur eine Verbindung zu sein.‘ Also verdoppelten wir es, streckten den Refrain am Schluss in die Länge und machten daraus einen Song.“ (4)

Alone Tonight
Länge*: 03:57
Musik: Rutherford
Text: Rutherford

Die nächste Komposition aus dem Hause Rutherford – diesmal eine Ballade. Die erste Minute ist sehr ruhig gehalten, Phils Gesang wird nur von der Gitarre begleitet. Dann kommt im Refrain typischer Genesis-Bombast. Wie man beim Namen schon erahnt geht es hier natürlich um Herzschmerz. Allerdings ist das nicht so platt und kitschig wie man vielleicht befürchtet, sondern man nimmt Phil den Kummer über die Einsamkeit nach dem Ende einer Beziehung durchaus ab. Auch hier spielen seine Erfahrungen aus dem Privatleben sicher eine wichtige Rolle, die dem ganzen eine persönliche und authentische Note geben. Bei Alone Tonight fühlt man sich immer ein bisschen an Your Own Special Way von Wind & Wuthering erinnert, was ja schließlich auch aus der Feder von Rutherford stammt.

Cul-De-Sac
Länge*: 05:05
Musik: Banks
Text: Banks

Mit Cul-De-Sac(frz. für Sackgasse) folgt nun der zweite Banks-Titel. Und das hört man auch! Es wimmelt nur so vor Piano, diversen Synthesizer-Sounds, verschiedenen Harmonien und Rhythmuswechseln. Und natürlich darf auch die nötige Prise orchestralen Bombasts nicht fehlen. Der Text handelt von Soldaten, die trotz der Gewissheit in den Tod zu ziehen, den Befehlen ihrer Vorgesetzten folgen. Die wichtigste Aussage wird von Banks in gedichtartigen Versen zusammengefasst:

„After all, you’re not what you thought you were at all.
You’re just a natural fact, another cul-de-sac
On nature’s hard unfeeling trail.
And all those dreams of old will be stories left untold,
Cut off in your prime, extinct until the end of time.“

Der Titel endet in einem druckvollen Finale mit ein paar schrägen Akkorden und verklingt schließlich in ein paar einzelnen Klaviernoten. Cul-De-Sac ist sicherlich einer der progressiveren Titel auf Duke, geht aber leider ein bisschen im Kontext des Albums unter und wurde leider auch nie live gespielt.

Please Don’t Ask
Länge*: 04:02
Musik: Collins
Text: Collins

Bei Please Don’t Ask handelt es sich um eine waschechte Collins-Ballade. Hier stehen Trennungsschmerz, Melancholie und Trauer im Vordergrund. Wieder wird es sehr persönlich, Collins singt nicht nur über die Trennung von seiner Frau und dem damit verbundenen Schmerz, sondern auch darüber, wie sehr er seine Kinder vermisst und hofft, dass es ihnen gut geht:

„‚Cos I know the kids are well, yes you’re a mother to the world
Oh but I miss my boy
I hope hes good as gold“

Auch bei Please Don’t Ask bewegen sich Genesis zum Glück noch knapp oberhalb der Kitsch-Grenze und man zweifelt nicht an der Echtheit der besungenen Gefühle.

Duke’s Travels
Länge*: 08:39
Musik: Banks/Collins/Rutherford
Text: —

Duke’s Travels ist wohl der progressivste Titel auf dem gesamten Album. Es handelt sich um ein (fast) reines Instrumentalstück von über acht Minuten Dauer, was es in der Geschichte von Genesis auch nicht gerade oft gegeben hat. Nach einem Intro mit einigen Keyboard-Sounds, Beckenwirbeln und Gitarrengeschrammel setzt bei 1:30 ein Schlagzeugrhythmus ein, der an afrikanische Trommeln erinnert und einen gewissen Weltmusik-Touch hat. In der Folge gibt es einige Keyboard-Soli von Banks zu hören, der Rhythmus wird langsamer und getragener. Bei 4:44 wird es dann wieder hektisch und es folgt der Abschnitt, der bei der 2007er Tour als Teil des In The Cage Medleys verwendet wurde. Nach einigen perlenden Keyboard-Läufen und einem Gitarren-Solo von Rutherford  kommt dann bei 6:10 eine kurze Gesangsstelle, an der Collins den Text von Guide Vocalzitiert – allerdings ergänzt um die Zeile „And you kill what you don’t understand“. Mitten im Gesangsteil löst sich der hektische, galoppierende Rhythmus im sehr harmonischen, von Flächensounds dominierten Schlussteil auf. Ganz am Schluss gibt es eine „Kirmesorgel“, welche direkt überleitet zu…

Duke’s End
Länge*: 02:07
Musik: Banks/Collins/Rutherford
Text: —

Duke’s End bildet den würdigen Abschluss des Albums. Hier wird das Thema aus dem Intro zu Behind The Lines wieder aufgegriffen und in sehr kraftvoller Weise durchgeführt. Mike darf ordentlich auf der Gitarre rocken und Phil gibt alles an seinen Drums. Duke’s End und Behind The Lines bilden damit einen musikalischen Rahmen und verstärken somit den Eindruck, es mit einem sehr geschlossenen Werk zu tun zu haben. Auf der Turn It On Again Tour 2007 war das Medley aus beiden Songs genau der richtige Einstieg in ein großartiges Konzerterlebnis.

*) Die Zeitangaben beziehen sich auf die Definitive Edition Remaster-Version.

Fazit – Was bleibt?

Mit ihrem zehnten Studioalbum läuten Genesis eine neue Ära ein: Die gleichermaßen verehrte wie verhasste Pop-Phase. Auf Duke klingen Genesis modern und entschlackt; eine Entwicklung, die sie später auf dem Nachfolgealbum Abacab noch um einiges weiter treiben sollten. Dennoch bleibt auch für den Freund der progressiven Phase noch einiges übrig, so erfreuen sich Titel wie Behind The Lines, Duke’s Travels oder Heathaze in beiden Fan-Lagern großer Beliebtheit. Aufgrund der durchaus eingängigen Melodien bei gleichzeitig hohem musikalischen Können ist Duke vielleicht eines der wenigen Alben in der Genesis-Diskographie, die Fans aller Generationen zusammenführen.

Man hört an allen Ecken und Enden, dass sich Genesis auf Duke auf die neue Situation als Trio eingestellt haben. Klang der erste Dreier-Output And Then There Were Three noch wie eine lose Songsammlung, stellt Duke ein weitaus geschlosseneres und atmosphärisch dichteres Werk dar.

Nicht zuletzt ist Duke ein weiteres Etappenziel auf dem Weg in den Pop-Olymp und konnte für Genesis erste kommerzielle Erfolge verbuchen. Für Phil Collins ist Duke zudem der Durchbruch als vollwertiges Bandmitglied und Songschreiber, was ihn vielleicht auch dazu ermutigte, seine einzigartige Solo-Karriere zu starten.

Autor: Sebastian Wilken

Zitatnachweis:

(1) Chapter & Verse, dt. Ausgabe, Seite 219
(2) Chapter & Verse, dt. Ausgabe, Seite 222
(3) Chapter & Verse, dt. Ausgabe, Seite 219
(4) Chapter & Verse, dt. Ausgabe, Seite 219