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Genesis – Calling All Stations Tour 1998 – Tourbericht

Von Anfang November bis Mitte Dezember 1997 wollten Genesis in altbekannter Manier in Nordamerika ihre Tour beginnen. Doch schleppende Ticketverkäufe verbunden mit technischen Problemen führten dazu, dass dieser Tourabschnitt erst auf unbestimmte Zeit verschoben, dann komplett gestrichen wurde. Erstes Konzert der Tour wurde damit das am 29. Januar 1998 in Budapest.

Zunächst noch einmal kurz die Vorgeschichte. Die ersten Liveauftritte von Genesis ohne Phil Collins fanden am 26. und 28. August in Berlin bzw. Cape Canaveral statt, um Werbung für das neue Album zu machen. Es wurden jeweils vier Stücke akustisch gespielt: No Son Of Mine, Not About Us, Lovers‘ Leap und Turn It On Again.

    Von Anfang November bis Mitte Dezember 1997 wollten Genesis in altbekannter Manier in Nordamerika ihre Tour beginnen. Doch schleppende Ticketverkäufe verbunden mit technischen Problemen führten dazu, das dieser Tourabschnitt letztendlich auf unbestimmte Zeit verschoben wurde. Erstes Konzert der Tour wurde damit das am 29. Januar 1998 in Budapest.

    Zuvor traten Genesis aber noch zweimal auf. Am 15. November 1997 spielten sie in Kopenhagen erstmals einen kurzen nichtakustischen Set für das dänische Radio vor kleinem Publikum. Es folgte am 13. Dezember ’97 ein etwas längerer Auftritt von ca. 80 Minuten in Paris für Radio RTL mit folgendem Set: No Son Of Mine, Congo, Land Of Confusion, Small Talk, Mama, Not About Us (akustisch), Dancing With The Moonlit Knight (Kurzform, akustisch), Follow You Follow Me (akustisch), Lovers‘ Leap (akustisch), Calling All Stations, Invisible Touch, Shipwrecked, Alien Afternoon, Turn It On Again.

    Kurz vor Beginn der Tour wurde die komplette Show einem ausgewählten Publikum, bestehend aus Journalisten und Fanclubmitgliedern aus ganz Europa, vorgestellt. Dieser „warm up gig” fand am 23. Januar ’98 in den Filmstudios in Bray (nahe Maidenhead) in England statt, wo Genesis in den drei Wochen davor mit kompletter Bühne geprobt hatten. Zu hören und zu sehen war ein Set, wie er in abgewandelter / teils gekürzter Form auch bei den folgenden „offiziellen” Konzerten gespielt wurde:
No Son Of Mine
Land Of Confusion
The Lamb Lies Down On Broadway
Calling All Stations
Hold On My Heart
That’s All
There Must Be Some Other Way
Domino
Carpet Crawlers
Firth Of Fifth (Instrumentalteil)
Congo
Home By The Sea / Second Home By The Sea
Dancing With The Moonlit Knight (Kurzform, akustisch)
Follow You Follow Me (akustisch)
Lovers‘ Leap (akustisch)
Mama
The Dividing Line
Invisible Touch
Turn It On Again

Zugaben:
Throwing It All Away
I Can’t Dance

Bemerkenswert waren hier zwei Stücke: Hold On My Heart, das auf wenig Zustimmung in der Halle stieß, und That’s All. Aufgrund des doch sehr kritischen Publikums und weil die Band einfach in dieser Zusammenstellung noch recht unerprobt war, war die Stimmung auf und vor der Bühne zwar gut, aber oft etwas zurückhaltend. Nach dem Gig mischten sich die Bandmitglieder unter die Fangemeinde und Presse und gaben Interviews und Autogramme.

Am 29. Januar begann die Tournee. Genesis führte der Weg zunächst in den Osten Europas nach Budapest, Kattowitz und Prag, bevor die Tour im deutschsprachigen Raum, in Italien, Frankreich und schließlich in England Station machte.

Nun, wie liefen diese ersten Konzerte ab? Als erstes fiel wohl vielen Konzertbesuchern die Bühne auf. Im Unterschied zu den letzten Tourneen von Collins und Gabriel war sie konventionell an einer Kopfseite der Halle aufgebaut. Wer von der englischen Congo-CD-Single die Videoanimation kannte, wußte über die ausgeklügelten Bühnenbaupläne (siehe auch entsprechendes Special unter diesem Link) Bescheid und wunderte sich nun, wo denn die „versprochenen” zwölf neuen Großbildschirme waren. Tatsächlich hatten Genesis nur die drei von der letzten Tour bekannten Jumbotron-Screens im Gepäck, und diese waren unbeweglich hinter der Bühne montiert. Ansonsten sah alles schon in etwa so aus wie angekündigt, mit Plexiglasboden und -podesten auf Aluminiumrohr-Gestänge.

Da der Set während der bisherigen Konzerte nur wenig geändert wurde, wollen wir uns ein typisches Konzert in Deutschland genauer ansehen und später auf die Umstellungen oder Besonderheiten anderer Gigs eingehen.

Die Shows begannen mehr oder weniger pünktlich mit No Son Of Mine. Genesis setzen damit die alte Tradition fort, die Show mit einem Hit des letzten Albums (vor dem aktuellen) zu beginnen. So mancher Fan wird sicher mit großen Zweifeln zu den Konzerten gegangen sein. Doch mit dem Opener hatten Genesis ’98 wohl bereits einen Großteil des Publikums (wieder) auf ihrer Seite. Obwohl drei neue Musiker auf der Bühne agierten, waren sie doch immerhin so positioniert, wie man es von Genesis gewohnt ist, mit (aus Sicht des Publikums) dem (Live-)Gitarristen ganz links, rechts daneben Mike, dann der Sänger, rechts außen Tony und in zweiter Reihe der Schlagzeuger.

Es folgte Land Of Confusion, das wie No Son Of Mine kaum von der 1992er Live-Version abwich.

Nach diesem wenig überraschenden Beginn dann ein erstes Highlight: The Lamb Lies Down On Broadway wurde von Tony mit einem etwas merkwürdig gespielten Intro eingeleitet. Ray überzeugte auch hier, und man konnte Anthony Drennan zum ersten Mal an der Gitarre sehen, während Mike den Baß zupfte. Das Stück wurde in kompletter Länge gespielt, was Genesis zuletzt immerhin 1982 taten.

Es folgte die Premiere der Großbildschirme, die bis dahin hinter einem Vorhang verborgen waren. Calling All Stations war das erste Stück des aktuellen Albums, und die Band stellte nicht nur unter Beweis, dass man es so gut wie auf dem Album spielen konnte, sondern auch, daß der Titel um Welten besser ist, wenn er einen richtigen Schluss hat, anstatt ausgeblendet zu werden.

Gleiches gilt auch für das folgende Alien Afternoon. Mike und Anthony spielten, wie auch bei Calling All Stations und dem folgenden Titel, beide Gitarre, hier jedoch nur im zweiten Teil. Auffallend auch Tonys Hintergrundgesang während des Refrains.

Nach einer kurzen Erklärung Rays, dass man vor der Tour durch eine Fragebogen-Aktion die beliebtesten Titel vom Publikum erfragt habe und der folgende einer der am häufigsten gewünschten nach No Son Of Mine sei, ging die Zeitreise erneut zurück ins Jahr 1974. Carpet Crawlers wurde von Ray auf einem Barhocker sitzend dargeboten und stellte eine wahre Bereicherung des Sets dar.

Und wieder ein kleiner Zeitsprung von 23 Jahren hin zu einem Titel des neuen Albums, zu There Must Be Some Other Way, was laut Ray der erste Text war, der ihm spontan beim Vorsingen einfiel.

Weiter ging es mit Domino, das, wie praktisch alle Stücke der Collins-Ära, wie gewohnt ablief. So waren die Video-Einspielungen identisch, und Ray wurde wie Phil anno ’92 zur „Blood on the windows”-Passage per Hydraulikgerät vor den mittleren Screen gehievt. Insgesamt wirkte das Stück aber härter, was auch auf andere Titel zutraf. Wie schon bei früheren Touren war Domino eines der Highlights des Konzertes.

Shipwrecked leitete Ray damit ein, dass er bei einem kleinen Radio, das er nah ans Mikro hielt, verschiedene Sender durchprobierte auf der Suche nach Genesis, was schließlich – na klar – im Intro zu dem Song endete.

Es folgte eine seltsame Version von Firth Of Fifth. Die Strophen wurden weggelassen, und einem I Know What I Like-ähnlichen Schlagzeugintro folgte lediglich der instrumentale Mittelteil. Anthony Drennan stand hierbei erstmals richtig im Rampenlicht, aber völlig überzeugen konnte er mit seinem Gitarrensolo nicht. Wie schon Daryl, spielte auch er nicht die Hackett-Original-Version, wobei er aber am Anfang und Ende seines Parts nahe daran war. Mike bediente derweil, wie beim folgenden Stück, den Bass.

Ein ausgedehntes Congo zeichnete sich durch ein Drum-Intro und Dschungel-Illustrationen auf den Screens aus. Wie bei manch anderem Titel des neuen Albums war die Liveversion auch hier noch besser als das Original.

Daraufhin versuchte Ray in Phils Fußstapfen als Geschichtenerzähler zu treten. Er stellte dem Publikum die imaginären Freundinnen der Bandmitglieder vor – in Wahrheit die vier auf- und abfahrenden Lichtsäulen auf der Bühne -, um schließlich den Übergang zu Home By The Sea / Second Home By The Sea zu finden. Wie schon bei Domino war die ’98er Liveversion zwar nichts Neues, aber dennoch wie immer eindrucksvoll. Immerhin war ein Teil der Videoanimationen neu.

Nun wurden von Roadies einige Mikrofonständer und vier Hocker an Rays Platz gebracht, und es folgte der „Unplugged”-Teil des Abends, bei dem Anto, Mike und Tony Akustikgitarren spielten, Nir ein wenig mit Percussions herumspielte und Ray sang. Dargeboten wurden die Anfangspassage von Dancing With The Moonlit Knight (mit einem überzeugenden Anto), eine Lagerfeuerversion von Follow You Follow Meund der erste Teil von Supper’s Ready, Lovers‘ Leap. Vereinzelte Publikumsschreie nach der Textzeile „Hasn’t it?”, die nach dem ganzen Stück verlangten, bedürfen wohl keines weiteren Kommentars. Im Verlauf des Konzertes kam ganz klar rüber: Supper’s Ready und Firth Of Fifth – das waren Mike und Tony mal, das sind sie heute aber nicht mehr. Es ist, als würden sie sich selbst nachspielen, wie ein Rückblick in ein früheres Leben.

Ein weiteres Beispiel für gekonnte Umsetzung eines eigentlich Phil Collins auf den Leib geschriebenen Titels durch Ray folgte mit Mama. Dreckiger als Ray hätte Phil auch nicht im diffusen grünen Scheinwerferlicht lachen können. Mike, Tony und Ray bestritten die erste Hälfte des Songs übrigens allein auf der Bühne. Nir und Anto stießen erst zur zweiten Hälfte hinzu.

Das folgende The Dividing Line steht nicht nur in seiner Albumversion bei den Fans hoch in der Gunst, sondern es war auch live eine der stärksten Nummern. Extensiv „duellierten” Anto und Mike zu Beginn an der Gitarre. Im Mittelteil gab Nir Z ein phantastisches ausgedehntes Schlagzeugsolo zum besten, bei dem man zwar hin und wieder den Eindruck hatte, er hätte leichte Timing-Probleme, das aber seine Fähigkeiten mehr als unter Beweis stellte.

Gegen Ende der Show wurde dann leider ein Programm geboten, das dem Konzertverlauf bis dahin nicht gerecht wird, da man auf Nummer Sicher setzte und dem Publikum noch einmal ein paar Nummern darbot, die eigentlich nicht mehr zur aktuellen Band passen. Invisible Touch ist einfach zu sehr ein Collins-geprägter Titel, als dass Ray ihm ein neues Gesicht geben könnte. So sang er denn auch exakt wie Phil, ohne überhaupt den Versuch zu machen, zu variieren.

Den regulären Set beschloß Turn It On Again, das man schon langsam wirklich nicht mehr hören kann, da es seit 1980 fortwährend bei jeder Tour gespielt wird.

Über die beiden Zugaben konnte man sich dann auch nicht mehr so richtig freuen. Für Throwing It All Away gilt quasi das Gleiche wie für Invisible Touch – man sah und hörte zwar Ray, aber es klang und sah aus wie Phil. Zudem hätte vermutlich jeder im Publikum andere Stücke lieber gehört als diese beiden.

Der Rausschmeißer I Can’t Dance kann eigentlich nur als Versuch der Band gesehen werden, zu beweisen, dass man sich auch selbst veralbern kann. Daran ändert auch Rays gut gemeinter Versuch nichts, dem Ganzen einen neuen optischen Touch zu geben, indem er mit einer Tanzpartnerin, die er sich jeweils aus dem Publikum holte, ein paar „dancing lessons” auf der Bühne absolvierte. Ein für Genesis neues Musikinstrument brachte Ray dann am Ende noch ins Spiel: er blies ein paar Takte auf der Mundharmonika.

So endeten die Konzerte dann leider mit gemischten Gefühlen. Zum einen hat die Show viele Highlights und einige Momente, wie sie seit langem nicht mehr bei Genesis zu beobachten waren. Andererseits griff man genauso häufig auf altbewährte Mittel (und Songs) zurück. Mit Chester, Daryl und vor allem Phil ging für viele Genesis-Fans viel Kult verloren, und das ist schade. Wenn es aber gelingt, von dem Vergangenen loszulassen und sich auf die „Newcomer”-Band Genesis einzulassen, dann läßt sich die Wehmut überwinden. Ray Wilson vermochte zu überzeugen, auch wenn er sich manchmal mehr vom Collins-Typischen wegtrauen sollte. Nir Z spielte frisch und engagiert. Anthony Drennan agierte etwas unaufällig, bewies aber mehrfach, daß er sowohl am Bass wie an der Gitarre einiges zu leisten vermag. Tony und Mike stehen mit ihrer neuen Gefolgschaft halt erst am Anfang einer neuen Epoche, und der ganze Verein braucht seine Zeit, um zusammenzuwachsen.

Nun noch ein paar Worte zu Besonderheiten und Set-Changes anderer Konzerte.

Beim Auftakt-Gig in Budapest spielten Genesis noch ein letztes mal Hold On My Heart. Danach verschwand es aus dem Set.

Die folgenden Konzerte liefen wie zuvor beschrieben ab. In Zürich allerdings wurde Mama nicht gespielt, und damit deutete sich schon an, dass es Änderungen im Set geben würde. In Rom fehlten Alien Afternoon und There Must Be Some Other Way im Programm, in Mailand sogar zusätzlich Throwing It All Away. Danach fand die Band zu einem regulären Set zurück und spielte ab Birmingham bei allen uns bekannten Konzerten folgende Titel: No Son Of Mine, Land Of Confusion, The Lamb Lies Down On Broadway, Calling All Stations, Carpet Crawl, There Must Be Some Other Way (oder stattdessen Alien Afternoon), Domino, Firth Of Fifth(Instrumentalteil), Congo, Home By The Sea / Second Home By The Sea, Dancing With The Moonlit Knight (Kurzform, akustisch), Follow You Follow Me (akustisch), Lovers‘ Leap(akustisch), Not About Us (akustisch), Mama, The Dividing Line, Invisible Touch, Turn It On Again; Zugaben: Throwing It All Away, I Can’t Dance.

Bemerkenswert ist hierbei das Weglassen von Shipwrecked und Hinzufügen von im Akustik-Block (vermutlich weil Not About Us Shipwrecked als aktuelle Single ablöste).

Teilweise fand die Show ohne Einsatz der Großbildschirme statt (z. B. Budapest und Wien).

In Berlin fiel mitten in Mama für einige Zeit der Rhythmus aus, und bei Domino vergaß Ray sein Mikro im Ständer am Bühnenrand, als er nach hinten ging, um sich vor die Screens heben zu lassen – ein Roadie holte es ihm gerade noch rechtzeitig.

THE FINAL STATIONS

    Mit den Auftritten bei den beiden großen deutschen Pfingst-Open-Airs, Rock am Ring (Nürburgring) und Rock im Park (Nürnberg), setzten Genesis den Schlusspunkt dieser Tour, die die Band nicht über Europa hinausgeführt hat. Nordamerika und andere Teile der Welt gingen diesmal leer aus.
    Was gibt es zu den Konzerten der letzten Tour-Periode zu sagen, was nicht schon im ersten Teil dieses Artikels erwähnt wurde? An sich nicht viel. Bühnenaufbau und Set wurden nicht mehr verändert. Lediglich die Band selbst schien nun mehr zueinander gefunden zu haben, als das im Februar der Fall war. Das Gruppenklima war offensichtlich entkrampfter, und die nötige Routine, um eine Show wirklich perfekt ablaufen zu lassen, war eingekehrt. Insbesondere die Newcomer Anthony, Nir und Ray agierten noch selbstbewußter.
    Ein kleines Highlight und ein absoluter Tiefpunkt zeichnete dieses Tourfinale dann doch noch aus. Das Konzert in München fand an Tony Banks‘ 48. Geburtstag statt. Sicher waren einige Fans speziell aus diesem Grund zu dem Konzert in die Olympiahalle gekommen. Sie wollten mit Tony „feiern” und den üblicherweise auf der Bühne recht emotionslos agierenden Keyboarder wenigstens einmal dabei erwischen, dass er sich bei den zu erwartenden „Happy Birtday”-Gesängen zu einem Zeichen ans Publikum durchringt. Diese wurden erstmals von den Zuschauern angestimmt, als Ray beim Intro zu Home By The Sea Tonys „imaginäre Freundin” vorstellte. Aber Tony und insbesondere Ray reagierten nicht so recht darauf. Die Erklärung folgte wenig später, als sich die Band wie gewohnt zum bevorstehenden Akustik-Set im Halbkreis formierte. Nir hatte auf seinem Weg von den Drums nach vorne eine gigantische Geburtstagstorte vom Konzertveranstalter Rieger in Empfang genommen, die er Tony unter dem von Ray und dem Publikum angestimmten Geburtstagsständchen übergab. Es flogen Blumensträuße und Kuscheltiere in Tonys Richtung, aber dieser ließ sich zu nicht mehr als einem breiten Grinsen hinreißen, bevor das Programm fortgesetzt wurde. Im Backstage-Bereich wurde nach der Show dann doch noch ein wenig gefeiert, und zu den Gratulanten gehörte u. a. Brian May. Aber auch Mechanics-Drummer Gary Wallis wurde auf dem Weg hinter die Bühne gesichtet.

    Das Konzert am 31. März in Bielefeld war als Zusatztermin nachgeschoben worden, und so nutzten viele Fans, denen es nicht möglich gewesen war, Karten für andere Gigs zu bekommen, oder die Genesis ganz einfach einmal mehr sehen wollten, die Gelegenheit und begaben sich in die Seidenstickerhalle. Diese füllte sich rasch, und jeder erwartete ein gutes Konzert. Doch dann wurde es später und später, und nachdem der Auftritt eigentlich schon vor einer Weile hatte beginnen sollen, betraten zwei Herren – vom örtlichen Veranstalter und von Peter Rieger – die Bühne, um zu erklären, dass das Konzert nicht stattfinden könne, da Ray große Stimmprobleme habe. Der Termin würde im Mai nachgeholt werden, hieß es weiter. Das Publikum reagierte darauf natürlich mit großer Enttäuschung, teils auch mit Ärger, verließ dann aber doch nach und nach die Halle. Was zu diesem Zeitpunkt niemand wußte, da es erst am anderen Tag bekanntgegeben wurde, war, daß die Veranstaltung überhaupt nicht nachgeholt werden würde. Es wäre zu aufwendig gewesen, das ganze Tour-Equipment etc. mehrere Wochen nach Ende der Tour für nur ein Konzert noch einmal nach Bielefeld zu bringen. Die Eintrittsgelder wurden zwar erstattet, aber wen konnte das schon über ein entgangenes Konzert hinwegtrösten. Auf Zuschriften erboster Fans reagierte die Plattenfirma mit einer offiziellen Pressemitteilung. Ray selbst war die Sache wohl ebenfalls unangenehm, denn in einem Brief an unseren Club hat er sich kurze Zeit später auch dazu geäußert.
    Die letzte Chance, Genesis mit dem Calling All Stations-Programm noch einmal live zu erleben, bot sich am Pfingst-Wochenende bei den Open-air-Festivals in Deutschland. Am 30. Mai bei Rock am Ring und am 31. Mai bei Rock im Park traten Genesis jeweils als Co-Headliner nach Bob Dylan auf und beendeten den jeweiligen Festival-Tag mit ihrem Gig. Die Großbildschirme kamen wieder zum Einsatz, der Set war jedoch kürzer als bei den „regulären” Konzerten zuvor. So spielten Genesis bei Rock am Ring Calling All Stations, Land Of Confusion, No Son Of Mine, Domino, Congo, Home By The Sea / Second Home By The Sea, Dancing With The Moonlit Knight (Kurzform, akustisch), Follow You Follow Me (akustisch), Not About Us (akustisch), Mama, The Dividing Line, Invisible Touch, Turn It On Again, Throwing It All Away und I Can’t Dance. Ähnlich sah es Tags darauf bei Rock im Park aus, wo der Set aus Land Of Confusion, Calling All Stations, No Son Of Mine, Domino, Congo, Home By The Sea / Second Home By The Sea, Dancing With The Moonlit Knight (Kurzform, akustisch), Follow You Follow Me(akustisch), Lovers‘ Leap (akustisch), Mama, The Dividing Line, Invisible Touch, Turn It On Again, Throwing It All Awayund I Can’t Dance bestand. Die Stimmung im Publikum war übrigens – trotz teils strömenden Regens – bei beiden Auftritten sehr gut.

Genesis haben mit dieser Tour bewiesen, dass es auch in puncto Liveshows ein „Leben nach Collins” gibt. Von der Bandphilosophie, wonach jede Tour eine Weiterentwicklung der vorangegangenen sein soll, mußte man sich, zumindest diesmal, jedoch verabschieden. Was Bühnenbau, Show und Licht angeht, haben Genesis erstmals seit langem kleinere Brötchen gebacken, und auch, was Zuschauerzahlen angeht, blieben die Rekorde der We Can’t Dance-Tour unangefochten. Eine zunächst verschobene, dann ganz stornierte US-Tour spricht für sich. Aber trotzdem, Genesis als Liveact waren ’98 nicht schlechter als ’92. Man darf nicht vergessen, dass es sich hier quasi um eine andere Band handelt. Noch viel mehr als im Studio bestimmten hier neue Musiker den Weg. Daß es trotzdem über weite Strecken so klingt und aussieht wie seit eh und je ist erstaunlich. Bleibt zu hoffen, daß uns diese neue „Genesis-Generation” noch lange erhalten bleibt und nicht zu einer Session-Band rund um Tony, Mike und Ray wird, die mit ständig wechselnder Besetzung ins Studio und auf Tour geht. Wenn Genesis zusätzlich auch noch die Intervalle zwischen zwei Alben bzw. Tourneen verkürzen könnten, wäre wohl jeder zufrieden. Aber wie dem auch sei, die nächste Genesis-Tour kommt bestimmt …  

Autoren: Helmut Janisch/Bernd Vormwald